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Zwanzig Jahre nachher

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»Wirklich?« sprach Athos, »ich glaubte doch, das Parlament rechne auf Eure Einhelligkeit.«

»Ah, ja, unsere Einhelligkeit, sie ist gar schön. Mit dem Herzog von Bouillon geht es noch; er hat die Gicht und verläßt sein Bett nicht; mit ihm kann man sich noch verständigen; aber mit Herrn von Elboeuf und seinen Elephanten von Söhnen niemals. Sie schreien und prahlen auf öffentlichen Platzen, sobald es aber zum Schlagen kommt, dann gute Nacht kriegerische Laune.«

»Doch bei dem Herrn Coadjutor ist es hoffentlich nicht so?«

»Ah! ja wohl, bei dem Herrn Coadjutor ist es noch schlimmer. Gott bewahre Euch vor streitsüchtigen Prälaten, besonders wenn sie einen Panzer auf der Simarre tragen. Wißt Ihr, was er thut, statt sich ruhig zu verhalten und Te Deum für die Siege zu singen, welche wir davontragen, oder für die Siege, wo wir geschlagen werden?«

»Nein.«

»Er bildet ein Regiment, dem er seinen Namen gibt: das Regiment Korinth. Er macht Lieutenants, Kapitäne, nicht mehr und nicht weniger, als ein Marschall von Frankreich, und Oberste, wie der König.«

»Ja,« sprach Aramis; »aber wenn man sich schlägt, wird er hoffentlich in seinem erzbischöflichen Palaste bleiben?«

»Keineswegs. Ihr täuscht Euch, mein lieber d’Herblay. Wenn man sich schlägt, schlägt er sich auch, so daß man ihn, da er durch den Tod seines Oheims Sitz im Parlament erhalten hat, beständig zwischen die Beine bekommt … im Parlament, im Rathe, in der Schlacht. Der Prinz von Conti ist General in der Einbildung, und was für eine Einbildung ist dies! Ein buckeliger Prinz, ein Nußknacker wäre eben so viel Werth. Ah, es geht Alles schlecht, meine Herren, Alles geht sehr schlecht.«

»Monseigneur. Euere Hoheit ist also unzufrieden?« sprach Athos, einen Blick mit Aramis austauschend.

»Unzufrieden, Graf? sagt: meine Hoheit sei wüthend, dergestalt, das gestehe ich nur Euch, daß ich, wenn die Königin alles Unrecht, welches sie gegen mich gehabt hat, anerkennen würde, wenn sie meine verbannte Mutter zurückrufen wollte, wenn sie mir die Anwartschaft auf die Admiralswürde, die meinem Herrn Vater gehörte und die mir nach feinem Tode versprochen worden ist, ertheilte, keinen Anstand nehmen würde, Hunde abzurichten, welche sprechen müßten, es gäbe in Frankreich größere Diebe als Herrn von Mazarin.«

Athos und Aramis tauschten nun nicht nur ein Lächeln, sondern einen Blick und ein Lächeln aus, und hätten dies auch Beide nicht gegenseitig wahrgenommen, so würde doch jeder errathen haben, daß die Herren von Chatillon und Flamarens hier Eingang gefunden hatten. Sie berührten auch mit keiner Silbe die Anwesenheit von Herrn von Mazarin in Paris.

»Monseigneur, wir sind nun befriedigt,« sprach Athos. »Als wir zu dieser Stunde zu Euerer Hoheit kamen, hatten wir keinen andern Zweck, als ihr unsere Ergebenheit an den Tag zu legen und ihr zu sagen, daß wir als ihre gehorsamsten Diener ganz und gar zu ihrer Verfügung stehen.«

»Als meine treuesten Freunde, meine Herren, als meine treuesten Freunde Ihr habt es mir bewiesen, und wenn ich je mich mit dem Hofe aussöhne, so werde ich Euch beweisen, daß ich Euer Freund, sowie der jener Herren geblieben bin, … wie nennt Ihr sie doch?«

»D’Artagnan und Porthos.«

»Ah, ja, so ist es. Ihr begreift also, Graf de la Fère, Ihr begreift, Chevalier d’Herblay, ganz und immer Euer Freund.«

Athos und Aramis verbeugten sich und verließen das Zimmer.

»Mein lieber Athos,« sprach Aramis, Gott verzeihe mir, ich glaube, Ihr habt nur eingewilligt, mich zu begleiten, um mir eine Lehre zu geben?«

»Wartet doch, mein Lieber,« sprach Athos, es ist noch Zeit zu dieser Bemerkung, wenn wir vom Coadjutor kommen.«

»Gehen wir also in den erzbischöflichen Palast.« erwiderte Aramis.

Und Beide wanderten der Cité zu.

Als man sich der Wiege von Paris näherte, fanden Athos und Aramis die Straßen überschwemmt, und sie mußten wieder eine Barke nehmen. Es war elf Uhr vorüber, aber man wußte, daß es keine Stunde gab, in der man sich nicht bei dem Coadjutor einfinden durfte, denn seine unglaubliche Thätigkeit Machte je nach den Bedürfnissen aus der Nacht Tag, aus dem Tage Nacht.

Der erzbischöfliche Palast trat aus dem Schooße des Wassers hervor, und aus der großen Anzahl rings um den Palast her angebundener Barken Hütte man schließen sollen, man befände sich nicht in Paris, sondern in Venedig. Diese Barken kamen, gingen, durch-kreuzten sich in allen Richtungen, drangen in das Irrsal der Straßen der Cité oder entfernten sich nach dem Arsenale oder dem Quai Saint-Victor zu und schwammen sodann wie auf einem See. Die einen von diesen Barken waren stumm und geheimnißvoll, die andern geräuschvoll und beleuchtet. Die zwei Freunde schlüpften mitten durch diese Welt von Fahrzeugen und landeten ebenfalls.

Das ganze Erdgeschoß des erzbischöflichen Palastes war überschwemmt; aber man hatte eine Art von Treppen an den Wänden angebracht, und die ganze Veränderung in Folge der Überschwemmung bestand darin, daß man statt durch die Thüren, durch die Fenster einging.

So gelangten Athos und Aramis in das Vorzimmer des Prälaten. Dieses Vorzimmer war voll von Lackeien, denn es hatte sich etwa ein Dutzend vornehmer Herren in dem Wartsaal versammelt.

»Mein Gott! seht doch, Athos, sprach Aramis, »ich glaube, dieser Geck von einem Coadjutor will sich das Vergnügen machen, uns antichambriren zu lassen.«

Athos erwiderte lächelnd:

»Mein lieber Freund, man muß die Leute mit allen Uebeln ihrer Stellung nehmen. Der Coadjutor ist in diesem Augenblick einer von den sieben oder acht Königen, welche in Paris herrschen. Er hat einen Hof.«

»Ja,« versetzte Aramis, »aber wir sind keine Höflinge.«

»Wir schicken ihm auch nur unsere Namen zu, und wenn er, nachdem er sie gesehen, keine paffende Antwort gibt, nun so überlassen wir ihn den Angelegenheiten von Frankreich und den seinigen. Wir brauchen nur einen Bedienten zu rufen und ihm eine halbe Pistole in die Hand zu drücken.«

»Ei, seht doch,« rief Aramis, »ich täusche mich nicht, … ja, …nein, …doch; Bazin, kommt hierher, Bursche!«

Bazin, der in diesem Augenblick in seinem Kirchengewande majestätisch das Vorzimmer durchschritt, wandte sich mit gerunzelter Stirne um, ohne Zweifel, um zu sehen, wer der Freche wäre, der ihn auf diese Art anriefe. Aber kaum hatte er Aramis erkannt, so wurde der Tiger zum Lamm; er näherte sich den zwei Edelleuten und sprach:

»Wie, Ihr seid es, Herr Chevalier! Ihr seid es, Herr Graf! Ihr kommt Beide in dem Augenblick, wo wir so sehr über Euch in Unruhe waren.«

»Es ist gut, es ist gut, Meister Bazin,« versetzte Aramis. »Laßt die Complimente. Wir kommen, um den Herrn Coadjutor zu besuchen, aber wir haben Eile und müssen ihn sogleich sehen.«

»Wie,« rief Bazin, »sogleich? Allerdings, Herren Eurer Art läßt man nicht im Vorzimmer warten. Nur ist er in diesem Augenblick in einer geheimen Unterredung mit Herrn von Bruy begriffen.«

»Von Bruy!« riefen gleichzeitig Athos und Aramis.

»Ja, ich habe ihn gemeldet und erinnere mich seines Namens vollkommen. Kennt Ihr ihn, mein Herr?« fügte Bazin, sich an Aramis wendend, bei.

»Ich glaube, ihn zu kennen.«

»Ich kann nicht dasselbe behaupten,« versetzte Bazin; »denn er war so gut in seinen Mantel gehüllt, daß ich trotz aller Beharrlichkeit nicht das kleinste Winkelchen seines Gesichtes zu sehen vermochte. Aber ich will hinein gehen und ich werde vielleicht diesmal glücklicher sein.«

»Unnöthig,« sagte Aramis, »wir leisten darauf Verzicht, den Herrn Coadjutor diesen Abend zusehen; nicht wahr, Athos?«

»Wie Ihr wollt,« sprach der Graf.

»Ja, er hat zu wichtige Angelegenheit mit Herrn von Bruy zu verhandeln.«

»Soll ich ihm melden, die Herren wären im erzbischöflichen Paläste gewesen?«

»Nein, es ist nicht der Mühe Werth,« erwiderte Aramis. »Kommt, Athos.«

Und den Haufen der Lackeien durchschneidend, verließen die zwei Freunde den erzbischöflichen Palast, gefolgt von Bazin, der durch seine zahllosen Verbeugungen ihre Wichtigkeit bezeugte.

»Nun,« fragte Athos, als Aramis und er wieder in der Barke waren, »fangt Ihr an zu glauben, daß wir, wenn wir Herrn von Mazarin verhaftet hätten, diesen Leuten einen sehr schlimmen Streich gespielt haben würden?«

»Ihr seid die eingefleischte Weisheit, Athos,« erwiderte Aramis.

Es war den zwei Freunden besonders das geringe Gewicht aufgefallen, das der Hof von Frankreich auf die furchtbaren Ereignisse legte, welche sich in England zugetragen hatten, während diese Sache ihrer Ansicht nach die Aufmerksamkeit von ganz Europa in Anspruch nehmen mußte.

Abgesehen von einer armen Wittwe und einer königlichen Waise, welche in einem Winkel des Louvre weinten, schien Niemand zu wissen, daß es einen König Karl I. gegeben hatte, und daß dieser König auf dem Blutgerüste gestorben war.

Die zwei Freunde beschieden sich auf den andern Morgen um zehn Uhr, denn obgleich die Nacht sehr vorgerückt war, als sie zu der Thüre des Gasthofes gelangten, behauptete doch Aramis, er hätte einige sehr wichtige Besuche zu machen, und ließ Athos allein eintreten.

Als es am andern Morgen zehn Uhr schlug, waren sie versammelt. Von sechs Uhr Morgens an war Athos ebenfalls ausgegangen.

»Nun, habt Ihr irgend eine Kunde?« fragte Athos.

»Keine; man hat d’Artagnan nirgends gesehen, und Porthos ist auch noch nicht erschienen. Und Ihr?«

»Nichts.«

»Teufel!« rief Aramis.

»In der That,« sprach Athos, »dieses Zögern ist nicht natürlich. Sie haben den geradesten Weg eingeschlagen, und sollten daher vor uns eingetroffen sein.«

»Fügt dem bei, daß wir die Raschheit der Manöver von d’Artagnan kennen, und daß er nicht der Mann ist, eine Minute zu verlieren, wenn er weiß, daß wir auf ihn warten.«

»Er gedachte, wie Ihr Euch erinnert, am fünften hier zu sein.«

»Und wir haben heute den neunten. Diesen Abend läuft die bestimmte Frist ab.«

 

»Was beabsichtigt Ihr zu thun,« fragte Athos, »wenn wir diesen Abend keine Nachricht haben?«

»Bei Gott, wir müssen nachforschen?«

»Gut,« versetzte Athos.

»Aber, Raoul?« fragte Aramis.

Eine leichte Wolke zog über die Stirne des Grafen hin.

»Raoul macht mir große Unruhe,« sagte er. »Er hat gestern eine Botschaft vom Prinzen von Condé erhalten, ist zu ihm nach Saint-Cloud abgegangen und nicht wieder zurückgekehrt.«

»Habt Ihr Frau von Chevreuse nicht gesehen?«

»Sie war nicht zu Hause. Aber, Ihr, Aramis, Ihr müßt wohl bei Frau von Longueville vorübergekommen sein?«

»In der That, so ist es.«

»Nun?«

»Sie war auch nicht zu Hause; aber sie hatte wenigstens die Adresse ihrer neuen Wohnung zurück

»Rathet.«

»Wie soll ich errathen, wo man um Mitternacht ist; denn ich setze voraus, daß Ihr Euch, als Ihr mich verließet, zu ihr begeben habt. Wie soll ich errathen, wo sich um Mitternacht die schönste und thätigste von allen Frondeusen befindet?«

»Im Stadthause, mein Lieber.«

»Wie, im Stadthause? Ist sie zum Prevot der Handelsleute ernannt worden?«

»Nein, aber sie hat sich zur interimistischen Königin von Paris gemacht. Und da sie es nicht wagte, sich von Anfang an im Palais-Royal oder in den Tuilerien festzusetzen, so quartirte sie sich einstweilen im Stadthause ein, wo sie demnächst diesem lieben Herzog einen Erben oder eine Erbin geben wird.«

»Ihr habt mir diesen Umstand nicht mitgetheilt,« sprach Athos.

»Wirklich? eine Vergessenheit; entschuldigt.«

»Nun sprecht, was wollen wir von jetzt bis zum Abend machen? Es scheint mir, wir sind sehr müßig.«

»Ihr vergeßt, mein Freund, daß wir ein ganz bestimmtes Geschäft haben.«

»Wo dies?«

»Bei Charenton. Ich habe Hoffnung, seinem Versprechen gemäß einen gewissen Herrn von Chatillon dort zu treffen, den ich seit langer Zeit hasse.«

»Und warum?«

»Weil er der Bruder eines gewissen Herrn von Coligny ist.«

»Ah, das ist wahr, ich vergaß es … der auf die Ehre, Euer Nebenbuhler zu sein, Anspruch gemacht hat. Er ist sehr grausam für diese Kühnheit bestraft worden, mein Lieber, und in der That, das müßte Euch genügen.«

»Ja, aber was wollt Ihr, das genügt mir nicht. Ich bin streitsüchtig, das ist der einzige Punkt, in welchem ich mit der Kirche eine Ähnlichkeit habe. Ihr begreift übrigens hiernach, Athos, daß Ihr keineswegs genöthigt seid, mir zu folgen.«

»Stille,« erwiderte Athos, »Ihr scherzt.«

»Gut, mein Lieber; wenn Ihr also entschlossen seid, mich zu begleiten, so haben wir keine Zeit zu verlieren. Man hat die Trommel gerührt, ich begegnete abgehend den Kanonen und sah die Bürger, welche sich vor dem Stadthause ausstellten. Man wird sich sicherlich bei Charenton schlagen, wie gestern der Herzog von Chatillon gesagt hat.«

»Ich hätte geglaubt, die Unterredungen in dieser Nacht würden einige Veränderungen in die kriegerische Stimmung gebracht haben.«

»Allerdings, man wird sich aber dessen ungeachtet schlagen, und wäre es nur, um diese Unterredungen zu maskieren.«

»Arme Leute!« versetzte Athos, »die sich tödten lassen, damit man Sedan dem Herrn von Bouillon zurückgibt, die Anwartschaft auf die Admiralswürde Herrn von Beaufort verleiht, und damit der Coadjutor Cardinal wird.«

»Stille, stille, mein Lieber,« sagte Aramis; »gesteht, daß Ihr nicht so sehr Philosoph wäret, sollte Euer Raoul nicht in diesen ganzen Streit verwickelt sein.«

»Ihr sprecht vielleicht die Wahrheit, Aramis.«

»Nun, so laßt uns dahin gehen, wo man sich schlägt. Es ist ein sicheres Mittel, d’Artagnan, Porthos und vielleicht sogar Raoul wiederzufinden.«

»Ach!« seufzte Athos.

»Mein lieber Freund,« sagte Aramis, »nun, da wir in Paris sind, müßt Ihr nothwendig die Gewohnheit, beständig zu seufzen, aufgeben. Frisch auf in den Kampf, Athos! Seid Ihr nicht mehr der Mann des Schwertes? Habt Ihr Euch zu der Kirche gewendet? Seht, da kommen hübsche Bürger vorüber. Das ist bei Gott lockend. Und dieser Kapitän, er hat beinahe eine militärische Haltung.«

»Sie kommen aus der Rue du Mouton.«

»Trommeln voraus, wie wahre Soldaten. Aber seht doch jenen Burschen dort, wie er sich wiegt, wie er sich brüstet!«

»Ha!« rief Grimaud.

»Was?« fragte Athos.

»Planchet, gnädiger Herr.«

»Gestern Lieutenant,« sprach Aramis, »heute Kapitän, morgen ohne Zweifel Oberster. In acht Tagen ist der Bursche Marschall von Frankreich.«

Wir wollen ihn um Auskunft fragen,« sagte Athos.

Die zwei Freunde näherten sich Planchet, der, stolzer als je, weil er in Amt und Würde gesehen wurde, sich herbeiließ, den zwei Edelleuten zu erklären, er hätte Befehl, sich mit zweihundert Mann, welche die Nachhut der Pariser Armee bildeten, auf der Place Royale aufzustellen und sich von da, wenn es nöthig wäre, nach Charenton zu wenden.

Da Athos und Aramis denselben Weg zu machen hatten, so begleiteten sie Planchet auf das ihm zugewiesene Terrain.

Planchet ließ seine Leute ziemlich geschickt aus der Place Royale manövriren und stellte sie hinter einer langen Reihe von Bürgern auf, welche, das Signal zum Kampfe erwartend, Rue und Faubourg Saint-Antoine einnahmen.

»Der Tag wird heiß werden,« sagte Planchet mit kriegerischem Tone.

»Allerdings,« erwiderte Aramis; aber es ist weit von hier bis zum Feinde.«

»Mein Herr, man wird die Entfernung näher zu rücken wissen,« erwiderte ein Zehner.

Aramis grüßte und sprach, sich gegen Athos umwendend:

»Es macht mir kein Vergnügen, mit allen diesen Leuten hier Lager zu halten. Wollen wir voraus marschieren? wir werden die Dinge besser sehen.«

»Und dann würde Euch Herr von Chatillon auch nicht auf der Place Royale aussuchen, nicht wahr? Vorwärts, mein Freund.«

»Habt Ihr Eurerseits nicht ein paar Worte mit Herrn von Flamarens zu sprechen?«

»Freund,« erwiderte Athos, »ich habe den Entschluß gefaßt, den Degen nicht mehr zu ziehen, wenn ich nicht durchaus dazu genöthigt werde.«

»Seit wann?«

»Seitdem ich den Dolch gezogen habe.«

»Ah! gut, noch eine Erinnerung an Herrn Mordaunt. Es fehlte nur noch, mein Lieber, daß Ihr Gewissensbisse bekämet, weil Ihr diesen Menschen getödtet habt.«

»Stille,« sagte Athos mit dem traurigen Lächeln, das nur ihm eigentümlich war, einen Finger auf seinen Mund legend; »sprechen wir nicht mehr von Mordaunt; das würde uns Unglück bringen.«

Und Athos ritt gen Charenton, zuerst an der Vorstadt hin, und dann durch das Thal von Fecamp, das von bewaffneten Bürgern ganz schwarz war.

Es versteht sich von selbst, daß ihm Aramis auf eine halbe Pferdslänge folgte.

XVI
Das Gefecht von Charenton

Während Athos und Aramis vorrückten und im Vorrücken die verschiedenen auf der Straße aufgestellten Corps hinter sich ließen, sahen sie die wohlgeputzten, glänzenden Panzer auf verrostete, und die funkelnden Musketen auf befleckte Partisanen folgen.

»Ich glaube, hier ist das wahre Schlachtfeld,« sagte Aramis; »seht das Cavaleriecorps, das sich, die Pistole in der Faust, vor der Brücke hält. Gebt Acht, hier kommt schweres Geschütz.«

»Ei, mein Lieber, erwiderte Athos, »wohin habt Ihr uns geführt? Es scheint mir, ich sehe rings um uns her Gesichter, welche unter die Zierden der königlichen Armee gehören. Erscheint dort nicht Herr von Chatillon selbst mit seinen zwei Brigadiers?«

Und Athos nahm den Degen in die Faust, während Aramis, welcher glaubte, er habe nun wirklich die Grenzen des Pariser Lagers überschritten, die Hand an seine Halfter legte.

»Guten Morgen, meine Herren,« sprach der Herzog, sich nähernd; »ich sehe, daß Ihr nicht begreift, was hier vorgeht. Aber ein Wort wird Euch Alles erklären. Wir haben in diesem Augenblicke Waffenstillstand; es findet eine Conferenz statt: der Herr Prinz, Herr von Retz, Herr von Beaufort und Herr von Bouillon verhandeln in dieser Minute über Politik. Entweder werden die Angelegenheiten nicht in Ordnung gebracht und wir finden uns, Chevalier, oder die Sache wird beigelegt, ich werde meines Commandos überhoben, und wir finden uns ebenfalls.«

»Mein Herr,« sagte Aramis, »Ihr sprecht vortrefflich. Erlaubt mir, eine Frage an Euch zu richten.«

»Immerhin.«

»Wo sind die Bevollmächtigten?«

»In Charenton selbst, im zweiten Hause rechts, wenn man von Paris kommt.

»Und diese Conferenz war nicht vorhergesehen?«

»Nein, meine Herren, sie ist, wie es scheint, das Resultat der Vorschläge, welche Herr von Mazarin den Parisern gestern Abend hat machen lassen.«

Athos und Aramis schauten sich lachend an. Sie wußten besser, als irgend Jemand, was für Vorschläge dies waren, wem man sie gemacht und wer sie gemacht hatte.

»Und das Haus, wo die Bevollmächtigten versammelt sind,« fragte Athos, »gehört …«

»Herrn von Chanleu, der Euere Truppen in Charenton befehligt. Ich sage Euere Truppen, weil ich annehme, daß die Herren Frondeurs sind.«

»So ungefähr,« erwiderte Aramis.

»Warum so ungefähr?«

»Allerdings, mein Herr; Ihr wißt besser, als irgend Jemand, daß man in diesen Zeitläuften nicht genau sagen kann, was. man ist.«

»Wir sind für den König und für die Herren Prinzen,« sprach Athos.

»Darüber müssen wir uns verständigen,« versetzte Chatillon. »Der König ist bei uns und hat zu Obergeneralen die Herren von Orleans und Condé.«

»Ja,« sprach Athos, »aber sein Platz ist in unseren Reihen mit den Herren von Conti, Beaufort, Elboeuf und Bouillon.«

»Das kann sein,« sagte Chatillon, »und ich für meine Person habe bekanntlich sehr wenig Sympathie für Herrn von Mazarin. Meine Interessen sind in Paris; ich habe dort einen großen Prozeß, von welchem mein ganzes Vermögen abhängt, und ich bin, so wie Ihr mich seht, so eben bei meinem Advokaten gewesen, um mich mit ihm zu berathen.«

»In Paris?«

»Nein, in Charenton, bei Herrn Viole, den Ihr dem Namen nach kennt … Ein vortrefflicher Mann, etwas eigensinnig, aber nicht ohne Bedeutung im Parlament. Ich hoffte ihn gestern Abend zu sehen, unser Zusammentreffen verhinderte mich jedoch, mich mit meinen Angelegenheiten zu beschäftigen. Da diese aber abgemacht werden müssen, so benützte ich den Waffenstillstand, und so kommt es, daß ich mich in Eurer Mitte befinde.

Herr von Viole hält also Berathungen in der freien Luft?« fragte Aramis lachend.

»Ja, mein Herr, und sogar zu Pferde. Er befehligt für heute fünfhundert Pistolenschützen, und um ihm Ehre anzuthun, besuchte ich ihn in Begleitung dieser zwei kleinen Kanonen, an deren Spitze mich zu sehen Ihr so sehr erstaunt schienet. Ich erkannte ihn, redlich gestanden, Anfangs nicht. Er hat ein langes Schwert auf seiner Advokatenrobe und Pistolen im Gürtel, was ihm ein furchtbares Aussehen verleiht. Es würde Euch in der That Vergnügen machen, wenn Ihr das Glück hättet, ihm zu begegnen.«

»Wenn er so seltsam anzuschauen ist, so kann man sich die Mühe nehmen, ihn aufzusuchen,« sagte Aramis.

»Ihr müßtet Euch beeilen, denn die Conferenzen können nicht mehr lange dauern.«

»Und wenn sie abgebrochen werden, ohne einen Erfolg herbeizuführen,« sagte Athos, »so werdet Ihr Charenton zu nehmen suchen?«

»So lautet der Befehl. Ich commandire die Angriffstruppen und werde mein Möglichstes thun, um zu siegen.

»Mein Herr,« sagte Athos, »da Ihr die Reiterei befehligt…«

»Um Vergebung, ich befehlige als Chef.«

»Noch besser. Ihr müßt alle Eure Offiziere kennen? ich verstehe darunter die ausgezeichneten.«

»O ja, ziemlich.«

»Habt die Güte, mir zu sagen, ob unter Eueren Befehlen nicht der Chevalier d’Artagnan, Lieutenant bei den Musketieren, steht?«

»Nein, mein Herr, er ist nicht bei uns. Vor mehr als sechs Wochen hat er Paris verlassen und er befindet sich, wie man sagt, auf einer Sendung begriffen in England.«

»Ich wußte dies; aber ich glaubte, er wäre zurückgekehrt.«

»Nein, mein Herr; es ist mir auch nicht zu Ohren gekommen, daß ihn irgend Jemand gesehen hat. Ich kann Euch um so mehr hierüber Antwort ertheilen, als die Musketiere zu den Unsrigen gehören und Herr von Chambon einstweilen die Stelle von Herrn d’Artagnan einnimmt.«

Die zwei Freunde schauten sich an.

»Ihr seht,« sagte Athos.

»Das ist seltsam,« sprach Aramis.

»Es muß ihm nothwendig Unglück auf dem Wege widerfahren sein.«

»Wir haben heute den achten, diesen Abend läuft die bestimmte Frist ab. Bekommen wir diesen Abend keine Nachricht, so reisen wir morgen früh.«

Athos machte ein bestätigendes Zeichen mit dem Kopfe, wandte sich sodann um und fragte, beinahe verlegen, vor dem skeptischen Aramis seine väterliche Unruhe durchblicken zu lassen.

 

»Herr von Bragelonne, ein junger Mensch von fünfzehn Jahren, in der Umgebung des Herrn Prinzen, hat er vielleicht, die Ehre, Euch bekannt zu sein, Herr Herzog?«

»Ja, gewiß,« erwiderte Chatillon, »er ist diesen Morgen mit dem Herrn Prinzen zu uns gekommen; ein reizender, junger Mann! Gehört er zu Euern Freunden, Herr Graf?«

»Ja, mein Herr,« versetzte Athos sanft bewegt, »weßhalb ich ihn sogar zu sehen wünsche. Ist das möglich?«

»Sehr möglich, mein Herr. Wollt mich begleiten, und ich führe Euch in das Hauptquartier.«

»Holla!« sprach Aramis sich umwendend. »Mir scheint, es entsteht ein gewaltiges Geräusch hinter uns.«

»In der That, ein Reiterhaufen kommt auf uns zu,« sagte Chatillon.

»Ich erkenne den Herrn Coadjutor an seinem Frondehute.«

»Und ich Herrn von Beaufort an seinen weißen Federn.«

»Sie kommen im Galopp. Der Herr Prinz ist bei ihnen. Ah, seht, er verläßt sie.«

»Man schlägt Rappell!« rief Chatillon; »wir müssen uns erkundigen.«

Man sah in der That die Soldaten zu ihren Waffen laufen, die Reiter, welche zu Fuß waren, sich auf ihre Pferde schwingen. Die Trompeten erklangen, die Trommeln rasselten. Herr von Beaufort zog seinen Degen.

Der Herr Prinz machte ein Rappellzeichen und alle Offiziere der königlichen Armee, welche für den Augenblick mit den Pariser Truppen vermischt waren, eilten auf ihn zu.

»Meine Herren,« sagte Chatillon, »der Waffenstillstand ist offenbar aufgehoben; man wird sich schlagen. Kehrt also nach Charenton zurück, denn ich greife binnen Kurzem an; seht, der Herr Prinz gibt mir das Signal.«

Ein Cornet hob wirklich dreimal die Standarte des Herrn Prinzen in die Luft.

»Auf Wiedersehn,« rief Chatillon, und er sprengte im Galopp davon, um zu seiner Escorte zu gelangen.

Athos und Aramis wandten ihre Pferde ebenfalls und begrüßten den Coadjutor und Herrn von Beaufort.

Herr von Bouillon hatte am Ende der Conferenz einen so furchtbaren Gichtanfall bekommen, daß man genöthigt gewesen war, ihn in seiner Sänfte nach Paris zurückzubringen.

Dagegen ritt der Herr Herzog von Elboeuf von seinen vier Söhnen wie von einem Generalstab umgeben durch die Reihen des Pariser Heeres.

Während dieser Zeit bildete sich zwischen Charenton und der königlichen Armee ein langer weißer Raum, der sich dazu vorzubereiten schien, den Leichnamen als letztes Lager zu dienen.

»Dieser Mazarin ist eine wahre Schmach für Frankreich,« sprach der Coadjutor, den Gürtel seines Degens fester schnallend, den er nach der Weise der alten militärischen Prälaten unter seiner erzbischöflichen Simarre trug. »Es ist ein Knauser, der Frankreich gerne wie einen Meierhof regieren möchte. Frankreich kann auch nicht eher Ruhe und Glück erwarten, als bis er das Land verlassen hat.«

»Es scheint, man hat sich über die Farbe des Hutes nicht verständigt,« sagte Aramis.

In demselben Augenblicke hob Herr von Beaufort seinen Degen und sprach:

»Meine Herren, wir haben vergebens Diplomatie getrieben; wir wollten uns dieses Filzes von einem Mazarin entledigen, aber die Königin, welche in ihn vernarrt ist. will ihn durchaus als Minister behalten, und so bleibt uns nur das Mittel, ihn gehörig zu klopfen.«

»Gut,« sagte der Coadjutor, »das ist die gewöhnliche Beredsamkeit von Herrn von Beaufort.«

»Glücklicher Weise,« versetzte Aramis. »verbessert er seine Sprachfehler mit der Spitze seines Schwertes.«

»Bah!« sagte der Coadjutor verächtlich, »er spielt eine sehr bleiche Rolle bei diesem ganzen Kriege.«

Und er zog ebenfalls sein Schwert und rief:

»Meine Herren, seht, der Feind rückt auf uns zu; ich hoffe, wir werden ihm die Hälfte des Weges ersparen.«

Und ohne sich darum zu bekümmern, ob man ihm folgte oder nicht, sprengte er fort. Sein Regiment, das nach dem Namen seines Erzbisthums Regiment Korinth hieß, setzte sich hinter ihm in Bewegung und begann den Kampf.

Herr von Beaufort ließ seine Cavalerie unter der Anführung von Herrn von Noirmomtiers gegen Etampes vorrücken, wo sie einem Convoi von Lebensmitteln begegnen sollte, welche von den Parisern ungeduldig erwartet wurden. Herr von Beaufort schickte sich an, ihn aufzuhalten.

Herr von Chanleu, der den Platz commandirte, hielt sich mit dem Kerne seiner Truppen bereit, Widerstand gegen den Angriff zu leisten, und sogar, falls der Feind zurückgeschlagen würde, einen Ausfall zu machen.

Nach Verlauf einer halben Stunde hatte der Kampf an allen Enden begonnen.

Der Coadjutor, den der Ruhm von Herrn von Beaufort in Verzweiflung brachte, warf sich vor und that persönlich Wunder der Tapferkeit. Sein Beruf war bekanntlich das Schwert, und er fühlte sich ungemein glücklich, so oft er vom Leder ziehen konnte, gleichviel für wen oder für was. Wenn er aber hier das Handwerk eines Soldaten gut trieb, so trieb er dagegen das eines Obersten schlecht. Er wollte mit sieben- bis achthundert Mann dreitausend Mann überwinden, die sich in einer Masse in Bewegung gesetzt hatten und die. Soldaten des Coadjutors zurückschlugen, welche in völliger Unordnung auf den Wällen anlangten. Aber das Artilleriefeuer von Chanleu hielt die königliche Armee plötzlich auf, und diese schien einen Augenblick erschüttert zu sein. Dies dauerte jedoch nicht lange, und sie formierte sich wieder hinter einer Gruppe von Häusern und einem kleinen Gehölze.

Chanleu glaubte, der Augenblick wäre gekommen. Er rückte an der Spitze von zwei Regimentern hinaus; um die königliche Armee zu verfolgen; aber sie hatte sich, wie gesagt, wieder formiert, und kehrte, von Herrn von Chatillon in Person geführt, zum Angriff zurück. Dieser Angriff war so ungestüm und so geschickt gelenkt, daß Chanleu und seine Leute sich beinahe umzingelt sahen. Chanleu gab Befehl zum Rückzug und dieser wurde, Fuß für Fuß, Schritt für Schritt, ausgeführt. Unglücklicher Weise fiel Chanleu, tödtlich getroffen, nach wenigen Augenblicken.

Herr von Chatillon sah ihn fallen und verkündigte laut seinen Tod, der den Muth der Truppen des königlichen Heeres verdoppelte und die zwei Regimenter, mit welchen Chanleu seinen Ausfall gemacht hatte, völlig entmuthigte. Demzufolge dachte Jeder nur an seine eigene Rettung und trachtete nur darnach, die Verschanzungen wieder zu erreichen, an deren Fuß der Coadjutor sein halb aufgeriebenes Regiment zu sammeln suchte.

Plötzlich kam eine Schwadron Cavalerie den Siegern entgegen, welche mit den Flüchtlingen vermischt in die Verschanzungen einzogen. Athos und Aramis ritten an der Spitze, Aramis das Schwert und die Pistole in der Hand, Athos das Schwert in der Scheide, die Pistole im Halfter. Athos war ruhig und kalt, wie auf einer Parade, nur trübte sich sein edler Blick, als er so viele Menschen sich erwürgen sah, welche einerseits von der königlichen Halsstarrigkeit, und andererseits von dem Grolle der Prinzen geopfert wurden. Aramis dagegen tödtete und berauschte sich allmälig im Kampfe seiner Gewohnheit gemäß. Seine lebhaften Augen wurden glühend; sein so sein geschnittener Mund lächelte ein finsteres Lächeln; seine offenen Nasenlöcher zogen den Blutgeruch an; jeder von seinen Schwertstreichen traf, und der Kolben seiner Pistole machte dem Verwundeten den Garaus, der sich zu erheben suchte.

Auf der entgegengesetzten Seite und in den Reihen des königlichen Heeres griffen zwei Reiter, der eine mit einem vergoldeten Küraß, der andere durch ein einfaches Koller beschützt, aus welchem die Aermel eines Leibrockes von blauem Sammet hervorsahen, in der ersten Linie an. Der Reiter mit dem vergoldeten Küraß sprengte auf Aramis zu und führte einen Schwertstreich nach ihm, den Aramis mit seiner gewöhnlichen Geschicklichkeit parierte.

»Ah, Ihr seid es, Herr von Chatillon!« rief der Chevalier; »seid willkommen, ich erwarte Euch.«

»Ich hoffe, ich habe Euch nicht zu lange warten lassen, mein Herr,« erwiderte der Herzog; »in jedem Falle bin ich hier.«

»Herr von Chatillon,« sprach Aramis, und zog aus dem Halfter eine zweite Pistole, die er für diese Gelegenheit aufgespart hatte, »ich glaube, Ihr seid ein todter Mann, wenn Eure Pistole entladen ist.«

»Gott sei Dank, mein Herr,« rief Chatillon, »sie ist es nicht.«

Der Herzog hob seine Pistole in der Richtung von Aramis, zielte und schoß. Aramis aber bückte sich in dem Augenblick, wo er den Herzog den Finger an den Drücker legen sah, und die Kugel flog, ohne ihn zu berühren, über ihn hin.