Tasuta

Tausend und Ein Gespenst

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

– Ah! ich muß Ihnen sagen, daß ich mich zuerst nicht an den Anblick Ihrer Mäuse mit Honig habe gewöhnen können; nachher, sehen Sie, Ihre Kraftbrühe von Kellerwürmern. . . Wir sind an diese Kraftbrühen bei uns nicht gewöhnt. Endlich Ihr Oel des Wunderbaumes. . . Ihr Oel des Wunderbaumes. . . Aber das ist mit Hilfe von ein wenig Lust vergangen. Ah! das ist ein drolliger Einfall, zu glauben, daß ich gerade in meiner ersten Hochzeitsnacht die Cholera haben würde!Gut! gut! Gut!

– Nun denn, mein lieber Freund, dieser Gedanke ist der von Jedermann gewesen, und ich bin vollkommen überzeugt, daß unter den dreißig Freunden, welche uns verlassen, neu und zwanzig überzeugt sind, daß Sie morgen früh todt sein werden.

– An der Cholera gestorben?

– An der Cholera,

– Ah! warum nicht gar!

– Dem ist so.

– Sagen Sie an, offenherzig. . . ist etwa?. . .

– He! he!. . .

O! o! mein Herr, es ist etwas Sonderbares um die Einbildung. Befühlte ich mir nicht, nachdem ich über Basilius gelacht, den man überredete, daß er das Fieber hätte, den Magen, befühlte ich mir nicht den Bauch, und war ich nicht ganz bereit zu glauben, daß ich bereits Krämpfe hätte, und daß ich Kolik bekommen würde?

In jedem Falle war etwas unbestreitbar, nämlich, daß ich erkaltete, o! aber sichtlich.

– Armer Freund, sagte Vanly zu mir, indem sie mich voller Mitleiden anblickte, glücklicher Weise hat das Uebel noch keine großen Fortschritte gemacht, und mein erster Gatte hat mir ein unfehlbares Heilmittel hinterlassen. . .

– Gegen die Cholera?

– Gegen die Cholera, ja.

– O! der würdige Mann! Wohlan! theure Vanly, die Gelegenheit bietet sich, Gebrauch von Ihrem Heilmittel zu machen.

– Ah! Sie gestehen also!

– Ja, ich fange an zu glauben. O! was ist das?

– Eilen Sie Sich, lieber Freund, eilen Sie Sich, da kömmt das Knurren im Leib.

– Wie! das Knurren im Leib?

Ich muß Ihnen sagen, daß das Wort in unserer Sprache bereits nicht übel barbarisch klingt, nicht wahr? aber im Chinesischen ist es noch weit ärger, so daß, als sie mir sagte: Da kömmt das Knurren im Leib! es war, als ob sie mir gesagt hätte: »Da sind die Kosacken!«

– Das Knurren im Leib! wiederholte ich, indem ich mich auf einen Stuhl fallen ließ. Nun denn! theure Vanly, was ist dagegen zu thun?

– Sie müssen auf der Stelle ein Glas von diesem rothen Likör trinken, den ich zubereitete, als Sie eingetreten sind, und das, armer Olifus, in der Voraussicht dessen, was Ihnen zustößt.

– Dann geschwind das Glas, dann geschwind den rothen Likör. Ah! da kömmt das Knurren im Leib wieder. Geschwind, geschwind, geschwind.

Vanly schenkte den rothen Likör in ein Glas und überreichte es mir.

Ich nahm das Glas mit zitternder Hand, setzte es m meinen Mund, und stand im Begriffe den rothen Likör von dem ersten Tropfen bis zu dem letzten auszutrinken, Als ich Vanly erbleichen und die Augen auf die Thür des Zimmers heften sah.

Zu gleicher Zeit hörte ich eine wohlbekannte Stimme, welche zu mir sagte:

– In des Himmels Namen, Olifus, trinken Sie nicht.

– Schimindra! rief ich aus, was der Teufel machen Sie hier?

– Ich komme, Ihnen das zu vergelten, was Sie für mich gethan haben, Ihnen das Leben zu retten.

– Ah! liebe Schimindra, Sie haben also auch ein Geheimniß gegen die Cholera?

– Ich habe kein Geheimniß gegen die Cholera, und dieses Geheimniß würde außerdem unnöthig sein.

– Wie! unnöthig?

– Ja.

– Ich habe also nicht die Cholera?

– Nein.

– Wenn ich nicht die Cholera habe, was habe ich denn sonst?

– Sie haben, – Schimindra blickte Vanly an, welche immer mehr erbleichte, – Sie haben eine Giftmischerin geheirathet, das ist Alles.

Vanly stieß einen Schrei aus, wie als ob sie eine Schlange gebissen hätte.

– Eine Giftmischerin? wiederholte ich.

– Wollen Sie etwa auf dieses Weib hören? fragte sie mich.

– Schimindra, meine liebe Freundin, äußerte ich, indem ich den Kopf schüttelte, es scheint mir, daß Sie ein wenig zu weit gehen.

– Eine Giftmischerin, wiederholte Schimindra.

Vanly wurde todtenbleich.

– Zählen wir die, welche Sie vergiftet haben, Madame, sagte Schimindra, und sehen wir, wie Sie dieselben vergifte haben.

– O! kommen Sie, kommen Sie! Olifus! rief Vanly aus.

– Nein, bleiben Sie und hören Sie! sagte Schimindra.

Indem sie sich hierauf nach Vanly umwandte, sagte sie:

– Sie haben Ihren ersten Gatten, den Doctor, mit der Sanct Ignatiusbohne vergiftet, die in Mindanao so häufig ist, Sie haben Ihren zweiten Gatten, den Mandarin, mit dem amerikanischen Ticunas vergiftet. Sie haben Ihren dritten Gatten, den Civilrichter, mit der Vooara, von Guyanna vergiftet. Endlich standen Sie heute Abend im Begriffe, Ihren vierten Gatten, Olifus, mit dem Upas von Java zu vergiften.

– Sie lügen, Sie lügen, rief Vanly aus.

– Ich lüge, sagte Schimindra, wohlan! wenn ich lüge, so trinken Sie diesen rosafarbigen Likör, den Sie Ihrem Gatten so eben unter dem Vorwande eingeschenkt haben, daß er die Cholera hätte.

Und sie nahm das Glas, das ich auf den Tisch gestellt hatte, und überreichte es Vanly.

Ich erwartete, daß Vanly ihr das Glas aus den Händen reißen, und das trinken würde, was es enthielte, aber durchaus nicht, sie wich zurück, erreichte im Zurückweichen die Thür, machte sie auf und entfloh.

Ich sprang ihr nach.

– O! theure Vanly, rief ich aus, fürchten Sie Nichts, kommen Sie zurück, ich glaube es nicht, es ist nicht möglich!

– Es ist nicht möglich? rief Schimindra voll Verzweiflung darüber aus, daß ich ihr nicht glaubte, es ist nicht möglich!

– Nein, und wenn man mir keinen Beweis liefert. . .

– Und wenn man Ihnen einen Beweis liefert? rief Schimindra aus.

– Dam!

– Werden Sie glauben?

– Ich müßte es wohl.

– Sie werden glauben, daß dieses Weib eine Giftmischerin ist, nicht wahr?

– Ohne Zweifel.

– Und Sie werden sie nicht mehr lieben?

– Wie! ich werde sie nicht mehr lieben? Ich werde sie nicht allein nicht mehr lieben, sondern ich werde sie anzeigen, ich werde sie auch noch verfolgen, ich werde auch guillotiniren, hängen, viertheilen lassen.

– Sie schwören es?

– Ich schwöre es.

– Wohlan! sagte Schimindra, dieser Beweis, – hier ist er.

Und sie trank das Glas rosafarbigen Likör in einem Zuge, in einem Athem aus, bevor ich Zeit gehabt hatte zu sagen:

– Nun denn! aber was machen Sie denn?

Ich stieß nun auch einen lauten Schrei aus, denn am Ende hatte ich gegen die arme Schimindra durchaus Nichts, als diesen unglückseligen Affen. . . Aber mit Ausnahme dieses Vorfalles liebte ich sie von ganzem Herzen.

– Jetzt, sagte sie, indem sie in meine Arme sank, werden Sie begreifen, warum man unter Ihren Gästen das Gerücht in Umlauf gebracht hatte, daß Sie von der Cholera befallen wären.

In der That, kaum halte Schimindra diese Worte ausgesprochen, als ich sie erbleichen sah, und indem sie die Hand auf ihre Brust legte, Zeichen des heftigsten Schmerzes von sich gab.

XIII.
Schluß

Bei diesem Anblicke blieb mir kein Zweifel mehr übrig. Vanly war wirklich strafbar, und Schimindra war wirklich vergiftet.

Ich hatte nur noch einen Wunsch, nämlich den, die arme Frau zu retten, welche sich für mich geopfert hatte.

– Zu Hilfe! zu Hilfe! rief ich aus. Einen Arzt! einen Arzt!

Dann, da Niemand antwortete, weil Vanly ihre Vorsichtsmaßregeln getroffen hatte, und das Haus vollkommen verlassen war, machte ich das Fenster auf.

– Zu Hilfe! wiederholte ich, zu Hilfe! einen Arzt! einen Arzt!

Glücklicher Weise ging ein Lastträger auf dem Kai vorüber. Er hörte meine Rufe, erkannte mich und stellte sich zu meiner Verfügung.

– Einen Arzt! rief ich ihm zu, indem ich ihm ein Goldstück zuwarf.

Er raffte das Goldstück auf, machte ein Zeichen mit dem Kopfe, und begann aus allen Kräften zu laufen. Fünf Minuten nachher kam er mit einer Art von Bonzen zurück, der die Arzneikunde umsonst für das Volk trieb, und der einen großen Ruf der Wissenschaft und der Heiligkeit unter den Leuten des Hafens hatte.

Aber obgleich kaum zehn Minuten seitdem verflossen waren, daß Schimindra das Gift getrunken, so hatte das Uebel doch bereits schreckliche Fortschritte gemacht. Das Athemholen war geräuschvoll und durch Schluchzen unterbrochen, die Muskeln des Unterleibes und der Brust fingen an sich zusammenzuziehen, der Mund wurde schäumend, der Kopf warf sich zurück und das Erbrechen begann.

Ich eilte dem Arzte entgegen, und führte ihn zu Schimindra.

– O! o! rief er aus, das ist eine Frau, welche die Cholera hat, oder. . .

Er zögerte.

– Oder? wiederholte ich.

– Oder die vergiftet ist.

– Mit was?

– Mit dem Upas von Java, recht, rief ich aus, ja, ja, sie ist mit dem Upas von Java vergiftet worden. Welches Mittel gibt es dagegen?

– Es gibt kein Mittel dagegen, oder vielmehr, wenn es eines gibt. . .

– Weiter?

– Ist es so selten. . .

– Kurz, welches ist dieses Mittel?

– Man müßte Bezoar haben.

– Bezoar?

– Ja, aber keinen Bezoar von Kühen, keinen Bezoar von Ziegen. . .

– Bezoar von einem Affen?

– Ohne Zweifel, aber wo sich ihn verschaffen?

Ich stieß einen Freudenschrei aus.

– Hier, sagte ich zu ihm, hier.

Und ich nahm meinen Bezoarstein aus seinem ledernen Beutel.

Schimindra erhob den Kopf.

– Ah! sagte sie, er liebt mich also noch ein wenig!

– O! o! äußerte der Bonze, blauen Bezoar, wahren Affenbezoar.

– Ja, wahren, ich bürge Ihnen dafür, da ich ihn selbst geerntet habe, aber verlieren Sie keine Zeit, Sie sehen, Sie sehen. Und ich zeigte ihm Schimindra, welche sich in den Krämpfen des Todeskampfes wand.

 

– O! jetzt, sagte er, sein Sie ruhig, wir haben Zeit.

– Aber in fünf Minuten wird sie todt sein, rief ich aus.

– Ja, wenn sie in drei Minuten nicht gerettet ist. Und in der That, der Bonze begann mit derselben Ruhe, wie er es mit einem Stück Zucker gemacht hätte, den Bezoar in ein Glas Wasser zu reiben.

Das Wasser nahm auf der Stelle eine schöne Himmelblaue Farbe an, die sich allmählig in Regenbogenfarben verwandelte, und einen Schein von Gold zurückwarf.

Das war ohne Zweifel der Punkt, zu welchem das Gegengift gelangt sein mußte, denn, indem er mir einen Wink gab, Schimindra aufzuheben, steckte der Bonze zwischen ihre bereits durch die Krämpfe zusammengepreßten Zähne den Rand des Glases, das sie beinahe zerbrach.

Aber bei den ersten Tropfen, welche den Gaumen dir Sterbenden benetzten, gaben die Muskeln nach, der Kopf schaukelte sich behaglich auf den Schultern, die steif gewesenen Arme sanken wieder an ihre Seite zurück, das Röcheln hörte auf, und eine leichte Feuchtigkeit Perlte auf ihrer trockenen Stirn.

Schimindra trank das Glas aus.

Dann, als das Glas ausgetrunken war, sagte sie:

– O! mein Gott! Sie haben mich das Leben trinken lassen.

Indem sie nun einen letzten Blick auf mich warf, mir mit einem letzten Lächeln dankte, mich mit einer letzten Geberde zu berühren suchte, stieß sie einen Seufzer aus, schloß die Augen und verfiel in eine Schlafsucht, welche nichts Beunruhigendes hatte, da man unter diesem Scheine des Todes das Leben wieder entstehen fühlte.

Ich konnte sie nicht bei Vanly-Tching lassen, ich wollte selbst nicht dort bleiben; mein Haus war nur fünfzig Schritte weit von dem, in welchem wir uns befanden. Ich schloß Schimindra in meine Arme, verließ mit dem Bonzen das Haus, verschloß die Thür und übergab den Schlüssel davon dem Bonzen, indem ich ihn bat, ihn auf der Stelle zu dem Civilrichter, dem Nachfolger des vorletzten Gatten Vanly-Tchings zu bringen, und ihm alles das zu erzählen, was er gesehen hätte, während ich Schimindra nach meinem Hause trüge, die nach der Aussage des Doctors nur noch eines ruhigen Schlummers bedurfte.

Dann, als ich Schimindra auf ihr Bett gelegt hatte, ging ich gleichfalls zu Bett.

Ihnen zu sagen, was sich in meinem Geiste zutrug, so bald einmal das Licht ausgelöscht war, und ich mich, von der Ermüdung besiegt, in jenem Zustande des Träumens befand, der noch nicht der Schlaf, und der bereits nicht mehr das Wachen ist, wäre unmöglich. Meine vier Frauen schienen sich an dem Fuße meines Bettes ein Rendezvous gegeben zu haben. Es war Nahi-Nava-Nahina, es war Donna Inès, es war Amarou, es war Vanly-Tching, indem sie mich Alle zurückforderten, mich zerrten, mich bei weitem eher nach der Weise der Furien, als mit den Manieren zärtlicher Gattinnen sich einander streitig machten, während die arme Schimindra, welcher der Tod ohne Zweifel Flügel gegeben hatte, über mir schwebte, mich nach ihren Kräften vertheidigte, indem sie sie zurückstieß, sie entfernte, sie fortjagte; aber aus der Thür geworfen, kehrte diese endlose Reihe von Gattinnen wieder durch die Fenster zurück, warf sich wieder auf mein Bett, riß sich um mich, so daß ich mich in Stücken zergehen fühlte, und ich den Augenblick voraus sah, wo die eine mir einen Arm, die andere ein Bein, diese da ein Glied, jene da ein anderes nehmen würde.

Plötzlich ging die Thür auf, und ich sah etwas wie ein verschleiertes Gespenst erscheinen, vor dem meine vier indischen Frauen verschwanden, und welches, indem es Schimindra mit einer einzigen Geberde entfernte, sich ruhig neben mich zu legen kam.

Ah! meiner Treue, die zuletzt gekommene erwies mir einen so großen Dienst, daß ich mich in ihre Arme flüchtete, in denen ich nach einer Aufregung, die noch einige Augenblicke dauerte, entschlief.

Am folgenden Morgen erweckte mich der erste Strahl des Tages, indem er gerade auf mein Gesicht fiel, ich schlug die Augen auf, und stieß einen Ausruf der Ueberraschung aus.

Ich lag neben der Buchold.

Aber neben der so bleichen, so veränderten Buchold, daß ich nicht den Muth hatte, ihr Vorwürfe über ihren Besuch zu machen, so sehr schien sie mir nur noch kurze Zeit zu leben zu haben.

Außerdem erinnerte ich mich des Dienstes, den sie mir in der Nacht erwiesen hatte.

– Wie! Sie sind es? sagte ich zu ihr.

– Ja, ich bin es, welche, so leidend ich auch bin, nicht gezögert hat, Ihnen eine angenehme Nachricht zu überbringen.

– Ah! ja, Sie sind ins Kindbett gekommen? sagte ich zu ihr.

– Mit einem Mädchen, einem liebenswürdigen kleinen Mädchen; wie ich es Ihnen versprochen, habe ich sie Margaretha genannt.

– Und wer ist der Pathe von dieser da?

– O! Sie werden stolz auf ihn sein, mein Freund, es ist ein berühmter Professor der Universität von Leyden, der Doctor Van Holstentius.

– Ja, ich kenne ihn.

– Nun denn! er hat mir versprochen, das liebe Kind zu lieben, wie als ob er sein Vater wäre, aber. . .

– Aber, was?

– Ich fürchte sehr, daß, wenn ich nicht mehr da sein werde. . .

– Wie! wenn Sie nicht mehr da sein werden? haben Sie denn Monikendamm verlassen, um nicht mehr dahin zurückzukehren?

– Nicht doch, im Gegentheile, mein Freund, und ich werde ohne Verzug wieder abreisen, sein Sie unbesorgt, aber wir sind nicht unsterblich, und wenn ich zufälliger Weise sterben sollte, unsere armen Kinder. . .

– Werden sie nicht jedes seinen Pathen haben, der sie liebt, wie als ob er ihr Vater wäre, werden sie nicht den Bürgermeister Van Clief, den Ingenieur Van Brock, den ehrwürdigen Van Cabel, den Doctor Van Holstentius haben, u. s. w., u. s. w., u. s. w?

– Ach! antwortete die Buchold, ich weiß durch das, was mir mit Ihnen selbst begegnet ist, wie sehr man auf die Versprechungen der Männer bauen kann. Es lagen mehr eitle Versprechungen als Wirklichkeit in den von unseren berühmten Beschützern übernommenen Verpflichtungen, so daß ich jetzt ohne ihren Gevatter Simon Van Groot, den Hafenwächter von Monikendamm, nicht weiß, was aus mir, den Kindern, welche ich habe, und denen, die ich noch bekommen kann, werden würde.

– Wie! die Sie bekommen können? den wievielsten des Monats haben wir?

– Den 28. Oktober.

– Ja, aber welche Heilige, oder welcher Heilige ist der Patron dieses Tages?

– Zwei große Heilige, mein Freund, Sankt Simon und Sankt Judas.

– Ah! das ist zu stark, rief ich aus, dieses Mal werde ich nicht ohne Zwillinge davon kommen.

– In jedem Falle, sagte die Buchold, werden es die letzten sein.

– Wie das?

– Ja, sehen Sie nicht, wie ich verändert bin? In der That, diese Veränderung hatte mich, wie ich bereits gesagt habe, auf den ersten Blick überrascht.

– Es ist wahr, sagte ich zu ihr, was haben Sie?

Sie lächelte traurig.

– Glauben Sie, sagte sie, daß Reisen, gleich denen, welche ich mache, nicht ermüden? Ich habe Sie vier Male besucht, ohne Vorwurf gesagt; hin und zurück, ist das Etwas, wie zwei und dreißig Tausend Meilen; vier Male die Reise um die Welt; finden Sie denn viele Frauen, welche eben so viel für. . . für einen Bösewicht von Mann thun, der nur daran denkt, sie zu betrügen? Ach!

Und die Buchold vergoß einige Thränen.

Das, was sie mir da sagte, war so wahr, daß ich davon gerührt wurde.

– Nun denn! warum kommen Sie? fragte ich sie.

– Ei, weil ich Sie, am Ende genommen, liebe. Ach! wenn Sie in Monikendamm geblieben wären, hätten wir so glücklich sein können!

– Mit Ihrem liebenswürdigen Charakter! gehen Sie doch.

– Was wollen Sie? Was mir den Charakter verdorben hat, ist die Eifersucht. Und woher kam diese Eifersucht? von dem Uebermaße meiner Liebe. Nun denn, werden Sie jetzt, wo fünf Jahre verflossen sind, sagen, daß Ihre Reisen nach Amsterdam, nach Edam, nach Stavorin unschuldig waren?

Ich kratzte mich hinter den Ohren.

– Dam! antwortete ich, um nicht zu lügen.

– Sie sehen wohl, daß Sie im Unrecht waren. Was haben Sie mir Aehnliches vorzuwerfen?

– Nichts, ich weiß es wohl, so lange als ich dort gewesen bin.

– Aber ich meine, daß seitdem. . .

– Seitdem wird es ein wenig dunkel. Aber am Ende ist dagegen noch Nichts zu sagen, da zum Mindesten für mich der Schein vorhanden ist und die Daten übereinstimmen, nicht wahr?

– Tag vor Tag.

Ich stieß einen Seufzer aus.

– Ah! wahr ist es, sagte ich mit einer Rückkehr der Philosophie, daß man sehr weit geht, um das Glück zu finden. . .

– Ja, und damit man Frauen findet, nicht wahr? Lassen wir Ihre Frauen ein wenig die Musterung Passiren.

– Nein, es lohnt nicht der Mühe, ich kenne sie; ich bin daher auch von der Heirath, oder vielmehr von den Heirathen geheilt.

– Ah! mein armer Freund, es geht Nichts über das Haus, über den Heerd, über die Kinder; kehren Sie zurück, und Sie werden Alles das finden, ausgenommen mich vielleicht.

– Gehen Sie doch!

– Ich weiß, was ich sage, äußerte sie, indem sie den Kopf schüttelte, und einen Seufzer ausstieß. Aber ich würde ruhig sterben, wenn ich die Hoffnung hätte, daß meine armen Kinder, in Ermangelung der Mutter. . .

– Es ist gut, es ist gut, machen wir uns nicht reich; man wird Alles das sehen; kehren Sie nach Haus zurück.

– Ich muß es wohl.

– Und melden Sie mich.

– O! wahrhaftig?

– Einen Augenblick Geduld, ich verpflichte mich nicht. Ich werde thun, was ich vermag, das ist Alles.

– Leben Sie wohl! ich reise in dieser Hoffnung ab.

– Gehen Sie, liebe Freundin. Wer leben wird, wird sehen.

– Ja, wer leben wird. . . Leben Sie wohl.

Und die Buchold umarmte mich ein letztes Mal, stieß einen Seufzer aus und entfernte sich.

Diese Erscheinung der Buchold hatte einen ganz anderen Eindruck bei mir zurückgelassen, als ihre vorhergehenden Erscheinungen. Außerdem war, wie ich es ihr gesagt hatte, der Vergleich der holländischen Frauen mit den Chingulesischen, Spanischen, Malabarischen und Chinesischen Frauen nicht zum Vortheile dieser letztern; es gab also nur die arme Schimindra, welche dem europäischen Einflüsse das Gleichgewicht halten konnte, aber, wie Sie begreifen werden, hatte sie die Geschichte mit dem elenden Affen gegen sich!. . .

Kurz, soviel ist gewiß, daß ich nur noch an Eines dachte, nämlich meine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen und nach Europa zurückzukehren.

Bevor ich aber abreiste, war meine erste Sorge das Loos Schimindras zu sichern.

Ich überließ ihr meine Cigarrenfabrik, die in vollem Gange war, und den Rest meines Bezoars, der freilich angebrochen war, der aber angebrochen, wie er war, wohl noch zwei bis drei Tausend Rupien werth war, und das um so unbestreitbarer, als er erprobt worden war.

Was Vanly-Tching anbetrifft, so war sie verschwunden, indem sie ihre Kasse mitgenommen hatte, und während der fünf Monate, welche ich noch in Bidondo blieb, hörte Niemand von ihr sprechen.

Endlich, am 15. Februar 1829, ohngefähr sechs Jahre nach meiner Ankunft in Indien, verließ ich Bidondo, nachdem ich eine Summe von fünfundvierzig Tausend Franken zu baarem Gelde gemacht hatte, die mein chinesischer Correspondent einkassierte, indem er mir dagegen vortreffliche Wechsel auf die ersten Häuser von Amsterdam gab.

Wegen der Windstille, welche wir unter dem Aequator fanden, dauerte die Ueberfahrt lange und sechs Monate nach meiner Abreise von Manila meldete man das Kap Finisterre, dann umsegelten wir Cherbourg, dann fuhren wir in den Kanal, dann endlich gingen wir am 18. August 1829 in dem Hafen von Rotterdam vor Anker.

Ich hatte keinen Grund mich dort aufzuhalten; ich nahm daher noch am selben Tage den Wagen nach Amsterdam, hierauf, in Amsterdam angekommen, ein Schiff, das mich nach Monikendamm führen sollte.

Es war gerade das meines Freundes, des Fischers, der mich vor sechs und einem halben Jahre an Bord des Jean de Witt gefahren hatte, dem ich meine Ueberfahrt nicht hatte bezahlen können, und der mir nichtsdestoweniger versprochen, auf meine Gesundheit zu trinken, ein Versprechen, das er gewissenhafter Weise gehalten hatte.

Statt eines Beutels voll Kiesel hatte ich dieses Mal eine Brieftasche, welche gute fünfundvierzig Tausend Franken enthielt.

So daß ich ihm bei meiner Landung in Monikendamm, da ich ihm nicht allein die letzte Ueberfahrt, sondern auch noch die erste mit den Zinsen und den Zinsen von den Zinsen während sechs Jahren schuldig war, ihm fünfundzwanzig Gulden gab, was eine Summe war, wie er lange keine eingenommen hatte.

Hierauf ging ich nach meinem Hause.

Vor der Thür sah ich von Weitem eine Amme in Trauer, welche zwei Kinder säugte.

Ich begriff Alles.

Ich trat in das Wohnzimmer, in welchem sich meine drei Söhne und meine Tochter befanden.

 

Die drei Knaben entflohen, als sie mich sahen.

Was das Mädchen anbelangt, so war sie, da sie noch nicht allein gehen konnte, wohl genöthigt zu bleiben.

Ich sah ein, daß ich für diese armen Unschuldigen ein Fremder wäre; ich nahm meine kleine Margarethe in meine Arme, welche lautes Geschrei ausstieß, und kehrte nach der Thür zurück, um mich von irgend einem Nachbar erkennen zu lassen.

Gerade war Simon van Groot, welcher erfahren hatte, daß ein Fremder angekommen und nach dem Hause der Buchold gegangen wäre, herbeigeeilt, indem er sich die Wahrheit dachte, und er kam, indem er die drei Kinder, welche flohen, und dann die Amme mit den beiden Säuglingen wieder gesammelt hatte.

In einem Augenblicke war Alles aufgeklärt.

– Und die arme Buchold? fragte ich.

– Du kömmst zwei Monate zu spät, mein lieber Olifus, antwortete Simon van Groot, die Buchold ist gestorben, indem sie Deine beiden Zwillinge auf die Welt setzte.

– Ja, Simon und Judas.

– Wie Du es gesagt. In Deiner Abwesenheit habe ich für die Familie gesorgt. Die Gläubiger hatten das Haus verkauft, ich habe es zurückgekauft. Ich wußte wohl, daß Du eines Tages zurückkehren würdest, und ich wollte, daß Du außer den Kindern, die Sachen in dem Zustande wiederfändest, in welchem Du sie verlassen hattest.

– Ich danke, Van Groot.

– Nur unsere arme Buchold!. . .

– Das ist nicht zu ändern, Simon, wir sind alle sterblich.

– Ach! Du wirst niemals eine Gleiche wiederfinden, Olifus.

– Das ist wahrscheinlich.

Wir, Van Groot und ich, umarmten uns weinend, dann schlossen wir unsere Rechnungen ab.

Ich zahlte ihm den Preis des Hauses und der Möbeln zurück, welches ich als den Antheil Margarethens behielt.

Dann legte ich für jeden der Knaben sechs Tausend Franken an, wovon ich mir nur die Zinsen bis zu ihrer Volljährigkeit vorbehielt.

Endlich behielt ich neun Tausend Franken für mich, um niemals Jemand zur Last zu sein, und nur nöthig zu haben in meine Tasche zu greifen, um aus ihr eine Flasche Ratafia, Rum, und Arak zu nehmen.

– Und Sie haben die Buchold niemals wiedergesehen? fragte ich ihn.

– Doch, ein Mal Sie ist gekommen mir zu erzählen, daß ich ihrer für immer entledigt wäre, weil sie sich mit Simon van Groot wieder verheiratet hätte, den man am Tage zuvor begraben, und der verlangt hatte, der alte Spitzbube, neben ihr begraben zu werden. So daß ich, fügte der Vater Olifus hinzu, indem er das letzte Glas Arak leerte, ihrer für diese und für jene Welt entledigt bin, wie ich es zum Mindesten hoffe.

Hierauf brach der Vater Olifus in ein Gelächter aus, das ihm ganz eigenthümlich war, und ließ sich unter den Tisch gleiten, von wo aus fast sogleich ein Schnarchen erschallte, das uns keinen Zweifel über den ungetrübten Schlaf übrig ließ, dem dieses reine und von Gewissensbissen freie Herz sich hingegeben hatte.

Im selben Augenblicke ging die Thür auf, ich wandte den Kopf um, und eine sanfte und klangvolle Stimme ließ sich hören.

Diese Stimme war die Margarethens, welche mit einer Lampe in der Hand auf der Schwelle des Zimmers erschien.

– Es ist Zeit, daß Sie zu Bett gehen, meine Herren, sagte sie. Ich will Sie nach Ihrem Schlafzimmer führen. Mein armer Vater wird Sie mit seinen Geschichten sehr gelangweilt haben, nicht wahr? Aber man muß Einige Nachsicht mit ihm haben. Er ist sechs Jahre lang zu den Lebzeiten unserer armen Mutter in dem Irrenhause von Horn gewesen, und er hat es nicht ganz geheilt verlassen. Es sind Einfälle und Mährchen, welche ihm im Kopfe herumgehen, besonders wenn er zu viel starke Getränke zu sich genommen hat, was ihm oft begegnet. Aber, wie immer, wird beim Erwachen sein Verstand zurückkehrt im, und er wird seine Reise nach Ostindien vergessen, Reisen, die niemals anders, als in seiner Einbildung bestanden haben.

Nach dieser Erklärung, welche uns unendlich wahrscheinlicher als Alles das schien, was uns der Vater Hieronymus Franz Olifus erzählt hatte, gingen wir zu Bett. Am folgenden Morgen verlangten wir ihn zu sehen, m Abschied von ihm zu nehmen. Aber man sagte uns, daß er mit Tagesanbruche aufgebrochen wäre, um einen Eisenden nach Stavorin zu fahren.

So daß wir Monikendamm verließen, ohne zu wissen im wer uns belogen hatte, der alte zahnlose Mund des Vaters Olifus, oder der frische und hübsche Mund seiner Tochter Margaretha.

Indessen nahm uns Eines gegen die hübsche Wirthin des alten Ostindienfahrers ein, nämlich daß sie am Tage zuvor nur durch Zeichen mit uns gesprochen hatte, und daß sie am folgenden Tage mit einem Male französisch sprechen konnte, um uns die Erklärung zu geben, welche wir hier niedergeschrieben haben.

Es ist an den Personen, welche in Ostindien gewesen sind, zu beurtheilen, ob der Vater Olifus wirklich die Länder gesehen hat, die er beschrieben, und die wir nach ihm wieder beschrieben haben, oder ob er Madagascar, Ceylon, Negombo, Goa, Calicut, Manila und Bidondo nur ganz einfach von dem Irrenhause von Horn aus gesehen hat.

Ende der Heirathen des Vater Olifus