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Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1

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XIII.
Philipp von Taverney

Philipp von Taverney, Chevalier von Maison-Rouge, glich durchaus nicht seiner Schwester, obgleich er als Mann ebenso schön war, wie sie als Frau. In der That, Augen von einem sanften und stolzen Ausdruck, ein tadelloser Schnitt des Gesichtes, bewunderungswürdige Hände, ein Frauenfuß und ein vortrefflicher Wuchs machten aus ihm einen reizenden Cavalier.

Wie alle ausgezeichnete Geister, die sich im Leben, so wie es ihnen die Welt gibt, beengt fühlen, war Philipp traurig, ohne düster zu sein. Dieser Traurigkeit hatte er vielleicht seine Sanftmuth zu verdanken, denn ohne die zufällige Traurigkeit wäre er von Natur herrisch, stolz und wenig mittheilsam gewesen. Das Bedürfniß, mit allen Armen, seines Gleichen der Sache nach, wie mit allen Reichen, seines Gleichen dem Rechte nach, zu leben, machte eine Natur geschmeidig, die der Himmel hart, herrschsüchtig und empfindlich geschaffen hatte; es liegt immer etwas Verachtung in der Zahmheit des Löwen.

Philipp hatte kaum seinen Vater umarmt, als Andrée ihrer magnetischen Erlahmung durch den Anstoß dieses glücklichen Ereignisses entrissen, sich, wie gesagt, dem jungen Manne um den Hals warf.

Diese Handlung war von einem Schluchzen begleitet, das den ganzen Werth offenbarte, den das Herz des unschuldigen Kindes auf die Wiedervereinigung legte.

Philipp nahm Andrée und seinen Vater bei der Hand und zog Beide in den Salon, wo sie sich allein fanden.

»Sie sind ungläubig, mein Vater, Du bist überrascht, meine Schwester,« sagte er, nachdem er sie hatte an seine Seite sitzen lassen. »Nichts kann indessen wahrer sein; noch einige Augenblicke, und die Frau Dauphine wird sich in unserer Wohnung einfinden.«

»Ventrebleu! man muß sie um jeden Preis daran verhindern,« rief der Baron; »die Dauphine hier! wenn dergleichen geschehen würde, so wären wir für immer entehrt. Sucht die Frau Dauphine hier ein Muster des französischen Adels, so beklage ich sie, bei Gott! ich beklage sie! Doch sprich, durch welchen Zufall hat sie gerade mein Haus gewählt?«

»Oh! das ist eine ganze Geschichte, mein Vater.«

»Eine Geschichte?« wiederholte Andrée, »erzähle sie uns.«

»Ja, eine Geschichte, wegen der diejenigen Gott segnen müßten, welche vergessen, daß er unser Herr und Retter ist.«

Der Baron verlängerte die Lippen, wie ein Mensch, der daran zweifelt, daß der höchste Gebieter der Menschen und Dinge sich herabgelassen habe, seine Augen auf ihn zu lenken und sich in seine Angelegenheiten zu mischen.

Als Andrée Philipp freudig sah, zweifelte sie nicht mehr; sie drückte ihm die Hand, um ihm für die gute Kunde, die er brachte, zu danken, und flüsterte theilnehmend an dem Glücke, das er zu empfinden schien:

»Mein Bruder! mein guter Bruder!«

»Mein Bruder, mein guter Bruder,« wiederholte der Baron; »sie sieht meiner Treue aus, als wäre sie mit dem, was uns begegnet, zufrieden.«

»Sie bemerken wohl, mein Vater, daß Philipp freudig zu sein scheint.«

»Weil Philipp ein Enthusiast ist; aber glücklicher oder unglücklicher Weise wäge ich die Dinge ab,« sprach Taverney, einen traurigen Blick auf das Geräthe seines Salon werfend, »ich sehe in Allem dem nichts Ergötzliches.«

»Sie werden sogleich anders urtheilen, mein Vater,« entgegnete der junge Mann, »wenn ich Ihnen erzählt habe, was mir begegnet ist.«

»Erzähle also,« brummte der Greis.

»Ja, ja, erzähle, Philipp,« sagte Andrée.

»Nun, ich war, wie Sie wissen, in Straßburg in Garnison. Sie wissen auch, daß durch Straßburg die Dauphine ihren Einzug gehalten hat.«

»Weiß man etwas in dieser Höhle?« versetzte Taverney.

»Du sagst, lieber Bruder, durch Straßburg habe die Dauphine . . .«

»Ja, wir warteten vom Morgen an auf dem Glacis, es regnete in Strömen, unsere Kleider troffen von Wasser. Man hatte keine bestimmte Nachricht, zu welcher Stunde die Frau Dauphine ankommen würde. Mein Major schickte mich auf Recognoscirung dem Gefolge entgegen. Ich machte ungefähr eine Lieue. Plötzlich bei der Krümmung des Weges befand ich mich den ersten Reitern der Escorte gegenüber. Ich wechselte ein paar Worte mit ihnen; sie ritten unmittelbar vor ihrer Königlichen Hoheit, welche aus dem Kutschenschlage sah und fragte, wer ich sei.

»Es scheint, man rief mich zurück, aber ich hatte Eile, demjenigen, welcher mich abgeschickt, eine bestimmte Antwort zu überbringen, und war bereits wieder im Galopp weggeritten. Die Anstrengung einer Wache von sechs Stunden war wie durch einen Zauber verschwunden.«

»Und die Frau Dauphine?« fragte Andrée.

»Sie ist jung wie Du, und schön wie alle Engel,« antwortete der Chevalier.

»Sage mir doch, Philipp . . .« sprach der Baron zögernd.

»Nun, mein Vater?«

»Gleicht die Frau Dauphine nicht irgend einer Person, die Du kennst?«

»Die ich kenne?«

»Ja.«

»Niemand kann der Frau Dauphine gleichen,« rief der junge Mann voll Begeisterung.

»Suche.«

Philipp suchte.

»Nein,« sagte er.

»Laß sehen . . . Nicole, zum Beispiel?«

»Oh! das ist seltsam,« rief Philipp erstaunt. »Ja, Nicole hat in der That etwas von der erhabenen Reisenden. Aber das ist so weit von ihr entfernt, so unter ihr! Doch wie konnten Sie dies erfahren, mein Vater?«

»Meiner Treue, ich weiß es von einem Zauberer.«

»Von einem Zauberer?« rief Philipp erstaunt.

»Ja, der mir zugleich Deine Ankunft vorhersagte.«

»Der Fremde?« fragte Andrée schüchtern.

»Ist der Fremde der Mann, der bei meiner Ankunft in Ihrer Nähe stand und sich sodann bescheiden zurückzog?«

»Ganz richtig, doch vollende Deine Erzählung, Philipp.«

»Es wäre vielleicht besser, einige Vorbereitungen zu treffen,« sagte Andrée.

Doch der Baron hielt sie bei der Hand zurück und erwiederte:

»Je mehr Ihr vorbereitet, desto lächerlicher werden wir sein. Fahre fort, Philipp, fahre fort.«

»Sogleich, mein Vater. Ich kam also nach Straßburg zurück, entledigte mich meiner Botschaft, und man benachrichtigte den Gouverneur, Herrn von Stainville, der alsbald herbeilief.

»Als der Gouverneur, durch einen Boten benachrichtigt, auf das Glacis kam, schlug man den Marsch, das Geleite fing an zu erscheinen und wir eilten an das Thor von Kehl.

»Ich war in der Nähe des Gouverneur.«

»Herr von Stainville,« sagte der Baron, »warte doch, ich habe einen Stainville gekannt . . .«

»Ein Schwager vom Minister, von Herrn v. Choiseul.«

»Ganz richtig; fahre fort, fahre fort,« sprach der Baron.

»Die Frau Dauphine, welche noch jung ist und ohne Zweifel die jungen Gesichter liebt, denn sie hörte ziemlich zerstreut die Complimente des Herrn Gouverneur an, heftete die Augen auf mich, der ich aus Respect zurückgetreten war, und fragte auf mich deutend:

‚Ist das nicht der Herr, der mir entgegengeschickt wurde?’

‚Ja, Madame,’ antwortete Herr von Stainville.

‚Nähern Sie sich, mein Herr,’ sagte sie.

Ich näherte mich.

‚Wie heißen Sie?’ fragte die Frau Dauphine mit einer bezaubernden Stimme.

‚Chevalier von Taverney-Maison-Rouge,’ antwortete ich stammelnd.

‚Schreiben Sie diesen Namen auf, meine Liebe,’ sagte die Frau Dauphine zu einer alten Dame, welche, wie ich seitdem erfahren habe, ihre Hofmeisterin, die Gräfin von Langershausen, war, und die auch wirklich meinen Namen in ihrer Schreibtafel aufzeichnete.

Dann sich wieder an mich wendend, sagte sie:

‚Ah! mein Herr, in welchen Zustand hat Sie dieses abscheuliche Wetter versetzt! In der That, ich mache mir große Vorwürfe, wenn ich bedenke, daß Sie für mich so viel gelitten haben.’ «

»Wie gut das von der Frau Dauphine ist, und was für reizende Worte« rief Andrée, die Hände faltend.

»Ich habe es auch Sylbe für Sylbe behalten, mit dem Tone, mit der Miene des Gesichtes, die sie begleitete, Alles, Alles, Alles,« sprach Philipp.

»Sehr gut! sehr gut!« murmelte der Baron mit einem seltsamen Lächeln, in dem man zugleich die väterliche Eitelkeit und die schlimme Meinung lesen konnte, die er von den Frauen und sogar von den Königinnen hatte. »Gut, fahre fort, Philipp.«

»Was antwortetest Du?« fragte Andrée.

»Ich antwortete nichts; ich verbeugte mich bis auf den Boden, und die Frau Dauphine zog vorüber.«

»Wie! Du hast nichts geantwortet?« rief der Baron.

»Ich hatte keine Stimme mehr, mein Vater. All mein Leben hatte sich in mein Herz zurückgezogen, das ich mit der größten Heftigkeit schlagen fühlte.«

»Den Teufel  . . . wenn ich in Deinem Alter, als ich der Prinzessin Leczinska vorgestellt wurde, nichts zu sagen gefunden hätte!«

»Sie haben viel Geist, mein Vater,« erwiederte Philipp sich verbeugend.

Andrée drückte ihm die Hand.

»Ich benützte die Abfahrt Ihrer Hoheit,« sprach Philipp, »um in meine Wohnung zurückzukehren und eine neue Toilette zu machen, denn ich war in der That ganz durchnäßt und zum Erbarmen mit Koth überzogen.«

»Armer Bruder!« murmelte Andrée.

»Die Frau Dauphine war indessen im Rathhause angelangt und empfing die Glückwünsche der Einwohner. Als diese Glückwünsche erschöpft waren, meldete man ihr, die Tafel sei bestellt, und sie setzte sich zu Tische.

»Einer meiner Freunde, der Major des Regiments, derselbe, der mich Ihrer Hoheit entgegengeschickt hatte, versicherte mich, die Prinzessin habe wiederholt umhergeschaut und in den Reihen der Officiere, die dem Mittagsmahle beiwohnten, etwas gesucht.

»Nach einer zwei- bis dreimal vergebens erneuerten Forschung dieser Art sprach Ihre Hoheit:

‚Ich sehe den jungen Officier nicht, der mir diesen Morgen entgegengeschickt worden ist. Hat man ihm nicht gesagt, ich wünsche ihm zu danken?’

Der Major schritt vor.

‚Madame’ erwiederte er, ‚der Herr Lieutenant von Taverney mußte nach Hause zurückkehren, um die Kleider zu wechseln und sich sodann auf eine anständigere Weise vor Eurer Königlichen Hoheit zeigen zu können. «

 

Einen Augenblick nachher trat ich ein. Ich war nicht fünf Minuten im Saale, als mich die Frau Dauphine erblickte.

Sie hieß mich durch ein Zeichen zu ihr kommen. Ich näherte mich ihr.

‚Mein Herr,’ sagte sie zu mir, ‚sollte es Ihnen widerstreben, mir nach Paris zu folgen?’

‚Oh Madame!’ rief ich, ‚ganz im Gegentheil, das wäre das höchste Glück für mich; aber ich bin im Dienste, in Garnison in Straßburg, und . . .’

‚Und . . .?’

‚Das heißt, Madame, nur mein Wunsch allein gehört mir.’

‚Von wem hängen Sie ab?’

‚Vom Militaire-Gouverneur.«

‚Gut . . . ich werde das mit ihm anordnen.’

Sie machte mir ein Zeichen mit der Hand und ich zog mich zurück.

Am Abend näherte sie sich dem Gouverneur und sagte zu ihm:

‚Mein Herr, ich habe eine Laune zu befriedigen.’

‚Nennen Sie diese Laune, und sie wird ein Befehl für mich sein, Madame.’

‚Ich hatte Unrecht zu sagen, eine Laune zu befriedigen, ich habe ein Gelübde zu erfüllen.’

‚Die Sache wird mir nur um so heiliger sein . . . Sprechen Sie, Madame!’

‚Wohl! ich habe das Gelübde gethan, den ersten Franzosen, wer er auch sein möchte, dem ich, den Fuß auf den Boden von Frankreich sehend, begegnen würde, in meine Dienste zu nehmen und sein Glück und das seiner Familie zu machen, wenn es überhaupt in der Macht des Fürsten liegt, das Glück von irgend Jemand zu machen.’

‚Die Fürsten sind die Stellvertreter Gottes auf Erden, Und wer ist die Person, die das Glück gehabt, zuerst von Eurer Hoheit begegnet zu werden?’

‚Herr von Taverney-Maison-Rouge, der junge Lieutenant, der Sie zuerst von meiner Ankunft benachrichtigte.’

‚Wir werden Alle auf Herrn von Taverney eifersüchtig sein, Madame,’ sprach der Gouverneur; ‚doch wir dürfen das Glück, das ihm beschieden ist, nicht stören; er wird durch den Befehl, in hiesiger Garnison zu bleiben, zurückgehalten, aber wir heben den Befehl auf; er ist durch sein Engagement gebunden, aber wir brechen sein Engagement, und er wird zu gleicher Zeit mit Eurer Königlichen Hoheit abreisen.’

‚In der That, an demselben Tag, an dem der Wagen Ihrer Hoheit Straßburg verließ, erhielt ich Befehl, zu Pferde zu steigen und sie zu begleiten. Seit diesem Augenblick habe ich den Schlag ihrer Carrosse nicht verlassen.’ «

»Ei! ei!« machte der Baron mit seinem gewöhnlichen Lächeln; »ei! ei! es wäre sonderbar, doch es ist nicht unmöglich.«

»Wie, mein Vater?« versetzte naiv der junge Mann.

»Oh! ich verstehe,« sprach der Baron, »ich verstehe, ei! ei!«

»Aber, mein lieber Bruder,« entgegnete Andrée, »ich sehe noch nicht ein, wie bei Alle dem die Frau Dauphine nach Taverney kommen konnte.«

»Warte; es war gestern Abend gegen eilf Uhr; wir kamen nach Nancy und durchzogen die Stadt mit Fackeln. Die Dauphine rief mich.

‚Herr von Taverney,’ sagte sie, ‚treiben Sie die Escorte zur Eile an.’

Ich machte ein Zeichen, daß die Dauphine rascher zu fahren wünsche.

‚Ich will morgen frühzeitig abreisen,’ fügte die Dauphine bei.

‚Eure Hoheit gedenkt vielleicht eine lange Etape zu machen?’ fragte ich.

‚Nein, ich wünsche auf dem Wege anzuhalten.’

Etwas wie eine Ahnung ergriff mein Herz bei diesen Worten.

‚Auf dem Wege?’ wiederholte ich.

‚Ja,’ sagte Ihre Königliche Hoheit.

Ich schwieg.

‚Sie errathen nicht, wo ich anhalten will?’ fragte sie lächelnd.

‚Nein, Madame.’

‚Ich will in Taverney anhalten.’

‚Mein Gott!’ rief ich, »warum dies?’

‚Um Ihren Vater und Ihre Schwester zu sehen.’

‚Meinen Vater! meine Schwester . . . wie! Eure Königliche Hoheit weiß! . . .’

‚Ich habe mich erkundigt und erfahren, daß Sie zweihundert Schritte von der Straße, der wir folgen, wohnen. Sie werden Befehl geben, daß man in Taverney anhält.’

Der Schweiß trat mir auf die Stirne und ich erwiederte Ihrer Königlichen Hoheit schleunigst und mit einem Zittern, das Sie begreifen können:

‚Madame, das Haus meines Vaters ist nicht würdig, eine so hohe Fürstin, wie Sie sind, zu empfangen.’

‚Warum?’ fragte Ihre Königliche Hoheit.

‚Wir sind arm, Madame.’

‚Desto besser, ich bin überzeugt, der Empfang wird darum nur um so herzlicher und einfacher sein. So arm Taverney auch sein mag, so gibt es doch wohl eine Schale Milch für eine Freundin, die einen Augenblick vergessen will, daß sie Erzherzogin von Oesterreich und Dauphine von Frankreich ist.’

‚Oh! Madame,’ antwortete ich mich verbeugend.

Das war Alles. Die Ehrfurcht hielt mich ab, mehr zu sagen.

Ich hoffte, Ihre Hoheit würde dieses Vorhaben vergessen, oder Ihre Laune würde sich diesen Morgen in der frischen Luft auf der Landstraße zerstreuen, doch dem war nicht so. Aus der Station in Pont-à-Mousson fragte mich Ihre Hoheit, ob wir uns Taverney näherten, und ich war genöthigt, zu antworten, wir wären nur noch drei Lieues davon entfernt.«

»Ungeschickter!« rief der Baron.

»Ach! es war, als erriethe die Dauphine meine Verlegenheit. ‚Haben Sie nicht bange,’ sagte sie zu mir, ‚mein Aufenthalt wird nicht lange dauern; doch da Sie mir mit einem Empfang drohen, der mich leiden machen soll, so werden wir quitt sein, denn ich habe Ihnen bei meinem Einzug in Straßburg ebenfalls Beschwerden zugezogen.’ Sagen Sie mir, mein Vater, wie konnte ich, so bezaubernden Worten widerstehen?«

»Oh!« rief Andrée »und Ihre Königliche Hoheit, die so gut ist, wie es scheint, wird sich mit meinen Blumen und mit einer Tasse von meiner Milch, wie sie gesagt hat, begnügen.«

»Ja, aber sie wird sich nicht mit meinen Lehnstühlen, die ihr die Knochen zerbrechen werden, und mit meinem Täfelwerk begnügen, das ihren Blick verdüstern muß. Zum Teufel mit diesen Launen! Frankreich wird wieder gut von einer Frau beherrscht werden, die solche Phantasien hat! Pest! das ist die Morgenröthe einer seltsamen Regierung!«

»Oh! mein Vater, können Sie solche Dinge von einer Prinzessin sagen, die uns mit Ehren überhäuft?«

»Die mich im Gegentheil bald entehren wird,« rief der Greis. »Wer denkt in diesem Augenblick an die Taverney? Niemand. Der Name der Familie schläft unter den Trümmern von Maison-Rouge, und ich hoffte, er würde nur auf eine gewisse Weise und wenn der Augenblick gekommen wäre, wieder an das Tageslicht treten; doch nein, ich hoffte mit Unrecht, die Laune eines Kindes erweckt ihn, getrübt, bestaubt, schäbig, elend. Die Zeitungen, welche auf Alles lauern, was lächerlich ist, um den Scandal daraus zu ziehen, von dem sie leben, werden in ihren schmutzigen Artikeln den Besuch einer hohen Fürstin in der Barake von Taverney schildern. Cordieu! ich habe einen Gedanken.«

Der Baron sprach diese Worte mit einem Nachdruck, der die jungen Leute zittern machte.

»Was wollen Sie damit sagen, mein Vater?« fragte Philipp.

»Ich sage, daß man seine Geschichte kennt,« murmelte der Baron, »und wenn der Herzog von Medina einen Palast angezündet hat, um eine Königin zu umarmen, so kann ich wohl ein elendes Nest in Brand stecken, um von dem Empfange einer Dauphine befreit zu sein. Laßt die Prinzessin nur kommen.«

Die jungen Leute hatten nur die letzten Worte gehört und schauten sich unruhig an.

»Laßt sie kommen,« wiederholte Taverney.

»Sie kann nicht mehr lange ausbleiben,« antwortete Philipp, »ich habe einen kürzeren Weg durch den Wald von Pierrefitte eingeschlagen, um ein paar Minuten Vorsprung vor dem Gefolge zu gewinnen, doch sie können nicht mehr fern sein.«

»Dann ist keine Zeit zu verlieren,« sagte der Baron.

Und rasch, als ob er erst zwanzig Jahre alt wäre, verließ er den Salon, lief in die Küche, riß ein brennendes Scheit aus dem Herde, eilte nach dem Speicher, der mit trockenem Stroh, Luzerne und Bohnen gefüllt war, und näherte bereits das Scheit den Futterbünden, als sich Balsamo hinter ihm erhob und ihn beim Arm faßte.

»Was machen Sie denn, mein Herr?« sagte er, indem er den Brand aus den Händen des Greises riß;« die Erzherzogin von Oesterreich ist kein Connetable von Bourbon, und ihre Gegenwart beschmutzt ein Haus nicht dergestalt, daß man es eher verbrennt, als sie einen Fuß darein setzen läßt.«

Der Greis hielt bleich und zitternd inne und lächelte nicht mehr, wie gewöhnlich. Er hatte alle seine Kräfte zusammenraffen müssen, um für seine Ehre, wenigstens so wie er sie verstand, einen Entschluß zu fassen, der aus einer noch erträglichen Mittelmäßigkeit ein vollständiges Elend machen sollte.

»Gehen Sie, mein Herr, gehen Sie,« sprach Balsamo; »Sie haben nur noch Zeit diesen Schlafrock abzulegen und sich anständiger zu kleiden. Als ich bei der Belagerung von Philippsburg den Baron von Taverney kennen lernte, war er Großkreuz vom Heiligen-Ludwigs-Orden. Ich weiß kein Gewand, das nicht unter einer solchen Decoration reich und zierlich würde.«

»Aber, mein Herr,« versetzte Taverney, »bei Alle dem wird die Dauphine sehen, was ich nicht einmal Ihnen zeigen wollte: daß ich unglücklich bin.«

»Seien Sie unbesorgt, Baron, man wird sie so beschäftigen, daß sie gar nicht bemerkt, ob Ihr Haus neu oder alt, arm oder reich ist. Seien Sie gastfreundlich mein Herr, es ist Ihre Pflicht als Edelmann. Was werden die Feinde Ihrer königlichen Hoheit machen, und sie hat deren eine gute Zahl, wenn ihre Freunde ihre Schlösser verbrennen, um sie nicht unter ihrem Dache aufzunehmen? Greifen wir nicht zukünftigem Aergerniß vor, mein Herr; jedes Ding hat seine Zeit.«

Herr von Taverney gehorchte mit jener Resignation, von der er schon einmal eine Probe abgelegt hatte, und ging wieder zu seinen Kindern, die ihn, unruhig über seine Abwesenheit, überall suchten.

Balsamo zog sich stillschweigend zurück, als wollte er ein begonnenes Werk vollenden.

XIV.
Marie Antoinette Josephe

Es war in der That keine Zeit zu verlieren, wie Balsamo gesagt hatte; ein gewaltiges Geräusch von Wagen, von Stimmen und Pferden erscholl auf dem sonst so friedlichen Wege, der von der Straße nach dem Hause des Baron von Taverney führte.

Man sah nun drei Carrossen, wovon die eine, mit Vergoldungen und mythologischen Basreliefs beladen, trotz ihrer Pracht nicht minder staubig, nicht minder mit Koth bespritzt war, als die andern, vor das große Thor fahren, das Gilbert offen hielt, dessen weit aufgesperrte Augen und fieberhaftes Zittern lebhafte Aufregung bei dem Anblick von so viel Herrlichkeit andeuteten.

Zwanzig Cavaliere, alle jung und glänzend, reihten sich bei dem Hauptwagen auf, als, unterstützt von einem schwarz gekleideten Mann, der auf seinem Rocke das große Band des Ordens trug, ein junges Mädchen von fünfzehn bis sechzehn Jahren ausstieg, das ohne Puder, aber mit einer Einfachheit frisirt war, welche ihr Haar nicht abhielt, sich einen Fuß über ihre Stirne zu erheben.

Marie Antoinette, denn sie war es, kam nach Frankreich mit einem Rufe der Schönheit, den nicht immer die Prinzessinnen brachten, die den Thron unserer Könige zu theilen bestimmt waren. Es ließ sich schwer eine feste Ansicht über ihre Augen fassen, die, ohne gerade schön zu sein, nach ihrem Willen alle Ausdrücke und besonders die so sehr entgegengesetzten der Sanftmuth und der Verachtung annahmen; ihre Nase war gut geformt; ihre Oberlippe war schön, aber zu dick, zu sehr hervorstehend und zuweilen herabfallend schien ihre Unterlippe, ein aristokratisches Erbtheil von siebenzehn Cäsaren, nur auf eine entsprechende Weise zu diesem hübschen Gesichte zu stehen, wenn dieses hübsche Gesicht Zorn oder Entrüstung ausdrücken wollte. Ihr Teint war bewunderungswürdig; man sah das Blut unter dem zarten Gewebe ihrer Haut hinlaufen; ihre Brust, ihr Hals, ihre Schultern waren von außerordentlicher. Schönheit, ihre Hände königlich. Sie hatte zwei verschiedene Gänge: der eine, den sie annahm, war fest, edel und etwas eilig; der andere, dem sie sich hingab, war weich, wiegend und so zu sagen schmeichelnd. Nie hat eine Frau eine Verbeugung mit mehr Anmuth gemacht. Nie hat eine Königin mit mehr Wissen gegrüßt. Sie bückte den Kopf ein einziges Mal für zehn Personen und gab in dieser einzigen Verbeugung Jedem das, was ihm gebührte.

Marie Antoinette hatte an diesem Tag ihren Frauenblick, ihr Frauenlächeln und sogar das Lächeln der glücklichen Frau; sie war entschlossen, an diesem Tage wo möglich nicht mehr Dauphine zu werden. Die süßeste Ruhe herrschte auf ihrem Gesicht, das reizendste Wohlwollen belebte ihre Augen. Sie trug ein Kleid von weißer Seide, und ihre schönen, entblößten Arme hielten ein Mäntelchen von dichten Spitzen.

Kaum hatte sie den Fuß auf die Erde gesetzt, als sie sich umwandte, um einer ihrer Ehrendamen, die das Alter etwas beschwerte, aus dem Wagen zu helfen; dann schlug sie den Arm aus, den ihr der Mann mit dem schwarzen Kleide und dem blauen Bande bot, und schritt vorwärts, frei, die Luft einathmend und die Augen umherwerfend, als wollte sie bis in die geringsten Einzelnheiten die seltene Freiheit genießen, die sie sich gab.

 

»Oh! die schöne Lage! die schönen Bäume! das hübsche Häuschen!« sagte sie. »Wie glücklich muß man in dieser guten Luft und unter diesen Bäumen sein, unter denen man so trefflich verborgen ist.«

In diesem Augenblick erschien Philipp von Taverney, gefolgt von Andrée, die mit ihren langen, in Flechten gewundenen Haaren und in einer Robe von leinblüthfarbiger Seide ihren Arm dem Baron gab, der ein schönes Kleid von königsblauem Sammet, einen Ueberrest seiner ehemaligen Herrlichkeit trug. Es versteht sich von selbst, daß der Baron gemäß der Ermahnung von Balsamo sein großes Band vom Heiligen-Ludwigs-Orden nicht vergessen hatte.

Die Dauphine blieb stehen, sobald sie die zwei Personen erblickte, die auf sie zukamen.

Um die junge Prinzessin gruppirte sich ihr Hof: Officiere, die ihre Pferde am Zügel hielten, und Höflinge, den Hut in der Hand, die Arme auf einander stützend und leise flüsternd.

Philipp von Taverney näherte sich der Dauphine, bleich vor innerer Bewegung und mit einem schwermüthigen Adel.

»Madame,« sprach er, »wenn es Euere Königliche Hoheit erlaubt, werde ich die Ehre haben, ihr den Herrn Baron von Taverney-Maison-Rouge und Fräulein Claire-Andrée von Taverney, meine Schwester, vorzustellen?«

Der Baron verbeugte sich tief und wie ein Mann, der Königinnen zu grüßen weiß. Andrée entwickelte alle Anmuth zierlicher Schüchternheit, die ganze, so schmeichelhafte Höflichkeit einer aufrichtigen Ehrfurcht.

Marie Antoinette schaute die zwei jungen Leute an, und da sie sich dessen erinnerte, was ihr Philipp von der Armuth ihres Vaters gesagt hatte, so errieth sie ihr Leiden.

»Madame,« sprach der Baron mit einem Tone voll Würde, »Eure Königliche Hoheit erweist dem Schlosse Taverney zu viel Ehre; eine so niedrige Wohnung ist nicht würdig, so viel Adel und Schönheit aufzunehmen.«

»Ich weiß, daß ich bei einem alten Soldaten Frankreichs bin,« antwortete die Dauphine, »und meine Mutter, die Kaiserin Maria Theresia, welche viel Krieg geführt, hat mir gesagt, in Ihrem Lande seien die Reichsten an Ruhm beinahe immer die Aermsten an Geld.«

Und sie reichte mit einer unbeschreiblichen Anmuth ihre Hand Andrée, welche sie niederknieend küßte.

Ganz und gar von seinem vorherrschenden Gedanken erfüllt, erschrak indessen der Baron über die große Anzahl von Leuten, welche sein kleines Haus füllen und der Stühle entbehren sollten.

Die Dauphine entzog ihn sogleich der Verlegenheit.

»Meine Herren,« sagte sie, sich an die Personen wendend, die ihr Gefolge bildeten, »Sie sollen weder die Anstrengung meiner Launen ertragen, noch das Vorrecht einer Dauphine genießen. Ich bitte Sie, erwarten Sie mich hier; in einer halben Stunde komme ich zurück. Begleiten Sie mich, meine gute Langershausen,« sagte sie deutsch zu derjenigen von ihren Frauen, welche sie beim Aussteigen aus dem Wagen unterstützt hatte. »Folgen Sie uns, mein Herr,« sprach sie zu dem schwarz gekleideten Mann.

Unter einem einfachen Kleide bot dieser eine merkwürdige Eleganz; er war ein Mann von höchstens dreißig Jahren, von schönem Gesicht und anmuthigen Manieren. Er trat zurück, um die Prinzessin vorübergehen zu lassen.

Marie Antoinette nahm an ihre Seite Andrée und machte Philipp ein Zeichen, neben seine Schwester zu kommen.

Was den Baron betrifft, so befand er sich bei dem ohne Zweifel hochgestellten Mann, dem die Dauphine die Ehre, sie zu begleiten, bewilligte.

»Sie sind also ein Taverney-Maison-Rouge?« sagte dieser, während er mit einer ganz aristokratischen Impertinenz seinen herrlichen Jabot von englischen Spitzen schüttelte,

»Soll ich mein Herr oder Monseigneur antworten?« fragte der Baron mit einer Impertinenz, welche in keiner Beziehung hinter der des schwarz gekleideten Edelmannes zurückblieb.

»Sagen Sie ganz einfach mein Prinz,« erwiederte dieser, »oder Eure Eminenz, wenn Sie lieber wollen.«

»Nun ja, Eure Eminenz, ich bin ein Taverney-Maison-Rouge, und dies ein wahrer,« sprach der Baron, ohne gänzlich den spöttischen Ton aufzugeben, den er so selten verlor.

Die Eminenz, welche den Takt der vornehmen Herren besaß, gewahrte leicht, daß sie es mit etwas Anderem, als einem Krautjunker zu thun hatte.

»Dieses Haus ist Ihr Sommeraufenthalt?« fuhr sie fort.

»Sommer- und Winteraufenthalt,« versetzte der Baron, der mißfälligen Fragen ein Ende machen wollte, aber jede von seinen Antworten mit einer tiefen Verbeugung begleitete,

Philipp wandte sich von Zeit zu Zeit voll Unruhe nach seinem Vater um. Das Haus schien in der That drohend und ironisch zu nahen, um unbarmherzig seine Armuth zu zeigen. Schon streckte der Baron mit Resignation seine Hand nach der von Gästen verlassenen Schwelle aus, als die Dauphine sich gegen ihn umwandte und sprach:

»Entschuldigen Sie, mein Herr, wenn ich nicht in das Haus eintrete; diese Schatten gefallen mir so sehr, daß ich gern mein Leben darunter hinbringen würde. Ich bin der Zimmer etwas müde, in Zimmern empfängt man mich seit fünfzehn Jahren, mich, die ich nur die Luft, den Schatten und den Wohlgeruch der Blumen liebe.«

Dann sich an Andrée wendend:

»Mein Fräulein, Sie werden mir wohl unter diese schönen Bäume eine Tasse Milch bringen lassen?«

»Eure Hoheit,« sprach der Baron erbleichend, »wie sollte man es wagen, Ihnen einen so traurigen Imbiß anzubieten?«

»Es ist mit frischen Eiern eine Liebhaberei von mir. Frische Eier und Milchwerk waren meine Festmahle in Schönbrunn.«

Plötzlich erschien La Brie, strahlend und von Stolz aufgeblasen, unter einer prächtigen Livree, eine Serviette in der Faust, vor einer Jasminlaube, nach deren Schatten es die Dauphine seit einigen Augenblicken zu gelüsten schien.

»Ihre Hoheit ist bedient,« sprach er mit einer unbeschreiblichen Mischung von würdevollem Ausdruck und Ehrfurcht.

»Oh! es scheint, ich bin bei einem Zauberer,« rief lachend die Prinzessin.

Und sie eilte mit hastigen Schritten nach der duftenden Laube.

Aeußerst unruhig vergaß der Baron die Etiquette, trennte sich von der Seite des schwarz gekleideten Herrn und lief der Dauphine nach.

Philipp und Andrée schauten sich mit einer Mischung von Erstaunen und Bangigkeit an, wobei übrigens die Bangigkeit vorherrschend war.

Als die Dauphine unter die grünen Bögen gelangte, stieß sie einen Schrei des Erstaunens aus.

Der Baron, der hinter ihr kam, gab einen Seufzer der Befriedigung von sich.

Andrée ließ ihre Hände mit einer Miene fallen, welche bezeichnete:

»Mein Gott! was soll das bedeuten?«

Die junge Dauphine sah aus einem Winkel ihres Auges diese ganze Pantomime: sie besaß einen Geist, der fähig war, solche Geheimnisse zu begreifen, wenn ihr Herz sie dieselben nicht schon hatte errathen lassen.

Unter dem Geschlinge von Jasmin, blühendem Geisblatt und Waldreben, deren knotige Stämme tausend dichte Zweige trieben, stand eine ovale Tafel bereit glänzend sowohl durch den Schimmer der Damastleinwand, die sie bedeckte, als auch durch das Geschirr von ciselirtem Vermeil, das wiederum die Leinwand bedeckte.

Zehn Gedecke erwarteten zehn Gäste.

Ein ausgesuchter, aber seltsam zusammengesetzter Imbiß fesselte von Anfang an die Blicke der Dauphine.

Es waren erotische Früchte in Zucker eingemacht, Confituren aus allen Ländern, Zwiebacke aus Alep, Orangen von Malta, Limonen und Cedrats von einer unerhörten Größe, und Alles dies ruhte auf weiten Schalen. Die reichsten Weine der Farbe nach, die edelsten dem Ursprunge nach, funkelten in allen Nuancen von Rubin und Topas in vier bewunderungswürdigen, in Persien geschnittenen und gravirten Caraffen.

Die Milch, welche die Dauphine verlangt hatte, füllte eine Kanne von Vermeil.

Die Dauphine schaute umher und erblickte unter ihren Wirthen nur bleiche, bestürzte Gesichter.

Die Leute vom Gefolge bewunderten und ergötzten sich, ohne zu begreifen, aber auch ohne daß sie zu begreifen suchten.

»Sie erwarteten mich also, mein Herr?« fragte die Dauphine den Baron von Taverney.

»Ich, Madame?« stammelte dieser.

»Allerdings; in zehn Minuten trifft man keine solche Vorbereitungen, und ich bin erst seit zehn Minuten bei Ihnen.«

Sie vollendete ihren Satz dadurch, daß sie La Brie anschaute, was sagen wollte: