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Ritter von Harmental

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»Was schadet das mir? ich lache dazu!«

»Nun so sprich ernsthaft, was verlangt Du?«

»Das Leben meines Capitains?«

»Zugestanden?«

»Was verbürgt mir Dein Versprechen?«

»Mein Wort als Erzbischof!«

»Genügt mir nicht!«

»Mein Wort als Abbé!«

»Genügt mir noch weniger!«

»Mein Wort als Dubois!«

»Angenommen. Wolan so höre. Mein Capitain ist der geriebenste Capitain in ganz Frankreich. Seit einiger Zeit ist er reich wie ein Crösus. Kennt Du dieses Geld? Weißt Du woher es kommt?«

»Spanische Dublonen, ha, ich verstehe!« rief Dubois.

»Ganz recht; Spanische Dublonen, welche 48 Livres das Stück gelten und wie Wasser aus seiner Tasche strömen, der arme Teufel!«

»Und seit wann datiert sich der Reichthum Deines Capitains?«

»Seit dem Tage, an welchem der Regent in der Rue des bonnes Enfans fast entführt worden wäre? Riechst Du jetzt Lunte, mein lieber Gevatter?«

»Das mein’ ich. Weshalb aber berichtet Du das erst heute.«

»Weil jetzt eine Taschen leer zu werden beginnen und weil jetzt der rechte Augenblick ist, um zu erfahren, wohin er sich begiebt, um sie wieder füllen zu lassen.«

»Wolan,« rief Dubois, »das Leben Deines Capitains ist geschützt, wie ich es Dir versprach, aber ich muß von seinem Treiben die genaueste Kunde erhalten.»

»Tag für Tag!« versicherte die Fillon. »das versteht sich!«

»Und in welche Deiner Mädchen ist er denn verliebt?«

»In Alle, wenn er Geld hat.«

»Und wenn er keins hat?«

»In die Normannerin. Das ist sein eigentlicher Schatz.«

»Ich kenne sie, das ist eine feine Fliege.«

»Ja, aber wir können uns nicht auf sie verlassen.«

»Und weshalb das nicht?«

»Sie liebt ihn wirklich, die Närrin. Und er verdient es, ein herrliches Gemüth, das nichts für sich behalten kann. Nicht wie Du, alter Geizhals.«

»Schon gut, schon gut, Gevatterin. Du weißt am besten, daß es Gelegenheiten giebt, wo ich auch den Verschwender mache, und es hängt nur von ab, sie herbeizuführen.«

»Ich werde mein Mögliches thun.«

»Ich werde also Tag für Tag erfahren, was Dein Capitain thut?«

»Tag für Tag, verlaß Dich darauf.«

»Was bürgt mir dafür?«

»Das Wort einer ehrlichen Frau!«

»Genügt mir nicht.«

»Mein Wort als Fillon!«

»Angenommen!«

»Also, adieu, Herr Erzbischof!«

»Adieu, Gevatterin!«

Die Fillon näherte sich der Thür; grade aber als sie fort wollte, trat der Huissier herein: »Gnädigster Herr,« sprach er, »es ist ein wackerer Mann draußen, der mit Ew. Eminenz zu sprechen wünscht.«

»Und wer ist dieser wackere Mann, Dummkopf?«

»Ein Beamter der Königlichen Bibliothek, welcher sich in seinen Mußestunden mit Abschreiben beschäftigt.«

»Und was will er?«

»Er sagt, er habe Ew. Eminenz eine Entdeckung von der größten Wichtigkeit mitzutheilen.«

»Ohne Zweifel irgend ein armer Teufel, der um eine Unterstützung bittet.«

»Nein, gnädigster Herr, er sagt, es betreffe eine politische Angelegenheit. Es say von Spanien die Rede.«

»Von Spanien!« rief Dubois lebhaft, »dann laß ihn sogleich eintreten. Du Fillon, geh so lange fort in dieses Cabinet.«

»Und weshalb das?«

»Weil mein Abschreiber und Dein Capitain sich vielleicht zufällig kennen könnten.«

Die Fillon trat in das Cabinet; einen Augenblick darauf öffnete der Huissier die Thür, und meldete »Herrn Jean Buvat

IX.
Der Mitschuldige des Prinzen von Listhnay

Wir haben den ehrlichen Buvat verlassen, als er auf ein Stübchen hinaufstieg, um ein dem Prinzen de Listhnay gegebenes Versprechen zu erfüllen. Er hielt mit der gewissenhaftesten Pünktlichkeit sein Wort, und so schwer ihm auch das Abschreiben in einer ihm unbekannten Sprache war, so war dennoch die Abschrift am folgenden Tage, um sieben Uhr Abends, nach der Rue du Bac No. 10 gebracht. Buvat hatte darauf aus derselben hohen Hand neue Arbeit erhalten, und solche gleichfalls zur festgesetzten Zeit abgeliefert, so daß der vorgebliche Prinz Vertrauen zu ihm gewann, und ihm zu seiner, und wahrscheinlich noch mehr zur eigenen Bequemlichkeit, auf einmal einen ganzen Stoß Papiere übergab, von denen Buvat die Abschriften in drei oder vier Tagen liefern sollte.

Buvat war ob dieses Vertrauens stolzer als je zurückgekehrt, er hatte Bathilde heiter und glücklich gefunden und stieg demnach, in der heitersten Stimmung fein Liedchen trällernd, zu einem Stübchen hinan, um seine Arbeit zu beginnen.

Obgleich der wackere Mann kein Wort spanisch verstand, so hatte er doch bereits gelernt, es ziemlich geläufig zu lesen, so daß er, während er maschinenmäßig copirte, ruhig ein Lieblingsliedchen fortträllern konnte. So war es ihm fast nicht angenehm, als er zwischen dem ersten Original und dem zweiten, plötzlich einen Aufsatz in französischer Sprache fand. Da er sich seit mehreren Tagen an das rein Castilianische gewöhnt hatte, und Gewohnheit das zweite Leben des ehrlichen Buvat war, so hätte er nun auch lieber in dieser Sprache weiter geschrieben; überzeugt aber, daß man auch von diesem Blatte, obgleich es keine Nummer trug, und vielleicht zufällig zwischen die Papiere gerathen war, eine Abschrift verlange, spitzte er seine Feder ging ans Werk, und fing an, folgende Zeilen abzuschreiben:

Geheime Mittheilung für Sr. Exellenz

den Prinzen Alberoni.

»Nichts ist wichtiger, als sich der in der Nähe der Pyreneen belegenen festen Plätze und derjenigen angesehenen Personen zu versichern, die jene Gegend bewohnen.«

»Jene Gegend bewohnen, »wiederholte Buvat kopierend, dann fuhr er fort zu schreiben:

»Die Garnison von Bayonne zu gewinnen, oder sie zu überwältigen.«

»Was soll das heißen? murmelte Buvat vor sich hin: Die Garnison von Bayonne zu überwältigen! – Ist Bayonne nicht eine französische Stadt? Und er schrieb weiter:

»Der Marquis von P … ist Gouverneur von D… Man kennt die Absichten dieses Herrn. Wenn er sich entschieden haben wird, muß er seine Ausgaben verdreifachen, um den Adel an sich zu ziehen; er muß Gratificationen vertheilen. In der Normandie ist Carentan ein wichtiger Posten. Man muß mit dem Gouverneur desselben, wie mit dem Marquis von P… verfahren; ja, man muß noch weiter gehen, muß seine Offiziere angemessene Belohnungen versprechen. In allen Provinzen muß man auf gleiche Weise zu Werke gehen.«

»Was hat das alles zu bedeuten, dachte Buvat, indem er inne hielt, »ich glaube ich werde wohlthun, daß Ganze durchzulesen, bevor ich weiter schreibe,« und er las:

»Um diese Ausgaben zu bestreiten, muß man in dem ersten Monat wenigstens auf 300.000 Livres, und jeden folgenden Monat auf 100.000 Livres rechnen, welche pünktlich gezahlt werden müssen.«

»Pünktlich gezahlt werden müssen,« – wiederholte Buvat; »das kann nicht von Frankreich verlangt werden, denn seit fünf Jahren zahlt es mir nicht einmal meine neunhundert Livres jährlich. Aber weiter, weiter!«

»Diese Ausgabe, welche mit dem Frieden auf hören wird, setzt Se. Katholische Majestät in den Stand, im Fall eines Krieges mit Sicherheit zu operieren. Spanien wird nur eine Hilfsmacht seyn. Die Armee Philipp des Fünften befindet sich ja in Frankreich.«

»Ei, ei, sprach Buvat vor sich hin, und ich, ich wußte nicht einmal, daß sie die Gränze passiert habe.«

»Zehntausend Spanier, den König an ihrer Spitze, sind als dann hinreichend. – Aber man muß darauf bedacht seyn, wenigstens die Hälfte der Armee des Herzogs von Orleans zu gewinnen« (Buvat bebte zusammen). »Das ist mit der Hauptpunkt, das läßt sich nicht ohne Geld bewerkstelligen. Eine Graitfication von 100.000 Livres ist für jedes Bataillon erforderlich. Zwanzig Bataillone machen zwei Millionen; mittelt dieser Summe ist ein Heer gebildet und das des Feindes vernichtet.«

»Der Spanische Gesandte in Frankreich muß überdem die Vollmacht erhalten, im Namen des Königs von Spanien Versprechungen unterzeichnen zu können; auch müssen Sr. katholische Majestät ihre Befehle als Sohn von Frankreich und Vetter des Königs von Frankreich signiren; so lauten seine Titel.«

»Es muß ein Heer von 30.000 Mann gebildet werden, damit es Sr. Majestät discipliniert und schlagfertig finde. Wenn das Geld Ende Mai oder etwa Anfangs Juni anlangt, so muß es augenblicklich in den Provinzen und Städten, als Nantes, Bayonne u. s. w. vertheilt werden. Auch darf der französische Gesandte nicht aus Spanien fortgelassen werden, seine Abwesenheit verbürgt die Sicherheit derjenigen, die sich erklären werden.[Diese Piece ist authentisch und Wort für Wort dem in dem Archiv des im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten befindlichen Originale nachgeschrieben.]

»Alle tausend Teufel!« rief der ehrliche Buvat, indem er sich die Augen rieb, »das ist eine vollständige Verschwörung gegen den Regenten und das Königreich! O Gott! O Gott!« und er versank in tiefes Nachdenken.

Seine Lage war in der That höchst kritisch. Buvat in eine Verschwörung verwickelt, Buvat im Besitz eines Staatsgeheimnisses! Buvat, vielleicht das Schicksal von Nationen in der Hand haltend Es brauchte wahrlich nicht so viel, um den armen ehrlichen Mann in die größte Angst zu stürzen. – Auch vergingen Minuten, ja Stunden, ohne daß Buvat in seinem Sessel sich auch nur im Geringsten bewegte. Ein schwerer Seufzer entstieg nur von Zeit zu Zeit einer Brust.

Es schlug zehn, elf, zwölf Uhr. Buvat gedachte des Sprichworts: »guter Rath kommt über Nacht, und beschloß endlich, sich zu Bette zu legen; es versteht sich, daß er mit Abschreiben inne gehalten hatte, sobald er gewahrte, daß das Original eine ungesetzmäßige Wendung genommen.

Der arme Buvat aber konnte nicht schlafen. Der arme Teufel mochte sich auf seinem Lager herumwälzen so viel er wollte; kaum schloß er die Augen, so sah er auch schon den unglückseligen Verschwörungsplan mit feurigen Buchstaben an die Wand geschrieben. Einige Mal senkte sich der Schlummer auf ihn herab, dann aber träumte er, daß er von der Schaarwache als ein Theilnehmer der Verschwörung festgehalten, oder das er von den Verschwornen erdolcht werde. Das alles machte einen solchen Eindruck auf ihn, daß er aufstand, Feuer schlug, sein Licht anzündete und den Tag wachend zu erwarten beschloß.

 

Endlich erschien der Tag; statt aber Buvats Angst zu mildern, vermehrte er dieselbe noch. Bei dem kleinsten Geräusch in der Straße zuckte er zusammen, ward an die Hausthür gepocht, war er nahe daran in Ohnmacht zu sinken. Nanette öffnete die Thür seines Zimmers und Buvat stieß einen lauten Angstschrei aus. Die Dienerin eilte auf ihn zu und fragte besorgt ob ihm etwas fehle, er aber schüttelte nur den Kopf und erwiederte mit einem tiefen Seufzer: »Ach Nanette, wir leben in einer bösen Zeit!« dann schwieg er wieder, befürchtend er habe schon zu viel gesagt.

Buvat war zu geängstigt, um wie gewöhnlich mit Bathilden zu frühstücken, überdem fürchtete er, daß das junge Mädchen seine Unruhe bemerken, und wegen der Ursache derselben in ihn dringen werde; er wußte, er konnte ihr nichts verschweigen und dann wäre sie ebenfalls eine Mitgenossin der Verschwörung geworden. Er ließ sich daher den Kaffee auf fein Zimmer bringen, vorschützend, er habe zu viel Arbeit und wolle beim Schreiben frühstücken. Da die Liebe Bathildens bei dieser Abwesenheit ihre Rechnung fand, so beklagte sich die arme Freundschaft darüber nicht.

Einige Minuten vor zehn Uhr begab sich Buvat auf sein Bureau. War schon daheim seine Angst groß, so bekam diese auf der Straße eine wahre Schreckensgestalt. An jeder Ecke glaubte er eine Schaarwache oder einen Häscher zu erblicken, bereit, ihn beim Kragen zu packen. Am Eingange des Place des Victoires trat ihm plötzlich aus der Rue Pagevin ein Musketair entgegen, bei dessen Anblick er so zusammenfuhr, daß er einen gewaltigen Sprung zur Seite that und fast unter die Räder eines Wagens gerathen wäre. Im Anfange der Rue neuve des petits champs vernahm er rasche Schritte hinter sich, das ihn veranlaßte, ohne sich umzusehen, über Hals und Kopf zu laufen, welchen Galopp er bis in die Rue Richelieu fortsetzt, ihm seine an einen solchen forcierten Marsch nicht gewohnten Beine, das Rennen untersagten.

Endlich langte er in der Bibliothek an. Er verbeugte sich tief vor der vor der Thür stehenden Schildwache, schlich wie ein Verbrecher über die Gallerie, erreichte sein Bureau, verschloß schnell das ganze Paket des Prinzen von Listhnay, das er, aus Furcht, es könne während seiner Abwesenheit eine Haussuchung bei ihm stattfinden, zu sich gesteckt hatte, in sein Pult, und sank alsdann in seinen Arbeitsessel, mit einem so schweren Seufzer, daß er seinen Collegen hätte verdächtig werden müssen, hätte er sich nicht auch diesmal, wie immer, früher als sie in der Bibliothek eingefunden.

Buvat hatte den Grundsatz, daß nichts in der Welt, es say freudiger, oder trauriger Art, einen Beamten von seinem Geschäfte abziehen dürfe, und er ging demnach sofort an seine Arbeit, so als ob gar nichts vorgefallen wäre, dabei aber war er in einer Seelenangst, die nicht zu beschreiben ist.

Als indeß nach und nach seine Collegen in das Bureau eintraten, raffte sich Buvat zusammen und ging an seine Arbeit. Es schien sich aber heute alles vereinigt zu haben, feine Furcht aufs höchste zu steigern und ihn zu dem Schritte zu treiben, den wir ihn im letzten Abschnitte dieser Erzählung thun sahen.

Er hatte heute einige hundert Bücher zu classificiren, die unter einander auf einem Haufen dalagen und das erste Buch, welches er in die Hand nahm, um es mit einer neuen Nummer zu versehen, war: die Beschreibung der Verschwörung der Herren Cinq Mars und die Thou, so wie die Schilderung ihrer furchtbaren Bestrafung.

Das Herz des armen Buvat pochte hörbar, das Buch entsank seiner Hand, er zitterte an allen Gliedern. »Was fehlt Ihnen, Herr Buvat?« fragte Decoudreau, der Chef des Bureaus, welcher es bemerkte.

»Nichts – o nicht das Mindeste, stammelte Buvat zusammenschreckend, und schnell griff er nach einem zweiten Buche. Aber oh, ihr Mächte des Himmels! der Titel lautete: Verschwörung des Chevaliers Ludwigs von Rohan nebst der Abschrift eines Planes, der sich unter den Papieren des Herrn von Rohan befunden, und durchweg von Van den Enden abgeschrieben worden, welcher die Qualen der Folter aushalten mußte, um von ihm das Geständniß zu erpressen.«

Das war mehr, als der unglückliche Buvat zu ertragen vermochte. Alle seine Glieder schwankten, seine Brust hob sich gewaltig, Folterbank und Schafott schwebten ihm vor, und die Verzweiflung bemächtigte sich seiner. Er stürzte zu seinem Schreibtische, nahm die Papiere des Prinzen von Listhnay heraus, steckte sie zu sich, bemerkte dann stammelnd dem Bureauchef, daß er sich wirklich unwohl fühle und um die Erlaubniß nachsuche, sich für heute nach Hause begeben zu dürfen, und eilte, als ihm dieselbe geworden, wie von Dämonen gepeitscht, der Wohnung Dubois zu.

X.
Die Audienz

»Herr Jean Buvat,« sprach der Huissier.

Dubois beugte seinen Vipernkopf weit vor, und gewahrte hinter dem Huissier einen kleinen wohlbeleibten Mann, dessen Beine unter ihm zitterten, und der in seiner Seelenangst hustete, um sich eine gewisse Sicherheit zu geben. Ein einziger Blick reichte für den schlauen Dubois hin, um ihm zu zeigen, mit wem er es zu thun habe.

Der Huissier zog sich zurück und Buvat stand auf der Schwelle.

»Nur näher, immer näher, sprach Dubois.

»Sie erzeigen mir gar zu viel Ehre,« stammelte Buvat, ohne im Geringsten seine Stellung zu verändern.

»Nun, mein Herr,« nahm Dubois, der halb von seiner erzbischöflichen Tracht entkleidet, im Hemde mit schwarzen Beinkleidern und violettseidenen Strümpfen weit mehr einem Affen, als einem Erzbischofe glich, wieder das Wort: »Sie haben mit mir zu sprechen verlangt, da bin ich!«

»Das heißt, mein Herr, flüsterte Buvat, »ich habe um die Ehre nachgesucht, mit dem Herrn Erzbischof von Cambrai zu reden.«

»Nun ja, der bin ich!«

»Wie, Sie selbst sind es, gnädiger Herr,« versetzte Buvat, indem er seinen Hut in beide Hände nahm, und sich fast bis zur Erde verbeugte, »entschuldigen Sie, ich hatte Ew. Eminenz nicht erkannt. Freilich ist es wahr, es ist das Erste mal, daß ich die Ehre habe – – indessen – das majestätische Aeußere hätte mich allerdings, hm hm – –«

»Sie nennen sich?« unterbrach ihn Dubois ungeduldig.

»Jean Buvat, Ew. Eminenz zu Befehl.«

»Sie sind. »Ein Beamter der königlichen Bibliothek.«

»Sie haben mir Eröffnungen hinsichtlich Spaniens zu machen?«

»Das heißt – gnädigster Herr – das heißt, die Sache verhält sich damit so: Da meine Bureauarbeit mir des Abends sechs, und des Morgens vier Stunden Zeit übrig läßt, und da Gott mir eine sehr schöne Handschrift verliehen hat – so beschäftige ich mich mit Abschreiben.«

»Ich verstehe, verstehe ganz gut,« unterbrach ihn der scharfsichtige Dubois, »man gab Ihnen verdächtige Originale zu copieren, und die bringen Sie mir.«

»Hier sind sie, in dieser Rolle Papiere, Ew. Eminenz, sprach Buvat indem er Dubois die Papiere hinreichte. Dubois sprang schnell von einem Sitze auf, riß die Rolle aus Buvats Hand, blickte hinein – und die bewußten Papiere lagen vor ihm. Die ersten Blätter waren in spanischer Sprache abgefaßt, da aber Dubois einigemal nach Spanien gesandt worden war, so verstand er etwas von der Sprache des Calderon und des Lopez de Vega, so daß er auf den ersten Blick sah, von welcher Wichtigkeit diese Papiere waren. Sie bestanden in der That aus nichts Geringerem, als aus der Protestation des Adels, der Liste der Offiziere, welche in den Dienst des Königs von Spanien angestellt zu werden wünschten, und dem von dem Cardinal von Polignac und dem Marquis von Pompadour verfaßten Manifest, einen Aufstand in Frankreich zu bewirken.

Diese verschiedenen Piecen waren direkt an Philipp den Fünften adressiert; und eine kleine hinzugefügte Note, in welcher Dubois sogleich die Handschrift des Prinzen von Cellamare erkannte, sprach ganz deutlich aus, daß der Ausbruch der Verschwörung nahe say; und daß er Tag für Tag Sr. katholischen Majestät von dem Fortgange derselben unterrichten werde. Dem folgten, wie um die Sache zu vervollständigen, der ausführliche Plan der Verschwornen, der aus unverzeihlichem Leichtsinn unter den übrigen Papieren geblieben war, und zu Buvats Entdeckung die Veranlassung gegeben hatte.

Buvat war allen Bewegungen Dubois ängstlich gefolgt, aber er konnte aus denselben nichts erfahren, welchen Eindruck die Lesung auf den Erzbischof hervorbrachte. Dubois seinerseits begriff, daß ihm dieser Mann den Anfang eines höchst wichtigen Geheimnisses überbracht habe, und er überlegte, wie er zu dem Schlusse desselben gelangen könne. Endlich schien er einen Entschluß gefaßt zu haben, ein Gesicht verzog sich zu dem Ausdruck des liebenswürdigten Wohlwollens, er wandte sich zu dem ehrlichen Abschreiber, welcher noch immer zitternd dastand, und sprach: »Setzen Sie sich doch, setzen Sie sich, mein lieber Herr Buvat.«

»Ich danke, danke, gnädigster Herr, ich bin durchaus nicht ermüdet,« versetzte Buvat noch immer ängstlich.

»Ei, ich sehe ja, daß Ihre Füße zittern, fuhr Dubois fort, »so nehmen Sie doch Platz, und lassen Sie uns zusammen schwatzen wie zwei alte Freunde.«

Buvat betrachtete den neugebackenen Erzbischof mit einer Bestürzung, welche den Letzteren in jedem andern Augenblick ein lautes Gelächter entlockt haben würde, aber jetzt that er, als bemerke er dieselbe nicht, schob ihm selbst einen Stuhl hin, und wiederholte durch eine Geberde, seine Aufforderung sich zu setzen.

Der ehrliche Buvat gehorchte endlich, er legte seinen Hut auf den Fußboden, setzte sich auf den Rand des Sessels, nahm seinen Stock zwischen die Beine, legte seine Hände auf den elfenbeinernen Knopf desselben, und harrte der Dinge die da kommen sollten.

»Sie sagten also, mein lieber Herr Buvat, daß Sie sich mit Abschreiben beschäftigen?« begann Dubois.

»Ja, gnädigster Herr.«

»Und das trägt Ihnen?«

»Blutwenig, Ew. Eminenz, blutwenig!«

»Sie haben in der That eine vortreffliche Handschrift, Herr Buvat.« (Der Anfang der Copien Buvats lag bei den Papieren.)

»Jedermann weiß leider ein solches Talent nicht so zu würdigen, wie Ew. Eminenz,« versetzte der Beamte der Bibliothek.

»Das ist wahr, aber außerdem sind Sie ja auf der Bibliothek angestellt.«

»Ja, ja, ich habe die Ehre.«

»Und Ihr Platz trägt Ihnen?«

»Mein Platz, gnädigster Herr, ja so mein Platz – der trägt mir gar nichts, denn seit fünf Jahren hat mich der Cassirer jedesmal mit der Bemerkung fortgeschickt, daß Sr. Majestät kein Geld hätten, um uns bezahlen zu können.«

»Und nichts destoweniger blieben Sie im Dienst des Königs, das ist sehr hübsch von Ihnen, mein lieber Herr Buvat, sehr hübsch!«

Buvat stand von seinem Stuhle auf, verbeugte sich sehr tief vor der Eminenz, und setzte sich dann wieder.

»Und vielleicht,« fuhr Dubois fort, haben Sie noch obendrein eine Familie, Frau und Kinder?«

»Nein, gnädigster Herr, bis jetzt habe ich im unverehelichten Stande gelebt.«

»Aber Sie haben vielleicht Verwandte?« –

»Eine Pflegetochter Ew, Eminenz, eine sehr talentvolle Pflegetochter, die wie die Demoiselle Bury singt, und wie Greue zeichnet.«

»Ei der Tausend! Und wie nennt sich diese Pflegetochter?«

»Bathilde – Bathilde du Rocher, gnädiger Herr, es ist ein Mädchen von edler Geburt, die Tochter eines Stallmeisters des Regenten, als dieselben noch Herzog von Chartres waren; der Vater Bathildens hatte das Unglück, in der Schlacht von Almansa getödtet zu werden.«

»Da haben Sie also auf diese Weise eine schwere Last zu tragen, Herr Buvat?«

»Meinen Sie Bathilde, gnädigster Herr?« rief der ehrliche Abschreiber lebhaft, »ei behüte, Bathilde ist mir keine Last, sie verdient im Gegentheil weit mehr als sie kostet.«

»Ich will nur damit sagen, daß Sie nicht gerade reich sind, mein lieber Herr Buvat.«

»Nein, Ew. Eminenz, reich, das bin ich wirklich nicht, aber ich möchte es gern seyn, um meiner guten Pflegetochter willen; wenn daher Ew. Eminenz Sr. königlichen Hoheit bestimmen könnten, von den ersten Geldern die in die Staatskasse eingehen, mir meinen rückständigen Gehalt, oder wenigstens ein a Conto zu bezahlen.«

»Und wie hoch kann sich Ihr Rückstand belaufen?«

»Auf 4700 Livres 12 Sols 8 Deniers, gnädigster Herr.«

»Bah, was will das sagen! Kleinigkeit das! rief Dubois, »das würde Sie nicht reich machen!«

»Aber es würde mich à mon aise setzen, gnädigster Herr.«

 

»Ei was, mein lieber Herr Buvat, fuhr Dubois fort, »ich habe Ihnen besseres anzubieten.«

»Ich bin ganz Ohr, Ew. Eminenz.«

»Sie haben Ihr Glück in Ihren Fingerspitzen.«

»Das hat mir meine selige Mutter immer gesagt.«

»Das beweist, mein lieber Buvat, daß Ihre Frau Mutter eine überaus kluge Frau war.«

»Wolan, ich bin bereit, gnädigster Herr, was soll ich thun?«

»Etwas ganz Unbedeutendes, Sie müßen mir jetzt gleich hier von diesem Allen eine Abschrift verfertigen.«

»Aber, gnädigster Herr – –«

»Das aber ist noch nicht. Alles, mein lieber Herr Buvat. Sie überbringen alsdann der Person, die Ihnen diese Papiere übergab, die Originale sammt Ihren Copieen, so als ob nicht das Mindeste vorgefallen wäre. Sie nehmen dann, was Ihnen diese Person wieder mitgiebt, bringen es mir, daß ich es zuvor lese, und verfahren damit wie bisher, bis ich Ihnen sage, genug.«

»Aber, gnädigster Herr,« bemerkte Buvat, »es will mir scheinen, als ob ich auf diese Weise das Vertrauen des Prinzen täusche.«

»Ei, es ist also ein Prinz, mit dem Sie zu schaffen haben, mein lieber Buvat,« und wie nennt er sich?«

»Da scheint es mir wieder, daß, wenn ich Ihnen seinen Namen sage, ich ihn denunziere.«

»Weshalb kamen Sie denn sonst hierher?«

»Um Ew. Eminenz von der Gefahr zu unterrichten, von der Sr. Hoheit, der Regent bedroht sind, blos deshalb.«

»Wirklich?« fragte Dubois spöttisch, »und Sie glaubten, dabei stehen bleiben zu können?«

»Das wünsche ich, Ew. Eminenz.«

»Das aber ist zum Unglück ganz unmöglich, mein Herr Buvat,« sprach Dubois in verändertem Ton.

»Unmöglich, wie das?«

»Durchaus unmöglich!«

»Ew. Eminenz, ich bin ein ehrlicher Mann.«

»Sie sind – ein Einfaltspinsel, sage ich Ihnen, Herr Buvat.«

»Ich möchte nun gern schweigen über die Sache, gnädigster Herr.«

»Sie werden aber reden, mein Herr!«

»Aber wenn ich rede, dann werde ich ja der Denunziant des Prinzen?«

»Wenn Sie nicht reden, werden Sie sein Mitschuldiger.«

»Mitschuldiger! Mitschuldiger, gnädigster Herr, und welches Verbrechens?«

»Des Hochverraths! des Hochverraths, mein Herr! – Ah, die Polizei hat schon längst ihr Auge auf Sie gerichtet, mein Herr Buvat.«

»Auf mich, gnädigster Herr, auf mich?«

»Ja ja, auf Sie, mein Herr. Unter dem Vorwande, daß man Ihnen Ihren Gehalt nicht zahlt, haben Sie sich auf strafbare Weise gegen die Regierung geäußert. Unter dem Vorwande, daß man Ihnen Ihren Gehalt nicht zahlt, fertigen Sie seit vier Tagen hochverrätherische Abschriften.«

»Ach Gott, erst gestern, gnädiger Herr,« stammelte Buvat ganz außer sich, »erst gestern bemerkte ich es – ich verstehe kein Wort spanisch.«

»Sie verstehen es mein Herr,« fuhr Dubois in einem barschen Tone fort.

»Ich schwöre Ihnen – –«

»Der Beweis davon ist, daß sich in Ihren Abschriften auch nicht der kleinste Fehler findet. Aber das ist noch nicht Alles. Ist das hier spanisch, mein Herr?« Und er zeigte ihm das Blatt mit der französischen Abschrift. – Man hat schon Leute auf die Galeeren geschickt, die weit weniger verbrochen hatten.«

»Gnädigster Herr.«

»Man hat schon Leute gehängt, die weit weniger strafbar waren, als Sie es sind, mein Herr Buvat.«

»Aber, Ew. Eminenz, um des heiligen Gottes willen – –«

»Man hat Menschen geviertheilt – –«

»Gnade, Ew. Eminenz, Gnade!«

»Was Gnade mit einem Elenden, wie Sie sind, Herr Buvat, ich werde Sie in die Bastille schicken, und Ihre Demoiselle Bathilde nach St. Lazare bringen lassen.

»Bathilde, die liebliche Bathilde nach St. Lazare! Wer hätte dazu ein Recht?«

»Ich, mein Herr, ich!«

»Nein nein, mein Herr Erzbischof, dazu haben Sie nicht das Recht, erwiderte Buvat, der hinsichtlich seiner alles ertragen konnte, dessen Galle aber sich bei der kleinsten Ungebühr gegen Bathilde sofort aufregte. »Bathilde ist kein Mädchen aus dem Volke, sie ist von edler Geburt, ihr Vater hat Sr. königlichen Hoheit einmal das Leben gerettet, und wenn ich mit Sr. königlichen Hoheit reden kann – –«

»Sie werden sich jetzt also gleich in die Bastille begeben, erwiderte Dubois, indem er hastig an die Klingel zog, »später werden wir sehen, was über die Demoiselle Bathilde zu entscheiden ist.«

»Gnädigster Herr! – Was beginnen Sie?«

»Das sollen Sie gleich sehen.« (Der Huissier trat ein.) »Gerichtsdiener und einen Fiaker,« gebot Dubois.

»Mein Gott, gnädigster Herr, hören Sie doch nur, ich will alles thun, was Sie wollen.«

»Thut was ich befehle,« sprach Dubois. – Der Huissier begab sich hinweg.

»Ew. Eminenz,« stammelte Buvat mit gefalteten Händen, »Ew. Eminenz, ich will ja gehorchen.«

»Nicht doch, nicht doch, mein Herr!« rief Dubois. »Sie wollen, daß man Ihnen einen Prozeß mache, gut, Ihnen soll gewillfahrt werden. Sie wollen einen Strick um den Hals, Sie sollen ihn haben.«

»Gnädigster Herr,« jammerte Buvat, sich auf die Kniee werfend, »so sprechen Sie nur, was verlangen Sie von mir? Ich bin zu allem bereit!«

Der Huissier trat herein: »Die Gerichtsdiener warten im Vorzimmer, gnädigster Herr, der Fiaker hält vor der Thür,« berichtete er.

»Barmherzigkeit, Barmherzigkeit!« jammerte Buvat, die Hände ringend.

»Sie wollen mir ja den Namen des Prinzen nicht entdecken,« sprach Dubois.

»Gern, gern, es ist der Prinz de Listhnay, gnädigster Herr!«

»Seine Adresse.«

»Rue du Bac No 10.«

»Aber Sie wollen mir keine Abschrift von seinen Papieren machen?«

»Das will ich, und auf der Stelle, Ew. Eminenz,« rief Buvat, und sofort setzte er sich an den Schreibtisch und nahm Feder und Papier. »Ich gehe ans Werk, gnädigster Herr, nur gestatten Sie mir einige Worte an Bathilde zu schreiben, daß ich nicht zum Mittagsessen kommen werde.«

»Dann werden Sie alles thun, was ich von Ihnen verlange?«

»Alles!«

»Ohne daß ein Wort davon über Ihre Lippen kommt.«

»Ich werde stumm seyn, wie ein Fisch, Ew. Eminenz.«

»Selbst gegen Bathilde.«

»Selbst gegen sie.«

»Gut denn, unter dieser Bedingung verzeihe ich Ihnen. Ja, vielleicht werde ich Sie sogar belohnen.«

»Jetzt aber an die Arbeit.«

»Ich schreibe schon Ew. Eminenz. »Und Buvat begann zu schreiben, ohne das Auge nach irgend einem andern Gegenstande zu richten, als von dem Original nach der Copie, und von der Copie wieder nach dem Original, und ohne aufzuhalten, als um dann und wann eine Stirn zu trocknen, auf der der Angstschweiß in großen Tropfen perlte.

Dubois benutzte diese emsige Beschäftigung, um der Fillon das Cabinet zu öffnen, und ihr durch einen Wink Schweigen zu gebieten. Die Gevatterin begab sich hinweg, nachdem Dubois ihr vor der Thür noch einmal anempfohlen hatte, ihn Tag für Tag von den Schritten ihres Capitains in genaue Kenntniß zu setzen.