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Einleitung

Jerusalem

I

Es gibt Namen von Städten und Namen von Menschen, die, wenn der Mund sie ausspricht, in welcher Sprache es auch sein mag, sogleich einen so großen Gedanken, eine so fromme Erinnerung erwecken, daß diejenigen, welche ihn nennen hören, sich, einer übernatürlichen, unbesiegbaren Macht weichend, ganz geneigt fühlen, die Kniee zu beugen.

Jerusalem ist einer von diesen für alle menschliche Sprachen heiligen Namen; der Name Jerusalem wird gestammelt von den Kindern, angerufen von den Greisen, aufgeführt von den Geschichtsschreibern, angebetet von Allen.

Nach der Meinung der alten Jahrhunderte war Jerusalem der Mittelpunkt der Welt; im Glauben der neuen Jahrhunderte ist es der Mittelpunkt der universellen Familie geblieben.

Jerusch al Aimal, woraus wir Jerusalem gemacht haben, will besagen: Friedensgesicht. Das wird die auserwählte Stadt Gottes, die glorreiche Stadt, die Stadt, gebaut aus den heiligen Bergen, sein! Die Tradition der Vergangenheit sagt: Adam sei dort gestorben; die Tradition der Zukunft sagt, der Erlöser werde dort geboren werden.

Moses träumt, er werde die Hauptstadt seines umherirrenden Volkes daraus machen. Warum versucht er es, aus diesen hebräischen Hirten, aus diesen Nomadenstämmen durch eine vierzigjährige Arbeit eine Familie, ein Volk, eine Nation zu bilden? Warum rühmt er ihnen in der Gefangenschaft das Land Canaan? Warum führt er sie aus der Flucht nach dem gelobten Lande? Warum verlangt er mitten unter Donner und Blitz für sie von Jehova Gesetze in einer Zusammenkunft, deren Majestät die Felsen des Sinai mit einer ewigen Erstarrung betroffen zu haben scheint? Damit die Stadt von Jebus Jerusalem heiße; damit Jerusalem, dem Rom von Romulus vorangegangen ist, das Rom des heiligen Peter überlebe, damit die Pilger aller Zeitalter zu ihm hinaussteigen, bald bedeckt mit Eisen und die Lanze in der Faust, um es zu erobern, bald mit bloßen Füßen und den Stab in der Hand, um es zu verherrlichen.

Seht auch die Propheten, wie eifersüchtig sie sind auf diese Vorherbestimmung! Fällt es unter dem Schwerte von Nabuchodonosor, so ist es die Buhlerin Babel; erhebt es sich unter dem Schwerte der Maccabäer, so ist es die Jungfrau von Zion; der Sieg hat ihre Befleckung getilgt, die Unabhänglichkeit hat ihr ihre Jungfrauschaft wiedergegeben.

Dieselben Propheten haben von ihr gesagt:

»Alle Volker werden eines Tags zu mir hingehen und sagen: »»Kommt! steigen wir zum Hause des Gottes von Jacob hinaus! Er wird uns lehren seine Wege, und wir werden wandeln aus seiner Steige; denn die Stimme wird ausgehen von Zion und das Wort von Jerusalem; es wird unter den Heiden richten und strafen viele Völker; dann werden die Menschen ihre Schwerter zu Pflugschaaren und ihre Spieße zu Sicheln machen; denn kein Volk wird wider das andere das Schwert ausheben und werden fortan nicht mehr kriegen lernen.««

Seht auch wie Jehovah, der einzige Gott, der eifersüchtige Gott, der starke Gott, der rächende Gott dieses Jerusalem beschützt, welches das Friedensgesicht ist. Moses, der Dolmetscher des Herrn, streckt die Arme gegen dasselbe aus, David, der Gesalbte des Herrn, baut seine Mauern, Salomo, der Viel geliebte des Herrn, errichtet seinen Tempel . . . Moses, das ist das Dogma; David, das ist die Stärke; Salomo, das ist die Weisheit.

Werfen wir einen Blick aus Jerusalem, sehen wir es geboren werden, wachsen und fallen, aber providentiell fallen, fallen vor der römischen Macht, welche die Welt mit ihren Armen umschlingt und aus tausend Nationen, getrennten Aehren, eine einzige Garbe macht, die im Angesichte der modernen Civilisation, im Zwecke der allgemeinen Verbrüderung die Sonne des Christenthums, das einzige Gestirn, reisen wird, das zugleich leuchten soll für den Reichen und für den Armen, für den Starken und für den Schwachen, für den Unterdrücker und für den Sklaven, da es gemacht ist aus dem Sterne der Könige und aus dem Sterne der Hirten.

Einer von den fünf Königen, welche Josua bei Gabaon schlug, – während jenes dreitägigen Kampfes, wo die Sonne nie unterging, um dem Sieger Zeit zu lassen, seinen Sieg zu vollenden, —hat sich nach seiner Niederlage aus einen Berg geflüchtet und hier befestigt. Dieser König heißt Adonizadek; dieser Berg heißt der Berg Zion; die Völker, über welche Adonizadek gebietet, sind die Jebusiten, Abkömmlinge von Jebus, dem dritten Sohne von Canaan.

Die auserkorene Nation des Herrn, die Nation, welche im Kampfe mit allen andern Nationen sein, einen Vertilgungskrieg mit allen Völkern führen sollte, diese Nation hatte, um ihre Stadt zu bauen, einen von der Natur selbst befestigten Ort nöthig; sie brauchte um sich her Abdachungen und Engpässe, und das Friedensgesicht konnte sich nur aus hohen Orten zeigen. Höret Tacitus, und Ihr werdet sehen, wie er mit Moses im Einklang ist, wie er David rechtfertigt.

Jerusalem, das in einer schwierigen Position gelegen ist, war noch durch Außenwerke und durch Massen von Constructionen befestigt worden, die es uneinnehmbar gemacht hätten, wäre es mitten in einer Ebene gebaut gewesen. Die Stifter von Jerusalem hatten vorhergesehen, die Verschiedenheit der Sitten werde ihnen häufige Kriege zuziehen; darum hatten sie Alles gegen eine lange Belagerung eingerichtet.

David begreift wohl die Wichtigkeit der Lage und Adonizadek kennt die Stärke des Platzes. »Kommt! kommt!« rief der Letztere von den Wällen herab David und seinem Heere zu, »wir werden nur Blinde und Hinkende gegen Euch schicken, das wird genügen, um Euch zu besiegen.« Was antwortete David? Er streckte die Arme gegen die uneinnehmbare Feste aus und spricht: »Derjenige, welcher zuerst auf diesen Wall steigt, soll mein Feldherr sein und nach mir befehlen.«

Auf dieses Versprechen stürzen die dreißig Starken Israels vor; das königliche Heer folgt ihnen. Joab, der Neffe des Königs, legt seine Leiter an die Mauer, erklettert sie mitten unter den Pfeilen, Balken und Felsstücken, packt die Zinne, springt auf den Wall und behauptet sich hier, bis ihm seine Gefährten zu Hilfe kommen.

Die Feste ist genommen; und Joab ist der rauhe Feldherr, der in Isobeth das Geschlecht von Saul vernichten, der Abner ermorden und selbst drei Lanzen in das Herz von Absalon, dem Sohne seines Königs, stoßen wird.

Was die Garnison betrifft, – man weiß, was die Könige von Israel mit ihren Feinden machen, seitdem Saul dafür bestraft worden ist, daß er die Amalekiter und ihren König geschont hat, – das Schwert des Siegers verzehrt sie!

Der Triumphgesang Davids gibt uns einen Begriff von der Wichtigkeit dieses Sieges.

»Die Könige und die Fürsten der Erde hatten sich miteinander gegen uns verschworen; sie hatten insgeheim gesagt: »»Kommt und wir werden sie vertilgen! sie werden kein Volk mehr sein und wir werden den Namen Israel von der Oberfläche der Erde vertilgen!« Doch der starke Gott hat meinen Arm für die Schlacht gerüstet, ich habe meine Feinde verfolgt und bin immer vorwärts gegangen, bis daß ich sie aufgerieben hatte. Sie sind gefallen unter meinen Füßen und ich habe sie zerstreut, wie Staub beim Hauche des Windes! Ich habe Völker bezwungen, die ich nicht kannte; beim Rufe meines Namens haben sie sich unterworfen; der Fremdling ist davon gelaufen, und er hat gezittert an seinem Zufluchtsort!«

David ist also Herr des furchtbaren Platzes, er hat als Vertheidigungsmittelpunkte drei durch ihre Contresorts mit einander verbundenen Berge: Zion, Akra und Moriah; er hat drei riesige Gräben geschaffen durch die Hand, welche die Welt erschüttert: im Osten das tiefe Thal Josaphat, wo der Kidron fließt, im Süden die abschüssige Schlucht Gehenon, im Westen den Schlund der Leichen. Im Norden allein wird die neue Stadt angreifbar sein; im Norden werden sie auch, trotz ihrer dreifachen Mauer, Nabuchodonosor, Alexander der Große, Pompejus, Titus und Gottfried von Bouillon angreifen.

Und was war nun die Welt zu der Zeit, wo uns David erscheint, sein blutiges Schwert kaum in der Scheide, seine Harfe in den Händen und dem Herrn dankend, der, indem er ihn stark und siegreich gemacht, durch ihn die großen Geschicke Israels vorbereitet hat?

Die Welt ist noch nicht gegen Europa hinabgestiegen: sie ist bei den patriarchalischen, thekoratischen und priesterlichen Civilisationen des Osten. Indien ist schon hinfällig: es hat erloschene und vergessene Dynastien, Städte, deren Namen verschwunden, deren Ruinen unbekannt sind; es sind Tausende von Jahren her, seitdem sich seine Civilisation hinter dem Himalaya erhoben hat. Die ersten Herren, denen es gehorcht zu haben sich erinnert, sind die Bardht, welche ein Jahrhundert nach der Sündfluth blühten; die Chandras, welche dreitausend zweihundert Fahre vor Christus lebten, die Djaduster, welche tausend Jahre nach diesen kommen. Man treibt übrigens Handel mir ihnen: man kauft ihnen ihre Seidenzeuge, ihre Baumwolle, ihr Zinn, ihr Sandelholz, ihren Gummi, ihren Lack, ihr Oel, ihr Elfenbein, ihre Perlen, ihre Smaragde, ihre Diamanten ab, – aber man kennt sie nicht.

Aegypten, die Tochter Aethiopiens, ist ihm nachgefolgt, wie Griechenland auf Aegypten folgen wird, Aegypten, aus dem Schleime des Nils gemacht, an dessen User vierundzwanzig Dynastien und fünfhundert Könige Theben, Elephantine, Memphis, Herakles, Diospolis gebaut haben; Aegypten, die Mutter der Anubis, der Typhon und der Osiris, dieser Götter mit den Hundsköpfen, Katzenköpfen und Sperberköpfen; das Vaterland der unermeßlichen geheimnißvollen Monumente; Aegypten mit seinen Alleen von Pylonen, mit seinen Wäldern von Obelisken, seinen Feldern von Pyramiden, seinen Heerden von Sphinxen; Aegypten, dessen Gefangenschaft die Hebräer wunderbar entgangen sind, und das im rothen Meere seinen Pharao Amenophis und sein mächtiges Heer, welches die Vermessenheit hatte, das Volk Gottes zu verfolgen, untergehen sah; Aegypten mit seinem unversöhnlichen Azur, mit seiner wie das Auge eines Ofens rothen, blutigen Sonne; Aegypten, wo entsetzlicher Weise die Todten ihre Form behalten haben, seitdem es Todte gibt; wo Zauberbalsame die Materie dem Nichts streitig machen, wo jede Generation, welche über die Erde zieht, sich als ein vertrocknetes Gespenst aus die zwanzig Generationen von Mumien legt, die ihm vorangegangen sind; Aegypten endlich, eine ungeheure unterirdische Gruft, wo sich die Ewigkeit greifbar macht, und wo nichts, nicht einmal der Gräberwurm, die Stille des Todes stört.

 

Assyrien kommt nach ihm und blüht in seiner ganzen Stärke. Im Norden hat Assur, der Sohn von Sem, Ninive gegründet; im Süden hat Nimrod, der Enkel von Cham, Babylon gebaut; Ninive, das der Sohn von Balus, indem er ihm seinen Namen gibt, vergrößert, und das sich aus eine ganze Meile aus dem linken User des Tigris ausdehnt! Babylon, in das man durch hundert eherne Thore eintritt, und das mit seinen Palästen, mit seinen Mauern und seinen Gärten die zwei Ufer des Euphrats bedeckt! Die zwei Schwestern seufzen vor Liebe unter den riesigen Palmbäumen welche das schöne Land, die Wiege des Menschengeschlechte, beschatten; sie halten in der Hand die Schlüssel des asiatischen Handels; sie sind die Straßen, aus denen die Reichthümer der Welt hinziehen; die Producte Indiens und Aegyptens kommen zu ihnen, zu der einen aus dem Euphrat, zu der andern aus dem Tigris, zu beiden durch ungeheure Karavanen von Kameelen.

Phönicien hat kaum eine Existenz von ein paar Jahrhunderten; sein zahlloses Volk wimmelt aus dem schmalen Landstrich, den die Cedern des Libanon beherrschen; – aus dem Felsen Arad haben die Häuser sieben Stockwerke; – das ist ein unreines, aus Indien durch Tarachya, aus Aegypten durch Sesostris vertriebenes Geschlecht. Der Herr, der Sodom und Gomorrha bestrafte, hat Tyrus und Sidon vergessen; die Generationen wuchern hier, die gekreuzten Geschlechter laufen ohne eine sichere Familie umher, Keiner weiß, wer sein Vater, wer sein Sohn ist, Alle vermehren sich auf das Gerathewohl, wie die Insekten und die Reptilien nach einem Sturmregen. An das Mittelländische Meer angelehnt, haben sie dieses geknechtet und zum Sklaven genommen, und während Sidon sich zur Werkstätte aller zarten Wunder Asiens macht, peitscht Tyrus die Meere mit den Flügeln seiner tausend Schiffe.

Carthago, seine Tochter, ist gegründet worden. Das ist der Vorposten der orientalischen Zivilisation im Occident; doch Carthago ist bis jetzt nur eine Niederlage von Sidon, ein Comptoir von Tyrus, und erst in hundertundfünfzig Jahren wird Dido, vor ihrem Bruder fliehend, Carthago vergrößern und die zukünftige Nebenbuhlerin von Rom daraus machen.

Athen, von einer ägyptischen Colonie geboren, hat die durch Kekrops eröffnete und durch Kodros geschlossene Reihe seiner Könige erschöpft. Auf seine monarchische Periode ist eine aristokratische Periode gefolgt. Seine beständigen Archonten regieren es seit hundert Jahren; es ist schon die Königin von Griechenland. Doch wer kennt Griechenland? Homer ist noch nicht geboren.

Alba wächst, die drei latinischen Könige schieben von Tag zu Tag seine Grenzen weiter hinaus, doch es hat noch drei Jahrhunderte zu durchlaufen, ehe es seine erste Colonie schwärmen läßt und seine Herden auf den sieben Hügeln, wo Rom sein wird, weiden.

Was Deutschland, was Frankreich, was Rußland betrifft, – das sind ungebaute Ebenen, öde Felsen, tiefe Wälder und kaum bewohnt ein Mensch diese Gegenden, welche nur für die Wölfe, die Wildschweine und die Bären taugen.

Europa ist noch nicht als der dritte Weltteil bekannt.

Kommen wir auf die heilige Stadt zurück.

Nach David, dem König des Krieges, erscheint Salomo, der König des Friedens. Sein Vater hat ihm Alles für eine ruhige Regierung vorbereitet. David hat an seinem Schilde den Krieg mit dem Auslande und den Bürgerkrieg abgenutzt; David hat Jerusalem gebaut und auf einen Dreifuß gesetzt, von dem sich einer seiner Zweige, der des Westen, an das innere Meer anlehnt, von dem die zwei anderen, der des Süden nach dem indischen Meere durch den arabischen Golf, der des Norden nach dem caspischen Meere durch die Passagen des Euphrats und des Tigris, auslaufen.

Um das innere Meer zu beherrschen, mußte er die Philister schlagen, um über den arabischen Golf zu gebieten, mußte er die idumäischen Stämme bändigen, um Herr der Passagen des Euphrats und des Tigris zu werden, mußte er die Könige von Syrien und Damaskus besiegen.

Salomo wird nur den Tempel zu bauen und Polmyra zu gründen haben.

Der junge König besteigt den Thron im Jahre 2,970 nach der Schöpfung der Welt.

Seine erste Sorge ist es, auf den Berg Gabaon zu gehen und dem Herrn tausend Opfer auf dem ehernen Altare, den Moses in der Wüste hatte errichten lassen, zu bieten; – ein dem Herrn so angenehmes Opfer, daß er ihm in der darauf folgenden Nacht erscheint und ihm verspricht, er werde ihm als Belohnung für seine Frömmigkeit das Geschenk bewilligen, das er sich wünsche.

Salomo verlangte die Weisheit, und Gott antwortete ihm:

»Da Du von mir die Weisheit verlangst, welche die Erkenntniß des Guten und des Bösen ist, so bewillige ich Dir nicht nur das, was Du von mir verlangst, sondern auch die Schönheit, den Reichthum und den Ruhm, so daß kein König der vergangenen Jahrhunderte Dir gleich gewesen sein wird, und daß kein König der zukünftigen Jahrhunderte Dir gleich sein wird!«

Und durch diese Gnade des Herrn dichtete Salomo, der den Ruf der vier Söhne von Mahol, der ersten Dichter jener Zeit, verdunkelte, dreitausend Parabeln, machte er fünftausend Lieder, faßte er ein riesiges Buch über die Schöpfung ab, die Pflanzen von der Ceder, die sich auf dem Gipfel des Libanon erhebt, bis zur Isopp, welche an den Spalten der Mauern hinkriecht, enthaltend, die Thiere der Meere, der Lüfte, der Wälder und der Berge beschreibend, von dem Fische, der das Gewässer des Oceans durchschneidet, bis zum Adler, welcher im Azur des Himmels schwimmt und sich in den blendenden Strahlen der Sonne verliert. Viele von diesen Büchern, viele von diesen Liedern, viele von diesen Parabeln sind uns unbekannt, weil sie auf einer Straße von dreitausend Jahren verloren gingen; doch alle Welt hat das hohe Lied gelesen, dieses milde Gesicht Judäas in seinen schönsten Tagen, diese frische, ganz mit dem Wohlgeruche der Lilien von Gelboa und der Rosen von Saaron geschwängerte Poesie, diese Liebesmelodie, die der Dichter für die Heirath des Königs mit der Tochter von Pharao Osochor componirte, welche ihm als Mitgift das Bündniß mit Aegypten und den Besitz der Stadt Gaza am Mittelländischen Meere brachte.

In seiner Macht befestigt, beschäftigte er sich nun damit, daß er die große Sendung seiner Regierung erfüllte: ihn hat der Herr erwählt, um ihm einen Tempel zu bauen: der Tempel muß Gottes würdig sein.

Er hat das Gold, das Silber, das Eisen, die Edelsteine, die Perlen, den Purpur und den Scharlach; doch es fehlen ihm das Cedernholz, das Wachholderholz und das Fichtenholz; es fehlen ihm besonders der Baumeister, der Bildhauer, der Künstler, der das Erz, das Silber und das Gold schmelzen und gießen wird, der die Edelsteine und die Perlen fassen wird, der den Scharlach und den Purpur schneiden soll. Hiram, der König von Tyrus und Sidon, der alte Verbündete seines Vaters, wird ihm Alles dies schicken, und Salomo wird den Arbeitern allein, welche das Holz aus dem Libanon fällen, zwanzigtausend Maße Weizen, zwanzigtausend Maße Gerste, zwanzigtausend Fässer Wein und zwanzigtausend Tonnen Oel geben!

Hiram sendet zu dem jungen König einen geschickten Meister ab und legt die Axt an den Berg Libanon; – seine Arbeiter sind hier zu zehntausend beschäftigt und lösen sich alle Monate ab.

Und der zu Salomo abgesandte Meister ist in der That so geschickt, daß ihm die zweimalhunderttausend Arbeiter, die er unter seinen Befehlen hat, das Bauholz ganz abgeviert, die Marmorsteine ganz behauen, die Säulen ganz gegossen liefern, und dies nach so vollkommenen Maßen, nach so genauen Berechnungen, daß der Tempel aus der Erde hervortritt, wächst und sich vollendet, ohne daß man auf dem Berge Moriah, auf den er gestellt ist, ein einziges Geräusch von einer Säge, einen einzigen Schlag von einem Hammer gehört hat.

Salomo hatte den Tempel im vierten Jahre seiner Regierung, im zweiten Monate des Jahres, den die Macedonier Artemisius und die Hebräer Zio nennen, zweitausend neunhundert und einundsiebzig Jahre nach der Schöpfung der Welt, dreizehnhundert und vierzig Jahre nach der Sündfluth, tausend und zweiundzwanzig Jahre, nachdem Abraham Mesopotamien verlassen, um nach dem Lande Kanaan zu kommen, fünfhundert und achtundvierzig Jahre nach dem Auszuge aus Aegypten und tausend und dreizehn Jahre vor Jesus Christus zu bauen angefangen!

Sieben Jahre nachher war der Tempel vollendet.

Die Jonier werden zweihundert und zwanzig Jahre brauchen, um den Tempel der Diana in Ephesus zu bauen.

So schenkte Gott Salomo, wie er ihm nach seinem Versprechen die Weisheit, den Reichthum und die Schönheit geschenkt, auch den Ruhm, indem er ihm in wenigen Jahren einen so herrlichen Tempel zu bauen gestattete.

Man kennt das Urtheil, welches bewies, daß die Weisheit im Sohne Davids wohnte. Sprechen wir nun ein wenig von seinem Reichthum und von seiner Schönheit; dann werden wir mit Bedauern diese große und poetische Gestalt der Nacht der Vergangenheit überlassen, welche dieselbe seit drei Jahrtausenden mit den Strahlen ihres Ruhmes und ihres Glanzes beleuchtet.

Der Reichthum Salomo's war fabelhaft, vergleicht man ihn mit dem Umfange des Königreichs, das er beherrschte, und besonders mit dem, was aus dem Gebiete dieses Reiches nach einem Fluche von achtzehnhundert Jahren geworden ist. Er hatte vor Allem die von seinem Vater aufgehäuften ungeheuren Schätze, dann die, welche er sich aus den jährlichen Einkünften seines Königreiches machte: diese Einkünfte beliefen sich auf sechshundert und sechsundsechzig Goldtalente, abgesehen von den Zöllen, mit denen er die Waaren belastete, dem Tribute der Statthalter, Fürsten und Könige Arabiens; was mehr als hundert Millionen Franken nach unserem Gelde machte. Er hatte eine herrliche Flotte, welche ans dem rothen Meere von Asiongabar auslief, die Fahrten nach Ophir oder dem Goldlande machte und, außer achtzig Talenten Gold in Stangen, d. h. dreizehn Millionen Franken, von zwei Reisen die so hoch geschätzten Perlen des Alterthums, die indischen Harfen und Leiern, von denen Griechenland ihre Formen entlehnen sollte, die Elephantenzähne, die das Elfenbein in einem solchen Ueberflusse lieferten, daß alles Täfelwerk im Palaste des Königs damit incrustirt war, ferner Affen und Pfauen zurückbrachte, – diese Thiere, welche so selten waren, daß Salomo allein in seinen Menagerien Affen, in seinen Gärten Pfauen besaß; er hatte endlich die Geschenke, welche ihm freiwillig das Königreich und besonders die Stadt machten, so bedeutende Geschenke von Seiten der letzteren, daß er sich von einer ihrer Gaben einen goldenen Wagen bauen ließ, auf dessen Vorderseite man die in Diamanten geschriebenen Worte: »Ich liebe dich, o mein Jerusalem!« las.

Und wenn Salomo auf diesem Wagen, an welchem zugleich in goldenen Buchstaben die Liebe des Königs für sein Volk und die Liebe des Volks für seinen König glänzten, sich nach seinem Palaste Hittam, der hundertzwanzig Stadien außerhalb der Stadt lag, begebend ruhig und majestätisch vorüberzog, ganz weiß gekleidet wie ein Bote des Herrn, gefolgt von einer Schaar der schönsten und edelsten jungen Leute von Idumäa, welche mit syrischem Purpur bekleidet, mit Bogen und Köchern bewaffnet waren und ihre langen Haare bedeckt mit goldenen Wickeln trugen, die ihre Gesichter glänzend von Licht wie das Antlitz der Engel erscheinen ließen, da war Salomo, wie er der König der Weisheit und des Reichthums war, nach dem Versprechen des Herrn auch der König der Schönheit.

Und sein Ruhm verbreitete sich so weit, daß die Königin von Saba, welche in der Tiefe des glücklichen Arabien regierte und sich für die reichste und mächtigste Königin der Welt hielt, ihn mit ihren eigenen Augen sehen wollte; und hier glänzt das arabische Mährchen mitten in der Geschichte wie ein orientalischer Saphir von einem phönicischen Juwelier gefaßt.

Wer liefert den Saphir? Mahomed, der seinen Koran sechszehnhundert Jahre, nachdem Salomo seinen Prediger geschrieben, schreibt.

Leset das Kapitel von der Ameise.

Ein Wiedehopf kommt aus dem Reiche Saba und verkündigt Salomo, die Königin des Süden habe ihre Staaten verlassen, um ihn zu besuchen. Da befiehlt Salomo, dessen Ring über die Geister gebietet, einem von diesen, in Saba den Thron der Königin zu holen, damit die Anwesenheit dieses Thrones, der ihrer harrt, ihr ein Beweis sei, daß demjenigen, welchem Gott die Weisheit geschenkt, nichts verborgen; und da die schöne Nicaulis von ihrem Elephanten absteigt und in den Palast des Königs eintritt, entblößt sie, weil sie das Pflaster, welches aus polirtem Glase besteht, für Wasser hält, ihr Bein und hebt ihr Kleid auf, aus Furcht, sich naß zu machen.

 

Hinter dem Elephanten der Königin kam eine lange Reihe von Dienern, welche Kameele von Madian und Dromedare von Epha führten, die ganz mit Geschenken bestimmt für den Fürsten, den seine königliche Schwester besuchte, mit Räucherwerk, Gewürzen, Edelsteinen und hundertundzwanzig Talenten Gold beladen waren.

Die Königin, welche zu blenden glaubte, Ward geblendet, und als sie mit Salomo die sechs Stufen, die zwischen zwölf kleinen goldenen Löwen zu dem goldenen Throne führten, wo er seine Urtheile sprach, hinaufgestiegen war, da rief sie, indem sie sich vor ihm auf die Kniee niederwarf:

»Glücklich sind diejenigen, welche Euch gehören! Glücklich sind diejenigen, welche Euch dienen! Glücklich sind diejenigen, welche sich stets Eurer Gegenwart erfreuen werden! Glücklich sind diejenigen, welche ewig Eure Weisheit hören werden!«

Und die Königin Nicaulis hatte Recht: kein Fürst hatte noch unter einem solchen Ruhme, unter einer solchen Herrlichkeit gethront, kein König hatte noch wie Salomo die Größe der menschlichen Majestät begriffen.

Und als die Königin wegging, ebenfalls mit Geschenken von demjenigen überhäuft, welchen sie hatte bereichern wollen, als sie überall auf ihrem Wege das Land reich und blühend fand, erstaunte sie auf jedem Schritte über einen so tiefen Frieden und über einen so großen Wohlstand. »Denn,« sagt das dritte Buch der Könige, »Israel und Juda lebten ohne alle Furcht, jedes unter seinem Feigenbaume oder unter seiner Rebe von Dan bis Bersaba.«

Nichts ist heute mehr übrig von dem prachtvollen Tempel, den Salomo dem Herrn errichtete, nichts ist mehr übrig von den drei Palästen, die er baute; einen für sich, den andern für die Königin, den dritten für die Fremden; nichts ist mehr übrig von dem Grabe, in das er, als ein frommer Sohn, auf ein Bett von Goldstücken seinen Vater David niederlegte; zieht aber durch die Wüsten, die sich von Syrien nach dem Euphrat erstrecken, und, in einer frischen Oase, unter diesen Wunderbäumen, die ihr den Namen Palmyra von den Römern geben ließen, werdet Ihr die Ruinen der alten Stadt Tadmor finden, welche die Wüste frommer Weise in ihrem großen Schmuckkasten von Sand besser bewahrt hat, als es die ruchlose Hand der Civilisation gethan haben würde.

Salomo regierte vierzig Jahre, dann starb er; doch sein Ruhm war ihm ins Grab vorangegangen und hatte sich vor ihm in die Gruft gelegt, wo ihn die väterliche Leiche erwartete. Die fremden Frauen, die Mädchen Phöniciens, die Courtisanen von Tyrus und Sydon waren in sein Reich und in sein Herz eingebrochen und hatten ihm ihre Götter aufgedrungen: diese Astarte, die indische Venus, welche mit den Hirten-Königen den Nil herabgekommen ist und später die Aphrodite Griechenlands, die Juno Carthagos und die gute Göttin Roms werden wird; dieser Moloch, der Feuer-Saturn, ein glühender Ofen, der beim Lärmen der Trommeln und Cymbeln seine Opfer in prasselnden Flammen verzehrte, diese Astarte und dieser Moloch sind seine Götter geworden.

Und dennoch benimmt Alles dies, – das heißt, die Verirrungen am Ende eines so schönen Lebens, die erhabene Weisheit, welche von den ätherischen Höhen ihres Mittags hinabrollt, um sich in den Wolken ihres Abends zu verlieren; diese letzten durch den Irrthum verschleierten Blicke, welche den Propheten Ahias von Silo seinen Mantel in zwölf Theile zerreißen sehen, ohne zu begreifen, daß so und wegen der Sünden seines Königs das Reich Israel in zwölf Theile zerrissen werden wird, – Alles dies, sagen wir, benimmt dem König Salomo seinen glänzenden Reflex, sein ungeheures Blendwerk nicht. Salomo ist für immer das Symbol des Ruhms, der Gerechtigkeit und der Wissenschaft; er ist die Sonne von Judäa; er ist der König, der mit Sesostris kämpft, der Bauherr, der mit Cheops streitet, der Dichter, der mit Orpheus wetteifert; – für die Araber endlich ist er noch mehr: er ist der Zauberer, der Heere von Menschen, Drachen und Vögeln bat; der die Sprache der ganzen Schöpfung kennt; der weiß, was das Geschrei der Thiere, das Rauschen der Bäume, der Duft der Blumen besagen will; der vom Frühroth bis zum Sonnenuntergang, vom Süden bis zum Norden den Winden, diesen raschen Boten, gebietet, welche sein Wort nach den vier Winkeln der Welt tragen; der den Geistern, gehorsamen Sklaven, befiehlt, ihm die in der Tiefe der Meere erschlossene Perle oder den in den Spalten des Felsgesteins von Golconda gereiften Diamant zu holen, – welche Geister ihn, da sie ihn nur für eingeschlafen halten, fortwährend bedienen und, daß er todt ist, erst beim Anblick der Würmer bemerken, die den Stab zernagen, auf welchen sich der aufrecht beerdigte König stützt!