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Ritter von Harmental

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Herr von Malezieux war ein Mann von sechzig bis fünfundsechszig Jahren, Kanzler von Dombes und Herr von Chatenau, ein Doppeltitel, den er der Erkenntlichkeit des Herzogs von Maine verdankte, dessen Erziehung er besorgt hatte. Er war ein Lebemann, ein Sybarit des achtzehnten Jahrhunderts, dabei aber der Familie Maine und ganz besonders der Herzogin, für die er, im wahren Sinne des Worts, durchs Feuer gegangen wäre, wahrhaft zugethan.

Der Abbé Brigaud war der Sohn eines Kaufmanns in Lyon. Sein Vater, welcher große Handelsverbindungen mit dem spanischen Hofe hatte, erhielt den Auftrag, so als ob die Idee dazu in seinem eigenen Kopfe entstanden wäre, jenem Eröffnungen wegen einer Verbindung des jungen Ludwigs XIV. mit der Infantin Maria Theresia von Oestreich zu machen. Wären diese Eröffnungen ungünstig aufgenommen worden, hätten die Minister Frankreichs sie desavouiert; aber sie fanden eine freundliche Aufnahme und die Minister gaben ihre Zustimmung. Die Vermählung fand statt, und da der kleine Brigaud fast zu gleicher Zeit mit dem Dauphin geboren wurde, ward der Monarch ersucht, daß sein Sohn Pathenstelle bei dem Kinde vertrete, welches auch huldreicht bewilligt wurde. Er ward sogar dem Dauphin beigesellt, wählte später den geistlichen Stand und ward Abbé. Er war ein seiner, schlauer, ehrgeiziger Mann; die Versuche, sein Glück zu machen, aber waren, wie es oft den Genies zu gehen pflegt, ihm stets mißlungen. Einige Zeit vor der Epoche, von der wir erzählen, hatte er den Marquis von Pompadour angetroffen, der einen verschwiegenen und geistreichen Mann suchte, um dem Amte eines Secretairs bei der Herzogin von Maine vorzustehen. Brigaud wog die Vortheile und Nachtheile dieses Anerbietens gegen einander ab, und da die ersten ihm vorherrschend schienen, nahm er es an.

Von diesen vier Männern kannte Harmental persönlich nur den Marquis von Pompadour. Die drei erstgenannten Herren besprachen sich mit einander vor dem Camin, der Abbé Brigaud saß an einem Tisch und ordnete Papiere.

»Meine Herren,« sprach die Herzogin, nachdem sie eingetreten war, »hier sehen Sie den tapferen Ritter, von dem der Baron Valef gesprochen, und den uns Ihre theure de Launay zugeführt hat, Herr von Malezieux. Wenn sein Name und seine früheren Thaten nicht schon für ihn sprächen, so würde ich mich für ihn verbürgen.

»So von Ew. Hoheit uns vorgestellt,« entgegnete Malezieux, »soll er uns nicht bloß ein willkommener Gefährte, sondern ein Operhaupt seyn, dem wir mit Freuden folgen werden.«

»Mein lieber Harmental,« sprach der Marquis von Pampadour, indem er dem jungen Manne die Hand reichte, wir sind von heute an Brüder!«

»Seyn Sie uns herzlich willkommen, mein Herr,« nahm der Cardinal von Polignac, mit dem ihm eigenthümlichen salbungsreichen Tone, das Wort, der zu der Kälte seines Gesichts so gewaltig contrafirte.

Der Abbé Brigaud hob den Kopf und neigte ihn mit einer schlangenähnlichen Bewegung gegen den Ritter, den er mit seinen Luchsaugen forschend betrachtete.

»Meine Herren, entgegnete Harmental, nachdem er die Begrüßungen erwidert hatte, »ich bin ganz und gar ein Neuling in Ihrer Mitte; ich weiß durchaus nicht, was sich hier zuträgt und wozu Sie mich gebrauchen können; mein Wort gab ich zwar erst vor wenigen Augenblicken; meine Anhänglichkeit aber an der Sache, die uns vereinigt, ist schon Jahre alt. Ich bitte Sie also, mir das Vertrauen zu schenken, um welches Ihre Hoheit huldreicht für mich ersucht hat. Alles was ich weiter begehrt, ist, daß Sie mir recht bald Gelegenheit geben, mich dieses Vertrauens würdig zu beweisen.«

»Wir werden kein Geheimniß für Sie haben, Herr Chevalier,« rief die Herzogin von Maine, »und die gewünschte Gelegenheit soll Ihnen bald werden.«

»Verzeihung gnädigste Frau,« fiel ihr der Cardinal von Polignac in die Rede, »so rasch wie Ew. Hoheit zu Werke gehen, könnte der Chevalier glauben, daß wir eine Verschwörung beabsichtigten.«

»Und warum handelt es sich denn sonst, Cardinal?« fragte die Herzogin mit einiger Ungeduld.

»Es ist,« erwiderte der Cardinal, »hier nur die Rede von einer Berathung, einer geheimen zwar, die aber nichts Furchtbares an sich hat und die uns belehren soll, welche Mittel wir anwenden müssen, dem Mißgeschicke Frankreichs vorzubeugen, und dasselbe über sein wahres Interesse zu unterrichten, indem wir ihm den letzten Willen Ludwigs XIV. in das Gedächtniß zurückrufen.«

»Ihre Umwege werden mich noch zur Verzweiflung treiben,« rief die Herzogin, indem sie mit ihren kleinen Füßen den Boden stampfte; »Chevalier, fuhr sie alsdann, sich zu Harmental wendend, fort, »Hören Sie Sr. Eminenz nicht an; wäre hier nur die Rede von einer Berathung, das treffliche Gehirn des Herrn Cardinals würde uns allein aus der Noth geholfen haben; aber es handelt sich hier um eine vollständige Verschwörung gegen den Regenten; eine Verschwörung, zu der der König von Spanien, der Cardinal Alberoni, der Herzog von Maine, ich, der Marquis von Pompadour, ja der Herr Cardinal selbst angehören. Der erste Präsident, das halbe Parlament, drei Viertel Frankreichs werden sich mit uns vereinigen. Das also ist’s, warum es sich handelt. Sind Sie jetzt zufrieden, Herr Cardinal? Habe ich klar und deutlich gesprochen, Ihr Herren? Wozu das Zaudern? Ich bin nur ein Weib, verlange weder Schwert noch Dolch, aber man gebe mir einen Nagel und ich will, eine zweite Jabel, mit ihm die Schläfe jenes zweiten Sisarra durchbohren.«

Herr von Polignac stieß einen tiefen Seufzer aus, Herr von Pompadour lachte, Herr von Malezieux suchte die Herzogin zu beruhigen; der Abbé Brigaud senkte das Haupt und schrieb, so als ob er nichts vernommen habe.

Harmental seinerseits hätte gern die Fußspitzen der Herzogin geküßt, so hoch schien sie ihm über den vier Männern zu stehen, welche sie umgaben.

In diesem Augenblick hörte man neuerdings das Rollen eines Wagens, der in den Hof fuhr und vor der Treppe anhielt. Ohne Zweifel war die Person, welche man erwartete, eine Person von großer Wichtigkeit, denn die Anwesenden beobachteten plötzlich das tiefste Schweigen und die Herzogin von Maine eilte selbst, die Thür zu öffnen.

»Nun?« fragte sie hinaus.

»Er ist hier,« entgegnete eine Stimme, in welcher Harmental die seiner geheimnißvollen Fledermaus wiedererkannte.

»Herein, herein, mein Prinz,« rief die Herzogin, »wir erwarten Sie.«

VI.
Der Prinz von Cellamare

Auf diese Einladung erschien ein hochgewachsener hagerer Mann, von ernstem würdevollen Ansehen, den ein Mantel dicht umhüllte, und der mit einem einzigen Blicke. Alles, was sich im Zimmer befand, überflog; der Chevalier von Harmental erkannte in ihm den Gesandten seiner katholischen Majestät, den Prinzen Cellamare.

»Nun mein Prinz, was giebt es Neues?« fragte die Herzogin.

»Zuvörderst,« entgegnete der Gesandte, indem er der Herzogin ehrfurchtsvoll die Hand küßte und seinen Mantel auf einen Sessel warf, »möchte ich Ew. Hoheit den Rath geben, sich einen andern Kutscher, anzuschaffen. Wenn Sie denjenigen, der mich hierher brachte, in Dienst behalten, prophezeihe ich Ihnen Unglück; ich glaube, er wird von dem Regenten besoldet, um Ew. Hoheit und Ihren Freunden den Hals zu brechen.«

Alle Anwesenden brachen in ein lautes Gelächter aus, vor allem aber stimmte der Kutscher selbst mit ein, der hinter dem Prinzen ohne Umstände eingetreten war, jetzt Hut und Mantel auf einen Stuhl neben dem des Gesandten warf, und einen hochgewachsenen Mann von ungefähr 33 Jahren erblicken ließ, dessen untere Hälfte des Gesichts mit schwarzem Taffet bedeckt war.

»Haben Sie gehört, mein lieber Laval, was der Prinz so eben von Ihnen gesprochen?« fragte die Herzogin.

»Allerdings!« lachte Laval; die ältesten Barone der Christenheit sind Ihnen also nicht gut genug, um Ihnen als Kutscher zu dienen? Alle Teufel, Sie sind schwer zu befriedigen.«

»Wie, Sie waren es, mein lieber Graf?« fragte der Prinz, indem er ihm die Hand reichte.

»Ich war es in der That; die Frau Herzogin hat mich für diese Nacht als Kutscher in Dienst genommen, fiel hielt es für sicherer.«

»Die Frau Herzogin hat wohl daran gethan, bemerkte der Kardinal von Polignac, »man kann nicht vorsichtig genug zu Werke gehen.«

Unterdessen hatte sich Laval dem Chevalier von Harmental genähert; »Sie habe ich gleichfalls glücklich hierher gebracht, mein junger Herr,« sprach er, »und das freut mich, denn so jung. Sie sind, haben Sie doch schon tapfer dreingeschlagen, haben Sie gleich nicht, wie ich, die Hälfte des Gesichts dabei eingebüßt.«

»Sie haben, mein Prinz, Nachrichten von Alberoni empfangen, sagt mir Herr von Pompadour,« nahm jetzt die Herzogin von Maine wieder das Wort.

»Ja, Ew. Hoheit.«

»Und welche?«

»Gute und schlechte zu gleicher Zeit. Sr. Majestät, Philipp der Fünfte haben jetzt gerade ihre vernünftigen Augenblicke, und man kann ihn zu nichts bestimmen. Er will an die vierfache Allianz nicht glauben.«

»Wie, er will nicht daran glauben, rief die Herzogin, »jetzt grade wird sie unterzeichnet, und in acht Tagen wird Dubois sie hierher bringen?«

»Ich weiß das, Ew. Hoheit,« entgegnete kaltblütig Cellamare, »aber Sr. Katholische Majestät wissen es nicht.«

»Er zieht sich also von uns zurück?«

»So zu sagen, ja – –«

»Aber die Königin, was sagt sie dazu? Was helfen jetzt alle die glänzenden Verheißungen und die vorgebliche Gewalt, die sie über ihren Gemahl besitzen will?«

»Von dieser Gewalt,« entgegnete der Prinz, »will sie Beweise geben, sobald erst etwas geschehen ist.«

»Und kommt es dahin, dann wird sie nicht Wort halten, fiel der Cardinal von Polignac ein.

So ist es nicht, ich leiste Bürgschaft für sie, Ew. Eminenz,« sprach der Gesandte.

»Ich sehe klar in der Sache. Der König soll kompromittiert werden,« sprach Laval, »ist das einmal geschehen, wird er handeln.«

 

»Ganz recht,« rief Cellamare, »wir kommen uns einander näher.«

»Wie aber soll man ihn compromittieren?", fragte die Herzogin, »ohne Briefe, ohne Botschaft von ihm, – ja selbst ohne eine mündliche; fünfhundert Lieues weit von ihm entfernt.«

»Hat er nicht seinen Repräsentanten zu Paris? Und befindet sich nicht dieser Repräsentant in diesem Augenblick bei Ihnen, gnädigste Frau?« fragte Cellamare.

»Gestehen Sie es mein Prinz, Sie haben eine ausgedehntere Vollmacht, als Sie einräumen?«

»Keinesweges! Meine Vollmacht beschränkt sich darauf, Ew. Hoheit zu erklären, daß die Citadelle von Toledo, und die Festung Saragossa zu Ihren Diensten sind. Finden Sie ein Mittel aus, den Regenten dorthin zu bringen, und Sr. Katholische Majestät wird die Pforte hinter ihm so gut verschlossen halten, daß er nicht wieder herauskommen soll; ich stehe Ihnen dafür.«

»Das ist ganz unmöglich,« sprach Herr von Polignac. »Unmöglich und warum?« fragte Harmental, rasch, das ist im Gegentheil sehr leicht, besonders bei der Lebensweise des Regenten. Was braucht es denn dazu? acht bis zehn entschlossene Männer, einen gut verschlossenen Wagen, und Postpferde bis Bayonne.«

»Ich habe mich schon bereit erklärt, die Sache zu übernehmen, sprach Laval.

»Ich auch, fügte Herr von Pompadour hinzu.

»Das geht nicht, fiel die Herzogin ein, »schlüge das Unternehmen fehl, wären Sie verloren, da der Regent Sie persönlich kennt

»Das ist schade, entgegnete kaltblütig der Prinz Cellamare; »in Toledo oder Saragossa angelangt, erwartet dem, der die Sache vollbringt, die Würde eines spanischen Grands.«

»Und der Orden des heiligen Geistes nach seiner Rückkehr zu Paris,« fügte die Herzogin hinzu.

»Halten Sie ein, gnädigste Frau, halten Sie ein!« rief Harmental lebhaft, »wollen Ew. Hoheit solche Preise darauf setzen, so wird die Hingebung einen Anstrich von Ehrgeiz erhalten, der ihr jedes Verdienst rauben würde. Ich wollte mich erbieten, das Unternehmen in’s Werk zu richten, ich, den der Regent nicht kennt, jetzt aber nehme ich einigen Anstand – und dennoch fühle ich mich des Vertrauens Ew, Hoheit würdig.«

»Wie, Chevalier,« fragte die Herzogin von Maine, »Sie wollten es wirklich wagen?«

»Mein Leben ist. Alles, was ich dabei auf’s Spiel setze. Ich habe es Ihnen schon früher angeboten, gnädigste Frau, und Sie haben es angenommen, oder sollte ich mich getäuscht haben?«

»Nein, nein, Chevalier,« rief lebhaft die Herzogin, »Sie sind ein wahrer Cavalier. Es gibt Ahnungen, ich habe nie daran gezweifelt: so wie Valef mir Ihren Namen nannte und Sie mir schilderte, dachte ich sogleich: wir haben unsern Mann gefunden? Sie haben gehört meine Herren, wozu der Chevalier sich erbietet; sprechen Sie jetzt, worin können Sie ihm Beistand leisten?«

»In Allem worin er will!« riefen Laval und Pompadour zugleich.

»Die Schatulle seiner katholischen Majestät steht zu seinen Diensten,« bemerkte Cellamare, »er kann frei und ungehindert hineingreifen.«

»Großen Dank, Ihr Herren, großen Dank!« rief Harmental zu den beiden Ersten gewandt, »bekannt, wie Sie sind, würden Sie mir nur das Unternehmen erschweren. Besorgen Sie mir nur einen Paß nach Spanien, so, als ob ich beauftragt wäre, einen Gefangenen von Wichtigkeit dorthin zu führen. Das wird leicht zu bewerkstelligen seyn.«

»Das übernehme ich,« sprach der Abbé Brigaud, »ich werde mir von Herrn d’Argenson ein Blanket verschaffen, das nur ausgefüllt zu werden braucht.«

»Sie haben gehört, Chevalier, was der Prinz sagte, nahm die Herzogin wieder das Wort, wenn wir Geld bedürfen« – –

»Leider Gottes,« versetzte Harmental, »bin ich nicht reich genug, um das Anerbieten Ew. Excellenz zurückzuweisen; wenn ich über tausend Pistolen verfügt haben werde, die ich ungefähr besitzen mag, so muß ich ihn allerdings in Anspruch nehmen.«

»Ihn, mich, uns Alle!« rief lebhaft die Herzogin,« ein. Jeder giebt mit Freuden was er hat. Ich habe zwar in diesem Augenblick nur wenig baares Geld, aber ich besitze Diamanten und Perlen, sparen Sie also nichts; nicht Jedermann ist so uneigennützig wie Sie, es giebt Dienste, die man nur mit Gold erkaufen kann.«

»Vor allem aber Vorsicht, mein Herr, warnte der Kardinal.

»Ich ersuche Ew. Eminenz, dieserwegen unbesorgt zu seyn,« versetzte Harmental, »ich bin von dem Regenten so schwer gekränkt worden, daß man im Fall des Mißlingens glauben wird, ich hätte aus eigenem Antriebe so gehandelt, und persönliche Rache an ihm nehmen wollen.«

»Aber, bemerkte der Graf von Laval, »Sie bedürfen bei dieser Gelegenheit eines Unterbefehlshabers, eines Mannes, dem Sie vertrauen können, haben Sie einen solchen?«

»Ich glaube ja,« antwortete der Chevalier, »nur müßte ich jeden Morgen erfahren, was der Regent am Abend vor hat; der Herr Prinz von Cellamare, werden als Diplomatiker ohne Zweifel ihre geheime Polizei haben.«

»Ich habe, versetzte der Prinz mit einiger Verlegenheit, »allerdings einige Personen, die mir Bericht abstatten – –«

»Das meine ich gerade, bemerkte Harmental.

»Wo aber wohnen Sie?« fragte der Kardinal.

»In der Straße Richelieu No. 74.«

»Seit wie lange wohnen Sie dort?«

»Seit drei Jahren!«

»Dann sind Sie dort zu bekannt, mein Herr, Sie müssen Ihre Wohnung verändern!«

»Diesmal haben Ew. Eminenz Recht,« versetzte Harmental. »Ich werde mir in irgend einem entlegenen Stadtviertel eine andere Wohnung suchen.«

»Ich nehme es über mich, Ihnen ein Logis zu verschaffen, bemerkte der Abbé Brigaud. »Meine Kleidung erregt keinen Verdacht, ich werde sagen, daß ich die Zimmer für einen jungen Mann aus der Provinz miethe, der mir empfohlen worden, und der hier eine Anstellung erhalten soll.«

Das ist also abgemacht, Herr Abbé, rief der Chevalier, »ich benachrichtige noch heute meinen Hauswirth, daß ich Paris verlassen, um eine dreimonatliche Reise anzutreten.«

»Und somit wäre denn alles in Ordnung,« fügte freudig die Herzogin hinzu, »wir sehen jetzt endlich klar in der Sache, und das danken wir Ihnen, Herr Chevalier; glauben Sie mir, ich werde das niemals vergessen.«

»Meine Herren, sprach Malezieux, indem er seine Uhr hervorzog, »ich bemerke Ihnen, daß es vier Uhr Morgens ist, und daß unsre theure Herzogin der Ruhe bedarf.«

»Da irren Sie sich sehr, versetzte die Herzogin, »grade in solchen Nächten ruht man aus, ich habe lange keine so angenehme verbracht.«

»Mein Prinz,« nahm jetzt der Graf Laval das Wort, indem er einen Mantel wieder umschlug, »Sie müssen sich noch einmal mit dem Kutscher begnügen, den Sie aus dem Dienst gejagt wissen wollten, es wäre denn, daß Sie vorzögen, zu Fuß zu gehen.«

»Lieber will ich mich Ihnen noch einmal anvertrauen,« lächelte der Gesandte.

»Marquis von Pompadour, Sie begleiten den Herrn von Harmental,« sprach die Herzogin.«

»Darf ich nicht zuvor von meiner liebenswürdigen Fledermaus Abschied nehmen?« fragte der Chevalier, denn ihr verdanke ich das Glück, daß ich Ew. Hoheit meine Dienste anbieten konnte.«

»De Launay,« rief die Herzogin, indem sie den Prinzen von Cellamare und den Grafen de Laval bis zur Thür begleitete, »de Launay! hier ist der Chevalier von Harmental, welcher behauptet, Du wärst die größte Zauberin, der er jemals begegnete.«

»Nun, fragte lächend diejenige, welche späterhin unter den Namen Frau von Staal so interessante Memoiren zurückgelassen hat. »Glauben Sie jetzt an meine Prophezeihungen, Herr Chevalier?«

»Ich glaube, weil ich hoffe,« versetzte Harmental. »Wie aber konnten Sie von meiner Vergangenheit und Gegenwart unterrichtet seyn?«

»Sey, aufrichtig de Launay, und quäle ihn nicht länger,« lächelte die Herzogin, »er würde uns sonst für wirkliche Zauberinnen halten und Furcht vor uns bekommen.«

»Verließen Sie diesen Morgen im Bois de Boulogne keinen Freund,« fragte Demoiselle de Launay, der hierher kam, um von uns Abschied zu nehmen?

»Valef war es also, Valef, rief der Chevalier, »ja jetzt begreife ich Alles.«

Herr von Pompadour erfaßte jetzt den Arm des Chevaliers und, nachdem sich beide vor der Herzogin verbeugt hatten, begaben sie sich hinweg, von dem Abbé Brigaud gefolgt.

»Glauben Ew. Eminenz noch, daß es mit einer Verschwörung etwas so Furchtbares auf sich habe?« fragte die Herzogin den Cardinal von Polignac, welcher mit dem Grafen Malezieux noch zurückgeblieben war.

»Ich werde Ew. Hoheit auf diese Frage Antwort geben, wenn wir uns sämmtlich in der Bastille befinden werden, erwiderte der Cardinal, indem er sich verbeugte und mit dem Kanzler Malezieux das Gemach ebenfalls verließ.

Die Herzogin blickte ihm mit einem verächtlichen Lächeln nach, dann wandte sie sich zu Fräulein de Launay und sprach in einem Zufriedenheit verkündenden Tone: »Wir haben unsere Laterne nicht umsonst gebraucht, wir haben endlich einen Menschen gefunden.«

VII.
Alberoni. – Ein Pascha von unserer Bekanntschaft

Als Harmental erwachte, glaubte er geträumt zu haben. Die Begebenheiten waren seit sechs und dreißig Stunden mit einer solchen Schnelligkeit auf einander gefolgt, daß er wie von einem Sturmwinde fortgepeitscht wurde, ohne zu wissen wohin. Jetzt erst befand er sich wieder bei sich selbst, jetzt erst hatte er Zeit über die Vergangenheit und Zukunft nachzudenken.

Das Zeitalter in welchem Harmental lebte, ließ am fernen Horizont noch die Ligue, ja fast die Fronde erblicken; eine Generation war kaum dahingeschwunden, seit die Kanonen der Bastille die Rebellion des großen Condé unterstützten. Während dieser Generation hatte allerdings Ludwig XIV. den Schauplatz mit seinem allmächtigen Willen ausgefüllt. Dieser Monarch aber war nicht mehr, und die Enkel wähnten, mit demselben Theater und denselben Maschinen, dasselbe Spiel ihrer Vorfahren spielen zu können.

Wenn also auch der Chevalier von Harmental, bei seinem Erwachen, einen Augenblick fast Reue empfand, über dasjenige, wozu er sich verpflichtet hatte, so brachten denn doch Ehrgeiz und Stolz dieses Gefühl bald wieder zum Schweigen, und er wünschte sich endlich Glück, in einem Schauspiele, in welchem die vornehmsten Personen Frankreichs mitwirken sollten, die erste Rolle übernommen zu haben. Es schien ihm, dem jungen Manne, höchst romantisch, unter dem Banner einer Frau zu fechten, zumal, da diese Frau eine Enkelin des großen Condé war. Er beschloß daher auch keinen Moment zu verlieren, um den Versprechungen nachzukommen, die er geleistet. Er verbarg es sich nicht, daß er sich von jetzt an nicht mehr selbst angehöre, und daß die Blicke aller Verschwornen, von Philipp V. an, bis zu dem Abbé Brigaud hinab, auf ihn gerichtet wären. Höhere Interessen knüpften sich jetzt an seinen Willen, und von seinem Muthe, seiner Besonnenheit hing jetzt das Schicksal zweier Königreiche, ja das der Politik der Welt ab.

Wirklich war in jenem Zeitpunkte der Regent der Schlüssel zu dem Thore Europa’s, und Frankreich, das noch kein Gegengewicht im Norden hatte, begann bereits, wenn auch nicht durch die Waffen, doch durch die Diplomatik, jenen Einfluß zu behaupten, den es später nicht immer aufrecht erhalten konnte. Seit den achtzehn Monaten der Regentschaft des Herzogs von Orleans hatte es eine so mächtige und ruhige Stellung angenommen, wie es sie selbst unter Ludwig XIV. nicht gezeigt.

Mit dem Tode des alten Königs hatte sich alles verändert, der für Frankreich so schmachvolle Friede von Utrecht, ward nur noch als ein Waffenstillstand betrachtet, den man nach Willkühr brechen konnte, sobald die Politik, Englands und Hollands mit der Frankreichs nicht gleichen Schritt hielt. Der Tractat der vierfachen Allianz, um dessentwillen sich Dubois jetzt in London aufhielt, vereinte die Interessen Frankreichs, Englands, Hollands und des Reichs; und er war es, den Philipp V. oder vielmehr der Cardinal Alberoni fürchtete, denn der Erstere bekümmerte sich, wenn er nur eine Gemahlin und einen Betschemel hatte, wenig um das, was außer einem Zimmer und seiner Kapelle vorging.

Ein anderes aber war es mit Alberoni. Er war einer jener Emporkömmlinge, die sich oft um die Throne erheben, wie jene riesigen Luftgebilde, die auf dem Ocean drohend und gewaltig dem Schiffer entgegen schweben, und die dennoch plötzlich wieder verschwinden, wenn der niedrigste Matrose auch nur einen einzigen gemeinen Kieselstein gegen sie in die Fluth geschleudert.

Alberoni war in der Hütte eines Gärtners geboren. Als Kind läutete er die Glocken in der Kirche, später widmete er sich dem geistlichen Stande. Er war stets fröhlich und guter Dinge; der Herzog von Parma, welcher ihn eines Tages überlaut lachen hörte, und selten selbst nur lachte, wollte die Ursache seiner Lustigkeit kennen, und ließ ihn zu sich rufen. Der junge Alberoni erzählte ihm, ich weiß nicht welche lustige Geschichte; der Herzog lachte mit, und sich überzeugend, daß es gut say, mitunter zu lachen, fesselte er ihn an seine Person. Nach und nach entdeckte der Herzog, daß sein lustiger Rath Verstand besitze, und daß dieser in den Geschäften zu verwenden say; er sandte daher den nunmehrigen Abbé Alberoni nach Frankreich, um die Unterhandlungen wieder anzuknüpfen, die der Bischof von Parma abgebrochen hatte.

 

Herr von Vendome, welcher wenige Umstände mit dem Bischof gemacht hatte, machte noch weniger facon mit einem Abbé; der Letztere aber wußte den Herrn von Vendome so geschickt zu bearbeiten, daß er seinen Zweck erreichte und zu seinem Beschützer zurückkehrte, nachdem er die Sache ganz nach dessen Wunsch beendigt hatte.

Dies war der Grund, daß der Herzog von Parma ihm ein zweites Geschäft bei dem Herrn von Vendome übertrug. Der Letztere wollte sich grade zu Tische setzen, da bat Alberoni, statt mit ihm von Staatsangelegenheiten zu sprechen, um Erlaubniß, ihm einige Gerichte nach seiner Weise bereiten zu dürfen, Er begab sich hinab in die Küche und kehrte zurück, eine köstliche Suppe in der einen Hand, und in der andern eine Schüssel Maccaroni tragend. Herr von Vendome fand die Gerichte so delikat, daß er Alberoni ersuchte, sich zu ihm zu setzen, und mit ihm davon zu speisen. Beim Nachtisch erst begann der Letztere von dem Geschäft zu sprechen, das ihn hierher geführt; er benutzte die heitere Stimmung seines Tischgenossen, und erreichte vollkommen seinen Zweck.

Alberoni war so klug gewesen, dem Koch des Herrn von Vendome ein Recept nicht mitzutheilen, auch war es jetzt der Letztere, welcher bei dem Herzog von Parma anfragen ließ, ob er nicht wieder etwas mit ihm zu verhandeln habe. Dieser fand leicht einen Beweggrund sandte ihm den Alberoni zum dritten Male, und Herr von Vendome, der sich nicht mehr von dem Fabrikanten der Suppe und der Maccaroni trennen mochte, fesselte ihn ganz und gar an seine Person, vertrauete ihm eine geheimsten Angelegenheiten an und ernannte ihn zu seinem ersten Secretair.

Um diese Zeit grade begab sich Herr von Vendome nach Spanien. Alberoni setzte sich mit der Prinzessin von Urfins in Verbindung, und als Herr von Vendome zu Pignerol starb, gewährte ihm jene bei ihr die Stellung, die er früher bei diesem inne gehabt. Das hieß fortwährend steigen.

Die Prinzessin von Urfins aber begann alt zu werden, ein unverzeihliches Verbrechen in den Augen Philipps des Fünften. Sie beschloß daher sich, um Marie von Savoyen zu ersetzen, nach einem jungen Frauenzimmer umzusehen, durch deren Vermittlung sie den König fortwährend beherrschen könne. Alberoni schlug ihr zu diesem Endzweck die Tochter seines ersten Gebieters vor, er schilderte dieselbe als ein charakterschwaches und willenloses Kind, das mit der königlichen Würde nichts erlangen würde, als den Titel – und die Prinzessin ging in die Falle. Die Vermählung ward festgestellt, und die junge Prinzessin verließ Italien um sich nach Spanien zu begeben.

Ihre erste Handlung als Königin war, die Prinzessin von Urfins zurückweisen zu lassen, die sich ihr im Hofkleide vorgestellt hatte. Sie ließ sie ohne weiteres, wie sie war, ja selbst ohne Mantel, bei einer Kälte von zehn Grad, in einem Wagen, dessen Fensterglas einer der Wachen zufällig eingestoßen hatte, zuerst nach Burgos und dann nach Frankreich schaffen, wo sie anlangte, nachdem sie genöthigt gewesen war, von ihren eigenen Dienern fünfzig Pistolen zu leihen. Ihrem Kutscher erfror der Arm und man war gezwungen ihm denselben abzunehmen.

Nach seiner ersten Zusammenkunft mit seiner Gemahlin, kündigte der König Alberoni an, daß er erster Minister say, und von diesem Augenblick an, übte der vormalige Glöckner eine unumschränkte Gewalt über Philipp den Fünften aus.

Wenn daher jetzt die Verschwörung gelang und es dem Chevalier Harmental glücken sollte, den Herzog von Orleans nach Toledo oder Sarragossa zu schaffen, so wollte Alberoni den Herzog von Maine als Regenten anerkennen lassen, die Quadrupel-Allianz wäre gesprengt, eine Flotte sollte an der Küste von England landen, und Preußen, Schweden und Rußland, mit denen Spanien ein Bündniß hatte, sollte sich auf Holland werfen. Das deutsche Reich sollte Neapel und Sizilien wieder erobern. Der katholische Theil der Niederlande sollte mit Frankreich vereinigt und so die große Ligue des Südens gegen den Norden gebildet werden; sollte Ludwig XV. mit Tode abgehen, dann sollte Philipp V. als König der halben Welt gekrönt werden.

Man muß eingestehen, daß dies für einen Maccaroni verfertiger keine üble Berechnung war!

Die Ausführung dieses gewichtigen, ungeheuren Planes, befand sich jetzt in den Händen eines jungen Mannes von sechsundzwanzig Jahren, kein Wunder also, daß die auf ihm lastende schwere Verantwortlichkeit ihn anfangs ein wenig bestürzt machte. Als Harmental noch im tiefen Nachdenken versunken dasaß, trat der Abbé Brigaud zu ihm ein, der sich bereits nach einer anderen Wohnung für ihn umgeschauet hatte. Er hatte auch wirklich in der Straße du Temps perdu No. 5 ein Logis aufgefunden, welches entlegen war und sich ganz und gar für einen jungen Menschen aus der Provinz eignete; er brachte ihm über dem zwei tausend Pistolen von Seiten des Prinzen Cellamare.

Harmental wollte das Geld anfangs zurückweisen, der Abbé Brigaud aber stellte ihm vor, daß man bei einer Angelegenheit wie die in Rede stehende, des Geldes nie zu viel besitzen könne, und daß es Hilfe und Verbündete zu erkaufen gäbe.

Der Abbé Brigaud nahm einen vollständigen Anzug des Chevaliers mit, um danach eine ganz einfache Kleidung zu kaufen, wie sie für denjenigen paßte, den er vorstellen sollte.

Den übrigen Theil des Tages verbrachte Harmental scheinbaren Anstalten zu seiner vorgeblichen Reise, wobei er Sorge trug, nicht ein einziges Papier zurückzulassen, das in einem schlimmen Falle irgend einen seiner Freunde compromittieren konnte. Als der Abend herabgesunken war, begab er sich zur Fillon, wo er von dem unsern Lesern bekannten Capitain Roquefinette etwas zu erfahren hoffte.

Wirklich hatte er, als der Herr von Laval von einem Unterbefehlshaber sprach, sogleich an jenen Mann gedacht, den der Zufall ihm in den Weg führte, und der ihm bei jenem Duell einen so unwiderlegbaren Beweis eines rücksichtslosen Muthes abgelegt hatte. Er begab sich demnach zu der Fillon und fragte dort nach einer Magd, welche man die Normannerin nannte, und die ihm von dem Capitain als die Person bezeichnet war, welche über einen Aufenthalt stete Auskunft zu geben vermöge.

»Die Normannerin,« lächelte die Fillon, die ist in diesem Augenblick über und über beschäftigt, Herr Chevalier; sie serviert grade bei einem Mittagsmahle, welches einer meiner Stammgäste sehr gemächlich so eben verzehrt, und das bis Morgen Abend währen soll.«

»Der Teufel, eine lange Mahlzeit,« bemerkte Harmental.

»Anders thut es mein Capitain nicht,« fuhr die rührige Frau fort, »und noch obendrein muß ich vielleicht alles auf Credit geben, aber ich thu’s gern, denn er war es, der mich in der Welt bekannt machte.«

»Ihr Capitain?«, fragte der Chevalier, »wie nennt sich Ihr Capitain?«

»Roquefinette!«

»Wie, der ist grade hier?«

»Ganz gewiß!«

»Grade mit dem wünsche ich zu sprechen, und nur um eine Wohnung zu erfahren, fragte ich nach der Normannerin. Ich bitte, rufen Sie ihn mir hierher.«

»Der käme nicht, und wenn ihn der Regent selbst rufen ließe; wenn Sie ihn sprechen wollen, müssen Sie sich zu ihm hinauf bemühen. Im Cabinet No. 2 finden Sie ihn, eben da, wo Sie neulich mit dem Baron Valef zur Nacht gespeist. Dem ist nichts zu gut, er ist zwar nur Capitain, aber er besitzt das Herz eines Königs.«

Wenn der Chevalier von Harmental auch das bezeichnete Cabinet nicht gekannt hätte, so konnte er doch den Weg dahin nicht verfehlen, denn schon auf der Treppe vernahm er die ihm wohlbekannte Stimme des Capitains, welcher im tiefen Basse ein lustiges Tischlied sang.

Harmental öffnete ohne Weiteres die Thür und erblickte seinen alten Bekannten, gemüthlich auf dem Sopha liegend, vor einem reichlich besetzten Tische, der von der Normannerin und einer anderen Magd bedient wurde.