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Tausend und Ein Gespenst

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IX.
Der Bezoarstein

Der Kapitän Ising-Fong hatte mir kein eitles Versprechen gemacht, und gleich am Tage unserer Ankunft führte er mich zu seinem Correspondenten, einem reichen Cigarrenfabrikanten, der mir anbot, mir meine acht Tausend Rupien baar auszuzahlen oder mir für eine gleiche Summe Waaren zu einem Preise zu geben, um welchen er sie mir wegen der Ausdehnung seines Handels und der Vielfältigkeit seiner Geschäfte allein liefern konnte.

In der That, die Philippinischen Inseln können als die Niederlage der Welt angesehen werden, man findet dort das Gold und das Silber Perus, die Diamanten von Golkonda, die Topase, die Saphire und den Zimmet von Ceylon, den Pfeffer von Java, die Gewürznelke und die Muscatnuß der moluckischen Inseln, den Campher von Borneo, die Perlen von Mannar, die persischen Teppiche, Benzoe und das Elfenbein von Camboie, Moschus von Liquios, die bengalischen Stoffe und das chinesische Porzellan.

Es war an mir, eine Wahl unter allen diesen Waaren zu treffen, und mich für die zu bestimmen, welche mir den sichersten und den schnellsten Nutzen zu bieten schienen.

Uebrigens, da Nichts mich beeilte, da ich einen ziemlich hübschen Gewinn aus meiner Cardamome gezogen, so beschloß ich, einige Zeit lang in Manila zuzubringen, und während meines Aufenthalts auf den Philippinen den Handelszweig zu studiren, der für einen Mann der einträglichste sein könnte, welcher, indem er mit Hundert und vierzig Franken angefangen, einige dreißig Tausend Livres bar in dem Handel anzulegen hatte.

Meine erste Sorge war, die beiden Städte zu besuchen:

Manila, die spanische Stadt;

Bidondo, die tagalische Stadt.

Die spanische Stadt ist eine Zusammensetzung von Klöstern, von Kirchen und von viereckigen ohne Ordnung gebauten Häusern, mit dicken und hohen Mauern, mit auf den Zufall hin gebrochenen Schießscharten, mit Gärten, welche sie von einander absondern, mit Mönchen, Nonnen, Spaniern in Mänteln bevölkert, die sich in schlechten Palankins tragen lassen, oder, der Zigarre im Munde, ernster Weise wie alte Castilianer aus der Zeit Don Quichottes de la Manche gehen. Die Stadt, welche Hundert Tausend Einwohner enthalten kann, und die nur acht Tausend enthält, bietet daher auch einen höchst traurigen Anblick.

Das war es nicht, was ich bedurfte, und nachdem ich Manila besucht, indem ich dabei verächtlich den Kopf schüttelte, beschloß ich, Bekanntschaft mit Bidondo zu machen.

Am folgenden Morgen, nachdem ich meine Chokolade getrunken, ging ich daher nach der bürgerlichen Stadt, und in dem Maße, als ich mich ihr näherte, gelangte das in diesem Grabe, das man Manila nennt, gänzlich abwesende Geräusch des Lebens bis zu mir. Ich athmete weit freier, und ich fand das Grün weit frischer und die Sonne weit lichtvoller.

Ich beeilte mich daher auch, die Festungswerke und die Zugbrücke der militärischen Stadt zu überschreiten, und wie Jemand, der aus einem unterirdischen Gange kommt, befand ich mich plötzlich heiter, fröhlich und munter auf dem, was man die steinerne Brücke nennt. Dort begann das Leben, oder vielmehr von dort an war das Leben im Ueberflusse verbreitet.

Die Brücke war mit Spaniern in Palankins, mit zu Fuße gehenden Mestizen, die mit großen Sonnenschirmen versehn, waren, mit Creolen, denen ihre Diener folgten, mit Landleuten, die aus den benachbarten Dörfern gekommen, mit chinesischen Kaufleuten und malaiischen Arbeitern überfüllt; das war ein Lärm, ein Geschrei, ein Bunt durcheinander, das zu sehen einem Manne Vergnügen machte, der sich für gestorben halten konnte, da er zwei Tage lang in Manila begraben gewesen war.

Lebewohl daher der traurigen Stadt, Lebewohl den langweiligen Häusern, Lebewohl den edlen Herren,. und guten Tag der fröhlichen Vorstadt, guten Tag Bidondo mit seinen Hundert und vierzig Tausend Einwohnern, guten Tag den eleganten Häusern, der geschäftigen Bevölkerung, guten Tag dem Kai, auf dem die Krahnen knarren, auf dem die Ballen der vier Enden der Welt rollen, an dem die chinesischen Jonken, die Piroguen von Neu-Guinea, die malaiischen Proas, die europäischen Briggs, Corvetten und Dreimaster vor Anker gehen. Dort gibt es keine Klassen, keine Ausschließungen, keine Kasten; der Mensch wird nach dem geschätzt, was er ist, er ist nach dem geachtet, was er besitzt; man erkennt ihn auf den ersten Blick an seinem Kostüme, bevor man ihn an seiner Aussprache erkennt. Malaien, Amerikaner, Chinesen, Spanier, Holländer, Madegassen, Indier sind beständig damit beschäftigt, den Strom der Eingebornen zu spalten. Dieser Ocean von Tagalen, Männern und Frauen, welche die Bevölkerung der Insel bildeten, als die Spanier sie eroberten, und die man, die Männer an ihrem fast normannischen Kostüme, an ihrem Hemde, das wie ein Kittel über das Beinkleid von Leinwand herabhängt, an ihrem nachlässig umgeschlagenen Halstuche, an dem Filzhute mit abgegriffenen Rändern, an den Schnallenschuhen, an dem Rosenkranze, der seinen Hals umgibt, und an der kleinen Schärpe, die er wie einen Plaid trägt, erkennt; die Frauen an ihren durch einen hohen spanischen Kamm zusammengehaltenen Haaren, an ihrem nach hinten wallenden Schleier, an dem Kragen von weißer Leinwand, der auf ihrer Brust spielt, und den Theil des Körpers entblößt läßt, welcher sich unter dem Busen bis auf den Nabel erstreckt; an der bis an die Knöchel gewickelten Cambaye, an dem buntscheckigen, über der Cambaye gewickelten Teppiche, an den unmerkbaren Pantoffeln, welche den Fuß fast blos lassen, an der immer an ihren Lippen hängenden Cigarre, welche durch die Rauchwolke, die sie verbreitet, ihre Augen noch weit feuriger macht.

Ah! das war ganz das, dessen ich bedurfte. Gute Nacht, Manila! und, es lebe Bidondo!

Ich kehrte daher auch nur nach Manila zurück, um mein ganzes Gepäck nach Bidondo bringen zu lassen.

Der Correspondent meines chinesischen Kapitäns zollte meinem Entschlüsse Beifall, der nach seiner Meinung der eines vernünftigen Mannes war; er hatte selbst ein Haus in Bidondo, wohin er des Sonntags kam, um sich von seiner Langenweile der Woche auszuruhen. Er bot mir sogar eine Art von kleinem Pavillon an, der zu diesem Hause gehörte, und die Aussicht auf den Kai hatte, aber ich wollte ihn nur als Miether annehmen, und wir kamen überein, daß ich ihn für dreißig Rupien jährlich, ohngefähr achtzig Franken, genießen und, wie man in Europa sagt, über sein Inneres und was dazu gehörte, verfügen würde.

Uebrigens wurde ich nach Verlauf von drei Tagen der Beobachtung gewahr, daß der Haupterwerbszweig des Tagalen der Hahnenkampf ist.

Es ist unmöglich, von dem einen Ende des Kais von Bidondo nach dem andern zu gehen, ohne auf zehn, fünfzehn, zwanzig, um zwei gefiederte Kämpen gebildete Gruppen zu stoßen, an deren Schicksal sich das Schicksal von zwei, drei, vier, fünf tagalischen Familien knüpft, denn nicht allein lebt eine tagalische Familie, welche einen Hahn von guter Rage besitzt, von dem Ertrage dieses Hahnes, sondern auch die Verwandten, und die Nachbarn, welche für den Eigenthümer des Hahnes wetten, leben auch noch zu gleicher Zeit, als er, durch ihn. Die Frau hat Schildkrötenkämme, goldene Rosenkränze, Halsbänder von Glas, der Mann Geld in seiner Tasche und die Cigarre im Munde; der Hahn ist daher auch das verzogene Kind des Hauses; eine tagalische Mutter bekümmert sich nicht um ihre Kinder, sondern um ihren Hahn; sie macht seine Federn glänzend, sie schärft seine Sporen. Was den Gatten anbetrifft, so vertraut er ihn in seiner Abwesenheit Niemand, nicht einmal seiner Frau an; geht er aus, so nimmt er ihn unter seinen Arm, geht mit ihm zu seinen Geschäften, und besucht mit ihm seine Freunde, begegnet er auf seinem Wege einem Gegner, so werden die Herausforderungen ausgewechselt und die Wetten geschlossen, die Eigenthümer setzen sich einander gegenüber, reizen ihre Hähne zum Kampfe an, und da ist ein Kreis gebildet, in dessen Mitte sich die beiden grimmigsten Leidenschaften des Menschen bekämpfen; das Spiel und der Krieg. Ah! meiner Treue! das Leben von Bidondo ist ein schönes Leben.

Es besteht bei den Tagalen ein anderer Gewerbszweig, der ziemlich der Aufsuchung des Steines der Weisen gleicht, es ist der der Aufsucher des Bezoarsteines; nun aber hat die Natur, wie sie die Philippinen zur Niederlage aller Gifte der Welt gemacht, dort auch den Bezoarstein niedergelegt, der das Universalgegengift ist.

– Oh! bei Gott! äußerte ich, indem ich den Vater Olifus unterbrach, da Sie das Wort Bezoar ausgesprochen haben, so wäre es mir nicht unlieb, zu wissen, woran ich mich in dieser Beziehung zu halten habe. Ich habe, besonders in Tausend und eine Nacht, viel von dem Bezoar sprechen hören, ich habe die seltensten Steine gesehen, ich habe den blaßrothen Rubin, ich habe den ungeschliffenen Granat, ich habe den Karfunkel gesehen, aber ich habe vergebens gesucht, und niemals den Bezoar gesehen. Niemand hat mir jemals, das geringste Stückchen davon zeigen können.

– Nun denn! ich, mein Herr, antwortete mir der Vater Olifus, ich habe ihn gesehen, ich habe ihn berührt, ich habe ihn sogar verschluckt, sonst würde ich nicht, wie Sie sehen werden, in diesem Augenblicke die Ehre haben, ein Glas Arak auf Ihre Gesundheit zu trinken.

Und der Vater Olifus schenkte sich in der That ein Glas Arak ein, das er in einem Zuge auf die Gesundheit Biards und auf die meinige austrank.

– Ah! begann er wieder, wir sagten also, daß der Bezoar besteht, aber es gibt auch noch drei Sorten Bezoar. Den Bezoar, den man in den Eingeweiden der Kühe findet, den Bezoar, den man in den Eingeweiden der Ziegen findet, und den Bezoar, den man in den Eingeweiden der Affen findet.

Der Bezoar, den man in dem Bauche der Kühe findet, ist der am wenigsten kostbare. Zwanzig Gran dieses Bezoar sind nur so viel werth, als sieben Gran dessen, den man in dem Bauche der Ziegen findet, eben so wie sieben Gran des Bezoar, den man in dem Bauche der Ziegen findet, nur so viel werth sind, als ein Gran dessen, den man in dem Bauche der Affen findet.

 

Besonders in dem Königreiche Golkonda trifft man Ziegen an, welche den Bezoar erzeugen. Sind sie von einem besondern Geschlechte? Nein, denn unter zwei jungen Ziegen von derselben Mutter erzeugt die eine Bezoar, und die andere erzeugt keinen. Die Hirten haben nur nöthig, ihnen den Bauch auf eine gewisse Weise zu befühlen, um zu wissen, woran sie sich über diese Art von Fruchtbarkeit ihrer, Ziegen zu halten haben, durch das Fell zählen sie in den Eingeweiden die Anzahl der Steine, welche sie enthalten, und erkennen, ohne sich jemals zu irren, den Werth dieser Steine. Man kann also den Bezoar wie das Korn auf dem Halme kaufen.

Nun hatte ein Handelsmann von Goa zu der Zeit, wo ich die Küste von Malabar bewohnte, eine merkwürdige Erfahrung gemacht. Er kaufte in den Gebirgen von Golkonda vier Bezoartragende Ziegen, er brachte sie Hundert und fünfzig Meilen weit von ihrem Geburtsorte, schlachtete auf der Stelle zwei davon, und fand noch die Bezoarsteine in ihrem Körper, die aber an Umfang abgenommen hatten. Zehn Tage nachher schlachtete er eine andere. Bei der Untersuchung des Thieres erkannte man, daß es Bezoar getragen hatte, aber der Bezoar war verschwunden. Endlich schlachtete er die vierte nach Verlauf von einem Monate, und diese hatte keine Spur von dem kostbaren Steine mehr, der gänzlich verschwunden war.

Das könnte beweisen, daß es in den Gebirgen von Golkonda einen besondern Baum, oder ein besonderes Kraut gibt, dem die Kühe und die Ziegen die Bildung des Bezoar verdanken.

Wir sagen also, daß einer der Erwerbszweige der Tagalen darin besteht, auf die Jagd der Affen zu gehen, welche den Bezoar tragen, der im Behältnisse und im Vergleiche mit den andern Bezoaren eben so kostbar ist, als es der Diamant in Bezug auf den Rheinkiesel, Straß oder Bergkrystall ist.

Ein einziger Bezoar von einem Affen ist Tausend, zwei Tausend, zehn Tausend Livres werth, da eine Prise geriebenen und in einem Glas Wasser aufgelösten Bezoar als Gegengift gegen alle die schrecklichsten Gifte der Philippinen, und selbst gegen den Upas von Java dienen kann.

Nun aber ist es unglaublich, welcher Gebrauch von Gift von Lucon bis nach Mindanao besonders zu den Zeiten der Cholera gemacht wird, weil, da die Symptome dieselben sind, man im Allgemeinen die Zeiten der Seuche benutzt, die Gatten, um sich ihrer Frauen zu entledigen, die Frauen, um sich ihrer Gatten zu entledigen, die Neffen ihrer Onkel, die Schuldner ihrer Gläubiger u. s. w., u. s. w., u. s. w.

Aber das Menschengeschlecht, welches sich in Bidondo am reichlichsten befindet, sind die Chinesen. Sie besitzen das schöne Quartier an den Ufern des Passig; ihre Häuser sind bald aus Stein, halb aus Bambus gebaut, sie sind schön, luftig, zuweilen außerhalb mit Malereien verziert, mit Gewölben und Läden im Erdgeschosse; und welche Läden, und welche Gewölbe! Sehen Sie, nur wenn man daran vorübergeht, steigt einem das Wasser in den Mund, ohne eine Menge kleiner Chinesinnen zu rechnen, welche vor ihren Thüren sitzen, und die, indem sie den Kopf bewegen, den Vorüberkommenden Augen zuwerfen. . . Kurz!

Da ich einem chinesischen Kapitän, einer chinesischen Schiffsmannschaft das Leben, und eine chinesische Jonke vom Untergange gerettet hatte, so war ich in Bidondo ganz empfohlen. Außerdem trieb der Correspondent des Kapitän Ising-Fong, der, welcher mir den Pavillon vermiethet hatte, den ich bewohnte, seinen Haupthandel mit den Unterthanen des erhabenen Kaisers.

Der erste Sonntag, an welchem er nach Bidondo kam, wurde mir gänzlich gewidmet. Er fragte mich, ob ich Jäger wäre. Auf jeden Zufall hin antwortete ich ihm mit ja. Er sagte mir also, daß er für den folgenden Sonntag mit einigen seiner Freunde eine Jagd verabredet hätte, und daß ich mich, wenn ich daran Theil nehmen wollte, um Nichts zu bekümmern hätte, indem ich bei meiner Ankunft auf dem Landhause dieses Freundes eine vollständige Jagdausrüstung finden würde.

Ich nahm es mit großem Vergnügen an.

Die Jagt sollte, indem man den Passig hinauf fuhr, in der Umgegend eines reizenden Binnensees, die la Laguna genannt, stattfinden.

Am folgenden Sonnabend brachen wir von Bidondo in einer mit sechs kräftigen Ruderern bemannten Barke auf, und ich stehe Ihnen dafür, es bedurfte deren nicht weniger, um den Passig hinaufzufahren.

Uebrigens war diese Spazierfahrt reizend; die beiden Ufer des Flusses boten nicht allein den mannigfaltigsten Anblick, sondern auch noch die zu unserer Rechten und zu unserer Linken den Fluß hinab- und hinauffahrenden Piroguen boten das reizendste Gemälde, das man sehen konnte.

Nach dreistündiger Fahrt hielten wir an einem hübschen Fischerdorfe an, dessen Bewohner des Abends den Ertrag des Fischfanges von dem Tage in Bidondo verkaufen, und das seine von dem Winde bewegten Reisfelder, seine Palmengruppen, seine Bambusgesträuche und seine Hütten mit spitzigen Dächern, welche in der Luft aufgehängten Kästchen gleichen, in dem Wasser spiegelt.

Dieser Halt hatte zum Zwecke, unsere Ruderer sich ausruhen, und uns selbst zu Mittag essen zu lassen. Als das Mahl eingenommen war, und unsere Ruderer sich ausgeruht hatten, begaben wir uns wieder auf den Weg.

Endlich sahen wir in dem Augenblicke, wo die Sonne unterging, den See Laguna, der dreißig Stunden im Umkreise hat, gleich einem unermeßlichen Spiegel vor uns glänzen.

Gegen sieben Uhr Abends fuhren wir in den See ein; zwei Stunden nachher befanden wir uns bei dem Freunde unseres Correspondenten.

Der Freund unseres Correspondenten war ein Franzose Namens Herr de la Gèronniére, seit fünfzehn Jahren bewohnte er an dem Ufer des Sees Laguna ein reizendes Gut Namens Hala-Hala. Er empfing uns mit einer ganz indischen Gastfreundschaft, als er aber erfuhr, daß ich ein Europäer von französischem Ursprünge wäre, als wir einige Worte in einer Sprache ausgewechselt hatten, welche er, ausgenommen in seiner Familie, nicht ein Mal des Jahres Gelegenheit fand, zu sprechen, verwandelte sich die Gastfreundschaft in ein wahres Fest.

Alles das ging um so besser, als ich weder den Hidalgo, noch den Aristokraten, noch den Großprahler spielte, ich sagte, Sie erzeigen mir viel Ehre, ich bin ein armer Matrose von Monikendamm, ein armer Barkenpatron von Ceylon, ein armer Handelsmann von Goa, man hat eine derbe aber offenherzige Hand, man hatte die Wahl, mich zu nehmen, oder zu lassen, und man nahm den Vater Olifus als das, was er war, das heißt, als einen wackeren Mann, der sich nicht ziert.

Am Abend war ich meinem Grundsatze getreu, das heißt, daß ich mich weder gegen die Flasche, noch gegen das Bett zierte; man hatte mich meine Abenteuer erzählen lassen, und meine Abenteuer hatten das größte Glück gemacht; nur hatten sie einen einfältigen Gedanken in dem Kopfe von dem Correspondenten meines Chinesen entstehen lassen, nämlich den, mich ein fünftes Mal zu verheirathen.

Aber ich erklärte ihm, daß ich in meiner Weisheit fest beschlossen hätte, den Frauen nicht mehr zu trauen, da die schöne Nahi-Nava-Nahina, die schöne Inès und die schöne Amarou mich von dem Geschlechte geheilt hätten.

– Bah! sagte mir mein Correspondent, Sie haben unsere Chinesinnen von Bidondo noch nicht gesehen; wenn sie dieselben gesehen haben, werden Sie anders darüber sprechen.

Daraus ging hervor, daß ich mich wider meinen Willen mit Heirathsgedanken zu Bett legte, und daß ich träumte, daß ich eine chinesische Wittwe heirathete, die einen so kleinen, so kleinen, so kleinen Fuß hatte, daß ich nicht glauben konnte, daß sie Wittwe wäre!

X.
Die Jagd

Um fünf Uhr Morgens wurde ich durch das Bellen der Hunde und das Schmettern der Hörner gedeckt. Ich glaubte noch in dem Haag an einem Tage der Jagd König Wilhelms in dem Parke von Loo zu sein.

Durchaus nicht; ich befand mich ohngefähr vier Tausend Stunden weit von Holland an dem Ufer des Sees Laguna. und wir sollten in den Gebirgen der Philippinen jagen.

Das Wild, das wir verfolgen sollten, war der Hirsch, der Eber und der Büffelochs; das Wild, das uns viel leicht verfolgen würde, war der Tiger, das Krokodil und die Ibitin.

Für den Tiger war ich gewarnt, wenn ich entweder einen einzelnen Pfau, oder eine Schaar von Pfauen aufjagte, so mußte ich mich vor dem Tiger in Acht nehmen, da niemals fern ist. Was das Krokodil anbelangt, so handelte es sich jedes Mal, daß ich mich dem See nähern würde, darum, auf die an dem Ufer liegenden Baumstämme zu achten. Diese Baumstämme sind fast immer Krokodile, die einen sehr leichten Schlaf haben, und die uns bei einem Arme, bei einem Beine, oder bei einem Hinterbacken in dem Augenblicke erwischen, wo man an ihnen vorüber kömmt.

Was die Ibitin anbelangt, so ist es etwas anderes, sie ist eine dreißig Fuß lange Schlange, ein Geschwisterkind der Boa, die sich wie eine dicke Liane um die Bäume schlingt, regungslos bleibt, und sich dann in dem Augenblicke, wo man am Wenigsten daran denkt, auf den Hirsch, den Eber oder den Büffelochsen herabstürzt, ihn, Knochen und Fleisch, an einem Baume zermalmt, ihn im Zermalmen ausstreckt und ihn am Ende ganz verschlingt.

Es versteht sich von selbst, daß sie den Menschen nicht vernachlässigt, und daß sie, wenn die Gelegenheit sich dazu bietet, ohne Unterschied den Tagalesen, den Chinesen oder den Europäer verspeiset.

Für den Menschen ist das Mittel, sich von ihr zu befreien, sehr einfach, nur muß man es anzuwenden wissen, es genügt, an seinem Gürtel einen, wie ein Rasiermesser scharfen Hirschfänger zu tragen, da die Ibitin nicht giftig ist, und sich damit begnügt, ihre Beute zu ersticken, so steckt man zwischen sich und eine der Umschlingungen, welche sie um den Körper bildet, genannten Hirschfänger, und, krack! indem man es zur Seite biegt, schneidet man sie in zwei Stücken.

In dem Augenblicke des Aufbruches umgürtete mich daher mein Wirth auch mit einem prachtvollen Hirschfänger, mit dem er bereits für seine Rechnung zwei oder drei Ibitins durchschnitten hatte.

Was die giftigen Schlangen anbelangt, so war es, da es keine Mittel gegen ihre Wunden gibt, nicht der Mühe werth, deren zu suchen.

Seit zwei Monaten hatte der Herr de la Gèronniére eine liebenswürdige Tagalesin von sechzehn bis achtzehn Jahren verloren, von der er vermuthete, daß sie von einem Tiger fortgetragen, von einem Krokodile verzehrt oder von einer Schlange erstickt worden wäre.

So viel war gewiß, daß, eines Abends ausgegangen, die arme Schimindra nicht wieder zurückgekehrt war, und daß, welche Nachforschungen man seitdem auch angestellt, man Nichts von ihr hatte sprechen hören.

Ich gestehe, daß ich, als mein Wirth mir alle die Gefahren erzählte, welche wir auf unserer Jagdparthie des Tages laufen würden, fand, daß die Jagd ein sonderbares Vergnügen wäre.

Wir gingen zu Pferde bis nach dem Orte, wo das Treiben anfangen sollte. Dort stiegen wir ab, und begannen in den Wald zu dringen.

Das erste Wild, das ich aufjagte, war ein prachtvoller Schwarm Pfauen. Ich bemerkte mir den Ort genau, von dem sie aufgestiegen waren, machte einen großen Umweg, und hatte das Vergnügen, den Tiger nicht zu stören, den mir der Aufflug dieser stolzen Vögel verkündete.

Nach Verlauf von zehn Minuten fiel ein Schuß. Herr de la Gèronniére hatte einen Hirsch geschossen.

Ich meiner Seits hörte einen großen Lärm unter meinen Füßen, ich sah das Gestrüpp sich zehn Schritte weit von mir bewegen, und feuerte meinen Schuß auf den Zufall hin ab. Ich will nicht sagen, daß meine Kugel dem Eber begegnete, aber der Eber begegnete meiner Kugel.

Jedermann wünschte mir Glück, ich hatte einen Prachtvollen Schuß gethan.

Ich hatte mit einem Schusse einen Einsiedler niedergestreckt. Es scheint, daß man so bei Ihnen die alten Eber nennt.

Ich machte mit dem Kopfe ein bejahendes Zeichen.

Man weidete meinen Eber aus, legte ihn auf die Schultern von vier Tagalesen, und forderte mich auf, meine Heldenthaten fortzusetzen, indem man mir versicherte, daß ich mit dem ersten Schusse Meister geworden wäre.

Es gibt Nichts, mein Herr, das dem Menschen mehr ins Verderben stürzt, als die Schmeichelei.

Jetzt, wo ich einen Eber geschossen hatte, schien es mir, als ob ich einen Tiger, ein Rhinozeros, einen Elephanten würde tödten können; ich setzte meinen Weg durch den Wald weiter fort, und wünschte Nichts mehr, als Leib gegen Leib mit allen Ungeheuern der Philippinen zu kämpfen.

In meinem Eifer bemerkte ich daher auch nicht, daß ich mich allmählig von der Jagd entfernte. Man hatte mir gesagt, daß wir ohngefähr zwei Stunden lang Berg auf gehen müßten, und nach Verlauf von kaum drei Viertelstunden befand ich mich an einem Abhange.

Plötzlich hörte ich dreißig Schritte weit von mir ein schreckliches Brüllen.

 

Ich wandte mich nach der Seite um, von woher das Brüllen kam und erblickte einen Büffelochsen.

Ah! das war ein schöner Schuß. Nur, da mein Gewehr, ich weiß nicht warum, ein wenig in meinen Händen zitterte, so lehnte ich es an einen Baumzweig und drückte ab.

Kaum hatte ich abgedrückt, als ich zwei blutige Augen sah, welche auf mich zukamen, während die Schnauze des Thieres den Boden wie ein Pflug aufwühlte.

Ich feuerte meinen zweiten Schuß ab, aber statt die Schnelligkeit des Thieres zu mäßigen, schien mein zweiter Schuß sie zu steigern.

Ich halte nur die Zeit, mein Gewehr wegzuwerfen, einen Zweig des Baumes zu ergreifen, unter welchem ich mich befand, und mich durch einen gymnastischen Schwung zu der Höhe dieses Zweiges zu erheben, von wo aus ich die oberen Zweige erreichte.

Aber dort angelangt, war ich weit davon entfernt, von meinem Büffelochsen befreit zu sein; da er mir nicht auf die Zweige meines Baumes folgen konnte, so begann er den Stamm desselben zu bewachen. Während der ersten zehn Minuten sagte ich zu ihm: Kehre um, kehre um, mein Guter, ich lache über Dich, geh.

Aber während der andern zehn Minuten fing ich an zu bemerken, daß die Sache ernster wäre, als ich es anfangs geglaubt hatte.

Nach Verlauf einer Stunde ersah ich aus der Ruhe, mit welcher er seine Runde um den Baum herum machte, daß er entschlossen war, sich zu meinem Wächter zu machen, bis daß er mein Henker würde.

In der That, von Zeit zu Zeit erhob er den Kopf zu mir, blickte mich mit seinen blutigen Augen an, brüllte auf eine drohende Weise, und begann dann um meinen Raum herum zu grasen, wie um mir zu sagen: – Du siehst, ich habe Alles, was ich bedarf; Gras, um Mich zu nähren, Morgen- und Abendthau, um meinen Durst zu stillen, während Du, da Du ein Fleisch fressendes Thier bist, und noch nicht die Gewohnheit angenommen hast, Dich mit Laub zu nähren, eines oder des andern Tages wirst herabsteigen müssen, und wenn Du herabsteigen wirst, so wirst Du unter meinen Füßen und zwischen meinen Hörnern eine schlimme Viertelstunde zubringen.

Glücklicher Weise ist der Vater Olifus ein Mann, der sich nicht lange besinnt, wenn es sich darum handelt, einen Entschluß zu fassen; ich sagte mir: – Olifus, mein Freund, je länger Du wartest, desto mehr wirst Du Deine Lage verschlimmern. Du wirst Deinem Büffelochsen eine Stunde geben, damit er sich davon macht, und wenn er sich in einer Stunde nicht davon gemacht hat, wohlan! wenn er sich nicht davon gemacht hat, so werden wir sehen.

Ich sah nach meiner Uhr, es war eilf Uhr. Ich sagte: Gut, um zwölf Uhr haben wir es mit einander zu thun.

Wie ich es mir gedacht hatte, setzte der Büffelochs, statt den Baum zu verlassen, seine Schildwache fort, indem er von Zeit zu Zeit die Nase in die Luft erhob und aus allen seinen Kräften brüllte. Ich sah von zehn Minuten zu zehn Minuten nach meiner Uhr und trank einen Schluck aus meiner Kürbisflasche. Bei der fünfzigsten Minute sagte ich zu ihm: Nimm Dich in Acht, mein Freund, Du hast nur noch zehn Minuten, und wenn Du in zehn Minuten nicht allein aufgebrochen bist, so werden wir mit einander austreten. Aber bei der neun und fünfzigsten Minute legte er sich, statt aufzubrechen, indem er seinen Kopf nach der Seite des Baumes ausstreckte, seine Nasenlöcher öffnete, und von Zeit zu Zeit rachsüchtige Blicke nach mir erhob, welche mir zu sagen schienen: O! wir haben eine Weile Zeit, nicht wahr, sei unbesorgt.

Ich hatte beschlossen, daß die Sache auf andere Weise verlaufen sollte. Bei der sechszigsten Minute verschluckte ich alles das, was mir noch an Rom in meiner Kürbisflasche blieb, einen guten Schluck. Ich nahm mein Jagdmesser zwischen meine Zähne, und hopp! sprang ich, indem ich meine Entfernung so berechnete, um zwei Schritte weit hinter ihm auf den Boden zu fallen, und ihn mit der linken Hand bei dem Schwanze zu packen, wie ich es die Torreros von Cadix und von Rio Janeiro es hatte machen sehen.

So flink der Büffelochs auch sein mogte, ich war eben so flink als er, und als er wieder aufstand, war ich in seinen Schwanz geklammert. Er drehte sich zwei bis drei Male um sich selbst, was mir dazu diente, seinen Schwanz noch fester um meinen Arm zu wickeln. Nun, da ich sah, daß, so lange als ich fest an seinen Hintern geklammert bliebe, er mich nicht mit seinen Hörnern würde treffen können, begann ich mich ein wenig zu beruhigen, während er dagegen aus allen seinen Kräften zu brüllen begann; freilich war es vor Zorn.

– Warte! warte! sagte ich zu ihm, ah! Du brüllst vor Zorn, mein Freund. Wohlan! ich will Dich vor Schmerz brüllen lassen.

Und indem ich mein Jagdmesser nahm, stieß ich es ihm in den Bauch.

Ah! für dieses Mal hatte ich ihn, wie es scheint, an dem empfindlichen Orte getroffen, denn er richtete sich wie ein sich bäumendes Pferd auf, und sprang mit einem so unerwarteten Stoße voran, daß er mir beinahe den Arm ausgerissen hätte; aber ich hielt fest; ich ließ mich forttragen und durchbohrte ihn in einem fort mit meinem Hirschfänger. Das war ein Rennen, das ich Ihnen nicht zu machen wünsche. Sehen Sie, das dauerte eine Viertelstundt, und in einer Viertelstunde legte ich mehr als zwei Meilen durch Gestrüpp, Moräste und Bäche zurück; es wäre eben so gut gewesen, an den Schwanz einer Locomotive gebunden zu sein. Und ich stieß immer zu, indem ich sagte: Ah! Schurke! ah! Schuft! ah! Bösewicht! Du willst mich aufspießen! warte! warte! Er war daher auch nicht mehr wüthend, er war rasend, so rasend, daß er, auf den Gipfel eines steilen Felsens gelangt, sich nicht besann und hinab sprang, aber ich hatte den Streich gesehen, und ließ ihn los. Ich blieb oben stehen, während er plumps! plumps! plumps! hinabrollte.

Ich streckte den Kopf vor, blickte über den Felsen; mein Thier lag todt in dem Abgrunde ausgestreckt. Was mich anbelangt, so muß ich wohl sagen, daß mir es eben nicht besser war; ich war zerschlagen, erschöpft, zerfleischt, mit Blut bedeckt, nur hatte ich Nichts gebrochen.

Ich stand, so gut ich es vermogte, wieder auf, hieb einen kleinen Baum ab, um mich darauf zu stützen, und ging nach einem Bache, den ich Hundert Schritte weit von mir durch die Bäume glänzen sah.

An dem User angelangt, kniete ich nieder und begann mir das Gesicht zu waschen, als ich eine Stimme hörte, welche auf Französisch rief: – Zu Hilfe! zu Hilfe! zu Hilfe!

Ich wandte mich nach der Seite um, von woher diese Rufe kamen, und sah ein junges, so ziemlich nacktes Mädchen, das mit ausgebreiteten Armen, und indem sie Zeichen des heftigsten Schreckens von sich gab, auf mich zu kam. Sie war von einer Art von Neger verfolgt, der einen Stock in der Hand hielt, und der mit einer solchen Behendigkeit lief, daß er, obgleich er mehr als Hundert Schritte weit von ihr war, sie in einem Augenblicke eingeholt, sie in seine Arme geschlossen und sie nach dem grüßten Dickicht des Waldes fortgetragen hätte.

Der Anblick dieses jungen Mädchens, das in französischer Sprache um Hilfe rief, der schmerzhafte Ausdruck, mit dem sie mich zu Hilfe gerufen hatte, die Rohheit dieses Elenden, der sie auf seine Schulter geladen hatte und sie nach der Tiefe des Waldes forttrug, Alles trug dazu bei, mir meine Kräfte wieder zu geben; ich vergaß meine Ermüdung und eilte ihm auf seiner Spur nach, indem ich ausrief. . – Halt! halt!

Aber als er sich nun auch verfolgt sah, verdoppelte der Entführer seine Energie. Trotz der Last, welche er trug, schien sein Lauf kaum gehemmt. Ich begriff nicht, wie ein Mensch mit einer solchen Kraft begabt sein könnte, und ich sagte mir im Stillen, daß in dem Augenblicke, wo wir uns begegnen würden, ich es wohl bereuen könnte, dm fahrenden Ritter zu machen, wie ich ihn machte.