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Olympia von Clèves

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XLVIII.
Herr von Richelieu

Am Abend der berühmten Vorstellung, während welcher der König so aufmerksam in der Person von Olympia der Rolle von Junia gefolgt war, ging ein Ereigniß in Erfüllung, durch das der junge Monarch beinahe den schönsten Effekt seines Eintritts in die Comédie-Francaise verfehlt hätte.

Dieses Ereignis war eine Neuigkeit, welche wie eine platzende Bombe in den Saal fiel, und diese Neuigkeit lautete:

»Herr von Richelieu ist von Wien angekommen.«

Gegen sechs Uhr Abends fuhr wirklich ein schwer beladener Wagen, gezogen von vier kräftigen Pferden, welche den Galopp als ihren gewöhnlichen Gang angenommen zu haben schienen, durch die Barriére de la Villette und den Faubourg Saint-Denis hinab, folgte sodann den Boulevards, schlug den Weg durch die Rue de Richelieu ein und gelangte in den Hof eines großen Hotels, das in der Rue Croix, des, Petits-Champs, zwischen Hof und Garten, lag.

Beim Geräusche dieses Wagens liefen mehrere Bedienten mit Lichtern in der Faust herbei. Von der Freitreppe stürzten andere an den Fußtritt, öffneten den Kutschenschlag, und man sah behende aus diesem Schlage einen in einen Marderpelz gehüllten jungen Mann steigen, der, während er mit der Hand sein ganzes ihm entgegengelaufenes Hausgesinde begrüßte, dem Lackei, welcher mit ihm ankam und zuerst vom Bock gestiegen war, zurief:

»Raffé, ich bin durchaus nur für die Bewusste zu Hause. Ich betraue Sie mit der Bewachung meiner Person.«

Wonach er unter das Vestibule trat und im Innern der Gemächer verschwand, die man zum Voraus geheizt hatte, eine Vorsicht, welche bewies, daß der Reisende erwartet wurde.

Dieser Reisende, man hat ihn an dem, was wir gesagt, erkannt, war der Herr Herzog von Richelieu, welcher in den ersten Tagen des November von seinem Gesandtschaftsposten in Wien zurückkam.

Es heißt nicht den gelehrtesten Leser, den Leser, der am meisten gewohnt ist, in den Chroniken des achtzehnten Jahrhunderts die Hofintrigen zu verfolgen, beleidigen; es heißt nicht einmal ein weitschweifiger Erzähler sein, wenn wir mit ein paar Zeilen das Potrait des Herzogs von Richelieu von damals, so wie mehrere von den Porträts entwerfen, welche ihn im Jahre dergestalt umgeben, daß sie nichts Anderes, als der Rahmen des seinigen zu sein scheinen.

Der Herzog von Richelieu war damals vier und dreißig Jahre alt; er war der schönste Mann Frankreichs, wie Ludwig der XV. mit achtzehn Jahren sein schönster Jüngling. Der Herzog war berühmt durch seine Abenteuer mit der Tochter des Regenten, Fräulein von Charolais, Frau von Gacé, Frau von Villars u.s.w. u.s.w., berühmt durch seine dreimalige Einsperrung in die Bastille, berühmt durch seine Tollheiten. Er war ein berühmter Gesandter geworden, und man hatte ihn nach Wien zu Kaiser Karl VI. geschickt, um diesen Monarchen von seinem Bündnisse mit der Königin von Spanien zu trennen, welche mit der Prätension umging, die Krone von Frankreich an ihr Haus, im Falle des Todes von Ludwig XV., übergehen zu lassen.

Diese Unterhandlung war nicht leicht. Kaiser Karl war ein Mann voll von einer Energie, die er bis zur Rauheit trieb, voll von einer Umsicht, die er bis zu einem schroffen, zurückstoßenden Wesen trieb.

Überdies war der österreichische Hof ein furchtbarer Aufenthalt für einen an die Genüsse von Paris gewöhnten Menschen, und die Politik dieses Hofes eins herbe Lehre für einen an die Frivolitäten des Oeil-de-Boeuf gewöhnten jungen Mann.

Wien besaß in den Augen von ganz Europa zwei Superioritäten, die ihm Niemand streitig machte: Generale, welche beinahe immer die französischen geschlagen, und Diplomaten, welche beinahe immer die französischen getäuscht hatten.

Der Herzog von Richelieu, der zu Allem fähig, selbst zum Guten, wie von ihm der Regent, dieser andere Mann von Geist und Politik, sagte, dessen wahren Wert man erst erkannte, als ihm der Herr Herzog von Bourbon nachgefolgt war, —der Herzog von Richelieu zog sich mit Ehren aus dieser Unterhandlung, und kam, wie wir erwähnt, von Wien am Anfange des Jahres 1728 zurück.

Allerdings war er durch die Geliebte des Prinzen Eugen sehr bei dieser diplomatischen Intrige unterstützt worden; eine neue Ariadne, hatte sie ihm den Faden des Labyrinths von Schönbrunn in die Hände gegeben.

Man begreift, wenn man auch nur ein wenig in die galante Chronik jener Zeit eingeweiht ist, daß. sobald sich die Nachricht von dieser Rückkehr verbreitete, ganz Paris dem Angekommenen Besuch machte. Der Herzog bemerkte also, daß, wenn man ihn zwei Jahre vergessen, die schlechtesten Gedächtnisse nur aufgefrischt zu werden verlangten.

Er war, wie wir am Anfange dieses Kapitels erzählt, in seinem Hotel abgestiegen und hatte seinen Leuten eingeschärft, Niemand zu ihm gelangen zu lassen; das Verbot war auch militärisch beobachtet worden. Herr von Richelieu gehörte bekanntlich zu den am besten bedienten hohen Herren des Königreiches.

Man sah auch den Verdruß auf allen Gesichtern der Neugierigen oder der Diensteifrigen, welche sich beeilt hatten, an den großen Thüren auf der Straße, oder an den Geheimthüren im Gässchen anzuklopfen.

Hinter einer von den diesen Thüren, das Ohr an das Schloß gedrückt, bei den Angeln, gerichtet, wartete an diesem Tag der vertraute Lackei von Herrn von Richelieu und lauschte auf alle Geräusche, die auf der Straße hörbar wurden.

Nachdem er ungefähr eine Stunde gewartet hatte, hielt ein Fiacre unfern von dieser Mauer an. Eine Frau, welche weder ihre Gestalt, noch ihr Gesicht sehen ließ, stieg aus, und an ihrem Gange, an der sonderbaren Art, wie sie den Kutscher wegschickte, erkannte in ihr der Lackei die Person, die man bezeichnet hatte.

Der Schnee fiel, es war Abend geworden. Keine Seele irrte mehr im Quartier umher.

Der Lackei öffnete die Thür, die er bewachte, ehe man angeklopft hatte, und durch diese offene Thür schlüpfte die junge Frau, und und sie nahm ihren Lauf durch den Garten, wie eine Person, welche sich selbst im Hause zu leiten gewohnt ist.

Am Ende das Hofes fiel sie in die Arme des Herzogs, der sie in dem nach dem Garten gehenden Erdgeschoß erwartet; er küßte sie zärtlich und rief:

»Ah! meine schöne Prinzessin! Sie erwartete ich mit so großer Ungeduld, und ich hoffte nicht mehr, Sie zu sehen.«

Prinzessin in der Tat, da diese Frau, welche den Herzog küssend lachte und freundschaftlich mit ihren kleinen Händen in die Hände von Richelieu schlug, Fräulein von Charolais hieß und folglich nicht nur Prinzessin, sondern Prinzessin von Geblüt war.

Der Herzog führte sie in ein kostbar meublirtes, nach der Temperatur eines schönen Frühlingstags geheiztes Zimmer, das von Blumen und grünen Tapeten umschlossen war, auf denen Schäfer und Schäferinnen in Menge Mutwillen trieben.

Eine beim Kamin servierte Tafel, zwei bequeme Lehnstühle, ein Tisch beladen mit Porzellan, ein noch seltener Luxus in jener Zeit, wo der Pompadour-Geschmack unsere Gesellschaft noch nicht durchdrungen hatte, und der gemilderte Glanz der Kerzen flößten ein Gefühl des Wohlbehagens ein, das die Freude, welche die Prinzessin geoffenbart, noch ergußreicher machte.

»Nun!« sagte sie, »vor dem Abendbrot lassen Sie mich Sie anschauen.«

Und sie stellte sich gerade vor Richelieu.

»Mich! Prinzessin, und warum?«

»Damit ich Sie wiedererkenne.«

»Oh! Prinzessin, Ihr Gedächtnis, ist weniger gut, als das meinige, wie es scheint.«

»Und warum dies?«

»Weil ich Sie mit dem ersten Blicke erkannt habe.«

»Ich bin also nicht zu hässlich geworden?«

»Sie sind immer die Schönste der Prinzessinnen, welche geboren sind und noch geboren werden sollen.«

»Aber Sie, warum fragen Sie mich nicht, wie ich Sie finde?«

»Oh! das ist unnütz.«

»Bah! warum?«

»Ich zähle nicht mehr, Ich bin ein Oesterreicher, ein Barbar, ich habe die Gewohnheit angenommen, von den Deutschen angeschaut zu werden; lassen Sie mich also die Miene ablegen, die ich habe, Prinzessin, das ist für mich die Sache von acht Tagen, und wenn ich wieder nicht nur Franzose, sondern Pariser geworden bin, dann werde ich mich zwischen Sie und Ihren Spiegel stellen.«

»Sie finden sich also verändert?«

»Ungeheuer.«

«Sie sind ehrgeizig geworden.«

«Das ist wahr, Prinzessin.«

»Man sagte es mir, doch ich glaubte es nicht.«

»Es ist indessen die strenge Wahrheit.«

»Lassen Sie uns zu Nacht speisen; wollen Sie? Sie haben mich schon gelehrt, wie die Liebe in das Herz der Frauen kommt; während des Abendbrots werden Sie mich lehren, wie der Ehrgeiz in das der Männer kommt.«

Die Prinzessin setzte sich zu Tische.

»Wissen Sie, daß ich seit zwei Jahren Appetit gewonnen habe?« sagte sie.

»Nach was?«

»Ach!«

»Das Ist ein schwerer Seufzer.«

»Was schreiben Sie ihn zu?«

»Was schreibt man die Seufzer der Frauen zu?«

»Der Liebe, wollen Sie sagen.«

»Gewiss.«

»Nun! Sie täuschen sich, mein lieber Herzog; ich bin nicht verliebt.«

»Sie sagen das wie Jemand, der es noch sein oder es werden möchte.«

»Nein, bei meiner Treue.«

»Wahrhaftig?«

»Sie werden mir glauben, wenn Sie wollen, doch in Ihrer Abwesenheit habe ich der Liebe Lebewohl gesagt.«

Der Herzog schlug ein Gelächter auf.

»Sie schmeicheln mir,« sagte sie, »doch Sie machen nicht, daß das, was nicht mehr ist, ist, und daß die Hingeschiedenen nicht todt sind.«

»Oh! Prinzessin, Sie glauben also nicht an die Geister?«

»Wozu soll ich daran glauben, da die Geister Schatten sind?«

»Prinzessin, es gibt Geister, welche von weiter her, als von der andern Welt kommen, von Oesterreich zum Beispiel.

»Ich zweifle nie, wenn Sie versichern, Herzog; doch das ändert nichts an meinen Entschlüssen. Ich werde nicht mehr lieben, Armand.«

»Und wer ist der Unglückliche, der vom Himmel und von der Erde verlassene Mann, der Ihnen eine solche Reue hat einflößen können?«

 

»Der Mann? Gibt es Männer in Frankreich, seitdem Sie abgereist sind?«

»Ich danke, Prinzessin.«

»Nein, bei meinem Ehrenwort, ich denke das.«

»Sie werden mir aber wohl sagen, woher diese Abneigung kommt, denn die ächten Liebenden sind wie die ächten Spieler: nach dem Vergnügen, zu gewinnen, gibt es noch das Vergnügen, zu verlieren.«

»Herzog, es gibt hier weder mehr Schmerz, noch Vergnügen.«

»Ah! und ich komme zurück, weil ich mich dort zu sehr langweilte! ich verrichte Wunder von Diplomatie, um das Recht zu haben, nach Frankreich zurückzukehren! und Sie sagen mir solche Dinge: man langweilt sich hier, In Versailles! Und der König?«

Fräulein von Charolais errötete beinahe.

»Wie! der König? was wollen Sie damit sagen?«

»Ich, nichts; ich wollte Sie nur fragen, wie er sich befinde.«

»Sehr wohl,« antwortete Fräulein von Charolais.

»Dieses sehr wohl befriedigt mich nicht.«

»Wie brauchen Sie es, Herzog?«

»Ich möchte es gern heiter oder traurig haben: heiter, wäre es von einer glücklichen Frau, traurig, wäre es von einer eifersüchtigen Frau. Wählen Sie, Prinzessin.

»Eifersüchtig, ich! eifersüchtig auf den König! aus welchem Anlass sagen Sie mir solche Tollheiten, Herzog?«

»Ei! ich hoffe nicht, daß er Ihnen Grund gibt, die Eine oder die Andere zu sein.«

»Glücklich oder eifersüchtig durch den König, ich?«

»Prinzessin, bei meinem Ehrenwort, man sollte glauben, ich spreche Hebräisch.«

»Wahr ist es, daß Sie sich nicht mehr verständlich machen, mein lieber Herzog. Sie haben also seit zwei Jahren keine Nachrichten mehr aus Frankreich erhalten? Ich bildete mir ein, die Gesandten haben eine Korrespondenz und sogar zwei Korrespondenzen: die öffentliche Korrespondenz und die geheime Korrespondenz, die politische Korrespondenz und die Liebescorrespondenz.«

»Prinzessin, ich hatte keine zwei Korrespondenzen.«

»Nein, Sie hatten hundert.«

»Es ist wahr, es hat mir alle Welt geschrieben, Sie ausgenommen.«

»Dann hat man Ihnen gesagt, daß der .König. . .«

«Daß der König schön ist, ja.«

»Und daß er vernünftig ist?«

»Man hat mir auch dies gesagt; da ich aber weiß, daß Herr von Fréjus meine Briefe aufbrechen ließ, so glaubte ich nicht ein Wort hiervon.«

»Sie haben Unrecht gehabt.«

»Der König ist vernünftig?«

»Das ist undenkbar. Ah! gut, ich begreife,« sagte Herr von Richelieu.

Und er lachte aus das Herzlichste.

»Was begreifen Sie?« fragte Fräulein von Charolais.«

»Bei Gott! Sie wollen sich nicht selbst denunzieren, und Sie warten, bis ich mit Beweisen komme.«

»Kommen Sie.«

»Nehmen Sie sich in Acht!«

»Mein lieber Herzog, der König hat mich seit zwei Jahren nicht einmal angeschaut.«

»Beschwören Sie das ein wenig.«

»Bei unserer alten Liebe, Herzog?«

»Oh! ich glaube Ihnen, denn Sie haben mich beinahe eben so sehr geliebt, als ich Sie liebte.«

»Das war die gute Zeit.«

»Acht wie Sie vorhin sagten, wir waren damals jung.«

»Ei! wir betrüben uns, Herzog, und Sie betrüben mich besonders. Sie machen mich alt.«

»Ich denke an Eines, liebe Prinzessin. Wenn der König keine Geliebte hat, muss der Hof in einer schrecklichen Unordnung sein.«

»Mein Freund, das ist ganz einfach das Chaos.«

»Offenbar. Denn wenn der König keine Geliebte hat, so regiert Fleury Frankreich, und Frankreich ist ein Seminar.«

«Herzog, es gibt Seminarien, welche leichtfertige Orte im Vergleiche mit Frankreich sind.«

»Natürlich, ist der König vernünftig, so will alle Welt vernünftig sein.«

»Herzog, das ist Schauder erregend.«

»Es entspringt daraus bei Hofe eins Überfülle von Tugend, welche in die Straßen austreten und das Volk überschwemmen muss. Und die Königin?«

»Die Königin, das ist nicht Tugend, das ist Wildheit.«

»Mein Gott! wetten wir, daß sie dabei Politik treibt, die arme Frau.«

»Sie haben es gesagt.«

»Gütiger Himmel, mit wem?«

»Mit wem soll sie.das treiben? Nicht mit dem König, ohne Zweifel.«

»Warum?«

»Ei! mein Lieber, sie ist so tugendhaft, daß sie bange hat, sich ihren Gemahl zum Geliebten zu geben.«

»Bah! berät man sie?«

»Ja.«

»Dann hat sie einen Lehrer in der Politik genommen?«

»Das heißt, sie hat denjenigen behalten, welchen sie hatte, denjenigen, welcher sie zur Königin von Frankreich gemacht hat. Es gibt nichts Dankbareres als die Polen, und besonders als die Polinnen.«

»Das ist nicht wie bei den Französinnen, nicht wahr, Prinzessin?«

»Oh! nein.«

»So konspiriert sie also mit Herrn von Bourbon?«

»Ganz richtig.«

»Der immer einäugig ist.«

»Mein Gott! ja.«

»Der buckelig ist.«

»Seine Leibesgestalt dreht sich allerdings. Ich weiß nicht, ob dies von der Last der Geschäfte herrührt.«

»Seht doch, diese duckmäuserische Prie sagte mir nicht ein Wort von der ganzen Sache!«

»Ah! gut, die Prie schrieb Ihnen nach Wien?«

»Gewiss.«

»Dann weiß ich nicht, warum Sie mich befragen, Herzog.«

»Ei! um zu erfahren.«

«Bleibt, wenn die Prie irgendwo gewesen ist, noch etwas mitzuteilen?«

»Nun, meine liebe Prinzessin, Sie mögen mir glauben, wenn Sie wollen . . .«

»Ich sage Ihnen zum Voraus, daß ich Ihnen nicht glaube.*

»Ich schwöre . . .«

»Ein Schwur! das wird noch schlimmer sein.«

»Ich schwöre Ihnen, daß die Marquise so gleichgültig gegen mich ist, als der König gegen Sie.«

Fräulein von Charolais zuckte die Achseln und lachte.

»Weil Sie von Wien kommen, glauben Sie, ich komme von Lappland?« sagte sie.

»Fahren Sie fort, liebe Freundin versetzte der Herzog, da er sah, daß es völlig unnütz war, die Ungläubigkeit der Prinzessin zu bekämpfen.

»Bei was soll ich fortfahren?«

»Bei dem, was Sie angefangen haben. Sie sagen also, die Königin konspiriere mit dem Herrn Herzog von Bourbon? Und warum will sie Fleury stürzen?«

»Weil Fleury ein alter Knauser ist, der es ihr an Geld fehlen läßt. Ah! was das Geld betrifft, Sie, der Sie der Freund der Prie sind, sagen Sie ihr doch, sie habe einen abscheulichen Geschmack bei ihrer Protégée gehabt.«

»Ah! Prinzessin, diese arme Königin, beklagen Sie sie: sie ist mehr zu beklagen, als zu tadeln.«

»Ich beklage Sie mehr, als Sie es selbst tun: ich beklage Sie besonders, daß sie zur Königin von Frankreich durch diese intrigante Marquise ernannt worden ist.«

»Wahrhaftig, Prinzessin, Sie setzen mich in Erstaunen, wenn Sie mir sagen, Sie haben sich seit zwei Jahren gelangweilt. Wenn man haßt, wie Sie hassen, belustigt man sich immer mehr oder weniger. Schonen Sie diese Marquise, und wäre es nur um des Herrn Herzogs willen.«

»Nein, nein, ich finde das Benehmen dieser dummen Person schändlich: sie macht zur Königin die Königin.«

»Das war ihr Recht, da man sie damit beauftragt hatte.«

»Ja! doch war es auch ihr Recht, der armen Prinzessin ihren Brautschmuck zu bringen, ihr Ihr Strümpfe, ihre Hemden und ihre Unterröcke vorzuzählen, wie es eine Weißkrämerin einer Braut in der Provinz gethan hätte?»

»Hören Sie, Prinzessin, die Marquise war Stieftochter von Leblanc.«

»Ah! diese Güte söhnt mich mit Ihnen aus, und ich komme aus Herrn von Fréjus zurück17

»Nämlich auf unsern Knauser.«

»Dieser, da er weiß, daß die Königin kein Geld hat, lässt Orri, den Generalcontroleur, zu sich kommen, welcher bevollmächtigt ist, ein Anlehen im Namen der armen Maria Lesczinska zu unterhandeln; Orri stellt Herr von Fréjus vor, die Königin sei nicht im Stande, ihren Rang zu behaupten. Fleury gesteht, es sei wahr, bekommt Mitleid mit dem Generalcontroleur und zieht aus seiner Cassette, denn er hat eine Cassette wie Harpagon. . .«

»Und zieht was?«

»Erraten Sie.«

»Ei! Sie sagen wie Harpagon.«

»Herzog, verhüllen Sie Ihr Gesicht: er zieht hundert Louis d'or heraus! Wir werden von einem Menschen regiert, der einer Königin hundert Louis d'or gibt! Sie waren in Wien Gesandter dieses Menschen.«

»Wenn ich diesen Zug gewusst hätte, ich schwöre Ihnen, Prinzessin, ich wäre nicht vier und zwanzig Stunden geblieben. Was musste er sagen, als er erfuhr, ich habe bei meinem Einzug die Pferde von meinem Gefolge mit Silber und die meinigen mit Gold beschlagen lassen,«

»Ja, und Sie haben es so eingerichtet, daß alle den Beschlag verloren hatten, als Sie in Ihrem Hotel ankamen.«

»Kommen wir aus Herrn von Fréjus zurück. Sie haben keinen Begriff, wie sehr mich das, was Sie mir sagen, interessiert.«

»Er zog also aus seiner Cassette hundert Louis d'or für die Königin. Orri Kurde rot wie ein Dompfaff und fühlte dem Minister zu Gemüte, Ihre Majestät brauche Geld.«

»Fleury stieß einen Seufzer aus.

»Wenn sie wirklich Geld nötig hat,« sagte er, »so lassen wir uns zur Ader.«

»Und er fügte fünfzig Louis d'or bei.«

»Oh! das ist nicht möglich!« rief Richelieu; »Sie schmücken die Sache aus.«

»Sagen Sie, es sei nicht wahrscheinlich, und ich bin Ihrer Ansicht. Doch ich bitte, warten Sie das Ende ab.«

»Das hat noch ein anderes Ende, als dieses?«

»Orri, nachdem er errötet war, fing an zu erbleichen. Als dies Herr von Fréjus sah, vermutete er, er werde sich abermals beklagen,

»»Gut, es sei,« sprach der Minister, »»ich füge noch fünf und zwanzig Louis d'or bei, doch sie soll in einem Monat nichts mehr verlangen.«« Wonach Harpagon seine Cassette schloß.«

»Hundert fünf und siebzig Louisd'or!»

»Fünf und zwanzig Louisd'or weniger, als ich Ihrem Lackei gab, als er mir am Neujahrstag ein Billet von Ihnen brachte.«

Richelieu verbeugte sich höflich.

»Prinzessin,« sagte er, »ich gestehe, es sind in meiner Abwesenheit Dinge von der andern Welt hier vorgefallen. Die Königin ist also wüthend gegen Herrn von Fréjus?«

»Ganz wütend!«

»Nun! warum erregt sie nicht den Haß des Königs gegen ihn?«

»Ei! Herzog, stellen Sie sich doch im Gegenteil vor, Herr von Fréjus will, daß der König ihr gehässig werde. Das ist schauderhaft.«

»Das Gräuel wird kommen, hüten wir uns, daran zu zweifeln. Man tadelt und schmäht wohl also von oben nach unten?«

»Überall.«

»Es gibt Fréjuslaner und Bourbonianer?«

»Schlachtordnung!«

«Die Lage ist also folgende: den König durch irgend ein Verfahren beherrschen. Herr von Bourbon sucht sich in der Gunst der Königin zu behaupten?«

»Es wird Ihm nicht gelingen.«

»Feiner als Herr von Bourbon, ist Herr von Fréjus ohne Zweifel daraus bedacht, einen neuen Stern am Himmel ausgehen zu machen?«

»Was sagten Sie denn, Sie seien nicht unterrichtet? Bei Gott! welche Diplomatie!«

»Liebe Prinzessin, ich habe mich entschieden nie über Herrn von Bourbon getäuscht, wenn ich dachte, er sei ein Dummkopf.«

«Oh! der König ist beständig, Herzog.«

»Nun fangen Sie wieder an, Prinzessin. Oh! lassen Sie mich nicht so zweifeln.«

»An wem und an was?«

»An Ihnen und an der Schönheit.«

»Was habe ich hierbei zu tun, Herzog?«

»Prinzessin, Herr von Bourbon sucht, Herr von Fréjus sucht, ich, ich komme von Wien an, und ohne zu suchen, habe ich gefunden.«

»Was gefunden?«

»Das Verfahren. Der König muss Sie lieben, Prinzessin, und Ihre hohe Weisheit muss ihn beraten.«

»Oh! Herzog.«

«Sind unter allen Frauen, welche Seine Majestät umgeben, Sie nicht am meisten fähig, dem König jenes Gefühl zärtlicher Beherrschung einzuflößen?«

»Seien Sie offenherzig, Sie spotten nicht?«

»Ich! Oh! Gott behüte mich!«

»Man hat Ihnen nichts dorthin geschrieben?«

»Über was?«

»Nichts seit Ihrer Rückkehr gesagt?«

»Über wen?«

«Über mich.«

»Nein,« erwiderte der Herzog mit einer naiven Miene.

»Wohl, Herzog, derselbe Gedanke ist mir gekommen.«

»Wahrhaftig! und warum haben Sie ihn aufgegeben?

»Ich habe ihn nicht aufgegeben, im Gegenteil.«

»Wie! Sie haben ihn in Ausführung gebracht?«

»Und ich bin gescheitert.«

»Gescheitert, Sie! Das ist unmöglich!«

»Es ist aber, wie ich Ihnen zu meinem Schmerz sage, mein lieber Herzog, und ich sage Ihnen dies, weil ich lieber will, daß Sie es von mir erfahren, als von einem Andern. . . Meine Niederlage rührt vielleicht von einem Umstand her.«

 

»Sprechen Sie.«

»Ich war in den König verliebt.«

»Sie. Prinzessin? Oh! welcher Fehler!«

»Mein Gott! ja, und das hat mir meine Mittel benommen.«

»Ich begreife; Sie haben sich in eine Ecke gestellt, Sie haben Seufzer ausgestoßen, in Erwartung, daß er Sie anschaue, und. . . und er hat Sie nicht angeschaut.«

»Ich bin nicht hierbei stehen geblieben. Ich habe ein ziemlich hübsches Gedicht gemacht. Ich habe es mit meiner schönsten Schrift geschrieben, die der König beinahe so gut kennt, als Sie, und ich habe es ihm in die Tasche geschoben.«

»Eine Liebeserklärung?«

»Bei meiner Treue, ja: es muss doch zu etwas dienen, daß man Prinzessin von Geblüt ist.«

»Es ist wahr, man fordert seinen Tänzer auf. Oh! Welch ein Unglück, daß Sie kein Gedächtnis haben, Prinzessin! Sie hätten mir Ihre Verse rezitiert, wir hätten gesehen, ob sie so viel wert, als die meinigen, oder vielmehr als die von Raffé.«

»Unverschämter!«

»Wer macht die Ihrigen, Prinzessin?«

»Ich.«

»Dann müssen Sie sich derselben erinnern.«

»Ich glaube wohl, daß ich mich erinnere; wenn sie zu etwas genützt hätten, wüsste ich sie nicht mehr. Hören Sie:

Vous avez l'humeur sauvage

Et le regard sédusiant.

Se pourrait il qu'a votre age

Vous fussiez indifférent?

Si l'amour vent vous instruire,

Cédez, ne disputez rien.

On a fondé votre empire

Bien longtemps aprés le sein.18

»Oh! Meine Prinzessin, das war ganz einfach anbetungswürdig, und der König, als es solche Verse in seiner Tasche fand und Ihre Handschrift erkannte, ist nicht vor Ihnen auf die Knie gefallen?«

»Er war zu jung.«

»Sagen Sie das doch! Aber jetzt?«

»Jetzt ist es etwas Anderes. Ich würde diese Verse nicht wieder machen. Ich bin nicht mehr verliebt, und um nichts in der Welt würde ich eine Erklärung einem Manne schicken, den ich nicht liebe. Darum, Herzog, wird es mir nicht beim König glücken, der, um sie zu fühlen, um davon inspiriert zu werben, einer wahren Liebe bedarf.«

»Ei! Ei! Ei! es ist sehr weiblich, was Sie da gesagt haben, liebe Prinzessin.«

»Nein, es ist sehr wahr.«

»Nun! das wollte ich sagen.«

»Sie verzichten also aus Ihren Plan, Herzog?«

»Nein, doch ich werde etwas Besseres suchen.«

»Und was werden Sie mit Ihrer Dienerin machen?«

»Ich werde sie anflehen. mein zu bleiben.«

»Herzog, scherzen Sie nicht. Ich sage Ihnen, daß ich Niemand mehr liebe, und das ist gesagt.«

»Wie! Freundschaft in unserem Alter?«

»Herzog, Sie haben noch acht Tage österreichisches Wesen von Ihrem Gesicht zu nehmen; Sie haben das selbst ausgesprochen. Nehmen Sie sie. Ich, eine Pariserin, sage es Ihnen. Freundes Rat!«

Und sie reichte ihm die Hand, die er mit der vertraulichen Artigkeit küßte, welche man in unsern Tagen nicht mehr hat.

Die Prinzessin stand aus und wärmte einen Augenblick ihre kleinen Füße am Kamin; dann befahl der Herzog, einen Wagen am Ende der Straße warten zu lassen, und führte Fräulein von Charolais selbst bis zu diesem Wagen.

»Herzog, in acht Tagen werden Sie die Neuigkeiten wissen; ich werde bei Ihnen nur eine Wilde sein. Ist eine dabei, die mich interessieren kann, so bringen Sie sie mir, Sie kennen die Wege.«

»Sie sind frei?«

»Leider zu frei!«

Nach diesen Worten trennten sie sich. Die Prinzessin stieg in den Wagen. Richelieu wartete, bis sie verschwunden war, und kehrte in seine Gemächer zurück.

Sein Lackei übergab ihm eine Liste von sieben und zwanzig Frauen, die er der Prinzessin wegen abgewiesen hatte.

Richelieu seufzte.

»Bah!« sagte er, »noch ein Tag der Diplomatie geopfert! Ich werde morgen Kardinals-Gedanken haben.«

Und er entschlief. Es schlug Mitternacht.

17Fleury war Bischof von Fréjus; dadurch erklärt es sich, warum die redenden Personen abwechselnd Fleury und Herr von Fréjus sagen. D. Übers.
18Sie haben ein scheues Gemütund einen verführerischen Blick,Sollten Sie in Ihrem Alter gleichgültig sein?Will Sie die Liebe unterrichten,so geben Sie nach, streiten Sie nicht.Man hat Ihre Herrschaft langenach der der Liebe gegründet.