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Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1

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XXXVI.
Die fünfte Verschwörung des Marschall von Richelieu

Der König war zurückgekehrt, um sein Marly zu halten, wie gewöhnlich.

Weniger Sklave der Etiquette als Ludwig XIV., der in den Versammlungen des Hofes Gelegenheiten suchte, seine Macht zu prüfen, suchte Ludwig XV. in jedem Kreise Neuigkeiten, auf die er so sehr begierig war, und vor Allem jenen Wechsel von Gesichtern, eine Zerstreuung, die er allen andern vorzog, besonders wenn diese Gesichter lächelnd erschienen.

An dem Abend der von uns erzählten Zusammenkunft und zwei Stunden, nachdem Frau von Béarn, diesmal ihrem Versprechen getreu, sich in dem Cabinet von Madame Dubarry einquartiert hatte, spielte der König im blauen Salon.

Er hatte zu seiner Linken die Herzogin d’Ayen und zu seiner Rechten die Prinzessin von Guémenée.

Seine Majestät schien sehr zerstreut; sie verlor achthundert Louisd’or in Folge dieser Zerstreuung; durch diesen Verlust zu ernsten Dingen geneigt (Ludwig XV. liebte es, als ein würdiger Abkömmling von Heinrich IV. ungemein, zu gewinnen), stand der König um neun Uhr auf, um in einer Fenstervertiefung mit Herrn von Malesherbes, dem Sohn des Erzkanzlers, zu sprechen; während Herr von Maupeou, der in einer Fenstervertiefung gegenüber mit Herrn von Choiseul plauderte, das Gespräch mit unruhigem Auge verfolgte.

Seit dem Aufstehen des Königs hatte sich indessen ein Kreis beim Kamin gebildet. Mesdames Adelaide, Sophie und Victoire hatten sich bei ihrer Rückkehr von einer Spazierfahrt nach den Gärten mit ihren Ehrendamen und ihren Edelleuten an diesen Ort gesetzt.

Und während um den König, der sicherlich von Geschäften in Anspruch genommen wurde, denn man kannte das strenge Wesen von Herrn von Malesherbes, während um den König, sagen wir ein Kreis von Land- und Seeofficieren, von Großwürdenträgern und Präsidenten, welche durch eine ehrfurchtsvolle Erwartung zurückgehalten wurden, versammelt war, genügte der kleine Hof am, Kamin sich selbst, und präludirte zu einem belebteren Gespräche durch einige Scharmützel, welche man nur als Sache der Vorhut betrachten konnte.

Die bedeutendsten Frauen, aus denen diese Gruppe bestand, waren außer den drei Töchtern des Königs Frau von Grammont, Frau von Guémenée, Frau von Choiseul, Frau von Mirepoir und Frau von Polastron.

In dem Augenblick, wo wir diese Gruppe auffassen, erzählte Madame Adelaide die Geschichte eines Bischofs, den man dem Pönitentiar der Diözese übergeben hatte. Die Geschichte, welche zu wiederholen wir uns enthalten, war ziemlich scandalös, besonders für eine königliche Prinzessin, aber die Epoche, die wir zu schildern suchen, stand bekanntlich nicht gerade unter der Anrufung der Göttin Vesta.

»Nun,« sagte Madame Victoire, »dieser Bischof ist doch noch vor kaum einem Monat unter uns gewesen.«

»Man wäre der Gefahr ausgesetzt, noch Schlimmeres bei Seiner Majestät zu treffen,« entgegnete Frau von Grammont, »wenn diejenigen kämen, welche, ohne je gekommen zu sein, nun kommen wollen.«

Jedermann fühlte bei den ersten Worten der Herzogin und besonders bei dem Tone, mit dem diese Worte gesprochen wurden, wen sie bezeichnete und auf welches Gebiet sie das Gespräch manoeuvriren wollte.

»Zum Glück ist Wollen und Können zweierlei, nicht wahr, Herzogin?« sagte ein kleiner Mann von vier und siebzig Jahren, der kaum fünfzig zu sein schien, so lebhaft waren seine Augen, so zierlich seine Taille, so frisch seine Stimme, so zart sein Bein, so weiß seine Haut und seine schöne Hand.

»Ah! Herr von Richelieu wirft sich auf die Leitern wie bei Mahon, und nimmt unser Gespräch im Sturm,« sagte die Herzogin. »Wir sind also immer noch ein wenig Grenadier, mein lieber Herzog?«

»Ein wenig! ah! Herzogin, Sie thun mir Unrecht, sagen Sie viel.«

»Nun, habe ich nicht die Wahrheit gesprochen, Herzog?«

»Wann dies?«

»So eben.«

»Und was sagten Sie?«

»Daß sich die Thüren des Königs nicht mit Gewalt öffnen lassen.«

»Wie die Vorhänge eines Alkoven. Ich bin Ihrer Meinung, Herzogin, immer Ihrer Meinung.«

Dieses Wort führte die Fächer auf einige Gesichter, aber es hatte Erfolg, obgleich die Verleumder der vergangenen Zeit behaupteten, der Witz des Herzogs habe gealtert.

Die Herzogin von Grammont erröthete unter dem Roth, das sie aufgelegt, denn an sie war hauptsächlich das Epigramm gerichtet.

»Meine Damen,« sprach sie, »wenn der Herr Herzog solche Dinge sagt, setze ich meine, Geschichte nicht fort, und ich schwöre Ihnen, Sie verlieren viel dabei, wenn Sie nicht den Marschall bitten, Ihnen eine andere zu erzählen.«

»Ich, Sie unterbrechen,« versetzte der Herzog, »während Sie wahrscheinlich etwas Schlimmes von einem meiner Freunde sagen? Gott behüte mich! ich höre mit allen Ohren, die mir bleiben.«

Man schloß den Kreis enger um die Herzogin.

Frau von Grammont warf einen Seitenblick nach dem Fenster, um sich zu versichern, daß der König immer noch da sei. Der König war immer noch da, aber obwohl mit Herrn von Malesherbes. plaudernd, verlor er doch die Gruppe nicht aus dem Gesicht, und sein Blick kreuzte sich mit dem von Frau von Grammont.

Die Herzogin fühlte sich ein wenig eingeschüchtert durch den Ausdruck, den sie in den Augen des Königs zu lesen geglaubt hatte; aber sie hatte einmal angefangen und wollte nicht auf dem Wege stehen bleiben.

»Sie wissen also,« fuhr Frau von Grammont fort, die sich besonders an die drei Prinzessinnen wandte, »Sie wissen, daß eine Dame, nicht wahr der Name thut nichts zur Sache? uns kürzlich zu sehen wünschte, uns, die Auserwählten des Herrn, wie wir in unserer Glorie thronen, deren Strahlen sie vor Neid sterben machen.«

»Uns sehen, wo?« fragte der Herzog.

»In Versailles, in Marly, in Fontainebleau.«

»Gut, gut, gut.«

»Das arme Geschöpf hatte unsere großen Kreise nur beim Mittagsmahle des Königs gesehen, wo die Maulaffen hinter den Barrièren zuschauen dürfen, wie Seine Majestät mit seinen Gästen speist, wohlverstanden, indem sie unter dem Stocke des Huissier vom Dienste defiliren.«

Herr von Richelieu schnupfte geräuschvoll Tabak aus seiner Porzellandose von Sèvres.

»Aber um uns in Versailles, in Marly, in Fontainebleau zu sehen, muß man vorgestellt sein,« sagte der Herzog.

»Ganz richtig, die fragliche Dame bat um die Vorstellung.«

»Ich wette,« rief der Herzog, »sie wurde ihr bewilligt, der König ist so gut.«

»Leider ist, um vorgestellt zu werden, die Erlaubniß des Königs nicht hinreichend, man muß Jemand haben, von dem man vorgestellt wird.«

»Ja,« sagte Frau von Guémenée, »etwas wie eine Pathin zum Beispiel.«

»Wohl, doch es hat nicht Jedermann eine Pathin,« versetzte Frau von Mirepoir, »zum Beweise dient die schöne Bourbonnaise, welche eine sucht und keine findet.«

Und sie trällerte:

 
La belle Bourbonnaise
Est fort mal à son aise.
 

»Ah! Marschallin,« sagte der Herzog von Richelieu, »lassen Sie doch der Frau Herzogin die ganze Ehre ihrer Erzählung.«

»Ei! ei!« sprach Madame Victoire, »Sie haben gemacht, daß uns das Wasser im Munde zusammengelaufen ist, und nun lassen Sie uns auf dem Wege.«

»Nein, nein; es liegt mir im Gegentheil daran, meine Geschichte bis zum Ende zu erzählen. Da man keine Pathin hatte, so suchte man eine. Suchet und ihr werdet finden, sagt das Evangelium. Man suchte so gut, daß man fand; doch welch eine Pathin, guter Gott! eine naive, unschuldige Frau vom Lande. Man zog sie aus ihrem Taubenschlage, man hätschelte sie, man streichelte sie, man putzte sie.«

»Das ist zum Rasendwerden,« sprach Frau von Guémenée.«

»Doch plötzlich, als die unschuldige Frau aus der Provinz gut gehätschelt, gut gestreichelt, gut geputzt war, fällt sie oben von ihrer Treppe herab und  . . .«

»Und?« sagte Herr von Richelieu.

»Und bricht sich das Bein.«

»Somit,« versetzte Frau von Guémenée, »somit ist von der Vorstellung  . . .«

»Nicht der Schatten, meine Liebe.«

»Das ist ein Werk der Vorsehung!« sprach der Marschall, indem er seine beiden Hände zum Himmel erhob.

»Verzeihen Sie,« sagte Madame Victoire, »ich meines Theils beklage die arme Provinzfrau.«

»Im Gegentheil, Madame,« erwiederte die Herzogin, »wünschen Sie ihr Glück, sie hat von zwei Uebeln das geringste gewählt.«

Die Herzogin hielt plötzlich inne, sie war einem zweiten Blicke des Königs begegnet.

»Aber von wem sprechen Sie denn, Herzogin?« sagte der Marschall, der sich den Anschein gab, als suchte er, wer die fragliche Person sein konnte.

»Meiner Treue, man hat uns den Namen nicht genannt.«

»Welch ein Unglück!« sprach der Marschall. »Doch ich habe ihn errathen; machen Sie es wie ich.«

»Wenn die vorgestellten Damen muthig und den Grundsätzen der Ehre des alten Adels von Frankreich treu wären,« sagte Frau von Guémenée voll Bitterkeit, »so würden sie sich alle bei der Provinzdame, welche den erhabenen Gedanken gehabt hat, sich das Bein zu brechen, einschreiben lassen.«

»Ah! meiner Treue, ja,« sprach Richelieu, »das ist eine Idee. Doch man. müßte wissen, wie sie heißt, diese vortreffliche Frau, die uns von einer so großen Gefahr errettet; denn wir haben nichts mehr zu befürchten, nicht wahr, liebe Herzogin?«

»Oh! nichts mehr, ich stehe Ihnen dafür; sie liegt in ihrem Bette mit eingepacktem Bein, und ist unfähig, einen Schritt zu machen.«

»Doch wenn diese Frau eine andere Pathin finden würde,« sagte Frau von Guémenée; »sie ist sehr rührig.«

»Oh! es ist nichts zu befürchten, die Pathinnen finden sich nicht nur so.«

»Pest! ich glaube es wohl,« sprach der Marschall, während er eine von den wunderbaren Pastillen knaupelte, von denen man behauptete, er verdanke ihnen seine ewige Jugend.«

In diesem Augenblick machte der König eine Bewegung, um sich der Gruppe zu nähern. Jedermann schwieg.

 

Da erscholl die so bekannte und so klare Stimme des Königs im Salon:

»Adieu, meine Damen, guten Abend, meine Herren.«

Alle erhoben sich und es herrschte, eine große Bewegung in der Gallerie.

Der König machte ein paar Schritte gegen die Thüre, drehte sich aber, als er eben im Begriffe war, hinauszugehen, wieder um, und sprach:

»Bald hätte ich vergessen, morgen ist Vorstellung in Versailles.«

Diese Worte fielen wie ein Blitz auf die Versammlung.

Der König ließ seinen Blick auf der Gruppe der Frauen umherlaufen, welche einander anschauend erbleichten.

Dann verließ er den Salon, ohne etwas beizufügen.

Doch kaum hatte er die Schwelle mit dem zahlreichen Cortége von Edelleuten seines Dienstes und seines Gefolges überschritten, als die Explosion unter den nach seinem Abgang zurückgebliebenen Prinzessinnen und anderen Personen stattfand.

»Eine Vorstellung!« stammelte die Herzogin von Grammont, welche leichenblaß geworden war; »was wollte Seine Majestät damit sagen?«

»Ei! Herzogin,« versetzte der Marschall mit jenem Lächeln, das ihm seine besten Freunde nicht vergaben, »sollte diese Vorstellung zufällig die Ihrige sein?«

Mesdames bissen sich unwillig auf die Lippen.

»Oh! nicht möglich,« wiederholte mit dumpfem Tone Frau von Grammont.

»Hören. Sie doch, Herzogin,« sprach der Marschall, »man heilt gegenwärtig die Beine so gut.«

Herr von Choiseul näherte sich seiner Schwester und preßte ihr den Arm, um sie zu warnen; aber die Gräfin war zu tief verletzt, um etwas zu hören.

»Das wäre eine Abscheulichkeit!« rief sie.

»Ja, eine Abscheulichkeit,« wiederholte Frau von Guémenée.

Herr von Choiseul sah, daß nichts zu machen war, und entfernte sich.

»Oh! Mesdames,« rief die Herzogin, indem sie sich an die Töchter des Königs wandte, »unsere einzige Hoffnung beruht nur noch auf Ihnen. Sie, die ersten Damen des Königreiches, werden Sie es dulden, daß wir der Gefahr ausgesetzt sind, in dem einzigen unverletzlichen Asyl der Frauen von Stand eine Gesellschaft zu finden, welche unsere Kammerjungfern verachten würden.«

Doch statt zu antworten, senkten die Prinzessinnen traurig den Kopf.

»Mesdames, im Namen des Himmels!« wiederholte die Herzogin.

»Der König ist der Gebieter,« erwiederte Madame Adelaide seufzend.

»Das ist richtig,« sprach der Herzog von Richelieu.

»Aber dann ist der ganze Hof von Frankreich compromittirt,« rief die Herzogin. »Ah! meine Herren, wie wenig kümmern Sie sich um die Ehre Ihrer Familien!«

»Meine Damen,« sprach Herr von Choiseul, indem er zu lachen suchte, »da sich diese Sache zu einer Verschwörung. wendet, so werden Sie es geeignet finden, wenn ich mich zurückziehe und Herrn von Sartines mitnehme. Kommen Sie, Herzog?« fügte er, sich an den Marschall wendend, bei.

»Oh! meiner Treue, nein,« sprach der Marschall, »ich liebe die Verschwörungen über Alles und bleibe.«

Herr von Choiseul verschwand mit Herrn von Sartines.

Die paar Männer, welche noch da waren, folgten ihrem Beispiel.

Es blieben um die Prinzessinnen nur Frau von Grammont, Frau von Guémenée, Madame d’Ayen, Frau von Mirepoir, Frau von Polastron und acht bis zehn Frauen, welche sich dem Streite über die Vorstellung mit dem größten Eifer angeschlossen hatten.

Herr von Richelieu war der einzige Mann.

Die Damen schauten ihn unruhig an, wie man es bei einem Trojaner im Lager der Griechen gethan hätte.

»Ich vertrete meine Tochter, die Gräfin Egmont,« sagte er, »also vorwärts.«

»Meine Damen,« sprach die Herzogin von Grammont, »es gibt ein Mittel, um gegen die Schmach zu protestiren, welche man uns anthun will, und dieses Mittel werde ich meines Theils anwenden.«

»Worin besteht es?« fragten gleichzeitig alle Frauen.

»Man hat uns gesagt: ‚der König ist der Gebieter,’ « versetzte Frau von Grammont.

»Und ich habe geantwortet: ‚das ist richtig,’ « sprach der Herzog.

»Der König ist der Gebieter bei sich, das ist wahr; doch bei uns sind wir die Gebieterinnen; wer kann mich verhindern, diesen Abend zu meinem Kutscher zu sagen: Nach Chanteloup! statt daß ich zu ihm sage: Nach Versailles?«

»Das ist richtig,« versetzte Herr von Richelieu; »doch wenn Sie protestirt haben, Herzogin, was wird daraus entspringen?«

»Es wird daraus entspringen, daß man nachdenkt.«

»Es wird daraus entspringen, daß man noch viel mehr überlegen würde, wenn Viele Sie nachahmten, Madame,« rief Frau von Guémenée.

»Und warum sollten wir nicht insgesammt die Herzogin nachahmen?« sagte die Marschallin von Mirepoir.

»Oh! Mesdames,« sprach die Herzogin, sich abermals an die Töchter des Königs wendend; »oh! welch ein schönes Beispiel könnten Sie dem Hofe geben, Sie, die Töchter von Frankreich.«

»Würde uns der König deshalb grollen?« fragte Madame Sophie.

»Nein, nein, Eure Hoheiten dürfen es fest überzeugt sein!« rief die haßerfüllte Herzogin. »Nein, er, der einen ausgezeichneten Verstand und einen vollkommenen Takt besitzt, wäre Ihnen im Gegentheil dankbar dafür. Der König, glauben Sie mir, thut Niemand Gewalt an.«

»Im Gegentheil,« sagte der Herzog von Richelieu, der zum zweiten oder dritten Mal auf einen Einfall anspielte, den Frau von Grammont, der Sage nach, eines Abends in das Zimmer des Königs gemacht hatte, »er ist es, dem man Gewalt anthut, er ist es, den man im Sturm erobert.«

Bei diesen Worten fand in den Reihen der Damen eine Bewegung der ähnlich statt, welche sich in einer Compagnie Grenadiere bewerkstelligt, wenn eine Bombe platzt.

Endlich beruhigte man sich wieder.

»Der König hat allerdings nichts gesagt, als wir der Gräfin unsere Thüre verschlossen,« sprach Madame Victoire, ermuthigt und erwärmt durch das Brausen der Versammlung; »aber es wäre wohl möglich, daß bei einer so feierlichen Gelegenheit  . . .«

»Ja, ja, ohne Zweifel,« unterbrach sie Frau von Grammont, »sicherlich, das könnte so sein, wenn Sie ihm allein ausblieben; aber wenn er sieht, daß wir ihm Alle fehlen  . . .«

»Alle?« riefen die Frauen.

»Ja, Alle,« wiederholte der alte Marschall.

»Also sind Sie beim Complott?« fragte Madame Adelaide.

»Gewiß bin ich dabei, und deshalb verlange ich das Wort.«

»Sprechen Sie, Herzog, sprechen Sie,« versetzte Frau von Grammont.

»Gehen wir methodisch zu Werke,« sagte der Herzog, »es ist nicht damit gethan, daß man schreit: ‚Alle, Alle;’ es ruft Eine aus vollem Hals: ‚Ich werde das thun,’ und im gegebenen Augenblick thut sie gerade das Gegentheil; da ich aber vom Complott bin, wie ich Ihnen zu sagen die Ehre gehabt habe, so sorge ich nicht dafür, daß ich verlassen werde, wie es mir geschehen ist, so oft ich unter dein verstorbenen König, oder unter der Regentschaft complottirte.«

»In der That, Herzog,« sagte ironisch die Herzogin von Grammont, »sollte man nicht glauben, Sie vergessen, wo Sie sind? In dem Lande der Amazonen geben Sie sich das Ansehen eines Anführers.«

»Madame,« entgegnete der Herzog, »ich bitte Sie zu glauben, daß ich einiges Recht auf den Rang hätte, den Sie mir streitig machen; Sie hassen Madame Dubarry mehr  . . . gut, nun habe ich den Namen genannt, doch nicht wahr, Niemand hat ihn gehört? Sie hassen Madame Dubarry mehr als ich, doch ich bin mehr compromittirt als Sie.«

»Sie compromittirt, Herzog?« fragte die Marschallin von Mirepoir.

»Ja, compromittirt, und zwar furchtbar; seit acht Tagen bin ich nicht mehr in Luciennes gewesen, seit vier Tagen nicht mehr in Versailles, so daß die Gräfin in den Pavillon de Hanovre schickte, umfragen zu lassen, ob ich krank wäre; Rafé antwortete ihr, ich befände mich so wohl, daß ich seit dem vorhergehenden Tage nicht nach Hause gekommen. Doch ich entsage meinen Rechten, ich habe keinen Ehrgeiz, ich überlasse Ihnen den ersten Rang. Sie setzen Alles in Bewegung, Sie sind die Brandfackel, Sie bringen die Gewissen in Aufruhr, Ihnen gebührt der Commandostab.«

»Nach den Prinzessinnen,« sprach ehrfurchtsvoll die Herzogin.

»Oh! lassen Sie uns die passive Rolle,« sagte Madame Adelaide. »Wir werden unsere Schwester Louise in Saint-Denis besuchen; sie hält uns zurück, wir kommen nicht, und dagegen ist nichts zu sagen.«

»Durchaus nichts,« versetzte der Herzog, »oder man müßte einen sehr schlecht beschaffenen Geist haben.«

»Ich mache mein Heu in Chanteloup,« sagte die Herzogin.

»Bravo!« rief der Herzog, »das ist ein Grund.«

»Ich,« sprach Frau von Guémenée, »ich habe ein krankes Kind, und ich ziehe den Schlafrock an, um mein Kind zu pflegen.«

»Ich,« sagte Frau von Polastron, »ich fühle mich ganz betäubt diesen Abend, und ich konnte leicht gefährlich krank werden, wenn mir Tronchin morgen nicht zur Ader ließe.«

»Und ich,« sprach majestätisch die Marschallin von Mirepoir, »ich gehe nicht nach Versailles, weil ich nicht dahin gehe; das ist mein Grund, der freie Wille!

»Gut, gut,« versetzte Richelieu, »Alles dies ist voll Logik, »doch man muß schwören.«

»Wie, man muß schwören?«

»Ja, man schwört stets bei den Complotten; seit der Conspiration von Catilina bis zu der von Cellamare, an der ich Theil zu nehmen die Ehre hatte, hat man stets geschworen; es ist wahr, die Dinge haben darum keine bessere Wendung genommen, aber Achtung vor der Gewohnheit! Schwören wir also! das ist sehr feierlich, wie Sie sehen werden.«

»Er streckte die Hand mitten in die Gruppe der Frauen aus und sprach majestätisch:

»Ich schwöre.«

Alle Frauen wiederholten den Schwur mit Ausnahme von Mesdames, welche sich in der Stille entfernt hatten.

»Nun ist es vorbei,« sprach der Herzog, »hat man einmal bei den Verschwörungen den Eid geleistet, so thut man nichts mehr.«

»Oh! welche Wuth, wenn sie sich in dem Salon allein sehen wird!« rief Frau von Grammont.

»Hm! der König wird uns wohl ein wenig verbannen,« sagte Richelieu.

»Ei! Herzog,« entgegnete Frau von Guémenée, »was wird aus dem Hofe werden, wenn man uns verbannt? Erwartet man nicht Seine dänische Majestät? was wird man ihr zeigen? Erwartet man nicht Ihre Hoheit die Dauphine? wem wird man sie zeigen? Und dann verbannt man nicht einen ganzen Hof; man wählt.«

»Ich weiß wohl, daß man wählt,« erwiederte Richelieu, »und ich bin sogar glücklich, mich wählt man immer; man hat mich bereits viermal gewählt, denn genau gerechnet, meine Damen, siehe ich bei meiner fünften Verschwörung.«

»Gut, glauben Sie das nicht, Herzog,« sagte Frau von Grammont, »mich wird man opfern.«

»Oder Herrn von Choiseul,« fügte der Marschall bei; »nehmen Sie sich in Acht, Herzogin.«

»Herr von Choiseul ist wie ich, er wird sich einer Ungnade unterwerfen, aber keine Schande ertragen.«

»Man wird weder Sie, Herzog, noch Sie, Herzogin, noch Herrn von Choiseul verbannen, sondern mich,« sprach die Marschallin von Mirepoir. »Der König wird es mir nicht verzeihen, daß ich weniger artig gegen die Gräfin bin, als ich es gegen die Marquise war.

»Man wird uns Alle verbannen,« sagte Frau von Guémenée aufstehend; »denn ich hoffe, Niemand wird von dem gefaßten Entschluß abgehen.«

»Und eben so wenig von dem beschworenen Versprechen,« sagte der Herzog.

»Auf jeden Fall werde ich meine Vorkehrungen treffen.«

»Sie?« sprach Frau von Grammont.

»Sie?« versetzte der Herzog.

»Ja, um morgen um zehn Uhr in Versailles zu sein, braucht sie drei Dinge.«

»Welche?«

»Einen Friseur, ein Staatskleid, eine Carrosse.«

»Allerdings.«

»Nun!«

»Nun, sie wird nicht um zehn Uhr in Versailles sein; der König wird ungeduldig; der König verabschiedet, und die Vorstellung wird in Betracht der Ankunft der Dauphine auf die lange Bank geschoben.«

Ein Sturm von Beifallsbezeigungen und Bravos, empfing diese neue Episode der Verschwörung; aber während sie lauter Beifall klatschten als die Andern, tauschten Herr von Richelieu und Frau von Mirepoir einen Blick aus.

Die zwei alten Höflinge waren sich im Einverständniß eines und desselben Gedanken begegnet.

Um eilf Uhr entflohen die Verschworenen insgesammt auf der Straße nach Versailles und Saint-Germain, von einem bewunderungswürdigen Monde beleuchtet.

Nur hatte Herr von Richelieu das Pferd seines Piqueur genommen, und während sein Wagen mit verschlossenen Vorhängen zum Scheine auf der Straße nach Versailles forteilte, erreichte er Paris mit verhängten Zügeln auf einem Seitenwege.