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Philipp III, von Macedonien hielt sich länger: er war hinter unzugänglichen Gebirgen verschanzt; er besaß als Vorhut die Leute, welche man bis dahin als die ersten Soldaten der Welt betrachtet hatte: die Fußgänger von Epirus, die Reiter von Thessalien; er besaß die Fesseln Griechenlands, wie Antipater sagte. d. h. die Plätze Elatea, Chalkis, Korinth und Orchomenos, er hatte ganz Griechenland als Arsenal, als Kornkammer, als Schatz; doch das war ein geächtetes Haupt, ein Feind, den man vertilgen mußte; einen Augenblick hatte er sich mit Hannibal verbunden!

Rom schickte ihm Flaminius, einen in die Haut eines Löwen genähten Fuchs. Flaminius kam nach Griechenland drückte den Abgeordneten, die ihm entgegengingen, die Hand, umarmte die Gesandten, die man zu ihm schickte; er umarmte und schmeichelte so lange, bis man ihm Führer gegeben hatte, um den Engpaß von Antigene zu umgehen, der das Thor von Macedonien war, und als er sich jenseits des Engpasses befand, zog er das Schwert und zermalmte Philipp in der Schlacht von Kynokephalos.

Philipp unterzeichnete den Frieden, und indem er ihn unterzeichnete, verzichtete er auf alle seine Ansprüche aus Griechenland.

Das waren die wunderbaren Siege, von denen Judas Maccabäus hatte erzählen hören, und die ihn bestimmten, Eupolemus und Jason zum römischen Volke mit dem Titel und der Vollmacht von Gesandten zu schicken.

Sie verbeugten sich und sprachen:

»Judas Maccabäus und seine Brüder und das jüdische Volk haben zu Euch gesandt, einen Frieden und Bund mit Euch zu machen, daß Ihr uns in Schutz nehmen wollet als Freunde und Bundesgenossen.«

Die Rede war kurz; so liebte es Rom. Der Vorschlag wurde angenommen, und der Senat ließ den Bund aus messingene Tafeln schreiben, die er nach Jerusalem schickte zu einem Gedächtniß des ausgerichteten Friedens und Bundes. Und die Worte der Tafeln lauteten also:

»Gott gebe den Römern und den Juden Glück und Frieden zu Lande und zu Wasser und behüte sie vor Krieg und Feinden ewiglich.

»Wo aber die Römer Krieg haben würden zu Rom oder in ihren Ländern und Gebieten, so sollen die Juden den Römern getreulich Hilfe thun, darnach es die Noth fordert.

»Und sollen der Römer Feinden nicht Speise, Waffen, Geld, Schiffe und andere Dinge zuschicken.

»Dagegen auch, so die Juden Krieg haben werden, sollen ihnen die Römer getreulich helfen, darnach es die Noth fordert u. s. w.

»Also ist der Bund zwischen den Römern und den Juden aufgerichtet.«

Und was die Uebel betrifft, welche der König Demetrius dem jüdischen Volke zugefügt, so schrieb der Senat dem König also:

»Warum plagest Du unsere Freunde und Bundesgenossen?

»Wo sie weiter über Dich klagen werden, so müssen wir sie schützen, und wollen Dich zu Lande und zu Wasser angreifen.«

Als aber die Gesandten nach Judäia zurückkamen, fanden sie Judas todt und Jerusalem genommen.

Demetrius hatte gegen sie ein zweites Heer abgeschickt. Dieses zweite Heer, bestehend aus zwanzigtausend Fußgängern und zweitausend Pferden, lagerte sich bei Berea.

Judas zog ihm mit dreitausend Mann entgegen und schlug sein Lager bei Lais auf.

Doch am Tage darauf, als die zwei Heere einander gegenüber standen, wurden die meisten Leute von Judas Maccabäus von einem gewaltigen Schrecken ergriffen und verließen ihn.

Judas blieb mit achthundert Soldaten; diese waren aber die Starken.

Sie waren es, die angriffen.

Sie griffen den rechten Flügel, die macedonische Legion, an und durchbrachen ihn; die übrigen griechischen Truppen wagten es nicht, dem rechten Flügel Hilfe zu bringen; man glaubte, man habe es mit einer Vorhut zu thun, und wartete aus den Rest des Heeres. Endlich bemerkte man, daß man es nur mit Judas und seinen achthundert Mann zu thun hatte. Das griechische Heer schloß sich wieder hinter ihnen und umzingelten sie. Alle wurden getödtet. Rom hörte das Geräusch des Falles von diesem neuen Bundesgenossen, ohne zu vermuthen, daß ein zweiter Achilles fiel, daß ein zweiter Leonidas starb, setzte seinen Lauf fort und verfolgte sein Glück.

Scipio Aemiliamis eroberte ihm vollends das Küstengebiet von Afrika, Pompejus eroberte ihm Syrien und den Pontus; Marius Numidien, Julius Cäsar Gallien und England; endlich erbt es Bitbynien von Nikomedes, Pergamon von Attalus, und Lydien von Appio. Nun ist es allerdings der alleinige Herr, der unumschränkte Gebieter des großen Sees, den man das Mittelländische Meer nennt, – dieses wunderbaren Bassin, gegraben für die Civilisation aller Zeiten, für den Nutzen aller Völker, dieses Spiegels, in welchem nach und nach Kanobos, Tyrus, Sidon, Carthago, Alexandria, Athen, Sybaris, Rhegium, Syracus, Selinunt, Massilia wiederstrahlten, und wo es nun selbst majestätisch, mächtig wiederstrahlt. Um diesen See, in einer Entfernung von ein paar Tagereisen, sind die drei einzigen bekannten Welttheile: Europa, Afrika, Asien, gruppirt; mittelst dieses Sees geht es zu Allen und überallhin: auf der Rhone in das Herz Galliens, auf dem Eridan in das Herz Italiens, aus dem Tajo in das Herz Spaniens; durch die Meerenge von Cadiz nach der großen See und zu den Cassideriten-Inseln; durch die Meerenge von Sestos nach dem Pontus Euxinus, d.h. nach der Tartarei; auf dem rothen Meere nach Indien, Thibet, China, nach der Südsee, d.h. zur Unermeßlichkeit; auf dem Nil nach Memphis, Elephantine, Aethiopien, in die Wüste, d.h. zum Unbekannten!

Dann bleibt es, über sich selbst erschrocken, stehen und wartet.

Woraus wartet es?

Soll die Natur einen Befreier gebären, so haben die Völker das Vorgefühl davon; die Erde, diese gemeinschaftliche Mutter Aller, bebt bis in ihren Eingeweiden, die Horizonte werden weiß und vergolden sich wie beim Sonnenausgang, die Menschen suchen mit den Augen den Punkt, wo die Erscheinung statthaben soll.

Rom wartete, wie das übrige Weltall, aus diesen von Daniel prophezeiten und von Virgil verkündigten Gott, dem es zum Voraus einen Altar unter dem Namen des unbekannten Gottes – Deo ignoto – errichtet hatte.

Nur fragte es sich: wer wird dieser Gott sein? von wem wird er geboren werden?

Die alte Tradition der Welt sagt, gefallen durch das Weib, werde das Menschengeschlecht einen von einer Jungfrau geborenen Erlöser haben.

In Thibet und in Japan wird der mit dem Heile der Nationen beauftragte Gott Fo seine Wiege im Schooße einer weißen Jungfrau wählen.

In China soll eine durch eine Blume befruchtete Jungfrau einen Sohn gebären, der der König des Weltalls sein wird.

In den Wäldern Bretanniens und Germaniens, wohin sich ihre verscheidende Nationalität geflüchtet hat, erwarten die Druiden einen von einer Jungfrau geborenen Erlöser.

Die heilige Schrift endlich verkündigt, ein Messias werde in den Seiten einer Jungfrau zu Fleisch werden, und diese Jungfrau werde rein seyn wie der Thau der Morgenröthe.

Denn alle Völker dachten, es bedürfe eines jungfräulichen Schooßes, um dem Gotte der Zukunft einen seiner würdigen Aufenthaltsort zu geben.

Wo wird nun dieser Gott geboren werden? Völker, schaut gen Jerusalem.

Erstes Kapitel.
Der Mann mit dem Wasserkruge

Damit der Leser, nach achtzehnhundert Jahren und durch die Krümmungen einer Stadt, die er nicht kennt, der Erzählung der großen Ereignisse folgen kann, zu deren demüthigem Geschichtsschreiber wir uns machen wollen, muß er uns erlauben, mit ein paar Worten zu sagen, was Jerusalem war im neunzehnten Jahre der Regierung von Tiber, unter der Statthalterschaft von Pontius Pilatus, dem sechsten Judäa durch die römische Herrschaft vorgesetzten Procurator, zur Zeit, da Herodes Antipas Tetrarch von Galiläa und Kaiphas Oberpriester des Jahres.

Die Mauer von Nehemia umgab die Stadt immer noch mit ihrem steinernen Gürtel; sie bot einen Umfang von dreiunddreißig Stadien, was einer Meile von unserem modernen französischen Maße entspricht; sie wurde beherrscht durch dreizehn Thürme, und es öffneten sich zwölf Thore auf ihren vier Seiten.

Vier öffneten sich auf der östlichen Seite dieser Mauer, die sich längs dem Thale Josaphat hinzog und vor dem Oelberge erhob, von dem sie durch den Bach Kidron getrennt war.

Diese vier Thore waren: das Mistthor, das Thalthor, das goldene Thor und das Brunnenthor.

Das erste ging gegen den Drachen-Brunnen, so genannt von dem ehernen Drachen, der ihn überragte und das Wasser durch seinen Rachen ergoß.

Das zweite erhob sich in der Richtung des Dorfes Gethsemane, wo sich eine Menge von Oelkeltern fand, und von diesen Keltern hatte Gethsemane auch seinen Namen.

Das dritte und das vierte führten zu einer über den Bach Kidron gebauten Brücke, jenseits welcher der Weg sich in zwei Aeste theilte, von denen der reckte nach Eugeddi und dem todten Meere und der linke zum Jordan und nach Jericho ging.

Zwei Thore öffneten sich auf der südlichen Seite, den Bach Gihon beherrschend; das war das Thor der Gärten des Königs, gewöhnlich Gartenthor genannt, welches Ausgang für die Citadelle gewährte, und das Thor des Hohenpriesters, welches Ausgang für den Palast von Kalphas bot. Das erste führte zum oberen Fischteiche und zum Berge Eroge, durch das zweite gelangte man zum Wege nach Bethlehem und nach Hebron.

Drei öffneten sich auf der westlichen Seite, die Schlucht der Leichen beherrschend; das waren das Fischthor, das Richtthor und das Thor von Genath.

Wenn man zum ersten hinaus ging, fand man in einer Entfernung von kaum fünfzig Schritten vier Straßen: die erste links, welche sich um die Mauer der Stadt zog, war derselbe Weg von Bethlehem nach Hebron, zu dem man gelangen konnte, wenn man die Stadt durch das Thor des Hohenpriesters verließ; die zweite, auch links, war die Straße nach Gaza und Aegypten; die dritte war die nach Emmaus; die vierte die nach Joppe und dem Meere.

 

Ging man zum zweiten Thore hinaus, so fand man Weg nach Silo und Gabaon, der sich nordöstlich erstreckte und links das Grab des Hohenpriesters Ananias, rechts die Schädelstätte ließ.

Das dritte, welches ein Ausgang des Palastes von Herodes. öffnete sich einzig und allein für die Herren und Diener dieses Palastes, da es aber nur durch ein Gitter verschlossen war, so konnte man durch die Stangen dieses Gitters die herrlichen Gärten des Tetrarchen sehen, mit ihren Alleen von Obstbäumen, ihren viereckigen Beeten von seltenen Pflanzen und balsamisch dustenden Blumen, ihren Gruppen von Fichten, Palmbäumen und Sykomoren, von denen der Schatten herabfiel, mit ihren Kühle verbreitenden Springquellen, ihren Bassins voll von Schwanen und ihren in Truppen durch die Bäume, die Pflanzen und Blumen umherspringenden Gazellen.

Drei Thore öffneten sich endlich auf der nördlichen Seite; das waren: das Thor der Frauenthürme, das Ephraimsthor und das Benjaminsthor.

Das erste von diesen Thoren führte zu Gärten und einem Walde von Obstbäumen! das zweite zur Straße nach Samaria und Galiläa; das dritte endlich zum Wege nach Anatot und Bethel.

Die dreizehn Thürme hießen: der erste der Thurm der Oefen, der zweite der Eckthurm, der dritte der Hananeelthurm, der vierte der hohe Thurm, der fünfte der Thurm Meah, der sechste der große Thurm, der siebente der Silothurm, der achte der Davidsthurm, der neunte der Psephinethurm, und die vier letzten endlich, – welche die vier Ecken des Thors, dem sie ihren Namen gaben, deckten, die Frauenthürme.

Diese allgemeine, von zwölf Thoren durchbrochene und von dreizehn Thürmen überragte, Ringmauer umschloß vier verschiedene Städte, von denen jede von der benachbarten Stadt durch eine Jerusalem in seiner ganzen Länge durchschneidende Mauer getrennt war, eine Mauer, welche selbst wiederum Verbindungsthore hatte, die von einer Stadt in die andere führten, und sich von Westen nach Osten in einer vollkommen geraden Linie erstreckte.

Diese vier Städte, die wir in der chronologischen Ordnung, in welcher sie gebaut wurden, nehmen wollen, waren: Die Obere Stadt oder die Stadt Davids.

Sie enthielt die Paläste von Annas und Caiphas, den Palast der Könige von Juda, der nichts Anderes war, als die Citadelle, und auf der Höhe des Berges Zion lag, und endlich das Grab von David.

Die innere Stadt oder die Tochter Zions.

Sie enthielt vor Allem den Tempel, der für sich allein den vierten Theil derselben einnahm; dann den Palast von Pilatus, der sich an die Zitadelle Antonia anlehnte, mit welcher er durch den Xistus, eine Art von hoher Brücke, von der herab die römischen Statthalter zum Volke sprachen, in Verbindung stand; das Theater, erbaut von Herodes dem Großen, ganz bedeckt mit Inschriften zum Lobe von Augustus und überragt von einem goldenen Adler; den Palast der Maccabäer, den Hippodrom, das Amphitheater und endlich den Berg Alra, auf welchem die Citadelle von Autiochus erbaut war.

Die zweite Stadt.

Sie enthielt, außer der Wohnung einer Anzahl von Personen von hohem Range, den Palast von Herodes, an den die von uns schon erwähnten prachtvollen Gärten stießen.

Endlich Bezetha oder die neue Stadt, welche nichts Merkwürdiges bot, da sie nur von Wollenhändlern, Eisenkrämern, Kesselflickern und Trödlern bewohnt war.

So war Jerusalem am Anfange unserer Erzählung, d. h. am dreizehnten des Monats Nisam, welcher Tag dem neunundzwanzigsten März unseres modernen Kalenders entspricht.

Es war acht Uhr Abends.2

Die Stadt bot wegen des Osterfestes einen ganz eigenthümlichen Anblick Juden hatten sich von allen Theilen von Palästina nach Jerusalem begeben, um das große Fest der Opferung des Lammes zu feiern. Mit ihnen waren alle jene Handelsleute, deren nomadische Industrie den Mengen bei ihren Ortsveränderungen folgt, alle jene Gaukler, die vom Ueberflusse der großen Versammlungen leben, und alle jene Zigeuner herbeigelaufen, welche die Krümchen der Pilgerschaften und der Karavanen auslesen. Die Fremden hatten sich einquartirt, die Einen bei Freunden, die ihnen jedes Jahr einen Platz am Herde und am Tische aufbewahrten, die Andern in den Herbergen und in den Karavanserais, die sie mit ihren Dienerschaften, ihren Maulthieren und ihren Kameelen füllten. Wieder Andere, welche sich weder bei Freunden, noch in Karavanserais hatten einquartiren können, lagerten unter Zelten; diese aus dem Holzmarkte in der zweiten Stadt, Jene aus dem großen Platze und aus dem Platze des alten Fischteiches in der innern Stadt. Diejenigen endlich, welche nirgends ein Unterkommen gefunden, weder bei Freunden, noch in Karavanserais, noch unter Zelten, hatten ihr Domicil entweder im Hippodrom, oder im Säulengange des Theaters, oder aus den Abhängen des Berges Akra, oder auch in einem herrlichen Cypressenwalde genommen, der sich von den Keltern des Königs bis zum Silothurme erstreckte, welcher zwei Jahre vorher theilweise eingestürzt war und bei seinem Sturze achtzehn Personen erschlagen und eine große Anzahl armer Leute von der Vorstadt Ophel mehr oder minder schwer verwundet hatte.

Man könnte sich kaum einen Begriff von der Bewegung, vom Lärmen, vom Geräusche in der heiligen Stadt während der drei Tage, die das Osterfest dauerte, machen.

In diesen drei Tagen waren alle Verordnungen der gewöhnlichen Polizei aufgehoben; am Abend zog man keine Ketten, bei Nacht schloß man die Thore nicht; Jeder ging frei von einer Mauer zur andern; man verließ Jerusalem und man kehrte dahin zurück, ohne auf das : Wer da? der Schildwachen zu antworten, die sich übrigens ihrerseits wenig um den Befehl bekümmerten, da sie wußten, daß seine Lockerung eine von den unerläßlichen Bedingungen des großen judäischen Festes war, dieses ersten Festes unter allen, da es das Andenken an die Befreiung vom ägyptischen Joche verewigte und für das Volk Gottes den Uebergang vom Zustande der Knechtschaft zum Zustande der Freiheit feierte.

Man durfte sich also nicht darüber wundern, daß die am Wasserthore stehende Schildwache nicht auf zwei in große braune Mäntel gehüllte Männer aufmerksam war. Der Eine derselben mochte dreißig bis fünfunddreißig, der Andere fünfundfünfzig bis sechzig Jahre alt sein; der eine hatte schöne blaue Augen, blonde Haare, zarte Züge und einen kaum angedeuteten Bart; der Andere hatte graue, krause Haare, eine gebogene Nase, ein reizbares, beinahe finsteres Auge und einen straubigen Bart; Beide, nachdem sie durch dieses erste Thor geschritten waren, drehten sich unmittelbar links und gingen durch das innere Thor, durch welches man in die Stadt Davids gelangte.

Nachdem sie auch dieses Thor hinter sich hatten, zogen sich diese zwei Männer, die alle diejenigen, welchen sie begegneten, mit großer Aufmerksamkeit betrachteten, an dem Cypressengehölze hin, von dem wir schon als einen Aufenthaltsort den Fremden ohne Asyl bietend gesprochen haben, ließen links den Palast von Annas, von dem wir erwähnten, er sei der Schwiegervater von Caiphas gewesen, und der jedes Jahr mit diesem in seinen Functionen als Oberpriester wechselte, wandten sich gegen rechts, immer unruhig oder beobachtend, um zwischen der Ecke der Feste und dem Gebäude, das man den Palast der Tapferen nannte, durchzugehen, und traten dann, da sie endlich das, was sie suchten, gefunden zu haben schienen, auf einen Mann zu, welcher, nachdem er Wasser aus dem Fischteiche von Zion geschöpft, seinen Krug auf seine Schulter setzte.

Dieser Mann, der ein mit den innern Verrichtungen des Hauses beauftragter Diener zu sein schien, blieb, als er sie auf sich zukommen sah, stehen und wartete.

»Merke nicht auf uns, mein Freund,« sprach der Jüngere der zwei Unbekannten zu ihm, »gehe voran: wir werden Dir folgen.«

»Aber um mir zu folgen, müßtet Ihr wissen, wohin ich gehe!« versetzte der Diener erstaunt.

»Wir wissen es . . . Du gehst zu Deinem Herrn, und wir haben mit Deinem Herrn im Auftrage des unsern zu reden.«

Es lag eine so milde Festigkeit in der Stimme von demjenigen, welcher sprach, daß der Diener, ohne weitere Einwendungen zu machen, sich verbeugte und voranging, wie ihm geboten war.

Nach ungefähr hundert Schritten kam man zu einem Hause von ziemlich schönem Aussehen, das zwischen dem Palaste des Hohenpriesters Caiphas und dem Platze lag, wo unter einem vierfachen Zelte die Arche nach der Rückkehr aus der Wüste aufbewahrt worden war.

Der Diener öffnete die Thüre und trat auf die Seite, um die zwei Unbekannten vorübergehen zu lassen.

Sie blieben im Vorhause stehen und warteten, bis der Diener seinen Herrn von ihrer Ankunft benachrichtigt hatte.

Nach fünf Minuten kam ihnen der Herr entgegen.

Sie grüßten ihn auf jüdische Weise.

»Bruder,« sprach der Jüngere von den zwei Männern, der von seinem schweigsamen Gefährten das Wort zu führen beauftragt schien, »ich bin Johannes, der Sohn von Zebedäus, und derjenige, welchen Du bei mir siehst, ist Petrus, der Sohn von Jona. Wir sind Jünger von Jesus von Nazareth. Gegen die Mitte des Tags hat uns der Herr im Dorfe Bethania verlassen, und er sprach zu uns: »Tretet heute Abend ein zu Jerusalem durch das Wasserthor; gehet den Steig von Zion hinauf und wandelt immer gerade aus, bis Ihr getroffen habt einen Mann, der einen Krug auf seiner Schulter trägt; folgt diesem Manne, gehet mit ihm in das Haus hinein, in das er hineingehen wird, und sprecht zu dem Herrn dieses Hauses: Der Meister läßt Dir sagen: meine Zeit ist hier, wo ist die Herberge, darinnen ich das Osterlamm essen möge mit meinen Jüngern? Und derjenige, an welchen Ihr diese Frage richtet, wird Euch einen großen mit Netten umgebenen Saal zeigen,« Wir begaben uns auf den Weg, wir sind in Jerusalem durch das bezeichnete Thor eingetreten, wir haben Deinen Diener getroffen, der Wasser in seinen Krug schöpfte und diesen Krug auf seine Schulter setzte; wir sind ihm gefolgt und sagen Dir im Namen desjenigen, welcher uns schickt: Wo wird Jesus von Nazareth in diesem Jahre sein Osterlamm essen?«

Derjenige, an welchen der junge Mann diese Frage richtete, verbeugte sich ehrerbietig und erwiederte:

»Ihr hattet nicht nöthig, zu nennen Eure Namen, meine Brüder, denn ich kenne Euch : in meinem Hause in Bethania hat Jesus von Nazareth die letzten Ostern gefeiert und den Tod von Johannes dem Täufer verkündigt.« Ich heiße Heli, ich bin der Schwager von Zacharias von Hebron, und da ich von der Absicht von Jesus von Nazareth unterrichtet war, so habe ich dieses Haus von Nicodemus dem Pharisäer und von Joseph von Arimathia gemiethet. Kommt, ich will es Euch zeigen, und Ihr werdet selbst den Ort wählen, der Euch gefällt.«

Und er nahm die Fackel, welche das Vorhaus erleuchtete, und schritt ihnen voran in einen Hof, an dessen Ende sich ein Gebäude erhob dessen erste Schichten eine Construction aus der Zeit der alten babylonischen und niniveischen Architecturen verriethen.

Dieses Haus war in der That früher eine Art von Circus gewesen, wo sich während des Friedens die kühnen Hauptleute von David, die man die Starken von Israel nannte, im Kriege übten. Die Mauern dieses Circus hatten diese Männer vorübergehen scheu, welche so sehr einer verschwundenen Generation angehörten, daß man hatte glauben sollen, diese Race von Riesen sei der Liebe von Engeln mit den Töchtern der Erde entsprossen, diese Männer, die sich in der Zahl dreißig erhalten mußten, was auch die Leeren sein mochten, die der Feind in ihre Reihen grub. An diese cyklopischen Steine, alte dem Schooße der, Erde entrissene Knochen, hatten sich, um bei ihren Spielen Athem zu holen, diese Männer angelehnt, welche die Schlacht nie ermüdete, und die man nannte: Jesbaam, Eleazar oder Tema, Jesbaam, Sohn von Hachanoni, der in einem einzigen Kampfe achthundert Philister tödtete und dreihundert verwundete! Eleazar, Sohn von Dodi, der bei Phesdamina, als die Philister sich sammelten, um die Schlacht zu liefern, da er sich von allen den Seinigen verlassen sah und allein geblieben war, ohne einen Schritt zurückzuweichen fortwährend erschlug, bis er des Tödtens müde wurde, bis das gestandene Blut seine Hand an den Griff seines Schwertes anklebte, und der so lange brauchte, um müde zu werden, bis die jüdischen Soldaten, welche eine Meile geflohen waren, Zeit hatten, sich zu schämen, wieder Muth zu fassen und zurückzukehren, so daß auch diesmal der Sieg Israel blieb; Sema endlich, der Sohn von Age, der, da er von einer Stadt nach einer andern ging, in einen Hinterhalt von vierhundert Mann fiel, alle vierhundert tödtete und seines Weges zog! Hier hatten in athletischen Umschlingungen, wo die Goliath und die Saph das Leben verloren, gekämpft: Barias, der Sohn von Jojada, der die Wüste Moa durchziehend, da er beinahe vor Durst starb, abstieg und, weil er nicht die Geduld hatte, zu warten, bis ein Löwe und eine Löwin aus einer Cisterne getrunken, aus der er seinen Durst stillen wollte, zuerst den Löwen und dann die Löwin tödtete und dann nach Wohlgefallen zwischen ihren Leichnamen trank; Abisai, der Sohn von Servia, der, als er einem fünf Ellen hohen Aegypter, bewaffnet mit einem Spieße begegnete, dessen Eisen allein dreißig Pfund wog, ohne daß er eine andere Waffe hatte, als sein Stäbchen, Jenen angriff, ihm seine Lanze nahm und ihn mit dieser Lanze an einen Palmbaum mit einem solchen Stoße nagelte, daß die Lanze, nachdem sie den Körper des Riesen durchbohrt hatte, jenseits des Baumes wieder erschien! Endlich Jonathan, der Sohn von Simea. der im Feldzuge von Ged einen Krieger vom Geschlechte von Asapha tödtete, welcher eine Höhe von sechs Ellen, sechs Zehen an jedem Fuße und sechs Finger an jeder Hand hatte, und der, wie er sagte, nur einen Kampf gegen zehn Männer zugleich annehmen wollte! Das waren die drei Ersten von diesen von uns genannten Braven, welche, als sie David, der von Schweiß bedeckt war, sagen hörten: »Oh! wenn ich einen Becher Wasser von der Cisterne hätte, welche vor dem Thore von Bethlehem ist, alle drei abgingen, das Lager der Philister durchschritten und Jeder einen Becher Wasser holten, welchen sie mit so festem Arme hielten, daß sie, obgleich sie sich mit der rechten Hand geschlagen hatten und verwundet worden waren. Jeder seinen vollen Becher mit der linken Hand zurückbrachten, so daß David erstaunt und besonders gerührt von einer solchen Ergebenheit ausrief: »Mit Gefahr ihres Lebens haben sie mir dieses Wasser gebracht; ich werde nicht das Blut meiner Tapfern trinken!« Und er opferte das Wasser dem Herrn.

 

Ach! die Starken von Israel lagen in ihren Gräbern, und die Zeit, diese mächtige Streiterin, die selbst den Kräftigsten das Knie beugen macht, hatte, nachdem sie die Menschen zu Boden geworfen, auch das Baudenkmal umgestürzt. Zwei bis drei Jahrhunderte lang waren die Generationen an dieser Ruine vorbeigegangen, welche der Einsturz eines andern Babylons zu sein schien. Endlich, eines Tages, kauften Nicodemus und Joseph von Arimathia die Baustelle und die Trümmer; aus den Trümmern erbauten sie auf dem alten Fundamente das neue Haus, das sie an Fremde vermietheten, um diesen als Speisesaal zu dienen. Mit den Trümmern errichteten sie aber auch drei andere Häuser, und aus den Felsblöcken, welche zu groß, um in die Construction dieser Wohnungen von Pygmäen zu passen, bauten sie Grabmäler und Säulen und arbeiteten mit dem Meissel architectonische Ornamente aus, die sie sodann mit großem Nutzen verkauften.

Nicodemus, der, obgleich Rathsherr, sich in seinen freien Augenblicken damit unterhielt, daß er Bildhauerei trieb, hatte den Gedanken dieses Handels gehabt, durch den er sich, da er vom Glücke begünstigt war, mit seinem Verbündeten bereicherte.

Seit dem Tage, wo Heli, der dieses Haus von Nicodemus miethete, davon m Kenntniß gesetzt war, daß Jesus von Nazareth das Abendmahl bei ihm zu halten wünschte, hatte er alle seine Diener zu Reinigung dieses Hofes verwendet, und sie hatten, unterstützt von den Arbeitern von Nicodemus und Joseph von Arimathia, mit großer Anstrengung ihrer Arme und der Hebeisen gegen die Mauern die Steine zurückgeschoben, welche gewöhnlich den Weg versperrten, so daß man nun mit aller Leichtigkeit in das Vorhaus des Gebäudes kommen konnte.

Heli ließ zuerst Petrus und Johannes in dieses Vorhaus eintreten, dann ließ er sie einen Stock hinaufsteigen und öffnete ihnen die Thüre des für das Mahl bereit gehaltenen Saales.

Dieser Saal war in drei Gelasse durch ungeheure Vorhänge abgetheilt, was ihm einen Aehnlichkeitspunkt mit dem Tempel gab, denn er hatte wie dieser den Vorhof, das Heilige und das Allerheiligste.

Diese drei Abtheilungen waren erhellt durch Kronleuchter, welche an der Decke hingen.

Die weiß angemalten oder mit Kalk überstrichenen Wände waren bis zum dritten Theile ihrer Höhe geschmückt mit angenagelten Matten, wie man sie noch heut zu Tage in den meisten arabischen Häusern sieht, welche reich genug, um diese Ausgabe zu machen, und längs diesen Matten hingen an kupfernen Opferschaalen die für die Feier des Festes erforderlichen Kleider.

Im mittleren Saale stand ein Tisch, worauf ein glänzend weißes Tuch. Auf diesen Tisch hatte man dreizehn Gedecke gelegt.

In den andern Sälen sah man an der Wand Matratzen und zusammengerollte Decken, für den Fall, daß die Gäste die Nacht in demselben Hause, wo sie das Osterlamm gegessen, zubringen wollten.

Zwei weitere Tische waren gedeckt ungefähr in denselben Verhältnissen, wie dieser, einer im Erdgeschoße, einer im dritten Stocke; da aber Heli den Abgesandten zuerst den Tisch zeigen wollte, welchen er für den Meister von Nazareth und die zwölf Jünger, die mit ihm das Osterlamm essen sollten, hatte bereiten lassen, so führte er sie unmittelbar zu diesem.

Und es war in der That nicht nöthig, weiter zu gehen. Petrus und Johannes nahmen diesen Saal des ersten Stockes an, der überdies der Beschreibung, die ihnen der Herr davon gemacht, entsprach, und nachdem sie ihn bestellt, befahlen sie Heli, vollends alle Vorbereitungen zu Ostern zu treffen und, – während Johannes und Petrus, der Erste einen Kelch, den ihm Jesus aus einem Hause beim Richtthore zu nehmen geboten, der Zweite das Osterlamm vom Viehmarkte holten, – mit einer Fackel auf die Terrasse zu steigen, um Jesus zu bezeichnen, das Haus sei gemiethet und der Speisesaal warte nur noch auf seine Gäste.

Dies war das mit dem Herrn verabredete Zeichen, das er leicht auf der Straße nach Bethania, wo er, wie gesagt, wartete, gewahren konnte, denn diese Straße stieg zum Oelberg hinauf, von dessen Gipfel aus man ganz Jerusalem erschaut.

Petrus und Johannes, welche in die innere Stadt auf den vierzehn Stufen, die man die Stufen von Zion nannte hinabgegangen waren, hatten noch nicht die Höbe des Theaters erreicht, als sie auf dem vordersten Theile der Terrasse des Hauses die Flamme der Fackel zum Himmel auflodern sahen.

Das Wetter war rein und ruhig; ein schwacher Ostwind erfrischte die Atmosphäre, in der schon die lauen Lüste des syrischen Frühlings schwebten. Durch die leichten Dünste, die sich unter einem blauen Himmel ausbreiteten, ergossen die Sonne am Morgen und der Mond am Abend ihre sanftesten Strahlen; die Weinreben aus dem Hügel von Engeddi und die Feigenbäume im Thale von Silo zeigten schon ihre entstehenden Blätter; die Oelbäume von Gezemane hatten eine lebhaftere Farbe angenommen; die Myrthe, der Terpentinbaum und der Johannisbrodbaum entwickelten den grünlichen Glanz ihrer jungen Aeste; auf dem Abhange des Berges Zion bedeckten die Mandelbäume den Boden mit einem rosigen Schnee, unter dem große Weilchen ohne Wohlgeruch wie die, welche auf Rhodus und an den Ufern des Eurotas wachsen, an das Tageslicht hervortraten. In Ermangelung von Nachtigallen und Grasmücken endlich, fingen die Turteltauben, die einzigen Vögel der heiligen Stadt, an sanft in den Cypressen des Waldes von Zion und aus den Sykomoren, den Fichten und den Palmbäumen der Gärten von Herodes zu girren.

Nichts verhinderte also Jesus, am Hause des Speisesaals die Flamme der Fackel zu erblicken, welche, dem Luststrome nachgebend, sich von Osten nach Westen neigte, als hätte sie den Menschen andeuten wollen, diesem irdischen Lichte ähnlich werde sich auch das göttliche Licht vom Osten nach dem Westen neigen.

Ein Mann, der unter einem Gehölze von Palmbäumen, das eine Viertelmeile von Jerusalem zwischen Bethyhage und dem Steine der Tauben lag, mitten unter einer Gruppe auf sein Wort horchender Männer und Frauen saß, unterbrach, als er die Flamme der Fackel erblickte, seine Rede, stand aus und sprach: »Die Stunde ist gekommen . . . laßt uns gehen.«

2Unsere Leser wollen uns erlauben, daß wir die Stunden nicht auf die Art zählen, wie dies die Römer thaten und noch heute thun, sondern auf die unter uns gebräuchliche Weise