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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Abgesehen von ihren etwas schlanken Spirren, welche hätten auf den Glauben bringen können, sie gehe von den Werften von New-York oder Boston aus, oder statt einer Ladung Indigo oder Cochenille führe sie das, was man im Negerrothwälsch eine Ladung Ebenholz nennt, offenbarte nichts an ihr ihr ungestümes Wesen und ihren zanksüchtigen Charakter.

Mehr noch: ihre sorgfältig in das Zwischendeck zurückgeschobenen Kanonen hätten um keinen Preis der Welt ohne die Erlaubnis des Herrn durch die Stückpforten geschaut. Diese Stückpforten selbst waren bedeckt mit einem breiten Streifen wie das lebende Werk des Schiffes angemalten Segeltuchs. Allerdings hob sich im Augenblicke des Kampfes dieser Leinwandstreifen auf wie eine Theaterdecoration und ließ einen lebhaft rothen Streifen sehen, in dessen Unterbrechungen die Kanonen, welche es drängte, Luft zu schöpfen, wollüstig ihren ehernen Hals hinausstreckten.

Sodann, da der Capitän Herbel der Einzige war, dem dieser lustige Gedanke gekommen, wußte der Engländer, daß er es mit einem Manne zu thun hatte, der, da er keinen Pardon verlange, auch keinen geben würde.

,In diesen Dispositionen erwartete er und seine Mannschaft, daß das Schiff, welches man im Gesicht hatte, selbst seine Dispositionen kundgebe.

Er hatte nicht nur alle seine Segel entfaltet, sondern man hatte auch wie Dunstflocken alle seine Beisegel emporsteigen sehen; so daß an seinem Bord kein Fetzen Tuch mehr war, den man nicht benutzt hätte.

»Gut nun!« sagte der Capitän Herbel, »bekümmern wir uns nicht mehr um jene: ich mache mich anheischig, ihn von hier nach St. Malo zu führen, ohne daß es uns einen Zoll Terrain abgewinnen’ soll. Beliebt es uns, ihn zu erwarten, so wird er uns einholen.«

»Aber,« sagten drei bis vier Matrosen, die es mehr drängte, als die andern, »warum sollten wir die Brigg nicht sogleich erwarten, Capitän?«

»Ei! das ist Eure Sache, Kinder; bittet Ihr mich inständig, so werde ich es sicherlich nicht abschlagen,«

»Tod dem Engländer und es lebe Frankreich!« rief einstimmig die Mannschaft.

»Nun wohl, meine Kinder,« sprach der Capitän Herbel, »das wird für unsern Nachtisch sein, Speisen wir zuerst zu Mittag, und, in Betracht der Feierlichkeit der Umstände, soll jeder Mann seine doppelte Ration Wein und sein Gläschen Rhum haben . . . Du hörst, Meister Koch?«

Eine Viertelstunde nachher saß Jedermann bei Tische, und aß mit so gutem Appetit, als ob dieses Mahl, wie das von Leonidas, nicht das letzte sein sollte.

Das Mahl war reizend; es erinnerte den Pariser an die heitersten Stunden seiner Kindheit; im Namen der Gesellschaft und mit Erlaubnis des Capitäns, bat er seinen Kameraden, Pierre Berthaut, genannt Monte-Hauban, eines von den charakteristischen Seemannsliedern zu singen, die er so gut sang, und das, wie das ça ira, die Mitte zwischen der Marseillaise und der Carmagnole hielt.

Pierre Berthaut stand auf, ohne sich im Geringsten bitten zu lassen, und stimmte mit einem Tone, so schallend als eine Trompete, dieses zugleich tolle und furchtbare Lied an, von dem wir bedauern, daß wir weder die Melodie kennen, noch die Worte zu geben vermögen.

Sagen wir indessen, um wahr zu sein, daß, welches Vergnügen auch die Mannschaft im Allgemeinen und der Pariser insbesondere beim Anhören dieses pittoresken Liedes empfanden, sich eine so gewaltige Ungeduld zeigte, daß der Capitän Pierre Herbel genöthigt war, seinen Leuten Stillschweigen aufzuerlegen, damit der Virtuose seine achte Strophe singen konnte.

Man erinnert sich, daß Pierre Berthaut der Liebling des Capitäns war: der Capitän wollte also nicht, daß man ihm die Unart anthat, ihn zu unterbrechen.

Dank dieser Protection sang Pierre Berthaut nicht nur seine achte, sondern auch seine neunte und seine zehnte Strophe.

Hier endigte das Lied.

»Das ist Alles, Capitän,« sagte der Sänger.

»Ist es wirklich Alles?« fragte Pierre Herbel.

»Ganz und gar.«

»Du brauchtest Dir keinen Zwang anzuthun, wenn es noch andere Strophen hätte,« erwiderte der Capitän: »wir haben Zeit.«

»Es hat keine andere.«

Der Capitän schaute umher und fragte dann mit lauter Stimme:

»Wo ist denn der Pariser? He! Pariser!«

»Hier, Capitän, an meinem Posten, auf der Bramstange.«

Nach Beendigung des Liedes hatte der Pariser in der That mit der Behendigkeit eines Affen das wieder erreicht, was er seinen Posten nannte.

»Wo waren wir mit unserer Inspection, Pariser,« fragte der Capitän, »als wir sie unterbrachen, um ein gutes Mahl zu machen?«

»Capitän, ich hatte die Ehre, Ihnen zu sagen, die Brigg habe einen ganz militärischen Gang, und rieche aus eine Meile nach ihrem Goddam.«

»Was siehst Du mehr?«

»Nichts: sie ist immer gleich weit entfernt. Doch wenn ich ein Fernrohr hätte . . . «

Der Capitän gab sein eigenes Fernrohr in die Hände eines Schiffsjungen, und ertheilte ihm, um ihm Feuer zu verleihen, einen Tritt aus den Hintern:

»Bring das dem Pariser, Casse-Noisette25

Casse-Noisette stürzte nach den Wänden.

War der Pariser mit der Behendigkeit eines Affen aus seinen Posten gestiegen, so stieg Casse-Noisette, wir müssen ihm diese Gerechtigkeit widerfahren lassen, mit der Geschwindigkeit eines Eichhörnchens hinauf.

»Erlauben Sie mir, bei Ihnen zu bleiben, Herr Pariser?« fragte der Schiffsjunge.

»Hat es Dir der Capitän verboten?« sagte der Pariser.

»Nein,« antwortete der Knabe.

»Alles, was nicht verboten ist, ist erlaubt.«

Der Knabe setzte sich auf das Ende der Raa, wie ein Groom sich aufs Kreuz hinter einen Stallmeister setzt.

»Nun,« fragte der Capitän, »erhellt Dir das Dein Gesicht?«

»Das heißt, Capitän, ich sehe das Schiff, als ob ich darauf wäre.«

»Eine oder zwei Reihen Zähne?«

»Eine; aber, bei meiner Treue, ein schönes Gebiß!«

»Wie viel Zähne?«

»Sechsunddreißig.«

»Teufel! zehn mehr als wir!«

Man erinnert sich, daß die Schöne Therese vierundzwanzig Kanonen führte, nebst zwei weiteren an ihrem Hintertheile, was sechsundzwanzig machte; nur waren die zwei am Hintertheile diejenigen, welche der Capitän seine Ueberlister nannte, weil sie ein Caliber doppelt so stark als die anderen hatten.

Wenn zum Beispiel eine Brigg, welche Vierundzwanzigpfünder führte, nachdem sie die Schöne Therese an Backbord und an Steuerbord genau betrachtet hatte, bemerkte, sie führe nur Zwölfpfünder, so unternahm die Brigg voll Vertrauen die Verfolgung; die Schöne Therese ergriff die Flucht, und da der Capitän auf ein Klafter die Tragweite einer Kanonkugel kannte, so ließ er die feindliche Brigg bis in die schöne Schußweite seiner Vordertheilstücke heranrücken, und dann begann er, ganz vor dem Winde und der Brigg laufend, das, was er sein Kegelspiel nannte.

Da nun Pierre Berthaut ein vortrefflicher Stückrichter war, so ward er ganz besonders damit beauftragt, die zwei Sechsunddreißigpfünder zu richten, und dann hatte, da man, während er die eine richtete, die andere wieder lud, der Capitän Herbel das Vergnügen, von der Schanze aus die Kanonenkugeln ohne Unterlaß auf dem Verdecke, in den Segeln oder im Fugenwerk des Schiffes sich folgen zu sehen, je nachdem ihm zu rufen beliebte: »Höher, Pierre!« oder: »Tiefer, Pierre!«

»Ihr hört?« sagte der Capitän zu den Matrosen.

»Was, Capitän?«

»Was der Pariser spricht.«

»Was spricht er, Capitän?«

»Er sagt, der Engländer habe zehn Zähne mehr als wir.«

»Und unsere Haken, Capitän, rechnen Sie diese für nichts?« fragte Pierre Berthaut.

»Ihr seid also der Meinung, meine Kinder, wir haben uns nichts um diese zehn Zähne mehr zu bekümmern?«

»So wenig als um die andern,« antwortete Pierre Berthaut; »wir kümmern uns den Teufel um dergleichen!«

Und der Matrose ließ seinen Daumen an seinem Mittelfinger schnalzen.

»Gleichviel,« sagte der Capitän; »vor Allem müssen wir wissen, mit wem wir zu thun haben.«

Und er kehrte zum Pariser zurück und sagte zu ihm:

»He! Pariser! Du, der Du Schiffe von allen Hunden von Ketzern kennst, als hättest Du sie über die Taufe gehalten, kannst Du mir den Namen von diesem sagen?«

Der Pariser hielt das Fernglas an sein Auge, betrachtete die Brigg mit einer Aufmerksamkeit, welche bewies, wie groß sein Verlangen war, dem Vertrauen seines Capitäns zu entsprechen: dann schob er, als ob er nichts mehr zu sehen hätte, die drei Rohre des Fernglases in einander und sagte:

»Capitän, es ist die Calypso!«

»Bravo!« rief Pierre Herbei. »Meine Kinder, wir werden sie über die Abreise von Ulysses trösten.«

Die Mannschaft, welche diese Worte buchstäblich nahm, wußte nicht recht, was dieselben besagen wollten, doch sie begriff, es sei einer von den unbändigen Scherzen, wie sie Pierre Herbel in dem Augenblicke, wo man handgemein werden sollte, zu machen pflegte.

Sie empfing daher die Worte des Capitäns mit einem Hurrah von der Stärke desjenigen, welches, aus dem römischen Forum ausgestoßen, einen vorüberfliegenden Raben aus Angst herabfallen machte.

Ein Anderer als dieser unerschrockene Seemann würde lange gezögert haben, ehe er einen um ein Drittel Stärkeren als er angegriffen hätte: die Ueberlegenheit des feindlichen Schiffes gab aber im Gegentheile dem Capitän Herbel die Befriedigung, welche jeder Mann von Muth fühlt, der mit einem seiner würdigen Gegner zusammentrifft.

Sobald das Hurrah erloschen war, schaute auch der Capitän mit Zufriedenheit alle diese ehernen

Gesichter, alle diese flammenden Augen, alle diese funkelnden Zähne, die ihn umgaben, an, und sprach mit lauter Stimme:

 

»Ich frage zum letzten Male: seid Ihr fest entschlossen?«

»Ja! ja!« antwortete einstimmig die Mannschaft.

»Ihr werdet Euch bis zum Tode wehren?«

»Bis zum Tode!« rief man von allen Seiten.

»Und sogar darüber hinaus!« rief der Pariser von seiner Webeleiter.

Kaum war dieser Befehl gegeben, als die Binde, welche die Batterie der Schönen Therese bedeckte, wie durch einen Zauber verschwand, und die Calypso konnte nun auf jeder Seite der Flanken der Schönen Therese zwölf Stückpforten zählen, aus denen eben so viel Achtzehnpfünder wollüstig ihren Hals hervorstreckten.

Alsdann glitt Casse-Noisette, der die wichtigen Functionen eines Pfeifers mit denen eines Schiffsjungen verband, von seinem hohen Posten herab, und befand sich auf dem Verdecke zu gleicher Zeit mit dem Trommler, der mit aufgehobenen Schlegeln nur auf ein Zeichen des Capitäns wartete, um seinem melodiösen Instrumente die ersten Noten zu entlocken.

Der Capitän machte dieses Zeichen.

Sogleich erscholl der Branle-bas auf der Schönen Therese; der Trommler durchlief das Verdeck in seiner ganzen Länge, trat durch die Hinterluke ein und kam durch die Vorderluke wieder heraus, immer in Begleitung von Casse-Noisette, welcher Mittel gefunden hatte, Accompagnement zum Trommelschlagen mit Variationen über die Nationalmelodie: Bon voyage, monsieur du Mollet, zu machen.

Die ersten Töne des doppelten Instruments brachten eine energische Wirkung hervor.

In einem Augenblicke war Jeder auf dem Posten, den er unter solchen Umständen einnahm, bewaffnet mit den Waffen, welche die seinigen waren.

Die Marsgäste eilten mit ihren Carabinern in die Mastkörbe; die mit Musketen bewaffneten Leute stellten sich auf den Hinter- und Vordercastellen und aus der Verbindung auf, die Musketonnen wurden montiert, die Kanonen wurden losgemacht und an die Stückpforten geführt; Vorräthe an Granaten wurden an allen Orten aufgehäuft, von denen man sie auf das feindliche Verdeck regnen machen zu können glaubte.

Das ging auf dem Verdeck vor.

Unter dem Verdecke, das heißt im Innern des Schiffes, war die Thätigkeit nicht minder groß.

Die Pulverkammern wurden geöffnet, die Laternen angezündet, die Querwände niedergerissen.

Eine Gruppe Fantasiesoldaten bildete sich: das waren die größten und stärksten Matrosen der Schönen Therese. Jeder hatte die Waffe seiner Wahl genommen: Dieser ein Aextchen, Jener eine Harpune, ein Anderer eine Lanze.

Man hätte glauben sollen, es sei eine Gruppe von Riesen, von denen Jeder ein Muster einer verschwundenen Waffe trage, welche in den Titanenzeiten gedient habe, aber nicht mehr diene seit den fabelhaften Tagen von Antäus, Enkelados und Geryon.

Die Hände in seiner Tasche und in einer Sammetjacke, wie ein bürgerlicher Löwe von St. Malo, der aus dem Hafendamme spazieren geht, inspizierte Capitän Herbel das Schiff, richtete an jede Gruppe kleine Zeichen der Zufriedenheit und verschenkte eine ungeheure Carotte Tabak, deren Ende aus seiner Tasche hervorstand, wie der Kopf einer sich ausrichtenden Schlange.

Als sodann die Inspection beendigt war, sagte er:

»Meine Kinder, Ihr wißt, ich werde wahrscheinlich früher oder später heirathen.«

»Nein, Capitän, wir wußten das nicht.«

»Nun, so setze ich Euch davon in Kenntniß.«

»Unsern Dank, Capitän,« sprachen die Matrosen. »Wann ist die Hochzeit!«

»Oh, was das betrifft, das weiß ich noch nicht; doch Eines weiß ich.«

»Was, Capitän?«

»Daß ich, wenn ich heirathe, ganz gewiß mit Madame Herbel einen Knaben zeuge.«

»Wir hoffen es wohl,« sagten lachend die Matrosen.

»Gut, meine Söhne, ich verspreche Euch, der Zweite, der auf das Verdeck der Calypso springt, wird der Pathe dieses Jungen sein.«

»Und der Erste?« fragte der Pariser.

»Der Erste?« antwortete der Capitän, »ich werde ihm mit einem Axtstreiche den Schädel spalten: ich höre nur, wo ich bin, Niemand passiert vor mir. Und wohl verstanden, meine Kinder, zieht das große Segel, die Brigante und den fliegenden Klüver auf, sonst wird der Engländer nie nahe genug kommen, daß wir das Gespräch anknüpfen können.«

»Gut!« sagte der Pariser, »ich sehe wohl, daß der Capitän Kegel spielen will. An Deinen Posten, Pierre Berthaut!«,

Pierre Berthaut schaute den Capitän an, um zu sehen, ob er die Aufforderung des Parisers als einen Befehl nehmen sollte.

Herbel nickte mit dem Kopfe.

»Sagen Sie doch, Capitän?« sprach Pierre Berthaut.

»Was, Pierre?« fragte der Capitän, »was gibt es?«

»Nicht wahr, Sie haben nichts gegen Loysa?«

»Nein, mein Junge: warum dies?«

»Weil ich hoffe, sie wird bei unserer Rückkehr nicht nur meine Frau, sondern auch die Pathe Ihres Knaben sein.«

»Ehrgeiziger!« rief der Capitän.

In einem Augenblicke waren die vom Capitän bezeichneten Segel aufgegeit, und Pierre Berthaut, an seinem Posten, streichelte seine zwei Sechsunddreißigpfünder, wie es ein Pascha mit seinen zwei Sultaninnen gethan hätte.

XXVIII
Das Gefecht

Da von diesem Augenblicke an der Gang der französischen Brigg schneller wurde, und der des englischen Schiffes derselbe blieb, so fing die Entfernung, welche das gejagte Schiff vom jagenden trennte, stufenweise an, abzunehmen.

Der Capitän saß auf seiner Quartbank und schien die Entfernung mit einem Compaß zu messen.

So sehr es ihn drängte, die Kegelpartie zu beginnen, war der Capitän Pierre Herbel doch nicht derjenige, welcher das Feuer eröffnete.

Ohne Zweifel hatte die feindliche Brigg nicht das Gefühl der Entfernung, denn man sah es gewisse Segel aufgeien, so daß die Calypso, statt ihres Vordertheils, eine von ihren Flanken bot. Zugleich breitete sich ein Dampfstreifen längs seinen Stückpforten aus, und ehe man das Knallen seiner Achtzehnpfünder hörte, schlug ein Kugelhagel auf drei bis vier Kabellängen von der Schönen Therese ins Meer.

»Es scheint, unsere Freunde, die Engländer, haben Pulver und Kugeln, von denen sie nicht wissen, was sie damit machen sollen,« sagte der Capitän Herbel; »wir werden sparsamer sein als sie, nicht wahr, Pierre?«

»Ei! Sie wissen, Capitän,« erwiderte Pierre, »ganz nach Ihrer Fantasie; sagen Sie, man soll anfangen, so wird man anfangen.«

»Gut!« sprach der Capitän; »laßt sie noch ein paar Klafter herbeikommen, wir haben Zeit.«

»Ja,« sagte der Pariser, »es ist Mondschein. Ah! Capitän, nicht wahr, das muß schön sein, ein Gefecht beim Mondscheine? Sie müßten sich damit regaliren: das ist nichts Gewöhnliches.«

»Höre, das ist eine Idee!« rief der Capitän. »Sprich, wird Dir das Vergnügen machen, Pariser?«

»Bei meinem Ehrenworte, ich werde Ihnen dankbar dafür sein.«

»Ah!« sagte der Capitän, »man muß etwas für seine Freunde thun.«

Er zog seine Uhr und sprach:

»Es ist fünf Uhr Abends, meine Kinder; wir werden die Calypso bis elf Uhr belustigen; um elf Uhr fünf Minuten entern wir sie; um ein Viertel nach elf Uhr wird sie genommen sein; um halb zwölf Uhr wird Jeder in seiner Hängematte liegen: die Schöne Therese ist ein wohlerzogenes Mädchen, das frühzeitig zu Bette geht, sogar an den Balltagen.«

»Um so mehr als es um halb zwölf Uhr keinen Tänzer mehr geben wird, der Fußweh hat,« bemerkte der Pariser.

»Capitän,« sagte Pierre Berthaut, »Capitän, die Hand juckt mich!«

»Nun denn,« erwiderte Herbel, »so schicke ihnen ein paar Kugeln zu; doch ich erkläre Dir, daß diese für Deine Rechnung sind, und nicht für die meinige.«

»Ah!« sagte Pierre Berthaut, »wir werden sehen, was wir sehen.«

»Warte noch einen Augenblick, Pierre, warte noch einen Augenblick, daß uns der Pariser ein wenig sagt, was sie dort machen.«

»In fünf Secunden sollen Sie das wissen, Capitän,« antwortete der Pariser, während er auf die Fockstange stieg; denn diesmal waren beide Schiffe nahe genug bei einander, daß er nicht nöthig hatte, bis zur Oberstange hinaufzusteigen.

»Meine Schwester Anna,« fragte der Capitän, »siehst Du nichts kommen?«

»Ich sehe das Meer, das grün wird,« entgegnete der Pariser, »und die Flagge Seiner Großbritannischen Majestät, welche blinkt.«

»Und zwischen dem Meer und der Flagge?« fragte der Capitän.

»Ich sehe Jeden an seinem Posten für den Kampf, die Kanoniere bei ihrer Batterie, die Marinesoldaten auf der Verbindung und auf den Castellen; ich sehe endlich den Capitän, der sein Sprachrohr an den Mund setzt.«

»Ah! Pariser,« sagte der Capitän, »welch ein Unglück, daß Dein Ohr nicht so fein ist, als Deine Augen scharf sind! Du würdest uns wiederholen, was er spricht.«

»Oh!« erwiderte der Pariser, »horchen Sie selbst, und Sie werden es erfahren.«

Der Pariser hatte nicht vollendet, als zwei Blitze vom Vordertheile der feindlichen Brigg hervorgingen, ein Knall sich hören ließ, und zwei Kugeln im Kielwasser der Schönen Therese recochirten.

»Ah! ah!« rief der Capitän, »es scheint, das ist ein Contretanz zu vier. Pierre auf! auf! Der Cavalier gibt seine Hand der Dame. En avant deux, Pierre, en avant deux!«

Der Capitän hatte seinerseits kaum vollendet, als Pierre Berthaut, nachdem er sich einen Augenblick auf das Stück geneigt hatte, sich wieder erhob und selbst das Zündlicht an das Zündloch hielt.

Der Schuß ging los.

Man hätte glauben sollen, der Capitän folge der Furche der Kugel in der Lust.

Die Kugel drang in das Vordertheil ein.

Fast in demselben Momente wurde der zweite Knall hörbar, und die zweite Kugel folgte der ersten so rasch, daß man hätte denken können, sie laufe ihr nach.

»Das ist mehr werth!« rief Pierre Berthaut ganz freudig, als er einen ungeheuren Splitter von der Wand des Vordertheils springen sah. »Was sagen Sie dazu, Capitän?«

»Ich sage, Du verlierst Deine Zeit, Freund Pierre.«

»Wie! ich verliere meine Zeit?«

»Allerdings. Hast Du ihm zwanzig Kugeln in den Leib gejagt, so wirst Du doch nur dem Zimmermann Arbeit gegeben haben. Eine volle Salve, alle Teufel! ziele nach dem Mastwerk! zerschmettere ihr die Beine und die Flügel: das Holz und die Leinwand sind in diesem Augenblicke kostbarer für sie als das Fleisch.«

Während dieses Dialogs hatte die Calypso der Schönen Therese fortwährend Terrain abgewonnen: diese gab Feuer mit ihren zwei Vorderkanonen: eine von ihren Kugeln starb aus einen Pistolenschuß vom Hintertheile der Brigg, während die andere, ricochireno, die Flanke der Schönen Therese traf, jedoch ins Wasser fiel, nachdem sie kaum ihre Spur bezeichnet hatte.

»Hören Sie, Capitän,« sprach Pierre Berthaut, während er sich auf eine der zwei Kanonen ausstreckte, »ich glaube, wir sind in einer guten Entfernung, und wenn Sie aus mich hören wollen, so werden wir uns hier behaupten.«

»Was muß man zu diesem Ende thun?«

»Die Schöne Therese wieder unter alle Segel setzen. Ah! könnte ich zugleich beim Steuerruder und bei meinen Stücken sein, ich stünde Ihnen dafür, Capitän, daß ich fahren würde, um nicht einen zwischen uns ausgebreiteten Jungfernfaden zu zerreißen.«

»Spannt das große Segel, den fliegenden Klüver und die Brigantine aus!« rief der Capitän, indeß Pierre Berthaut die Lunte an’s Zündloch hielt und Feuer gab.

Diesmal ging die Kugel über die Wasserlinie und zerbrach das Ende der Raa.

»Das ist das, was wir einen Manchettenschuß nennen,« sagte der Capitän Herbel. »Auf! Pierre, zehn Louisd’or Prämie auf dem ersten Boden, wo wir landen, mit den Kameraden zu verzehren, zerschmetterst Du mir seinen Fockmast oder seinen großen Mast zwischen der Hauptmarsstange und der Vormarsstange.«

»Hurrah für den Capitän!« rief die Mannschaft.

»Darf man sich der Stangenkugeln bedienen?«

»Bei Gott!« antwortete der Capitän, »bediene Dich der Dinge, die Dir belieben.«

Pierre Berthaut forderte vom Hochbootsmann das Wurfgeschoß, dessen er bedurfte; dieser ließ einen Haufen Patronen holen, Kugeln enthaltend, von denen zwei und zwei mittelst einer Kette an einander befestigt waren.

Sobald man das zweite Stück geladen hatte, zielte Pierre Berthaut und gab Feuer.

Die Kugel durchlöcherte die Focke und das große Segel aus einen halben Fuß vom Mast.

»Ah! ah!« rief der Capitän, »die Intention ist da.«

Die ganze Mannschaft hatte sich allmählich dem Hintercastelle genähert.

Ein Theil der Matrosen war, um das Schauspiel besser zu sehen, aus die Wände gestiegen. Die Marsgäste, welche in den Mastkörben saßen, verhielten sich so ruhig, als wären sie in einer ersten Loge bei einem Gratisschauspiele gewesen.

Pierre Berthaut ließ die zwei Stücke mit den neuen Patronen laden.

 

»Oho! Capitän!« rief der Pariser.

»Nun, was gibt es Neues, Bürger Mauffelard?«

»Capitän, sie sind damit beschäftigt, eine Kanone vom Hintertheile nach dem Vordertheile zu rollen, und die zwei Kanonen vom Vordertheile nach dem Hintertheile.«

»Was denkst Du hiervon, Pariser?«

»Ich denke, sie werden es müde sein. Orangen zu empfangen und uns Kirschen zu geben, und wir werden es nun auch mit Sechsunddreißigpfündern zu thun haben.«

»Du hörst, Pierre?«

»Ja, Capitän.«

»Pierre, zehn Louisd’or.«

»Capitän, man würde schon um der Ehre willen sein Bestes thun; wollen Sie auch beurtheilen: »Feuer!««

Indem er sich selbst Feuer befahl, hielt Pierre die Lunte an’s Zündloch, der Schuß ging los, und ein neuer Riß entstand in den Segeln.

Beinahe in demselben Momente antwortete die Calypso durch einen ähnlichen Knall und eine Kugel, welche das Ende der Raa des Obermastes fort riß, schnitt einen Mann auf dem Tauwerk entzwei.

»Ei! sprich doch, Pierre,« rief der Pariser, »wirst Du uns nur so abraupen lassen?«

»Tausend Donner!« sagte Pierre, »es scheint, sie haben auch Sechsunddreißigpfünder! Warte, warte, Pariser, und Du sollst sehen!«

Diesmal zielte Pierre Berthaut mit einer ganz besonderen Aufmerksamkeit, richtete sich rasch auf, nachdem er gezielt hatte, und hielt die Lunte an’s Zündloch, – Alles im Zeitraum einer Secunde.

Diesmal sah man nichts, doch man hörte ein entsetzliches Krachen.

Der große Mast schwankte einen Augenblick, als wüßte er nicht, ob er vorwärts oder rückwärts fallen sollte; dann neigte er sich vorwärts, und ein wenig über der großen Stange gebrochen, fiel er auf das Verdeck und überhäufte es mit Segeltuch; die Kette der Kugel hatte ihn in der Mitte durchschnitten.

»Bei meiner Treue!« rief der Capitän ganz freudig, »ich habe von einem Buche, betitelt: les Iliaisonsdangereuses26 sprechen hören; solltest Du es zufällig gelesen haben, Pierre? Du hast Deine zehn Louisd’or gewonnen, mein Freund.«

»Und man wird auf die Gesundheit des Capitäns trinken!« rief die ganze Mannschaft.

»Nun gehört die Calypso uns, als gäbe man sie uns umsonst,« sagte Herbel; »nur wollen wir den Mond erwarten, nicht wahr Pariser?«

»Ich glaube, das wird klug sein,« antwortete der Pariser; »denn es wird Nacht, und bei dem Geschäfte, das wir noch zu verrichten haben, ist es nicht übel, zu sehen, wohin man den Fuß setzt.«

»Und ich,« sagte der Capitän, »ich verspreche Euch, da Ihr sehr vernünftig gewesen seid, ein Feuerwerk.«

Die Abenddämmerung war wirklich gekommen und die Nacht rückte mit der in den Tropenbreiten eigenthümlichen Geschwindigkeit heran.

Da diese Nacht, so lange sie ohne Mond wäre, sehr dunkel zu sein drohte, so befahl der Capitän Herbel, um den Engländern seine Absicht, in der Nacht nicht zu verschwinden, deutlich zu bezeichnen, Laternen an seinen Oberstangen aufzuhissen.

Die Laternen wurden aufgehißt.

Der Engländer seinerseits, – zum Zeichen, daß er die Partie nur als angefangen betrachte, ließ zwei Schiffslaternen aufziehen, wie es sein Gegner gethan hatte.

Aus beiden schien man mit gleicher Ungeduld den Aufgang des Mondes zu erwarten.

Die zwei Schiffe hatten ihre Segel maskiert, daß sie fast aufgebraßt lagen; sie sahen in der Finsternis! aus wie zwei über die See hinlaufende Wolken, erschreckliche Wolken, die in ihren Flanken den Blitz und den Sturm verbargen.

Um elf Uhr ging der Mond aus.

Sogleich verbreitete sich eine sanfte Helle in der Atmosphäre, und das Meer glasierte sich mit Silber.

Der Capitän Herbei zog seine Uhr.

»Meine Kinder,« sprach er, »ich sagte Euch, ein Viertel nach elf Uhr werde die Calypso genommen sein, und um halb zwölf Uhr werden wir in unsern Hängematten liegen: wir haben also keine Zeit zu verlieren. Bekümmern wir uns nicht um den Feind: er wird thun, was ihm beliebt. Vernehmt, was wir zu thun haben . . . Hat Pierre Berthaut sein Gespann aufs Vordertheil gebracht?«

»Ja, Capitän,« antwortete Pierre.

»Ist Alles mit Hagelpatronen geladen?«

»Ja, Capitän.«

»Wir gehen gerade aus den Engländer los. Pierre Berthaut fängt damit an, daß er ihn mit zwei Sultaninnen begrüßt: gut! wir senden ihm unsere Salve vom Backbord zu: sehr gut! wir drehen sogleich, wir entern die Brigg und werfen unsere Drege aus. Dann senden wir ihm unsere Salve vom Steuerbord zu: vortrefflich! Da er seinen großen Mast verloren hat und behende ist wie ein Mensch, dem das Bein zerschmettert werden, so sendet er uns seine ganze Salve vom Steuerbord zu: achtzehn Vierundzwanzigpfünder für vierundzwanzig Achtzehnpfünder und zwei Sechsunddreißigpfünder. Macht den Uebertrag, und Ihr werdet sehen, daß wir einen reinen Nutzen von acht Kanonenschüssen haben. Nun laßt uns anlegen, und das Uebrige ist meine Sache. Aus, meine Kinder, vorwärts, und es lebe Frankreich!«

Ein ungeheurer Rus: »Es lebe Frankreich!« schien sich aus dem Schooße des Meeres zu erheben und dem Engländer zu verkündigen, der Kampf werde sogleich wieder beginnen.

Zu gleicher Zeit manövrierte die Schöne Therese, um den Vortheil des Windes zu erlangen.

Das Resultat hiervon war, daß, indeß sie Anfangs den Anschein hatte, als entfernte sie sich von der Calypso, in einem gegebenen Augenblicke, und da sie fühlte, sie habe den Wind hinter sich, die Schöne Therese gerade dem Feinde zusegelte und über ihn herfiel, wie der Seeadler über seine Beute.

Bewunderungswürdig bei der Mannschaft des Capitäns Herbei war ihr passiver Gehorsam.

Hätte der Capitän befohlen, geraden Weges nach Malström zu segeln, – nach diesem berüchtigten Schlunde der scandinavischen Mährchen . . . der die Dreidecker so leicht verschlingt, als Saturn seine Kinder verschlang, – der Steuermann wäre unmittelbar nach Malström gefahren.

Was befohlen war, wurde buchstäblich vollzogen.

Pierre Berthaut sandte zwei Hagelschüsse beinahe zu gleicher Zeit ab, wo die Schöne Therese die Backbordsalve von ihrem Feinde erhielt: dann donnerte ihre Backbordsalve ebenfalls: hiernach, und ehe es der Calypso, von Schmerzen ergriffen, wie sie war, einfiel, zu drehen, um ihr ihre Steuerbordsalve zuzusenden, eilte das Bugspriet der Schönen Therese, mit Menschen beladen wie eine Weinrebe mit Trauben, in die Wände des großen Masts, während man unter dem Krachen des Tauwerks den Capitän rufen hörte:

»Feuer! meine Kinder! eine letzte Salve! rasiert sie wie ein Ponton, und dann werden wir sie ersteigen wie eine Festung.«

Zwölf mit Hagelpatronengeladene Kanonenschienen bei diesem Befehle vor Freude zu brüllen.

Ein Flammenstrahl warf einen düsteren Schein auf die Calypso, eine dichte Wolke verbreitete sich auf dem Verdecke; man hörte das Krachen von Holz und das Gebrülle des Schmerzes, sodann die Stimme des Capitäns, rufend, als geböte sie dem Sturme:

»Entert, meine Kinder!«

In demselben Augenblicke sprang der Erste, wie das seine Gewohnheit war, der Capitän Herbel auf das Verdeck der Calypso.

Doch er war noch nicht fest auf seinen Füßen, als ihm eine Stimme ins Ohr sagte:

»Gleichviel, Capitän, ich werde der Pathe Ihres ersten Kindes sein.«

Es war die Stimme von Pierre Berthaut.

In derselben Minute glitten vom Bogspriet, das sich auskörnte wie eine Aehre, von den Raaen, von den Wänden, vom Takelwerk die Malunen auf das Verdeck der Calypso, wo fünf Sekunden lang die Menschen gedrängt wie der Hagel eines Sommersturmes fielen.

Was sodann auf dem Verdecke der Calypso vorging, läßt sich unmöglich beschreiben: es war ein entsetzlicher Durcheinander, ein Kampf Leib an Leib, ein allgemeines Hallali, ein Hexensabbat, unter dem man zum großen Erstaunen von Jedem den Capitän Herbel weder sah, noch hörte.

Nach Verlauf von fünf Minuten jedoch erblickte man ihn, aus einer Luke hervorkommend. Eine Fackel, die er in der Hand hielt, beleuchtete sein von Pulver schwarzes und von Blut rothes Gesicht.

»Alle an Bord der Schönen Therese, Kinder!« rief er, »der Engländer wird in die Luft springen!«

Die Wirkung dieser Worte war magisch: die angefangene Blasphemie erlosch, der ausgehobene Arm hielt an.

Plötzlich drang aus dem Innern hervor der entsetzliche Schrei:

»Feuer!«

Sogleich begann die Mannschaft der Schönen Therese mit demselben Eifer, den sie angewandt hatte, um an Bord der feindlichen Brigg zu springen, diese zu verlassen, indem sie sich an alles Tauwerk anklammerte und von einem Bord aus das andere sprang, während der Capitän, Pierre Berthaut und das, was man hätte die Gruppe der Riesen nennen können, nämlich die Männer, die wir vor dem Kampfe gezeigt haben, bewaffnet mit fantastischen Waffen, den Rückzug unterstützten.

Er bewerkstelligte sich, ehe der Engländer sich von seinem Erstaunen erholt hatte, und während zwei Männer das Bogspriet von dem Tauwerk, wo es festgefaßt war, mit der Art in der Hand losmachten, hörte man eine Stimme rufen:

25Nußknacker,
26Ein höchst lasciver Roman.