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La San Felice

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Einige Augenblicke später hörte man das Geräusch eines das Meer schlagenden Doppelruders, und man sah durch das Labyrinth der den Hafen bedeckenden Fahrzeuge hindurch ein Boot sich nähern, welches am Fuße der kleinen Treppe der Goelette anlegte.

Es war Giuseppe Palmieri, welcher an Bord zurückkehrte.

»Ich kann Dir eine fröhliche Mittheilung machen,« rief Salvato auf englisch, indem er sich in die Arme eines Vaters warf. »Sie ist da, dort an jenem Fenster. Dies da ist ein Tuch und ein Brief von ihr!«

Giuseppe Palmieris Mund umspielte ein unbeschreibliches Lächeln und er murmelte:

»O armer Chevalier, Du hattest wohl Recht, als Du sagtest: Die Jugend ist vor Gott großer Dinge fähig!«

Dreizehntes Capitel.
Die Geburt eines königlichen Prinzen

Einige Tage nach den so eben erzählten Ereignissen befand der König, von einem treuen Anhänger Jupiter begleitet, sich in den Gärten der Bagaria und an dem nördlichen Abhange der Hügel, welche sich in einiger Entfernung von dem Strande erheben, auf der Hühnerjagd.

Er hatte die zwei treuesten Begleiter bei dieser Art Vergnügungen bei sich, nämlich Sir William Hamilton und den Präsidenten Cardillo, welche beide, wie er, ganz vortreffliche Schützen waren.

Die Jagd war höchst ergiebig. Es war jetzt die Zeit der Rückkehr der Wachteln.

Die Wachteln ziehen, wie jeder Jäger weiß, jedes Jahr zweimal. Das erste Mal, in den Monaten April und Mai, ziehen sie von Süden nach Norden. Zu dieser Zeit sind sie mager und ohne Geschmack. Bei dem zweiten Zuge, welcher in den Monaten September und Oktober stattfindet, sind sie dagegen fett und saftig, besonders in Sicilien, welches auf dem Rückwege nach Afrika ihre erste Station ist.

Der König Ferdinand amüsierte sich also – wir wollen nicht sagen wie ein König, denn wir wissen nur zu gut, daß er, obschon wirklich König, sich keineswegs immer amüsiert hatte – wohl aber wie ein Jäger, der im Wildpret schwimmt.

Er hatte fünfzig Schüsse gethan und fünfzig Stück erlegt, und er erbot sich zu wetten, daß er es so bis zu hundert bringen würde, ohne eine einzige zu fehlen.

Plötzlich sah man einen Reiter mit verhängten Zügeln herangesprengt kommen. Durch die Flintenschüsse geleitet hielt er in einer Entfernung von ungefähr hundert Schritten von den Jägern ein Pferd an, richtete sich in den Steigbügeln empor, um zu sehen, welcher von den Dreien der König wäre, und ritt, nachdem er ihn erkannt, gerade auf ihn zu.

Dieser Reiter war ein Bote, den der Herzog von Calabrien dem König, seinem Vater, schickte, um ihm zu melden, daß bei der Prinzessin die Geburtswehen sich eingestellt hätten, und um ihn zu bitten, den Gesetzen der Etiquette gemäß, der Entbindung beizuwohnen.

»Gut,« sagte der König. »Die ersten Wehen, sagt Du?«

»Ja, Sire.«

»Nun, in diesem Falle habe ich noch eine oder zwei Stunden vor mir. Ist Antonio Villari zugegen?«

»Ja, Sire, und noch zwei andere Aerzte.«

»Nun, dann siehst Du ja, daß ich weiter nichts thum kann. Achtung, Jupiter! Ich will noch einige Wachteln schießen. Reite nach Palermo zurück und sage dem Prinzen, daß ich Dir folge.«

Und er ging auf Jupiter zu, welcher, dem Befehl seines Herrn folgend, so unbeweglich stand, als ob er in Stein verwandelt wäre.

Die Wachtel flog auf, der König schoß sie.

»Einundfünfzig, Cardillo,« sagte er.

»Freilich,« sagte der Präsident, ärgerlich erst einunddreißig Stück erlegt zu haben, »mit einem Hund wie der Ihrige ist es kein Wunder. Ich begreife überhaupt nicht, Majestät, warum Sie sich erst die Mühe nehmen, Pulver zu verbrennen und Blei umherzustreuen. An Ihrer Stelle würde ich das Wild mit der Hand fangen.«

Der Diener, welcher dem König folgte, reichte ihm mittlerweile eine frischgeladene Flinte.

»Nun,« sagte der König zu dem Boten, »Du bist ja immer noch nicht wieder fort!«

»Ich warte, um zu wissen, ob Ew. Majestät mir nicht noch andere Befehle zu ertheilen haben.«

»Nun, dann sage meinem Sohn, ich hätte soeben meine einundfünfzigste Wachtel erlegt und Cardillo wäre erst bei der dreißigsten.«

Der Bote galoppierte davon und die Jagd hatte ihren Fortgang. Binnen einer Stunde erlegte der König fernerweite fünfundzwanzig Stück Wachteln.

Eben vertauschte er sein abgeschossenes Gewehr gegen ein frischgeladenes, als er denselben Boten wieder herangesprengt kommen sah.

»Nun,« rief er ihm entgegen, »Du kommst wohl, um mir zu sagen, daß die Herzogin entbunden ist?«

»Nein, Sire; ich komme im Gegentheil, um Ew. Majestät zu melden, daß die Herzogin viel leidet.«

»Aber was will sie denn, daß ich dabei thue?«

»Ew. Majestät wissen doch, daß unter solchen Umständen Ihre Anwesenheit durch das Ceremoniell geboten wird? Es kann sich ein Unglück ereignen.«

»Was gibt es denn?«, fragte der Präsident.

»Weiter nichts, als daß die Sache, wie es scheint, nicht von selbst gehen will,« antwortete Ferdinand.

»Dann sollen wir wohl mitten am Tage die Jagd aufgeben?« fuhr der Präsident fort. »Ew. Majestät können natürlich gehen, wenn Sie wollen; ich für meine Person aber bleibe und gehe nicht eher nach Hause, als bis ich meine hundert Stück erlegt habe.«

»Ha!« sagte Ferdinand, »da fällt mir etwas ein. Reite rasch nach Palermo zurück und befiehl, daß mit allen Glocken geläutet werde.«

»Und kann ich dann Seiner königlichen Hoheit sagen —«

»Du kannst sagen, daß ich Dir auf dem Fuße folge. Hast Du unsere Pferde gesehen?«

»Die Pferde stehen an dem Gitterhor der Bagaria, Sire.«

»Nun gut, dann bestelle im Vorüberreiten, daß man sie hierherbringe.«

Der Bote galoppierte von dannen.

Eine Viertelstunde später waren alle Glocken von Palermo in Bewegung.

»Ha!«, sagte der König, »das wird ihr wohlthun.«

Und er setzte die Jagd weiter fort, bis er seine neunzigste Wachtel erlegt hatte, ohne eine einzige gefehlt zu haben.

»Wollen Sie wetten, daß ich es ohne einen Fehlschuß bis auf hundert bringe, Cardillo?«

»Es lohnt nicht der Mühe.«

»Warum nicht?«

»Weil der Bote soeben wiederkommt.«

»Zum Teufel!« sagte der König. »Achtung, Jupiter! Ich kann doch mittlerweile noch die einundneunzigste schießen.«

Die Wachtel flog auf, der König erlegte sie. Als er sich herumdrehte, war der Bote dicht neben ihm.

»Nun,« fragte Ferdinand, »haben die Glocken Linderung gebracht?«

»Nein, Sire, die Aerzte hegen Befürchtungen.«

»Die Aerzte hegen Befürchtungen!« wiederholte Ferdinand, indem er sich hinter dem Ohr kratzte.

»Dann ist die Sache also ernst?«

»Ja, sehr ernst, Sire.«

»In diesem Falle stelle man das heilige Sacrament aus.«

»Sire, ich muß mir erlauben, Ew. Majestät bemerklich zu machen, daß die Aerzte sagen, Ihre Gegenwart sei dringend nothwendig.«

»Dringend nothwendig,« wiederholte Ferdinand ungeduldig. »Ich kann doch auch nicht mehr dabei thun als der liebe Gott!«

»Ihr Pferd ist da, Majestät.«

»Ich seh’ es wohl. Geh’ nur, geh, mein Junge, und wenn das heilige Sacrament nichts hilft, so werde ich selbst kommen.«

Dann setzte er in gedämpftem Tone hinzu:

»Wohlverstanden, sobald ich erst meine hundert Wachteln erlegt habe.«

Nach Verlauf einer Viertelstunde hatte der König seine hundert Wachteln erlegt. Sir William war ihm dicht auf dem Fuße gefolgt und hatte siebenundachtzig geschossen. Der Präsident Cardillo war hinter Sir William um zehn und hinter dem König um dreiundzwanzig zurück. Auch er war höchst wüthend darüber.

Die Glocken fuhren mittlerweile immer fort zu läuten, und dies bewies, daß es noch nichts Neues gab.

»Alla malora!« sagte der König mit einem Seufzer; »wie es scheint, hat die Prinzessin sich in den Kopf gesetzt, nicht eher fertig zu werden, als bis ich zur Stelle bin. Gehen wir denn. Man hat wohl Recht, wenn man sagt: Des Weibes Wille ist Gottes Wille!«

Dann schwang er sich aufs Pferd und sagte zu den beiden anderen Jägern:

»Ich stelle Euch frei, es noch bis auf hundert zu bringen. Ich meinerseits kehre nach Palermo zurück.«

»In diesem Falle,« sagte Sir William, »folge ich Ew. Majestät. Mein Amt legt mir die Verpflichtung auf, Sie in einem solchen Augenblick nicht zu verlassen.«

»Es ist gut; gehen Sie,« sagte Cardillo, »ich für meine Person bleibe.«

Der König und Sir William setzten ihre Pferde in Galopp.

In dem Augenblick, wo sie die Stadt erreichten, hörte das Glockengeläute auf

»Aha,« sagte der König, wie es scheint, ist die Sache vorbei. Es bleibt uns nur noch übrig zu erfahren, ob es ein Knabe oder ein Mädchen ist.«

Man kam an einer Kirche vorüber. Alle Kerzen waren angezündet, das heilige Sacrament war auf dem Altare ausgestellt und die Kirche mit Betenden angefüllt.

Man hörte das Knallen der Petarden und man sah, wie die Luft von Raketen durchfurcht ward.

»Nun,« sagte der König, »das ist von guter Vorbedeutung.«

Gleich darauf sah er denselben Boten von Weitem gesprengt kommen. Der Bote schwenkte den Hut in der Luft und rief: »Es lebe der König!« Eine Menge Menschen rannten hinter ihm her oder liefen ihm voran. Es war ein Wunder, daß er Niemanden über den Haufen ritt.

Sobald er den König von Weitem erblickte, rief er:

»Ein Prinz! ein Prinz!«

»Na,« sagte der König zu Sir William, »wenn ich dagewesen wäre, so hätte ich auch nicht mehr thun können.«

Das Geschrei des Volkes verkündete die Ankunft Ferdinands im Palast.

Alles schwamm in Freude und Jubel und der König ward mit der größten Ungeduld erwartet.

Der Herzog und die Herzogin von Calabrien hatten sich Luisas Sache sehr zu Herzen genommen, nicht um ihrer selbst willen, denn sie kannten sie kaum persönlich, sondern um ihres Ehegatten willen.

Der arme Chevalier lag mehr todt als lebendig und in größerer Aufregung, als wenn über sein eigenes Schicksal entschieden werden sollte, in einem an das Schlafzimmer anstoßenden Cabinet auf den Knien und betete.

 

Er kannte nämlich die Königin, und wußte, daß viel zu fürchten, aber wenig zu hoffen stand.

Die junge Mutter lag in ihrem Bett. Sie selbst hegte keinen Zweifel. Wer hätte wohl dem schönen Kinde etwas abschlagen können, welches sie mit so vielen Schmerzen soeben zur Welt geboren? Es wäre dies ja geradezu eine Ruchlosigkeit gewesen.

Sollte dieser Prinz nicht einmal König werden? Und war es daher nicht von glücklicher Vorbedeutung, wenn er durch das Thor der Milde und das Wort »Gnade« stammelnd in das Leben eintrat?

Man hatte, da ein Großvater im Augenblick der Geburt noch nicht da war, Zeit gehabt, ihn Toilette machen zu lassen und ihm ein prachtvolles Spitzengewand anzulegen.

Er hatte das blonde Haar der österreichischen Prinzen, blaue verwunderte Augen, welche sich umschauten, ohne zu sehen, und eine Haut, welche frisch war wie eine Rose und weiß wie Atlas.

Die Mutter hatte ihn neben sich liegen und ward nicht müde, ihn zu küssen. Sie hatte in die Falten des Gewandes, welches seine königlichen Windeln bedeckte, die Bittschrift der unglücklichen Luisa San Felice gesteckt.

Von der Straße herauf hörte man den immer näherkommenden Ruf: »Es lebe der König!«

Der Kronprinz ward bleich. Ihm, der vor seinem Vater stets so furchtsam war, kam es vor, als stünde er im Begriff ein Majestätsverbrechen zu begehen.

Die Prinzessin war muthiger als er.

»O Franz,« sagte sie, »wir können doch diese arme Frau nicht verlassen.«

Der Chevalier, welcher diese Worte hörte, öffnete die Thür des Alcovens und steckte ein bleiches, verstörtes Gesicht herein.

»O mein Prinz!« sagte er im Tone des Vorwurfes.

»Ich habe versprochen, ich werde mein Wort halten,« sagte der Kronprinz. »Ich hörte die Tritte des Königs. Laß Dich nicht sehen, denn dann wäre Alles verloren.«

Der Chevalier schloß die Thür des Cabinets wieder in dem Augenblick, wo der König die des Schlafzimmers öffnete.

»Nun,« sagte er eintretend, »es ist also Alles vorbei, und zwar, Gott sei Dank! Glücklich. Ich wünsche Dir Glück dazu, Franz.«

»Und mir, Sire?« fragte die Wöchnerin.

»Ihnen werde ich meinen Glückwunsch darbringen, sobald ich das Kind gesehen habe.«

»Sire,« sagte die Prinzessin, »Sie wissen, daß mir, weil ich dem Königreich einen Erben geschenkt, das Recht zusteht, mir drei Gnadenacte auszubitten.«

»Und man wird sie Ihnen gewähren, wenn es ein schöner Knabe ist.«

»O, Sire, es ist ein Engel!«

Und sie ergriff das neben ihr liegende Kind und hielt es dem König hin.

»Ah, meiner Treu,« sagte der König, indem er es bei den Händen faßte, »ich hätte es auch nicht besser gemacht, obschon ich mir einbilde, auf diesem Gebiet etwas zu leisten.«

Es trat ein Augenblick des Schweigens ein.

Jeder Athemzug stockte, Aller Herzen hörten auf zu schlagen. Man wartete, daß der König die Bittschrift sehe.

»O!« rief er plötzlich, »was hat das Bürschchen denn da unter dem Arme?«

»Sire,« sagte Marie Clementine, »anstatt der drei Gnadenbeweise, welche man gewöhnlich der Kronprinzessin gewährt, die der Krone einen Erben schenkt, verlange ich nur einen.«

Die Stimme der Prinzessin war, indem sie diese Worte sprach, so zitternd, daß der König sie überrascht ansah.

»Zum Teufel, liebe Tochter,« sagte der König, »wie es scheint, ist das, was Du wünschet, nichts Geringes.«

Und indem er den Knaben in seinen gebogenen linken Arm legte, ergriff er mit der rechten Hand das Papier und faltete es langsam auseinander, indem er den Prinzen Franz, welcher bleich ward, und die Prinzessin Marie Clementine ansah, welche sich auf ihr Kopfkissen zurücksinken ließ.

Der König fing an zu lesen; gleich bei den ersten Worten aber runzelte er die Stirn und der Ausdruck eines Gesichtes ward finster und unfreundlich.

»O,« sagte er, ehe er noch das Blatt umgewendet hatte, »wenn es dies ist, was Ihr von mir erbitten wollt, mein Herr Sohn und meine Frau Schwiegertochter, so habt Ihr Euch vergeblich bemüht. Diese Frau ist verurtheilt, diese Frau wird sterben.«

»Sire!« stammelte der Prinz.

»Und wenn Gott selbst sie retten wollte,« sagte der König, »so würde ich den Kampf gegen Gott beginnen.«

»Sire, im Namen dieses Kindes!« flehte die Prinzessin.

»Da hier!« rief der König, »nehmen Sie es wieder, Ihr Kind. Da haben Sie es, ich gebe es Ihnen zurück.«

Und nachdem er den Neugebornen mit heftiger Geberde auf das Bett zurückgeworfen, verließ er das Zimmer mit dem wiederholten Rufe:

»Nimmermehr! nimmermehr!«

Die Prinzessin Marie Clementine ächzte und schloß ihr weinendes Kind in ihre Arme.

»Armes unschuldiges Wesen!« sagte sie. »Dies wird Dir Unglück bringen.«

Der Prinz sank in einen Lehnstuhl und war nicht im Stande, auch nur ein Wort hervorzubringen.

Der Chevalier stieß die Thür des Cabinets auf und kam bleicher als ein Todter, um die Bittschrift aufzuheben, die auf den Boden gefallen war.

»O mein Freund!« sagte der Prinz, indem er ihm die Hand bot, »Du siehst, an uns liegt die Schuld nicht.«

Der Chevalier aber verließ, ohne, wie es schien, den Prinzen zu sehen oder zu hören, das Zimmer, während er die Bittschrift zerriß und vor sich hin murmelte:

»Dieser König ist ein Ungeheuer!«

Vierzehntes Capitel.
Tonino Monti

In demselben Augenblick, wo der König wüthend aus dem Zimmer der Kronprinzessin hinaus stürzte, und der Chevalier San Felice ihm, die Bittschrift zerreißend, folgte, besprach sich der Capitän Skinner in seiner Cajüte mit einem großen schönen jungen Burschen von fünfundzwanzig Jahren, welcher ihm seine Dienste als Matrose angeboten, über die Höhe des zu bewilligenden Lohnes.

Wenn wir sagen angeboten, so ist dies eigentlich nicht der ganz richtige Ausdruck.

Am Abend vorher hatte nämlich einer von Skinners besten Matrosen, welcher an Bord den Posten eines Hochbootsmannes bekleidete, und in Palermo geboren war, nachdem ihn der Capitän beauftragt, zur Verstärkung der Mannschaft einige Leute anzuwerben, an der Thür des Hauses Nr. 7 in der Strada della Salute einen schönen jungen Mann gesehen, der eine Fischermütze auf dem Kopfe trug, und seine Hosen bis über das Knie hinaufgestreift hatte, so daß ein kräftiges und zugleich schöngeformtes Bein sichtbar war.

Der Hochbootsmann war einen Augenblick vor dem jungen Mann stehengeblieben und hatte ihn mit einer Aufmerksamkeit und Hartnäckigkeit betrachtet, welche Letzteren bewogen, in sicilichem Dialect die Frage auszusprechen:

»Was willst Du von mir?«

»Nichts,« antwortete der Hochbootsmann in demselben Dialect. »Ich sehe Dich an und ich sage Dir, daß es eine Schande ist.«

»Was ist denn eine Schande?«

»Daß ein großer, starker Kerl wie Du, der einen so schönen Matrosen machen würde, bestimmt ist, einen so schlechten Schließer abzugeben.«

»Wer hat Dir denn das gesagt?« fragte der junge Mann.

»Das kann Dir gleich sein, sobald ich es nur weiß.«

Der junge Mann zuckte die Achseln.

»Was willst Du?« sagte er. »Das Fischerhandwerk nährt seinen Mann nicht, das Schließerhandwerk aber bringt täglich zwei Carlini ein.«

»Was! Zwei Carlini täglich, sagte der Hochbootsmann, indem er mit den Fingern knippte. »Ein schöner Lohn für ein so trauriges Handwerk! Ich bin an Bord eines Schiffes, wo die Schiffsjungen zwei Carlini, die Recruten vier und die ausgelernten Matrosen acht Carlini bekommen.«

»Wie? Du verdienst acht Carlini täglich?« fragte der junge Fischer.

»Ich? O, ich verdiene deren zwölf. Ich bin Hochbootsmann.«

»Zum Teufel!« sagte der Fischer, »was für Geschäfte treibt denn dein Capitän, daß er seinen Leuten solche Löhne zahlen kann?«

»Mein Capitän treibt gar keine Geschäfte, er fährt spazieren.«

»Dann ist er wohl reich?«

»O, er ist Millionär.«

»Das ist eine schöne Profession und noch besser als die eines Matrosen für acht Carlini.«

»Die aber immer noch besser ist als die eines Schließers für zwei Carlini.«

»Das ist wohl wahr, mein Vater hat es sich aber einmal in den Kopf gesetzt, daß ich Schließer werden müsse, um einmal sein Nachfolger als Oberaufseher werden zu können.«

»Was bringt ihm denn dieses Amt ein?«

»Sechs Carlini täglich.«

Der Hochbootsmann fing an zu lachen.

»In der That,« sagte er, »das ist eine glänzende Zukunft. Und dein Entschluß steht fest?«

»Ach, Lust habe ich freilich durchaus nicht dazu, aber, setzte er mit der Sorglosigkeit der Südländer hinzu, »etwas muß ich doch machen.«

»Es ist aber nicht sonderlich amüsant, des Nachts aufzustehen, die Runde durch die Corridors zu machen, in die Gefängnisse zu gehen und unglückliche weinende Gefangene zu sehen.«

»O, daran gewöhnt man sich schon. Gibt es nicht überall Leute, welche weinen?«

»Ah, ich sehe schon, wie die Sache steht,« sagte der Hochbootsmann. »Du bist verliebt und willst deshalb aus Palermo nicht fort.«

»Verliebt? ich habe in meinem Leben zweimal geliebt. Die eine Geliebte ward mir um eines englischen Officiers, die andere um eines Canonicus der heiligen Rosalia willen Untreu.«

»Dann bist Du also frei wie die Luft?«

»Ja, ich bin frei wie die Luft. Wenn Du mir einen guten Posten anzubieten hat, so mache mir deine Offerte, denn zum Schließer bin ich noch nicht ernannt, obschon ich seit drei Jahren darauf warte.«

»Einen guten Posten? ich habe keinen andern anzubieten, als den eines Matrosen an Bord meines Schiffes.«

»Und wie heißt dein Schiff?«

»Der Renner.«

»Ah, dann gehörst Du also zu der amerikanischen Mannschaft?«

»Nun, hast Du etwas gegen die Amerikaner?«

»Es sind Ketzer.«

»Mein Capitän ist ein so guter Katholik wie Du und ich.«

»Und Du machst Dich verbindlich mir Aufnahme an Bord deines Schiffes zu verschaffen?«

»Ich werde mit dem Capitän darüber sprechen.«

»Und ich werde acht Carlini täglich bekommen wie die Andern?«

»Ja wohl.«

»Muß man für seine Beköstigung selbst sorgen, oder bekommt man dieselbe?

»Man bekommt dieselbe.«

»Ist sie auch gut und reichlich?«

»Früh setzt es Kaffee und ein kleines Glas Rum, Mittags Suppe, ein Stück Rinder- und Hammelbraten und Fisch, wenn man gerade welchen gefangen hat, und Abends Maccaroni.«

»Da möchte ich es einmal versuchen.«

»Das kommt blos auf Dich an. Jetzt ist es halb zwölf Uhr, um zwölf Uhr wird zu Mittag gegessen. Ich lade Dich hiermit dazu ein.«

»Aber der Capitän?«

»Der Capitän? Glaubst Du, der werde auf Dich achten?«

»Nun, wenn es geht, so nehme ich die Einladung an,« antwortete der junge Mann. »Ich hatte ohnehin weiter nichts zum Mittagessen als ein Stück Baccala.«

»Pfui Spiner!« sagte der Hochbootsmann. »Wir haben einen Hund an Bord, aber so etwas fräße dieser nicht.«

»Madonna,« sagte der junge Mann, »dann gibt es viele Christen, welche nichts Besseres wünschen würden, als Hunde an Bord deines Schiffes zu sein.«

Und indem er seinen Arm in den des Hochbootsmannes schob, ging er mit ihm den Quai entlang bis zur Marina.

An der Marina lag dicht am Ausladungsplatz ein Boot am Strande. Es war von einem einzigen Matrosen bewacht, der Hochbootsmann ließ aber eine Pfeife ertönen und sogleich kamen drei andere Matrosen herbeigeeilt und sprangen in das Boot, in welches der Hochbootsmann und der junge Fischer dann ebenfalls hineinstiegen.

»Nachdem »Renner« und rasch!« rief in schlechtem Englisch der Hochbootsmann, indem er am Steuerruder Platz nahm.

Die Matrosen griffen zu den Rudern und das leichte Fahrzeug glitt über das Wasser hin.

Zehn Minuten später legte es an der Packbordtreppe des »Renner« an.

Der Hochbootsmann hatte die Wahrheit gesagt.

Weder der Capitän noch sein Lieutenant schienen die Ankunft eines Fremden an Bord zu bemerken.

Man setzte sich zu Tisch und da der Fischfang gut gewesen war und einer der Matrosen, ein geborener Provençale, eine sogenannte Boullabaisse bereitet hatte, so war die Mahlzeit noch viel besser, als der Hochbootsmann gesagt hatte.

Wir müssen gestehen, daß die drei Schüsseln, welche aufeinanderfolgten, mittelst einer halben Flasche calabresischen Weines benetzt, auf die Laune des Eingeladenen eine sehr günstige Wirkung hervorzubringen schienen.

Beim Dessert erschien der Capitän auf dem Roß und lenkte, hin und herspazierend, seine Schritte endlich nach dem Vordertheil des kleinen Schiffes.

Bei der Annäherung des Capitäns erhoben sich die Matrosen, und als der Capitän ihnen mit der Hand winkte, sich wieder zu setzen, sagte der Hochbootsmann: »Ich bitte um Entschuldigung, Herr Capitän; ich habe eine Bitte an Sie.«

 

»Und was willst Du?« fragte der Capitän Skinner, lachend. »Sprich, mein wackerer Giovanni.«

»Es ist nicht für mich, Capitän, sondern für einen meiner Landsleute, mit dem ich in den Straßen von Palermo zusammentraf und den ich eingeladen habe, mit uns zu speisen.«

»Ah so! Wo ist er denn dieser Landsmann von Dir?«

»Hier ist er, Herr Capitän.«

»Und was begehrt er?«

»Eine große Gunst, Herr Capitän.«

»Welche denn?«

»Er wünscht auf Ihre Gesundheit zu trinken.«

»Das will ich ihm gern gestatten,« sagte der Capitän.

»Ich werde ja selbst den Nutzen davon haben.«

»Der Capitän soll leben – hoch! hoch!« riefen die Matrosen wie aus einem Munde.

Skinner verneigte sich dankend.

»Und wie heißt dein Landsmann?« fragte er dann.

»Ach, meiner Treu,« sagte Giovanni, »das weiß ich selbst nicht.«

»Ich heiße Ihr Diener, Excellenz,« antwortete der junge Mann, »und wünschte sehr von Ihnen die Antwort zu hören, daß Sie mein Herr heißen.«

»Ah, Du bist, wie es scheint, nicht ohne Witz, mein Junge.«

»Glauben Sie, Excellenz?«

»Ich bin dessen überzeugt.«

»Meine Mutter sagte es auch, als ich noch ganz klein war, seitdem aber hat Niemand wieder etwas davon bemerkt.«

»Aber Du hast doch auch noch einen andern Namen als den meines Dieners?«

»Ich habe deren noch zwei, Excellenz.«

»Und was für welche?«

»Tonino Monti.«

»Warte einmal, warte einmal,« sagte der Capitän, als ob er sich auf etwas zu besinnen suchte. »Es ist mir, als kennte ich Dich.«

Der junge Mann schüttelte zweifelhaft den Kopf.

»Das sollte mich sehr wundern,« sagte er.

»O ja, ich besinne mich – ja, richtig, so war es.

»Bist Du nicht der Sohn des Oberaufsehers im Fort Castellamare?«

»Allerdings bin ich das. Sie müssen ein Hexenmeister sein, daß Sie so etwas zu errathen wissen.«

»Ein Hexenmeister bin ich nicht, wohl aber der Freund eines Mannes, welcher Dir den Posten eines Schließers zu verschaffen bemüht ist, mit einem Worte, ich bin der Freund des Chevalier San Felice.«

»Aber wird dieser mir auch den gewünschten Posten verschaffen können?«

»Warum sollte er ihn Dir nicht verschaffen können? Der Chevalier ist ja nicht blos der Bibliothekar, sondern auch der Freund des Herzogs von Calabrien.«

»Ja, aber er ist auch der Ehemann der Gefangenen, welche der König so streng beaufsichtigen läßt und welche nur aus Gnade noch lebt. Besäße der Chevalier irgend welchen Einfluß, so würde er zunächst das Leben seiner Gattin zu retten suchen.«

»Eben weil man ihm eine große Gunst verweigert hat oder wahrscheinlich verweigern wird, wird man gern bereit sein, ihm eine klein zu gewähren.«

»Gott möge mir gnädig sein, ihn nicht zu erhören.«

»Warum nicht?«

»Weil es mir viel besser zusagen würde, Ihnen zu dienen, Herr Capitän, als dem König Ferdinand.«

»Aber,« entgegnete der Capitän Skinner lachend, »ich möchte ihm nicht gern Concurrenz machen.«

»O, Sie werden ihm keine Concurrenz machen, Herr Capitän. Ich gebe meine Entlassung, ehe ich noch die Anstellung habe.«

»Ach, Herr Capitän,« sagte Giovanni, »nehmen Sie das Anerbieten an. Tonino ist ein wackerer Junge. Von Kindheit an Fischer, wird er ein ganz vortrefflicher Seemann werden. Ich bürge für ihn und wir werden uns Alle freuen, ihn in das Register der Mannschaft eingetragen zu sehen.«

»Ja! ja!« riefen alle Matrosen.

»Herr Capitän, sagte Tonino, die Hand aufs Herz legend, »bei der Treue eines Siciliers verspreche ich Ihnen, wenn Sie mir meine Bitte gewähren, so sollen Sie zufrieden mit mir sein.«

»Höre, mein Freund, « antwortete der Capitän, »ich bin mit deinem Anerbieten gern einverstanden, denn Du scheinst mir ein wackerer Junge zu sein. Ich will aber nicht, daß man sagt, ich wäre ein Werber oder Seelenverkäufer und hätte Dich angeworben, während Du betrunken gewesen wärest. Amüsiere Dich daher jetzt mit deinen Cameraden, so lange Du Lust hat, kehre aber heute Abend noch einmal nach Hause zurück. Ueberlege Dir deinen Entschluß die ganze Nacht und morgen der ganzen Tag, und wenn Du dann morgen Abend noch immer auf deiner Absicht beharrst, so komme wieder und wir wollen den Handel abschließen.«

»Es lebe der Capitän!« rief Tonino.

»Es lebe der Capitän!« rief die ganze Mannschaft.

»Hier sind vier Piaster,« sagte Skinner. »Geht ans Land, vertrinkt sie, verschmaust sie – dies geht mich weiter nichts an. Heute Abend aber seid Alle wieder da und laßt mich keine Spur von dem Weine sehen, den Ihr getrunken haben werdet. Jetzt geht.«

»Aber die Goelette, die Goelette, Herr Capitän?« fragte Giovanni.

»Laß zwei Mann an Bord.«

»Es wird aber Niemand dableiben wollen.«

»Laß losen, und jeder der beiden soll als Entschädigung einen Piaster bekommen.«

Man looste und die beiden Matrosen, welche das Loos traf, erhielten jeder einen Piaster.

Abends neun Uhr waren Alle wieder zurück und wie der Capitän empfohlen, heiter, aber weiter nichts.

Der Capitän ließ, wie er alle Abende zu thun gewohnt war, seine Leute die Musterung passieren und forderte dann Giovanni, aber diesen allein, durch eine Geberde auf, ihm in einer Weile in seine Cajüte zu folgen.

Zehn Minuten später lag mit Ausnahme der Matrosen von der ersten Nachtwache an Bord Alles im Schlafe.

Giovanni schlich sich in die Cajüte des Capitäns, der ihn mit seinem Lieutenant erwartete. Beide schienen seiner mit Ungeduld zu harren.

»Nun?«, fragte Skinner.

»Nun, er ist unser, Herr Capitän.«

»Bist Du dessen sicher?«

»So sicher, als ob ich ihn schon in das Register eingeschrieben sähe.«

»Und Du glaubst, daß er morgen —«

»Morgen Abend sechs Uhr hat er unterzeichnet, so wahr ich Giovanni Capriolo heiße.«

»Das gebe Gott!«, murmelte der Lieutenant. »Damit wäre unsere Aufgabe schon zur Hälfte gelöst.«

Und in der That ging am nächstfolgenden Tage, wie Giovanni versprochen und wie wir zu Anfange dieses Capitels bereits erwähnt, Tonino Monti, nachdem man sich über den Lohn geeinigt und auf seinen in dem Contracte ausdrücklich erwähnten Wunsch, auf drei Jahre als Matrose an Bord des »Renners« und erhielt drei Monate Lohn voraus, während er sich zugleich für den Fall, daß er sein Wort bräche, der ganzen Strenge der Gesetze unterwarf.