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Am folgenden Tage fand man unter dem Fenster den Yatagan Ali’s.

Bernhard.
Eine Geschichte für Jäger

Aus dem Französischem übersetzt
von
Wilhelm Ludwig Wesche
Leipzig, 1851
Verlag von Christian Ernst Kollmann

Das was ich erzählen will, ist weder eine Novelle, noch ein Roman, noch ein Drama, es ist ganz einfach eine Jugenderinnerung, eine jener Begebenheiten, wie sich deren täglich zutragen, und wenn die Erzählung irgend einen Anstrich annimmt, so wird es weder durch die Kunst des Erzählers, noch durch das Talent des Geschichtenschreibers, sondern durch den ausnahmsweisen Charakter des Mannes sein, welcher der Held desselben ist.

Fangen wir damit an zu sagen, dass dieser Mann ganz einfach ein Forstaufseher war.

Ich bin in Mitte eines schönen und wildreichen Waldes geboren. Mein Vater, ein großer Jäger, gab mir als kleines Kind eine Flinte in die Hände. Mit zwölf Jahren war ich schon ein vortrefflicher Wildschütz.

Ich sage Wildschütz, weil ich gewöhnlich nur im Geheimen jagte, ich war nicht alt genug, um einen Jagdschein zu erlangen, ich war nicht wichtig genug, um von den Leuten eingeladen zu werden, welche ihn entbehren können, endlich hatte der Forstmeister von Villers-Cotterets, ein guter und vortrefflicher Mann, dessen Andenken ich eine unauslöschliche Erinnerung der Freundschaft bewahre, welche er für mich hatte, der mein Verwandter war und mich von ganzem Herzen liebte, weil er fand, dass es unendlich besser für meine Zukunft wäre, wenn ich die Georgica und de Viris erklärte, als Kaninchen im Lager, oder Rebhühner mit der Doppelflinte zu schießen, dieser hatte allen Forstaufsehern den Befehl erteilt, mich niemals ohne eine ausdrückliche Erlaubnis von seiner Hand auf ihren Revieren jagen zu lassen.

Und das verhinderte indessen nicht, dass ich jagte, oder vielmehr, wie ich bemerkt, wilddiebte.

Meine Mutter, welche die Ansichten des Forstmeisters in Bezug auf mich gänzlich teilte, und die außerdem beständig Unglücksfälle fürchtete, welche mir zustoßen könnten, hielt mein Gewehr unter Verschluss und gab es mir nur an den feierlichen Tagen, den Tagen besonderer Erlaubnis, an den Tagen, wo als Belohnung für die Arbeit der Woche Herr von Violaine, das war der Name des Forstmeisters, mir zu sagen kam: – Aufgebrochen, Dumas, auf den Weg, mein Freund, aber gewöhnen wir uns nicht daran, es ist nur für heute, und weil der Abbé mit Dir zufrieden ist. Ah! diese Tage waren mir große Festtage. Ich nahm meine Jagdtasche, schnallte meine langen Jagdgamaschen an, zog meine Zwillichjacke an, warf eine hübsche Jagdflinte, die ich von meinem Vater hatte, auf meine Schulter, und ging stolz unter dem Gebell unserer Meute und den Wünschen aller unserer Bekannten, welche uns von der Schwelle ihrer Türen aus vorüber kommen sahen und uns zuriefen: – Gute Jagt! mit den Jägern durch die ganze Stadt.

Aber diese besondere Gunst ereignete sich kaum ein Mal monatlich, und es war sehr traurig, nur ein Mal unter dreißig Tagen zu jagen; ich hatte daher auch die neunundzwanzig andern Tage ein Mittel gefunden, an die Stelle meines eingeschlossenen Gewehres eine andere Waffe meiner Erfindung treten zu lassen. Das war eine lange Pistole aus den Zeiten Ludwigs XIV., zu der ich mir einen Kolben geschnitzt hatte. Wenn der Abend herbeigekommen, so steckte ich den Kolben in meine Tasche, den Lauf unter meine Jacke, und ging unschuldiger Weise, meinen Reif oder meinen Kreisel in der Hand, davon, da« mit man den mutwilligen Streich nicht argwöhnte, den ich vorhatte; dann, wenn ich außer dem Gesichtskreis war, ließ ich in irgend einem Winkel Kreisel oder Reif, erreichte in vollem Laufe den Saum des Waldes, legte mich auf den flachen Leib in das Gebüsch des Grabens, befestigte meine im Voraus geladene Pistole auf ihren Kolben, und wartete.

Wenn ein Kaninchen das Unglück hatte, auf fünf und zwanzig Schritt weit um mich herum sich auf die Ebene zu wagen, so war es ein vollkommen totes Kaninchen.

Wenn es zufällig ein Hase war, so versteht es sich von selbst, dass es ihm eben so erging. Eines Tages kam ein Reh heraus, und ich sage es ganz im Geheimen, es war mit dem Rehe wie es mit einem Kaninchen oder einem Hasen gewesen wäre.

Diese verschiedenen Stücke Wildbret dienten mir dazu, wackeren mir befreundeten Leuten Geschenke zu machen, welche, damit diese Geschenke sich erneuern möchten, mich ihrerseits mit Pulver und Blei versahen.

Dann muss ich ferner bemerken, dass fast alle Forstaufseher mit meinem Vater gejagt hatten, und ein lebhaftes Andenken an seine Freigebigkeit bewahrten. Andere waren ehemalige Soldaten, die unter ihm gedient, und die er durch seinen Einfluss in die Forstverwaltung hatte eintreten lassen. Kurz, alle diese wackeren Leute, welche in mir ganz besondere Anlagen sahen, eines Tages eben so freigebig zu werden als der General (so nannten sie meinen Vater immer) – hatten große Freundschaft zu mir gefasst. Sie luden mich daher auch zuweilen ein, Runden mit ihnen auf ihren Revieren zu machen; wenn dann ihr Jagdhund vor irgend einem unglücklichen Kaninchen im Lager anhielt, so blickten sie um sich, ob uns Niemand sähe, und gaben mir geschwind ihr Gewehr in die Hand. Ich ging auf die andere Seite des Gebüsches, auf welches Castor oder Pollux die Augen geheftet hatte, tat einen Fußtritt hinein, das Kaninchen sprang auf, und es war fast immer ein Kaninchen, das, nachdem es die Nacht in einem Baue zugebracht, den Abend in einer Bratpfanne zubrachte.

Unter diesen Aufsehern gab es einen, den man Bernhard nannte, und da er an der Straße von Soissons, eine halbe Stunde weit von Villers-Cotterets ein kleines Haus bewohnte, das Herr Violaine für seinen Vorgänger hatte bauen lassen, so nannte man ihn Bernhard von Neuhaus.

Er war zu der Zeit, von welcher ich spreche, das heißt im Jahre 1818 und 1819, ein schöner Mann von ungefähr zwei und dreißig Jahren, mit offenen Zügen, blonden Haaren, blauen Augen, dickem Backenbart, der sein fröhliches Gesicht ganz wunderschön einfasste, übrigens war er vortrefflich gebaut, und verdankte der Übereinstimmung seiner Glieder eine herkulische, zehn Stunden weit im Umkreise sprichwörtliche Starke.

Bernhard war daher auch immer und zu Allem bereit; am Morgen wie am Abend, bei Tage wie bei Nacht, wusste Bernhard auf ungefähr fünfzig Schritte weit, wo alle wilden Schweine seines Reviers lagerten, denn Bernhard war einer jener Männer, welche, wie Lederstrumpf, einer Fährte während ganzer Stunden folgen konnten. Wenn der Jagdsammelplatz in Neuhausen war, wenn man eine Viertelstunde weit von dort das Tier angreifen sollte, welches Bernhard umgangen hatte, so wusste man im Voraus, mit welchem Tiere man zu tun hatte: ob es ein Frischling oder ein Bacher, eine Bache oder ein Eber war, ob diese Bache trächtig, und seit wie langer Zeit sie es war. Der listigste Einsiedler hätte ihm keine sechs Monate seines Alters verbergen können. Es war merkwürdig zu sehen, besonders für Pariser Jäger, welche von Zeit zu Zeit zu uns kamen. Freilich schien uns Jägern des Landes, welche wir dieselben Studien gemacht, als er, aber in niederen Graden geblieben waren, die Sache weniger außerordentlich.

Bernhard war darum nichts desto weniger eine Art von Orakel für uns.

Zudem erlangt der Mut stets eine große Gewalt über die Menschen. Bernhard wusste nicht, was Furcht war. Er war noch nie, weder vor irgend einem Menschen noch vor irgend einem Tier auf der Welt zurückgewichen. Er suchte den Eber bis in seinem verstecktesten Lager auf, er griff die Wildschützen bis in ihren am besten verteidigten Zufluchtsstätten an. Freilich kehrte Bernhard von Zeit zu Zeit mit einigen Hauerschlägen in den Schenkeln oder einigem Schrot in den Lenden zurück. – Aber Bernhard hatte eine Art seine Wunden zu behandeln, welche ihm vollkommen gelang. Er holte aus seinem Keller zwei oder drei Flaschen weißen Wein, zog einen seiner Hunde aus dem Stall, legte sich auf eine Hirschhaut auf den Boden, ließ seine Wunde von Rocador oder von Fanfaro lecken, und um das verlorene Blut wieder zu ersetzen, verschluckte er während dieser Zeit das, was er seinen Tee nannte. Am Abend sah man fast nichts mehr, und am folgenden Tage war er gänzlich geheilt.

Bernhard liebte mich sehr, weil er als Kind unzählige Male mit meinem Vater gejagt hatte, und ich liebte Bernhard sehr, der mir immer eine Menge von Geschichten erzählte, welche ihm und seinem Onkel Berthelin zu den Zeiten des Generals begegnet waren.

Es war also ein doppeltes Fest für mich, wenn Herr von Violaine, wie ich bemerkt, mich zu irgend einer Jagt einlud, und der Sammelplatz der Jagt in Neuhausen war.

Wir brachen dann mit der Gewissheit auf, keinen vergeblichen Gang zu machen, dann erblickten wir an der Wendung dieser schönen, mitten durch den Forst gehauenen Straße von weitem Bernhard, der, sein Jagdhorn in der Hand, vier Schritte weit von seiner Tür auf dem Wege stand, und uns mit einer Aufforderung zur Jagt oder einem Halali voll Feuer begrüßte; das wollte sagen, dass das Tier unser sei, oder wir müssten Stümper sein.

Dann erwarteten uns in dem Hause fünf bis sechs Flaschen Tee, wie er seinen weißen Wein nannte, sorgfältig geschwenkte Gläser und ein Brot von zehn Pfund, weiß wie der Schnee. Man aß einen Bissen, machte der Madame Bernhard Komplimente über ihr Brot und über ihre Augen, und begab sich auf die Jagt.

Ich muss bemerken, dass Bernhard seine Frau anbetete, und ohne irgend einen Beweggrund rasend eifersüchtig auf sie war. Seine Kameraden neckten ihn zuweilen deshalb, aber die Neckerei war kurz. Bernhard wurde bleich wie der Tod, und indem er sich dann nach dem Unvorsichtigen umwandte, der unbedachtsamer Weise diese Wunde seines Herzens berührte, welche die Zunge seiner Hunde nicht zu heilen vermochte, sagte er zu ihm:

 

– Sieh, wenn ich Dir einen Rat zu geben habe, so schweig und zwar auf der Stelle, je eher Du schweigst, desto besser wird es für Dich sein.

Und der schlechte Spaßvogel schwieg sogleich, fügen wir sogar hinzu, dass die Anspielungen, welche man auf die einzige Schwäche dieses so starken Mannes machte, von Tage zu Tage seltener wurden, und sogar versprachen, sich binnen einer sehr kurzen Zeit gar nicht mehr zu erneuern.

An einem Samstag Abend, als ich damit beschäftigt war, auf der Schwelle unserer Tür zwei Sperbern ihr Abendfutter zu geben, welche ich ernährte, und die ich mit aller Gewalt zur Lerchenjagd abrichten wollte, kam Herr von Violaine vorüber.

– Nun! mein Junge, sagte er zu mir, haben wir diese Woche gut gearbeitet?

– Ich bin der zweite in der Geschichte gewesen.

– Ist es gewiss wahr? Ich zeigte ihm ein kleines silbernes Kreuz, das ich an einem kleinen roten Bande stolz in meinem Knopf« loche trug, und welches der unbestreitbare Beweis dessen war, was ich behauptete.

– Dann, Herr Zweiter, lade ich Sie ein, morgen mit uns auf die Eberjagd zu gehen.

Ich sprang vor Freude auf.

– Und wo das, Vetter?

– Bei Bernhard in Neuhausen.

– O! um so besser, um so besser! wir werden Vergnügen haben.

– Ich hoffe es.

– So verziehen Sie ihn also, sagte meine Mutter, indem sie auf der Schwelle der Tür erschien. Statt mir beizustehen, ihn von dieser unglückseligen Leidenschaft für die Jagt zu heilen, die mit jedem Tage so viel Unglücksfälle herbeiführt, erwecken Sie seinen Geschmack dazu. Hören Sie, ich vertraue ihn Ihnen nur unter der Bedingung an, dass er Sie nicht verlässt.

– Sein Sie unbesorgt, ich werde ihn neben mich stellen.

– Unter dieser Bedingung will ich es gut sein lassen, – sagte meine arme Mutter, die mir nichts auszuschlagen vermochte; aber bedenken Sie, dass wenn ihm irgend ein Unglück zustieße, fügte sie mit leiser Stimme hinzu, ich vor Kummer darüber sterben würde.

– Haben Sie doch keine Furcht, sagte Herr von Violaine, er ist ein Schelm, der sein Handwerk vollständig versteht; es bleibt also dabei, hörst Du, mein Junge, morgen früh um sechs Uhr.

– Ich danke, Vetter, ich danke, ich werde nicht auf mich warten lassen, sein Sie unbesorgt.

Und ich setzte meine Sperber wieder auf ihre Stange, um mich mit der Jagt des folgenden Tages zu beschäftigen.

Diese Vorbereitungen bestanden darin, den Lauf meines Gewehres zu putzen, das Schloss mit Öl einzuschmieren und Kugeln zu gießen.

Um sechs Uhr Morgens brachen wir auf, während des ganzen Weges nahmen wir die Aufseher mit, die uns auf ihren verschiedenen Revieren erwarteten, endlich gelangten wir auf die Biegung des Weges, und erblickten von weitem Bernhard, sein Jagdhorn in der Hand.

Er blies mit so vergnügter Miene und sandte uns so schallende Töne zu, dass wir nicht zweifelten, die Jagt sei sicher. In der Tat, als wir in Neuhausen anlangten, erfuhren wir, dass Bernhard nach dem Gebirge von Dampleux zu, das heißt ungefähr eine Stunde weit von da, einen prachtvollen Bacher umgangen hätte. – In der Jagtsprache nennt man Bacher einen Eber, der den dritten Teil seines Alters erreicht hat.

Herr von Violaine teilte den Forstaufsehern nun einen Brief mit, den er von der Forstverwaltung des Herzogs von Orleans erhalten hatte. Dieser Brief führte die Reklamationen der an den Forst glänzenden Gutsbesitzer an, die sich über die Verwüstungen beklagten, welche die wilden Schweine verursachten, und enthielt den ausdrücklichen Befehl, diese Tiere bis auf das letzte auszurotten.

Solche Aufträge werden von den Forstaufsehern immer gut aufgenommen; da der Eber ein königliches Wild ist, so haben sie nicht das Recht, darauf zu schießen, oder wenn sie etwa darauf zufällig schießen, so geschieht es, weil man es für die Hofküche verlangt hat. Dann wird ihnen der Schuss ganz einfach, wie ich glaube, mit zwölf Sous bezahlt. Aber in dem Falle der Ausrottung gehört das Tier von Rechtswegen dem, welcher es getötet hat, und ein Eber in dem Pöckelfasse ist, wie man wohl begreifen wird, ein herrlicher Zuwachs für die Wintervorräte.

Es wurde also verabredet, dass die Jagten bis zur gänzlichen Ausrottung aller wilden Schweine, die sich in dem Walde von Villers-Cotterets befänden, fortgesetzt werden sollten. Was mich betrifft, so war ich darüber nicht minder zufrieden, als die Aufseher, denn es war augenscheinlich, dass ich einige dieser schönen Jagten mitmachen würde.

Nachdem wir eine Brotrinde gegessen und ein Glos weißen Wein getrunken, brachen wir auf, nicht unter den gewöhnlichen Aufschneidereien, man verzeihe mir das Wort, jeder kannte seinen Nachbar zu gut und war ihm zu gut bekannt, als dass er es «ersucht hätte, ihm durch eine jener unschuldigen Lügen zu imponieren, mit denen die Besucher der Ebene von Saint «Denis ihr Verdienst erhöhen, sondern indem man im Gegenteil mit vollkommener Gutmütigkeit die Geschicklichkeit der Stärksten anerkannte. Nun aber waren die Stärksten Berthelin, der Onkel Bernhards, Mona, ein alter Aufseher, der einige Zeit zuvor das Gelenk der linken Hand verloren hatte, und der deshalb nicht minder gut schoss, und ein gewisser Mildet, der, besonders mit der Kugel, überraschende Dinge vollzog.

Es versteht sich von selbst, dass die Ungeschickten ihrerseits derb geneckt wurden.

Unter diesen befand sich ein wackerer Mann Namens Niquet, der, ich weiß nicht warum, den Beinamen Bobino hatte, er hatte den Ruf eines Mannes von Witz, was wahr war, verband aber mit diesem Rufe den eines der schlechtesten Schützen der Truppe, was wieder wahr war.

Man erzählte also die Heldentaten Berthelins, Monas und Mildets, aber neckte Bobino unbarmherzig; worauf Bobino durch die spaßhaftesten und geistreichsten Witze antwortete, denen sein provenzalischer Akzent einen höchst belustigenden Anstrich verlieh.

An dem Orte angelangt, wo der Eber lagerte, gab uns Bernhard einen Wink zu schweigen. Von diesem Augenblick an ließ sich nicht eine einzige Stimme hören. Nun teilte Bernhard dem Forstmeister seinen Plan mit, der uns seine Befehle mit leiser Stimme gab, und wir gingen unsere Platze in dem Umkreise einzunehmen, den sich Bernhard mit seinem Spürhunde, den er an der Leine führte, zu durchsuchen anschickte.

Herr von Violaine hielt meiner Mutter Wort; er stellte mich zwischen sich und Mona auf, empfahl mir, mich gänzlich gedeckt hinter einer Eiche zu halten, dann, wenn ich auf den Eber schösse, und er auf den Schuss zurückkehrte, mich an einen dicken Zweig zu klammern, mich mit der Kraft der Fäuste zu erheben, und das Tier unter mir durchzulassen. Jeder ein wenig erfahrene Jäger weiß, dass dies das gewöhnlich bei einem solchen Umstande angenommene Manöver ist.

Nach Verlauf von zehn Minuten befand sich Jedermann an seinem Posten; das Signal wurde sogleich gegeben. Nach Verlauf eines Augenblickes erschallte die Stimme von Bernhards Hunde, der die Spur gefunden hatte, laut und oft, was bewies, dass er sich dem Tiere nähere. Plötzlich hörte man die Bäume des Dickichts krachen. Ich sah für meinen Teil etwas vorüber kommen, aber bevor ich noch darauf angelegt hatte, war dieses Etwas verschwunden. Mona feuerte seinen Schuss auf das Geratewohl ab, aber er schüttelte selbst den Kopf zum Zeichen, dass er nicht glaubte, das Tier getroffen zuhaben. Dann hörte man ein wenig weiterhin einen zweiten Schuss fallen, dann endlich einen dritten, dem unmittelbar ein Halalischrei folgte, welcher von der wohlbekannten Stimme Bobinos aus voller Brust ausgestoßen war.

Jeder eilte auf den Ruf herbei, obgleich er, als er die Stimme des Rufenden erkannte, in seinem Innern dachte, dass er durch irgend eine Aufschneiderei von Seite des geistreichen Witzboldes geprellt sei.

Aber zu unserm großen Erstaunen sahen wir, als wir auf dem großen Wege anlangten, Bobino ruhig auf dem Eber sitzen, indem er seinen Pfeifenstummel im Munde hatte und sich Feuer schlug.

Bei seinem Schuss hatte sich das Tier wie ein Kaninchen gewälzt, und sich nicht mehr von dem Orte gerührt, wo es gefallen war.

Man wird die einstimmigen Glückwünsche erraten, welche sich um den Sieger herum erhoben, der seine bescheidenste Miene annahm, und sich, immer auf seiner Trophäe sitzend, zwischen Rauchwolken zu antworten begnügte:

– Ei! Gottes Blitz! so karambolieren wir Provenzalen diese lieben Tiere.

Es war in der Tat nichts dagegen zu sagen, die Karambolage war vollkommen, die Kugel hatte hinter dem Ohre getroffen; Mona, Berthelin oder Mildet hätten es nicht besser gemacht.

Bernhard langte zuletzt an.

– Was der Teufel faselt man mir, Bobino! rief er so weit als er gehört werden konnte aus, man sagt mir, dass der Eber wie ein Einfaltspinsel Dir in den Schuss gelaufen wäre?

– Ob er mir nun in den Schuss gelaufen oder ob der Schuss in ihm gelaufen, sagte der Triumphator, es ist darum nicht minder wahr, dass dieser arme Bobino für seinen ganzen Winter Carbonaden haben wird, und dass nur die, welche ihm gleiches erwidern können, eingeladen werden bei ihm davon zu speisen. Mit Ausnahme des Herrn Forstmeisters, sagte Bovino, indem er seine Mütze abnahm, der seinem gehorsamen Diener immer ein unendliches Vergnügen und eine große Ehre erzeigen wild, wenn er die Küche der Mutter Bobine kosten will.

So nannte Niquet seine Frau, weil nach seiner Meinung Bobine natürlicher Weise das Femininum von Bobino war.

– Ich danke, Niquet, ich danke, antwortete der Forstmeister, ich schlage es nicht aus.

– Bei Gott! Bobino, sagte Bernhard, da Du nicht alle Tage solche Schüsse tust, so muss ich Dich mit der Erlaubnis des Herrn von Violaine dekorieren.

– Dekoriere, mein Freund, dekoriere! es gibt mehr als einen, der dekoriert worden ist, und der es nicht so sehr verdient, als ich.

Und Bobino fuhr fort mit dem komischsten Phlegma zu rauchen, während Bernhard, der sein Messer aus der Tasche zog, sich dem hinteren Teile des Ebers näherte, dessen Schwanz er ergriff und ihn mit einem einzigen Schnitte von dem Körper trennte.

Der Eber stieß ein dumpfes Grunzen aus.

– Nun! was gibt es denn, Kleiner? sagte Bobino, während Bernhard den Schwanz des Tieres in dem Knopfloch seines Siegers befestigte, es scheint, dass wir auf dieses Ende Faden hielten.

Der Eber stieß ein zweites Grunzen aus und zappelte mit einem Beine.

– Gut, sagte Bobino, gut! wir versuchen wieder zu uns zu kommen, Kleiner? Nun denn! Gottes Blitz! das muss spaßhaft sein.

Bobino hatte diese Worte kaum ausgesprochen, als er zehn Schritte weit von da mit der Nase in den Staub und seine Pfeife zwischen seinen Zähnen zerbrochen hinrollte.

Durch den Aderlass, den ihm Bernhard gemacht, wieder zu sich gekommen, hatte sich der Eber, der nur betäubt war, wieder aufgerichtet, und nachdem er sich von der Last befreit, die auf ihm lag, stand er, aber noch wankend, auf seinen vier Pfoten.

– Ah! bei Gott! sagte Herr von Violaine, lasst ihn ein wenig gehen; es wäre merkwürdig, wenn er wieder zu sich käme.

– Schießt darauf! rief Bernhard aus, indem er sein Gewehr holte, das er an den Rand des Grabens gestellt, um bequemer die Amputation vorzunehmen, die er so glücklich ausgeführt hatte; schießt darauf, ich kenne die Burschen, sie haben ein zähes Leben; schießt darauf und eher zwei Schüsse, als einen, oder er entgeht uns.

Aber es war zu spät; als sie den Eber sich wieder aufrichten sahen, waren die Hunde über ihn hergefallen, die einen hielten ihn bei den Ohren, die andern bei den Keulen, kurz Alle bedeckten ihn so vollständig, dass es kein Fleckchen an dem Körper des Tieres gab, wohin man eine Kugel hätte senden können.

Während dieser Zeit erreichte der Eber langsam den Graben, indem er die ganze Meute nachschleppte; dann trat er in das Dickicht und verschwand von Bobino verfolgt, der wieder aufgestanden war, und wütend über die erlittene Schmach, mit aller Gewalt Genugtuung dafür haben wollte.

– Halt ihn, halt ihn! rief Bernhard, halt ihn bei dem Schwanz, Bobino.

Halt ihn, halt ihn! Jedermann hielt sich den Bauch vor Lachen.

Man hörte zwei Schüsse.

Dann sah man nach einem Augenblicke Bobino mit gesenkten Ohren zurückkehren; er hatte ihn mit seinen beiden Schüssen gefehlt, und der Eber hatte sich wieder, von allen Hunden verfolgt, davon gemacht, deren Stimmen man rasch in der Ferne verhallen hörte.

Wir jagten ihn den ganzen Tag über, er führte uns fünf Stunden weit umher; wir gaben ihn erst am Abend auf und hörten niemals wieder von ihm sprechen, obgleich Bernhard nicht allein den Aufsehern des Forstes von Villers-Cotterets, sondern auch noch den Aufsehern der benachbarten Forste hatte wissen lassen, dass wenn irgend einer unter ihnen einen Eber ohne Schwanz schösse, und er darauf hielte ihn vollständig zu haben, er diesen Schwanz in dem Knopfloch Bobinos wiederfinden würde.

 

Indessen, obgleich die Jagd ohne Widerspruch weit belustigender gewesen war, als wenn sie gänzlich gelungen wäre, so hatte sie dennoch keineswegs den Zweck erfüllt, den sich der Forstmeister vorgenommen, da er den Auftrag erhalten hatte, die wilden Schweine auszurotten, und nicht sie zu englisiren.

Als er sich von seinen Aufsehern trennte, bestimmte der Forstmeister daher auch eine Jagt für den folgenden Donnerstag, indem er den Auftrag gab, bis dahin soviel wilde Schweine zu umstellen, als man vermöchte.

Da nun der Donnerstag ein Ferientag ist, so erlaubte mir Herr von Violaine nicht allein bei der nächsten Jagt zu sein, sondern auch noch bei allen denen, welche an den Donnerstagen und an dm Sonntagen stattfinden würden.

An diesem Tage war Regard-Saint-Hubert zum Sammelplatz bestimmt worden.

Wir, Herr von Violaine und ich, langten zur bestimmten Stunde an, Jedermann fand sich mit der gewöhnlichen Pünktlichkeit daselbst ein; es waren drei Tiere umstellt worden, zwei Bacher und eine Sau.

Es versteht sich von selbst, dass nicht ein Forstaufseher ermangelte, sich bei Bobino nach seinem Eber zu erkundigen, aber mit Ausnahme des Schwanzes, den er den guten Einfall gehabt hatte in seinem Knopfloch zu lassen, hatte Bobino durchaus keine Nachricht von ihm erhalten.

An diesem Tage gab es, wie wir bemerkt, drei wilde Schweine anzugreifen: eines auf dem Reviere Berthelins, eines auf dem Reviere Bernhards und eines auf dem Monas.

Man fing mit dem an, welches sich am nächsten befand: es war einer der von Berthelin umgangenen Bacher; bevor er noch aus der Umstellung gekommen, wurde er von Mildet geschossen, der ihm eine Kugel durch das Herz jagte.

Man ging zu dem zweiten über, welches, wie wir bemerkt haben, sich auf Bernhards Reviere befand. Das war eine kleine Stunde weit von dem Orte, wo das erste geschossen worden war. Bernhard führte uns seiner Gewohnheit gemäß nach Neuhausen, um dort ein Glas Wein zu trinken und etwas zu essen; dann brachen wir wieder auf.

Nie Schützen wurden angestellt. Den, meiner Mutter gemachten Versprechungen gemäß, hatte mich Herr von Violaine zwischen sich und seinem Leibschützen aufgestellt, der Franz hieß. Nach Franz kam Mona, dann nach Mona ich weiß nicht mehr wer. Dieses Mal sollten wir es mit einer Sau zu tun haben.

Bernhard ging mit seinem Spürhunde in das Gebüsch, einen Augenblick nachher war das wilde Schwein aufgejagt. Wir horten es wie das erste Mal, indem es seine Hauer gegeneinander klappern ließ. Herr von Violaine, an dem es zuerst vorüberkam, sandte ihm seine beiden Schüsse zu, aber ohne es zu treffen. Ich schoss den meinigen ab, da es aber das erste wilde Schwein war, auf welches ich schoß, so fehlte ich es gleichfalls. Endlich gab Franz nach seiner Reihe Feuer, und traf es in den vollen Leib; sogleich wandte sich die Sau rechts, und fiel mit der Schnelligkeit des Blitzes über den her, welcher auf sie geschossen hatte. Franz sandte ihr seine zweite Kugel fast vor der Nase zu; aber im selben Augenblicke bildeten Franz und das wilde Schwein nur noch eine gestaltlose Gruppe. Wir hörten einen Notschrei, Franz war auf den Rücken geworfen worden, die auf ihn erbitterte Sau versetzte ihm gewaltige Rüsselschläge. Wir stürzten Alle herbei, um ihm zu Hilfe zu eilen; aber in diesem Augenblick rief eine Stimme in gebieterischem Tone aus: »Rührt Euch nicht!« Jeder blieb regungslos auf seinem Platze stehen. Wir sahen Mona den Lauf seiner Flinte in der Richtung der schrecklichen Gruppe senken. Einen Augenblick lang blieb der Schütze regungslos wie eine Statue, dann fiel der Schuss, und das unter dem Schulterblatt getroffene Tier rollte vier Schritte weit von demjenigen, den es unter sich hielt.

– Ich danke, mein Alter, sagte Franz, indem er sich wieder auf seine Beine aufrichtete, und wenn Du jemals meiner bedarfst, so wirst Du begreifen, dass es auf Leben und Tod ist.

– Das ist keines großen Dankes wert, sagte Mona.

Wir eilten Alle zu Franz; er hatte einen Riss am Arme, das war Alles; aber das war Nichts im Vergleiche zu dem, was ihm hätte zustoßen können, als man sich daher überzeugt hatte, dass die Wunde wenig gefährlich war, verwandelten sich alle unsere Ausrufungen in Komplimente für Mona. Da es aber nicht das erste Mal war, dass ihm so etwas begegnete, so empfing Mona unsere Komplimente wie ein Mann, der nicht begreift, dass man eine so einfache, und nach seiner Meinung so leicht auszuführende Sache außerordentlich findet.

Nachdem wir uns mit dem Menschen beschäftigt, beschäftigten wir uns mit dem Tier. Es hatte die beiden Kugeln von Franz erhalten, aber die eine war auf dem Schenkel abgeprallt, fast ohne das Fell zu verletzen, die andere war ihm auf seinem Kopfe hingeglitten, und hatte ihm einen blutigen Streif gemalt. Was die Monas anbetrifft, so war sie, wie wir bemerkt, unter dem Schulterblatt eingedrungen, und hatte es auf der Stelle getötet.

Man weidete das Tier aus, und begab sich wieder auf die Jagt, als ob nichts vorgefallen wäre, oder als ob man hätte voraussehen können, dass sich, vor dem Ende des Tages ein bei weitem schrecklicheres Ereignis zutragen würde, als das so eben von uns erzählte.

Der dritte Angriff sollte auf dem Reviere Monas stattfinden. Dieselben Vorsichtsmaßregeln wurden getroffen, wie bei den vorhergehenden Treiben, die Umstellung wurde gebildet. Dieses Mal war ich zwischen Herrn von Violaine und Berthelin aufgestellt; dann ging Mona nach seiner Reihe in das Gebüsch, um es zu durchsuchen. Fünf Minuten nachher meldete uns die Stimme des Hundes, dass der Eber aufgejagt wäre.

Plötzlich hörte man einen Büchsenschuss, zu gleicher Zeit sah ich einen ungefähr vierzig Schritte weit von mir befindlichen Sandstein in Stücken zerspringen, dann hörte ich zu meiner Rechten einen Ausruf des Schmerzes. Ich wandte mich um, und erblickte Berthelin, der sich mit der einen Hand wankend an einen Baumzweig klammerte, und die andere auf seine Seite drückte.

Dann sank er in sich selbst zusammen und ließ sich auf den Boden gleiten, wobei er ein tiefes Stöhnen ausstieß.

– Zu Hilfe! rief ich aus, zu Hilfe! Berthelin ist verwundet.

Und von Herrn von Violaine gefolgt, eilte ich zu ihm, während die Jäger sich auf der ganzen Linie uns näherten.

Berthelin war ohne Bewusstsein, wir hoben ihn auf; das Blut floss in Strömen aus einer Wunde, welche er über der linken Hüfte erhalten hatte, die Kugel war in dem Körper geblieben.

Wir befanden uns alle um den Sterbenden herum, indem wir uns mit den Blicken befrugen, wer von uns wohl diesen unglückseligen Schuss getan hätte, als wir Bernhard ohne Mütze, bleich wie ein Gespenst, seine noch rauchende Büchse in der Hand, mit dem Ausrufe aus dem Dickicht kommen sahen: – Verwundet, verwundet! wer hat gesagt, dass mein Onkel verwundet wäre? Niemand von uns antwortete; aber wir zeigten ihm mit der Hand den Sterbenden, dem das Blut aus dem Munde quoll.

Bernhard kam mit verstörten Augen, den Schweiß auf der Stirn und mit gesträubten Haaren heran, bei dem Verwundeten angelangt, stieß er eine Art von Gebrüll aus, zerschmetterte den Schaft seiner Büchse, und warf den Lauf derselben fünfzig Schrille weit von sich.

Dann fiel er auf die Knie, indem er den Sterbenden bat ihm zu verzeihen, aber der Sterbende hatte bereits die Augen geschlossen, um sie nicht wieder aufzuschlagen.

Man machte auf der Stelle eine Bahre, legte den Verwundeten darauf, und brachte ihn in das Haus Monas, das nur drei bis vier Hundert Schritte weit von dem Orte lag, wo sich der Unglücksfall zugetragen hatte.

Bernhard ging zur Seite der Bahre, indem er kein Wort sagte, keine Träne vergoss und die Hand seines Onkels hielt.

Während dieser Zeit hatte einer der Forstaufseher das Pferd des Forstmeisters bestiegen, und sprengte im vollen Galopp davon, um einen Arzt aus der Statt zu holen.