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La San Felice Band 11

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Dreizehntes Capitel.
Simon Backer bittet am eine Gunst

In einem der Kerker des Castello Nuovo, dessen dreifach vergittertes Fenster auf das Meer ging, horchten zwei Männer, der eine von fünfundfünfzig bis sechzig, der andere von fünfundzwanzig bis dreißig Jahren, angekleidet auf ihren Betten liegend, mit mehr als ungewöhnlicher Aufmerksamkeit auf den eintönigen Gesang der neapolitanischen Fischer, während die Schildwache, die in der Nähe der Mauer stand und instruiert war, die Gefangenen am Entfliehen, aber nicht die Fischer am Singen zu hindern, sorglos auf dem schmalen Erdstreifen hin und her marschierte, welcher den Fuß der aragonesischen Thürme von dem Wasserspiegel trennt.

Wie große Freunde des Gesanges auch die beiden Männer sein mochten, so war es doch nicht die Harmonie des Gesanges, welche Ihre Aufmerksamkeit auf diese Weise fesseln konnte, denn es gibt kaum etwas weniger Poetisches und besonders weniger Harmonisches als den Rhythmus, nach welchem das neapolitanische Volk seine endlosen Improvisationen ableiert.

Es lag deshalb für die beiden Gefangenen augenscheinlich in dem Text ein Interesse, welches in dem Gesange an und für sich nicht lag, denn bei dem ersten Verse richtete der jüngere der beiden Gefangenen sich auf seinem Bett empor, erfaßte kräftig die eisernen Gitterstangen, schwang sich bis an das Fenster und blickte forschend in die Finsterniß hinaus, um bei dem blassen, unsichern Schein des Mondes den Sänger zu entdecken.

»Ich hatte wohl seine Stimme erkannt,« sagte der jüngere der beiden Männer, nämlich der, welcher hinausschaute und horchte. »Es ist Spronio, unser erster Bankgehilfe.«

»Höre, was er sagt, André,« sagte der ältere der beiden Männer mit unverkennbar deutschem Accent. »Du verstehst den neapolitanischen Dialekt besser als ich.«

»Still, Väterchen,« sagte der junge Mann, »denn eben macht er unserem Fenster gegenüber Halt, wie um seine Netze auszuwerfen. Ohne Zweifel hat er uns eine gute Nachricht mitzutheilen.«

Die beiden Männer schwiegen und der vorgebliche Fischer begann zu singen.

Um den Sinn der Verse möglichst treu wiederzugeben, theilen wir die Uebersetzung derselben in Prosa mit.

Ganz so wie der jüngere der beiden Gefangenen vermuthet, waren die Nachrichten, welche der Mann brachte, den er mit dem Namen Spronio bezeichnet.

Der erste Vers war eine einfache Ansprache an die Aufmerksamkeit Derer, für welche das Lied gesungen ward, und lautete:

»Er ist herabgestiegen auf die Erde, der Engel, der uns befreien wird. Er hat die Lanze seines Gegners zerbrochen wie Glas, und wer es erlebt, der wird es sehen.«

»Es ist von dem Cardinal Ruffo die Rede,« sagte der junge Mann, dem wohl das Gerücht von der Expedition des Cardinals zu Ohren gekommen war, der aber keineswegs wußte, wie es jetzt mit dieser Expedition stand.

»Horch,« sagte der Vater, »horch!«

Der Sänger fuhr fort:

»Nichts widersteht seiner Macht. Nach Cotrone fällt Altamura trotz seines Widerstandes. Besieger des Dämons rückt er immer weiter vor, und wer es erlebt, der wird es sehen.«

»Hörst Du, Väterchen? sagte der junge Mann. »Der Cardinal hat Cotrone und Altamura genommen.

Der Sänger fuhr fort:

»Um die rebellische Stadt zu züchtigen, zog er gestern von Nocera aus. Und das Neueste heute Abend ist, daß er in Nola, der Schönen, übernachtet. Wer es erlebt, wird es sehen.«

»Hörst Du, Väterchen,« sagte der junge Mann freudig. »Er ist in Nola!«

»Ja, ich höre, ich höre,« sagte der alte Mann. »Von Nola bis nach Neapel ist es aber vielleicht weiter als von Palermo nach Nola.«

Gerade wie um diese zweifelnde Bemerkung zu beantworten, fuhr die Stimme fort:

»Um sein Unternehmen zu Ende zu führen, wird er morgen auf Neapel marschieren. Sei es durch Gewalt oder durch Überrumpelung so wird Neapel in drei Tagen genommen sein. Wer es erlebt, der wird es sehen.«

Kaum war der letzte Vers zu Ende, so ließ der junges Mann, welcher horchte, die Gitterstäbe des Kerkerfensters los und sich wieder auf sein Bett herabfallen.

Man hörte nämlich Tritte draußen aufs dem Corridor und diese Tritte näherten sich der Thür.

Beim Schein der düsteren Lampe, welche von der Decke herabhing, hatten Vater und Sohn nur eben Zeit, einen Blick zu wechseln. Es war jetzt nicht die Stunde, wo man in ihren Kerker kam, und jedes ungewohnte Geräusch ist, wie man weiß, für den Gefangenen beunruhigend.

Die Thür des Kerkers öffnete sich. Dies Gefangenen sahen in dem Corridor etwa zehn Mann Soldaten, und eine gebieterische Stimme sprach die Worte:

»Stehen-Sie auf, kleiden Sie sich an und folgen Sie uns.«

»Die Hälfte der Arbeit ist schon gethan,« sagte der jüngere der beiden Gefangenen in heiterem Tone. »Wir werden daher das Vergnügen haben, Sie nicht warten zu lassen.«

Der alter Backer erhob sich schweigend. Seltsam! er, der am längsten gelebt, schien sich am schwersten von dem Leben trennen zu können.

»Wo führt man uns hin?« fragte er in etwas verändertem Tone.

»Vor das Tribunal,« antwortete der Officier.

»Hm,« sagte André; »wenn dem so ist, so fürchte ich, daß er zu spät kommt.«

»Wer?« fragte der Officier, welcher glaubte, die Bemerkung sei an ihn gerichtet.

»O,« sagte der junge Mann, »mein Vater meint Jemanden den Sie nicht kennen und von dem wir eben sprachen, als Sie eintraten.«

Das Tribunal, vor welches man die beiden Angeklagten führte, war das, welches auf das gefolgt war, welches die Verbrechen der Majestätsbeleidigung strafte; nur strafte dieses die Verbrechen der Volksbeleidigung.

Der Präsident dieses Tribunals war ein berühmter Advocat Namens Vicenzo Lupo. Es bestand aus vier Mitgliedern und dem Präsidenten.

Da man die Angeklagten nicht durch die Straßen führen konnte, weil dies leicht Anlaß zum Ausbruch einer Emeute gegeben hätte, so hielt es seine Sitzung in Castello Nuovo.

Die Gefangenen stiegen zwei Treppen hinauf und wurden dann in das Gerichtszimmer geführt.

Die fünf Mitglieder des Tribunals, der öffentliche Ankläger und der Protokollant waren auf ihrem Platze, ebenso wie die Gerichtsdiener.

Zwei Stühle oder vielmehr zwei Schemel waren für die Gefangenen bereitgestellt.

Zwei von Gerichtswegen bestellte Vertheidiger saßen wartend in zwei rechts und links neben den Schemeln stehenden Armstühlen.

Diese beiden Vertheidiger waren die zwei ersten Rechtsgelehrten Neapels – Mario Pagano und Francesco Conforti.

Simon und André Backer begrüßten die beiden Juristen mit der größten Höflichkeit. Obschon einer gänzlich entgegengesetzten Meinung angehörend, erkannten sie doch an, daß man zwei Fürsten der Jurisprudenz zu ihren Vertheidigern gewählt.

»Bürger Simon und André Backer,« sagte der Präsident zu den Angeklagten, »Sie haben eine halbe Stunde, um sich mit Ihren Advocaten zu besprechen.«

André verneigte sich.

»Meine Herren,« sagte er, »genehmigen Sie meinen herzlichen Dank nicht blos dafür, daß Sie uns, meinem Vater und mir, Vertheidigungsmittel gewähren, sondern auch, daß Sie diese Vertheidigung in geschickte Hände gelegt haben. Dennoch aber wird die Art und Weise, auf welche ich die Verhandlungen zu leiten gedenke, wie ich glaube, die Einmischung eines jeden fremden Wortes überflüssig machen, obschon meine Dankbarkeit gegen diese Herren, welche eine so verzweifelte Sache so bereitwillig übernommen, dadurch in keiner Beziehung vermindert werden wird. Da man uns in einem Augenblicke, wo wir es am wenigsten erwarteten, aus unserem Gefängnisse abgeholt hat, so hoben wir auch noch keinen Vertheidigungsplan entwerfen können. Ich werde Sie daher bitten, mir zu gestatten, mich anstatt eine halbe Stunde mit meinem Vertheidiger, lieber fünf Minuten mit meinem Vater zu besprechen. In einer so ernsten Sache wie diese, welche hier verhandelt werden soll, muß es mir wohl vergönnt sein, mir seinen Rath zu erbitten.«

»Thun Sie es, Bürger Backer.«

Die beiden Advocaten traten auf die Seite, die Richter drehten sich um und sprachen miteinander und der Protokollant und die Diener gingen hinaus.

Die beiden Angeklagten wechselten einige Worte mit leiser Stimme , dann, und noch ehe die verlangte Frist um war, drehten sie sich wieder nach dem Tribunal herum.

»Herr Präsident,« sagte André, »wir sind bereit,«

Die Klingel des Präsidenten rief Alle wieder auf ihre Plätze und die Diener und den Protokollanten wieder herein.

Die Vertheidiger näherten sich ihrerseits wieder den Angeklagten. Nach Verlauf von wenigen Secunden war Jeder wieder aus seinem Posten.

»Meine Herren,« sagte Simon Backen ehe er sich setzte, »ich bin in Frankfurt geboren und spreche folglich das Italienische schlecht und mit Mühe. Deshalb werde ich schweigen. Mein Sohn dagegen, der in Neapel geboren ist, wird meine Sache ebenso führen wie die seinige. Unsere Fälle sind ganz dieselben und das Urtheil muß deshalb für ihn dasselbe sein wie für mich. Durch das Verbrechen – wenn es nämlich ein Verbrechen ist, seinen König zu lieben – vereinigt, dürfen wir auch in der Strafe nicht getrennt werden. Sprich also, André. Was Du sagen wirst, wird gut gesagt, was Du thun wirst, wird gut gethan sein.«

Mit diesen Worten nahm der alte Mann wieder Platz.

Nun erhob sich der Sohn und begann mit außerordentlicher Einfachheit:

»Mein Vater heißt Jakob Simon und ich heiße Johann Andreas Backer. Er ist neunundfünfzig und ich bin siebenundzwanzig Jahre alt. Wir wohnen in der Straße Medan Nr. 32; wir sind Bankiers Sr. Majestät des Königs Ferdinand. Von meiner Kindheit an gelehrt, den König zu ehren und das Königthum zu achten, empfand ich ebenso wie mein Vater, als das Königthum abgeschafft und der König vertrieben ward, nur einen Wunsch, nämlich den, das Königthum wieder einzusetzen, den König zurückzuführen. Zu diesem Zwecke haben wir conspiriert, das heißt um die Republik zu stürzen. Wir wußten recht wohl, daß wir dabei unsern Kopf aufs Spiel setzten, aber wir glaubten, es sei unsere Pflicht, dies zu thuen. Man hat uns denuncirt, festgenommen und ins Gefängniß geführt. Heute Abend hat man uns aus unserem Kerker hervorgeholt und hierher geführt, um uns zu verhören. Jedes Verhör wäre aber überflüssig. Ich habe die Wahrheit gesagt.«

 

Während der junge Mann zum großen Erstaunen des Präsidenten, der Richter, des öffentlichen Anklägers, des Protokollanten, der Vertheidiger und der Diener so sprach betrachtete sein Vater ihn mit einem gewissen Stolz und bestätigte kopfnickend Alles, was er sagte.

»Aber Unglücklicher,« sagte Mario Pagano zu ihm, »Sie machen ja jede Vertheidigung unmöglich.«

Obschon es eine große Ehre für mich wäre, von Ihnen vertheidigt zu werden, Signor Pagano, so will ich doch nicht vertheidigt sein. Wenn die Republik der Beispiele von Eifer und Hingebung bedarf, so bedarf das Königthum der Beispiele von Treue. Die beiden Principien des Volksrechtes und des göttlichen Rechtes sind miteinander im Kampfe begriffen. Dieser Kampf wird vielleicht noch Jahrhunderte dauern. Beide müssen daher ihre Helden und ihre Märtyrer kennen.«

»Aber dennoch, Bürger André Backer, ist es uns möglich, daß Sie gar nichts zu Ihrer Vertheidigung zu sagen haben,« bemerkte Mario wieder.

»Nein, ich habe zu diesem Zwecke nichts, durchaus nichts zu sagen, Signore. Ich bin strafbar in der ganzen Bedeutung des Wortes und habe keine andere Entschuldigung geltend zu machen, als diese: der König Ferdinands war stets gut gegen meinen Vater, und mein Vater und ich wir werden ihm treu sein bis in den Tod.«

»Ja, bis zum Tod,« wiederholte der alte Simon Backer, indem er fortfuhr seinem Sohne durch Gebärden mit Kopf und Hand beizustimmen.

»Dann, Bürger André,« sagte der Präsident, »kommen Sie nicht blos mit der Ueberzeugung verurtheilt zu werden, sondern auch mit dem Wunsche, sich verurtheilt zu sehen.«

»Ich komme zu Ihnen, Bürger Präsident als ein Mann; welcher weiß , daß er, indem er zu Ihnen kommt, den ersten Schritt nach dem Blutgerüst thut.«

»Das heißt mit der Ueberzeugung, daß wir nach Pflicht und Gewissen nicht anders können , als Sie verdammen?«

»Wenn unsere Verschwörung geglückt wäre, so hätten wir Sie im Voraus verurtheilt.«

»Dann hatten Sie es also auf eine Niedermetzlung der Patrioten abgesehen?«

»Ja, wenigstens fünfhundert sollten ihren Tod finden.«

»Aber diese furchtbare That hätte doch nicht von Ihnen allein durchgeführt werden können?«

»Alle royalistischen Herzen in Neapel, und es gibt mehr, als Sie glauben, hätten sich uns angeschlossen.«

»Ohne Zweifel wäre es vergebens, Sie nach den Namen dieser treuen Diener des Königthums zu fragen.«

»Sie haben Verräther gefunden, die uns denuncirt haben, suchen Sie nun auch deren, die Andere denunciren. Was uns betrifft, so haben wir unser Leben zum Opfer gebracht.«

»Ja, wir haben es gebracht,« wiederholte der alte Backer.

»Dann,« sagte der Präsident, » bleibt uns nichts weiter übrig, als das Urtheil zu fällen.«

»Ich bitte um Verzeihung, « antwortete Mario Pagano, »es bleibt Ihnen noch übrig, mich zu hören.«

André wendete sich mit dem Ausdruck des Erstaunens nach dem berühmten Juristen herum.

»Wie wollen Sie denn einen Mann vertheidigen, welcher gar nicht vertheidigt sein will und der die Strafe, die er verdient hat, wie einen Lohn beansprucht?«

»Nicht der Schuldige ist es, den ich vertheidigen werde,« antwortete Mario Pagano, »wohl aber ist es die Strafe, gegen die ich mich erklären werde.«

Und sofort setzte er mit wunderbarer Beredsamkeit den Unterschied auseinander, welcher zwischen dem Gesetzbuch eines absoluten Königs und der Gesetzgebung eines freien Volkes bestehen muß. Als letzte Gründe der Könige nannte er die Kanone und das Schaffot, dagegen als höchstes Ziel der Völker die Ueberredung.

Er zeigte die Sklaven der Gewalt in ewiger Feindschaft mit ihren Herren. Er citirte bald Filangieri, bald Beccaria, diese beiden hellen Sterne, welche vor Kurzem erloschen waren und die ganze Allgewalt ihres Genies zur Bekämpfung der Todesstrafe, einer nach ihrer Ansicht zwecklosen und barbarischen Strafe, aufgehoben hatten.

Er erinnerte an Robespierre, der in Folge des Studiums dieser beiden Rechtsgelehrten und als Schüler des Philosophen von Genf von der gesetzgebenden Versammlung die Aufhebung der Todesstrafe verlangt hatte.

Er appellierte an das Herz der Richter, um sie zu fragen, ob, im Falle Robespierre’s Antrag Annahme gefunden hätte, die französische Revolution, weil weniger blutig, weniger groß gewesen wäre und ob Robespierre durch Beseitigung der Todesstrafe nicht ein glänzenderes Andenken hinterlassen hätte, als durch Anwendung derselben.

Er warf einen Blick zurück auf die viermonatliche Existenz der parthenopäischen Republik und zeigte sie rein an vergossenem Blut, während im Gegentheil die Reaction auf einem mit Leichen besäeten Wege gegen sie heranrückte.

Verlohne es, fragte er, wohl der Mühe, die letzte Stunde der Freiheit abzuwarten, um ihren Altar durch ein Menschenopfer zu entehren?

Mit einem Worte, Pagano gab Alles, was ein gewandter und gelehrter Redner aus einem edlen Herzen und aus Beispielen der ganzen Weltgeschichte an Begeisterung schöpfen kann, schloß seinen Vortrag mit einer brüderlichen Anrede, breitete André die Arme entgegen und bat ihn, ihm den Friedenskuß zu geben.

André drückte Pagano an sein Herz.

»Signore,« sagte er dann zu ihm, »Sie würden mich falsch verstanden haben, wenn Sie auch nur einen Augenblick lang glauben könnten, daß mein Vater und ich gegen Individuen conspirirt hätten. Nein, wir haben für ein Princip conspirirt. Wir glauben, daß nur das Königthum das Glück und Gedeihen der Völker begründen kann. Sie dagegen glauben, Ihr Glück liege in der Republik. Wenn wir dereinst neben einander sitzen, so werden unsere Seelen von oben herab diesem großen Prozeß zuschauen und dann, hoffe ich, werden wir selbst vergessen haben, daß ich Israelit und Royalist bin und daß Sie Republikaner und Christ sind.«

Dann wendete er sich zu seinem Vater, bot ihm den Arm und sagte:

Komm’, Väterchen; wir wollen diese Herren sich miteinander berathen lassen.«

Und sich wieder in die Mitte seiner bewaffneten Begleiter stellend, verließ er den Gerichtssaal, ohne Francesco Conforti Zeit zu lassen, der Rede seines Collegen Maria Pagano etwas hinzuzufügen.

Die Berathung konnte nicht lange dauern. Das Verbrechen war offenkundig und man hat gesehen, daß die Angeklagten nicht gesucht hatten es zu verhehlen.

Fünf Minuten später rief man die Angeklagten zurück.

Sie waren zum Tode verurtheilt.

Eine leichte Blässe überzog das Antlitz des alten Mannes, als die verhängnißvollen Worte ausgesprochen wurden.

Sein Sohn dagegen lächelte seine Richter an und verneigte sich artig gegen sie.

»Da Sie,« sagte der Präsident, »sich geweigert haben, sich zu vertheidigen, so brauchen wir, als Richter, Sie wohl auch nicht zu fragen, ob Sie Ihrer Vertheidigung etwas hinzuzufügen haben. Als Menschen jedoch, als Bürger, als Landsleute, die es tief betrübt, ein so furchtbares Urtheil gegen Sie fällen zu müssen, fragen wir Sie, ob Sie nicht einen Wunsch auszudrücken, oder uns irgend etwas zu empfehlen haben.«

»Mein Vater hat, glaube ich, Sie um eine Gunst zu bitten, meine Herren, eine Gunst, welche Sie, ohne sich zu compromittiren, ihm, glaube ich, gewähren können.«

»Bürger Backer,« sagte der Präsident, zu André’s Vater gewendet, »wir hören Sie.«

»Signor,« antwortete der alte Mann, »das Haus Backer & Comp. existirt seit länger als hundertundfünfzig Jahren und ist aus eigenem freien Entschluß von Frankfurt nach Neapel übersiedelt. Seit dem 5. Mai 1652, dem Tage, wo es von meinem Ururgroßvater Friedrich Backer gegründet ward, ist niemals eine Differenz mit seinen Geschäftsfreunden oder eine Verzögerung in Erfüllung seiner Verbindlichkeiten vorgekommen; sogar jetzt, wo mir schon seit zwei Monaten gefangen sitzen, gehen die Geschäfte unseres Hauses trotz unserer Abwesenheit ihren regelmäßigen Gang.«

Der Präsident gab zu verstehen, daß er mit der wohlwollendsten Aufmerksamkeit zuhöre, und in der That hielt nicht blos er, sondern auch das ganze Tribunal die Augen fest auf den alten Mann geheftet.

Nur der junge Mann, welcher wahrscheinlich wußte, was sein Vater verlangen wollte, blickte auf den Boden, und pochte sich in zerstreuter Weise mit einem Spazierstöckchen auf den Fuß.

Der alte Backer fuhr fort:

»Die Gunst, um welche ich bitte, ist also folgende:

»Wir hören,« sagte der Präsident, welcher neugierig war, worin diese Gunst bestünde.

»Im Falle,« hob der alte Backer wieder an, »vielleicht beschlossen wäre, uns morgen hinzurichten, würden wir, mein Sohn und ich bitten, daß man diese Hinrichtung bis auf übermorgen verschöbe, damit wir einen Tag Zeit hätten um unsere Inventur zu machen, und unsere Bilanz festzustellen. Wenn wir diese Arbeit selbst machen, so bin ich gewiß, daß trotz der schlimmen Tage, die wir durchgemacht, trotz der Dienste, die wir dem König geleistet, und trotz des Geldes, was wir für seine Sache aufgewendet, das Haus Backer ein Vermögen von wenigstens vier Millionen Franks besitzt, und da es aus einem von unserem Willen unabhängigen Grunde nun erlöschen wird, so wird dieses Erlöschen doch in ehrenvoller Weise stattfinden. Uebrigens werden Sie selbst wissen, Herr Präsident, daß in einem Hause wie das unsrige, welches in einem Jahre für hundert Millionen Geschäfte macht, es trotz des Vertrauens, welches man den Gehilfen gewährt, doch viele Dinge gibt, von welchen nur die Chefs Kenntniß haben. So sind zum Beispiel vielleicht über fünfhunderttausend Franks Depositengelder unserer Ehre anvertraut, deren Besitzer nicht einmal eine Quittung in Händen haben und nicht in unsere Register eingetragen sind. Sie begreifen, welcher Gefahr unser Ruf in dem Falle ausgesetzt wäre, daß Sie unsere Bitte zurückwiesen, und deshalb hoffe ich, Herr Präsident, daß Sie uns morgen unter sicherer Bewachung nach unserem Hause bringen, unsere Liquidation machen und uns erst übermorgen erschießen lassen.«

Der alte Mann sprach diese Worte mit solcher Einfachheit und zugleich solcher Seelengröße, daß nicht blos der Präsident, sondern auch das ganze Tribunal dadurch tief ergriffen ward.

Conforti faßte ihn bei der Hand und drückte sie ihm mit einer Wärme, welche über die Verschiedenheit der Meinungen triumphierte, während Maria Pagano sich eine Thräne trocknete, welche seinen Augen entrollte.

Der Präsident brauchte das Tribunal nur mit einem Blicke zu fragen, dann verneigte er sich gegen den alten Banquier und sagte:

»Es wird geschehen, wie Sie sagen, und wir bedauern nur, daß wir nicht mehr für Sie thun können.«

»Das ist auch nicht nöthig,« antwortete Simon Backer, »denn wir verlangen ja nichts weiter.«

Dann verneigte er sich gegen das Tribunal wie gegen eine Gesellschaft Freunde, die er verließe, nahm seinen Sohn beim Arme, stellte sich mit ihm in die Reihen der Soldaten , und beide stiegen wieder in ihren Kerker hinab.

Der Gesang des vorgeblichen Fischers hatte aufgehört.

André Backer richtete sich bis an das Fenster empor.

Das Meer war nicht blos schweigsam, sondern auch öde und verlassen.