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XVIII
Die Dankbarkeit von Anna von Oesterreich

Athos fand viel weniger Schwierigkeiten, als er erwartet hatte, um zu Anna von Oesterreich zu dringen. Bei dem ersten Schritte ebnete sich im Gegentheil Alles, und die von ihm gewünschte Audienz wurde auf den andern Tag nach dem Lever, dem er durch seine Geburt beizuwohnen berechtigt war, bewilligt.

Eine Menge von Menschen füllte die Gemächer von Saint Germain. Nie hatte Anna von Oesterreich im Louvre oder im Palais-Royal eine größere Anzahl von Höflingen gehabt. Nur hatte sich eine Bewegung unter dieser Menge gebildet, welche dem Adel zweiten Ranges angehörte, während alle ersten Edelleute Frankreichs sich bei Herrn von Conti, bei Herrn von Beaufort und bei dem Coadjutor befanden.

Es herrschte indessen eine große Heiterkeit bei diesem Hofe, denn es war der eigenthümliche Charakter dieses Krieges, daß mehr Verse darüber gemacht, als Kanonenschüsse dabei abgefeuert wurden. Der Hof machte Lieder über die Pariser, während diese Gedichte über den Hof componirten, und die Wunden, wenn sie auch nicht tödteten, waren darum, mit der Waffe der Lächerlichkeit beigebracht, nicht minder schmerzlich.

Mitten aber unter dieser allgemeinen Heiterkeit, unter diesem scheinbaren Leichtsinne nahm eine große Unruhe alle Gedanken in Anspruch. Sollte Mazarin Minister und Liebling bleiben, oder wie eine Wolke, die, von Süden gekommen, fortgetragen von dem Winde, der ihn gebracht, wieder abziehen? Jedermann hoffte es, Jedermann wünschte es, und der Minister fühlte, daß alle die Huldigungen, alle die höfischen Kriechereien um ihn her einen unter der Furcht und dem Interesse schlecht verborgenen Grund von Haß bedeckten. Es war ihm nicht wohl dabei, denn er wußte nicht, auf was er rechnen, auf wen er sich stützen konnte.

Selbst der Herr Prinz, welcher für ihn focht, ließ keine Gelegenheit vorübergehen, um ihn zu verspotten oder zu demüthigen, und wiederholt, da Mazarin vor den; Sieger von Rocroy seine Willensmeinung durchsetzen wollte, schaute ihn dieser auf eine Weise an, wodurch er ihm zu verstehen gab, wenn er ihn auch vertheidige, so geschehe dies weder aus Überzeugung, noch aus Enthusiasmus.

Dann warf sich der Cardinal auf die Königin, seine einzige Stütze, zurück; aber einige Male kam es ihm vor, als fühlte er diese Stütze unter seiner Hand wanken.

Als die Stunde der Audienz gekommen war, meldete man dem Grafen de la Fère, sie würde immerhin stattfinden, aber er müßte einige Augenblicke warten, da die Minister mit der Königin Rath zu Pflegen hätten.

Es war dies die Wahrheit. Paris hatte so eben eine neue Deputation abgeschickt, welche bemüht sein sollte, den Angelegenheiten irgend eine Wendung zu geben, und die Königin berieth sich mit Mazarin über den Empfang, den man den Abgeordneten bereiten sollte.

Die Unruhe war groß unter den hohen Staatspersonen. Athos konnte also keinen schlimmeren Augenblick wählen, um von seinen Freunden, armen in diesem entfesselten Wirbel verlorenen Atomen, zu sprechen.

Aber Athos war ein unbeugsamer Mann, der nicht mit dem einmal gefaßten Entschluß feilschte, wenn ihm dieser Entschluß aus seinem Gewissen hervorgegangen und von seiner Pflicht diktiert schien. Er bestand darauf, eingeführt zu werden, indem er äußerte, wenn er auch weder ein Abgeordneter von Herrn von Conti, noch von Herrn von Beaufort, noch von Herrn von Bouillon, noch von Herrn von Elboeuf, noch von dem Coadjutor, noch von Frau von Longueville, noch von Herrn Broussel, noch von dem Parlamente wäre, und auf seine eigene Rechnung käme, so hätte er darum nichtsdestoweniger Ihrer Majestät wichtige Dinge mitzuteilen.

Sobald die Conferenz vorüber war, ließ ihn die Königin in ihr Cabinet rufen.

Athos wurde eingeführt und nannte sich. Es war ein Name, der zu oft in den Ohren ihrer Majestät geklungen, zu oft in ihrem Herzen vibrirt hatte, als daß ihn Anna von Oesterreich nicht hätte wiedererkennen sollen. Sie blieb indessen unempfindlich und begnügte sich, den Edelmann mit der Festigkeit anzuschauen, welche nur königlichen Frauen, mögen sie dies durch ihre Schönheit oder durch ihren Rang sein, gestattet bleibt.

»Es ist also ein Dienst, den Ihr uns zu leisten Euch anerbietet?« fragte Anna von Oesterreich nach kurzem Stillschweigen.

»Ja, Madame, abermals ein Dienst,« sprach Athos, ärgerlich darüber, daß ihn die Königin nicht zu erkennen schien.

Athos war ein großes Herz und folglich ein sehr armer Höfling.

Anna runzelte die Stirne. Mazarin, der, an einem Tische sitzend, in Papieren blätterte, wie dies nur ein einfacher Staats-Sekretär hätte thun können, schaute empor.

»Sprecht,« sagte die Königin.

Mazarin fuhr fort, in seinen Papieren zu blättern.

»Madame,« versetzte Athos, »zwei von meinen Freunden, zwei der unerschrockensten Diener Euerer Majestät, Herr d’Artagnan und Herr du Vallon, von dem Cardinal nach England abgeschickt, sind plötzlich in dem Augenblicke verschwunden, wo sie den Fuß wieder auf den Boden von Frankreich setzten, und man weiß nicht, was aus ihnen geworden ist.«

»Nun,« sprach die Königin.

»Nun,« erwiderte Athos, »ich wende mich an das Wohlwollen Eurer Majestät, um das.Schicksal dieser zwei Edelleute zu erfahren, wobei ich mir vorbehalte, wenn es hernach sein muß, mich an ihre Gerechtigkeit zu wenden.«

»Mein Herr,« antwortete Anna von Oesterreich mit jenem Hochmuthe, der gewissen Menschen gegenüber zur Frechheit wurde, »darum stört Ihr uns mitten unter großen Geschäften, die uns ganz und gar in Anspruch nehmen! Eine Polizei-Angelegenheit! Ei, mein Herr, Ihr müßt wohl wissen, daß wir keine Polizei mehr haben, seitdem wir nicht mehr in Paris sind.«

»Ich glaube,« sprach Athos, sich mit kalter Achtung verbeugend, »Euere Majestät hätte nicht nöthig, sich bei der Polizei zu erkundigen, um zu erfahren, was aus den Herren d’Artagnan und Du Vallon geworden ist. Wenn sie den Herrn Cardinal in Betreff dieser zwei Edelleute befragen wollte, so könnte ihr der Herr Cardinal antworten, ohne etwas Anderes, als seine eigenen Erinnerungen in das Verhör zu nehmen.«

»Aber Gott vergebe mir,« versetzte Anna von Oesterreich mit der ihr eigentümlichen verächtlichen Bewegung der Lippen, »ich glaube, Ihr verhört selbst.«

»Ja, Madame, ich habe beinahe das Recht dazu; denn es handelt sich um Herrn d’Artagnan, hört Ihr wohl, Madame, um Herrn d’Artagnan,« sagte er auf eine Weise, daß sich unter den Erinnerungen der Frau die Stirne der Königin beugen mußte.

Mazarin begriff, daß es Zeit war, Anna von Oesterreich zu Hilfe zu kommen.

»Mein Herr Graf,« sagte er, »ich will Euch Wohl etwas mittheilen, was Ihre Majestät nicht weiß, ich will Euch mittheilen, was aus diesen zwei Edelleuten geworden ist. Sie sind ungehorsam gewesen und befinden sich im Arrest.«

»Ich bitte also Euere Majestät,« sprach Athos gleich ruhig und ohne Mazarin zu antworten, »ich bitte Eure Majestät, diesen Arrest zu Gunsten der Herren d’Artagnan und Du Vallon aufzuheben.«

»Was Ihr von mir verlangt, ist eine Disciplinangelegenheit und geht mich nicht an, mein Herr,« erwiderte die Königin.

»Herr d’Artagnan hat dies nie geantwortet, wenn es sich um den Dienst Ihrer Majestät handelte,« sprach Athos mit einer würdevollen Verbeugung.

Und er machte zwei Schritte rückwärts, um die Thüre wieder zu erreichen. Mazarin hielt ihn auf.

»Ihr kommt auch von England,« sagte er mit einem Zeichen gegen die Königin, welche sichtbar erbleichte und einen heftigen Befehl zu geben im Begriffe war.

»Und habe den letzten Augenblicken von König Karl beigewohnt,« sprach Athos. »Armer König! höchstens der Schwäche schuldig, und wurde von seinen Unterthanen so streng bestraft; denn die Throne sind zu dieser Stünde gewaltig erschüttert, und für ergebene Herzen ist es nicht gut, wenn sie den Interessen der Fürsten dienen. Es war das zweite Mal, daß Herr d’Artagnan nach England ging; das erste Mal geschah es für die Ehre einer großen Königin, das zweite Mal für das Leben eines großen Königs.«

»Mein Herr,« sprach Anna von Oesterreich zu Mazarin, mit einem Tone, dessen wahren Ausdruck sie trotz ihrer Verstellungsgabe nicht zu verbergen vermochte, »seht, ob sich etwas für diese Edelleute thun läßt.«

»Madame,« erwiderte Mazarin, »ich werde Alles thun, was Euerer Majestät beliebt.«

»Thut, was der Herr Graf de la Fère verlangt.« Nicht wahr, so heißet Ihr, mein Herr?«

»Ich habe noch einen andern Namen, Madame ich nenne mich Athos.«

»Madame,« versetzte Mazarin mit einem Lächeln, welches andeutete, daß er auch ein halbes Wort mit größter Leichtigkeit auffaßte, »Ihr könnt ruhig sein, Euere Wünsche sollen erfüllt werden.«

»Ihr habt gehört, mein Herr?« sagte die Königin.

»Ja, Madame, und ich erwartete nichts Anderes von der Gerechtigkeit Eurer Majestät. Ich werde also meine Freunde wiedersehen, nicht wahr, Madame? So versteht es doch Euere Majestät?«

»Ihr werdet sie wiedersehen, ja, mein Herr.« Doch sagt, Ihr gehört zur Fronde?«

»Madame, ich diene dem König.«

»Ja, aus Euere Weise.«

»Meine Weise ist die aller wahren Edelleute,« antwortete Athos stolz.

»Geht, mein Herr,« sprach die Königin, Athos mit einer Geberde entlassend; »Ihr sollt erhalten, was Ihr zu erhalten wünschtet, und wir wissen, was wir zu wissen wünschten.«

Dann sich an Mazarin wendend, nachdem der Thürvorhang wieder hinter Athos herabgefallen war, sprach sie:

»Cardinal, laßt diesen frechen Menschen verhaften, ehe er den Hof verlassen hat.«

»Ich dachte bereits daran,« sagte Mazarin, »und bin glücklich, von Euerer Majestät einen Befehl zu erhalten, den ich mir von ihr erbitten wollte. Diese Klopffechter, welche in unsere Zeit die Ueberlieferung aus einer andern Regierung herüberbringen, belästigen uns gewaltig, und da bereits zwei festgenommen sind, so wollen wir nun auch den dritten beifügen.«

 

Athos hatte sich nicht ganz von der Königin bethören lassen. Es fiel ihm in ihrem Tone etwas auf, was ihn trotz ihres Versprechens zu bedrohen schien. Aber er war nicht der Mann, sich auf einen einfachen Verdacht zu entfernen, besonders, da man ihm deutlich gesagt hatte, er sollte seine Freunde wiedersehen. Er wartete also in einem von den Zimmern, welche an das Cabinet stießen, worin er Audienz gehabt hatte, daß man ihm d’Artagnan und Porthos bringen oder ihn zu ihnen führen werde.

In dieser Erwartung näherte er sich dem Fenster und schaute maschinenmäßig in den Hof. Er sah die Deputation der Pariser hereinkommen, welche erschien, um den bestimmten Ort für die Conferenzen zu regeln und die Königin zu begrüßen. Es waren dabei Räthe vom Parlament, Präsidenten, Advokaten und auch ein paar Männer vom Schwerte. Ein imposantes Geleite harrte ihrer vor dem Gitter.

Athos schaute aufmerksamer, denn mitten unter dieser Menge glaubte er Jemand zu erkennen, als er fühlte, daß man leicht seine Schultern berührte.

Er wandte sich um.

»Ah! Herr von Comminges,« sagte er.

»Ja, Herr Graf, und zwar mit einer Sendung beauftragt, wegen der ich Euch meine Entschuldigung anzunehmen bitte.«

»Was ist Euer Auftrag?« fragte Athos.

»Wollt mir Euren Degen geben, Herr Graf.«

Athos lächelte, öffnete das Fenster und rief:

»Aramis!«

Ein Edelmann wandte sich um: es war derjenige, welchen Athos zu erkennen geglaubt hatte, es war Aramis. Er grüßte den Grafen freundschaftlich.

»Aramis,« sprach Athos, »man verhaftet mich.«

»Gut,« antwortete Aramis phlegmatisch.

»Mein Herr,« sagte Athos, sich gegen Comminges umwendend und mit aller Höflichkeit seinen Degen überreichend, »hier ist mein Degen. Habt die Güte, ihn sorgfältig zu bewahren und mir denselben zurückzugeben, wenn ich das Gefängniß verlasse. Ich halte große Stücke darauf; Franz I. hat ihn meinem Großvater geschenkt. In jener Zeit bewaffnete man die Edelleute, man entwaffnete sie nicht. Jetzt sagt, wohin führt Ihr mich?«

»Zuerst in mein Zimmer,« sprach Comminges, »die Königin wird sodann Eure Wohnung bestimmen.«

Athos folgte Comminges, ohne ein Wort beizufügen.

XVIII
Das Königthum von Herrn von Mazarin

Die Verhaftung von Athos hatte keinen Lärmen gemacht, hatte keinen Scandal verursacht und war sogar beinahe unbekannt geblieben. Sie hatte also in keiner Beziehung den Gang der Ereignisse gehemmt und die von der Stadt Paris abgesandte Deputation wurde feierlich benachrichtigt, sie sollte vor der Königin erscheinen.

Die Königin empfing dieselbe stumm und stolz wie immer. Sie hörte die Beschwerden und Bitten der Deputierten; als sie aber ihre Reden geendigt hatten, hätte Niemand sagen können, ob sie von ihr gehört worden waren, so gleichgültig war das Gesicht von Anna von Oesterreich geblieben.

Dagegen hörte Mazarin, welcher der Audienz beiwohnte, sehr gut, was die Deputierten verlangten: es war seine Entlassung, ganz einfach und deutlich in klaren, entschiedenen Worten ausgesprochen.

Als die Königin, nachdem die Reden gehalten waren, immer noch stumm blieb, sagte Mazarin:

»Meine Herren, ich werde mich mit Euren Bitten vereinigen, um die Königin zu veranlassen, den Leiden ihrer Unterthanen ein Ende zu machen. Ich habe Alles gethan, was ich vermochte, um sie zu mildern, und dennoch sagt Ihr, es herrsche allgemein die Ansicht, sie rühren von mir her, von dem armen Fremden, dem es nicht gelungen ist, den Franzosen zu gefallen. Ach, man hat mich nicht begriffen, und das war natürlich. Ich folgte auf den erhabensten Mann, der je dem Scepter der Könige von Frankreich als Stütze gedient hat. Die Erinnerungen an Herrn von Richelieu treten mich in den Staub. Wäre ich ehrgeizig, so würde ich vergebens gegen diese Erinnerungen kämpfen. Aber ich bin es nicht, und ich will einen Beweis davon geben. Ich erkläre mich für besiegt und werde thun, was das Volk von Paris verlangt. Haben die Pariser Unrecht – und wer hat es nicht, meine Herren? – so ist Paris hinreichend gestraft. Genug des Bluts ist geflossen, genug des Elends beugt eine der Gerechtigkeit beraubte Stadt nieder. Es geziemt nicht mir, dem einfachen Privatmann, mir so großes Gewicht zu verleihen, daß ich eine Königin mit ihrem Königthum uneins machen würde. Ihr verlangt, daß ich mich zurückziehe; nun wohl, ich werde mich zurückziehen.«

»Dann ist der Friede gemacht, und die Conferenzen sind unnöthig,« sagte Aramis seinem Nachbar in das Ohr. »Man braucht nur noch Herrn Mazarini unter guter Bedeckung an die entfernteste Grenze zu schicken und darüber zu wachen, daß er weder über die eine noch über die andere zurückkehrt.«

»Einen Augenblick, mein Herr, einen Augenblick,« sagte der Mann mit der Robe, an den sich Aramis wandte; »wie schnell Ihr zu Werke geht! Man steht wohl, daß Ihr Männer vom Schwerte seid. Es ist noch das Kapitel von den Wiedererstattungen und Schadloshaltungen ins Reine zu bringen.«

»Herr Kanzler,« sagte die Königin, sich gegen jenen Seguier, unsere alte Bekanntschaft, umwendend, »Ihr werdet die Conferenzen eröffnen; sie finden in Rueil statt. Der Herr Cardinal hat Dinge gesprochen, die mich sehr bewegen mußten; deßhalb antworte ich Euch nicht länger. Was das Bleiben oder Gehen betrifft, so habe ich zu große Dankbarkeit gegen den Herrn Cardinal, um ihm nicht in jeder Beziehung Freiheit in seinen Handlungen zu lassen. Der Herr Cardinal wird thun, was ihm beliebt.«

Eine flüchtige Blässe zog sich über das geistreiche Gesicht des ersten Ministers hin. Er schaute die Königin unruhig an. Ihr Gesicht war so unempfindlich, daß man unmöglich darin lesen konnte, was in ihrem Herzen vorging.

»Aber,« fügte die Königin bei, »in Erwartung des Entschlusses von Herrn von Mazarin sei, ich bitte Euch, nur von dem König die Rede.«

Die Abgeordneten verbeugten sich und traten ab.

»Wie!« rief die Königin, als der Letzte von ihnen das Zimmer verlassen hatte, »Ihr würdet diesen Robins, diesen Advokaten nachgeben?«

»Madame,« sprach Mazarin, sein durchdringendes Auge auf die Königin heftend, »es gibt kein Opfer, das ich nicht für das Glück Euerer Majestät mir aufzulegen bereit wäre.«

Anna neigte das Haupt und versank in eine von jenen Träumereien, welche bei ihr so gewöhnlich waren. Die Erinnerung an Athos kehrte in ihren Geist zurück. Die kühne Haltung des Edelmanns, sein festes und zugleich so würdiges Wort, die Phantome, welche er heraufbeschworen hatte, riefen eine Vergangenheit von berauschender Poesie in ihr zurück: die Schönheit, die Jugend, der Glanz einer Liebe von zwanzig Jahren und die harten Kämpfe ihrer Stützen, das blutige Ende von Buckingham, dem einzigen Manne, den sie wirklich geliebt hatte, der Heldenmuth ihrer dunkeln Vertheidiger, welche sie von dem doppelten Hasse von Richelieu und dem König gerettet hatten, Alles dies tauchte vor ihr auf.

Mazarin schaute sie an, und nun, da sie sich allein glaubte und nicht mehr eine ganze Welt.zum Beobachten um sich hatte, vermochte er ihren Gedanken auf ihrem Gesichte zu folgen, wie man auf den durchsichtigen Seen die Wolken, Wiederscheine des Himmels wie die Gedanken, hinziehen sieht.

»Man müßte also,« murmelte Anna von Oesterreich, »man müßte dem Sturme weichen, den Frieden erkaufen, geduldig und andächtig auf bessere Zeiten warten?«

Mazarin lächelte bitter bei diesen Worten, aus denen er sah, daß sie den Vorschlag des Ministers ernstlich genommen hatte.

Anna hielt den Kopf gesenkt und gewahrte dieses Lächeln nicht. Als sie aber sah, daß sie keine Antwort auf ihre Frage erhielt, schaute sie empor.

»Nun, Cardinal, Ihr antwortet mir nicht; was denkt Ihr?«

»Ich denke, Madame, daß der freche Edelmann, der auf unsern Befehl durch Comminges verhaftet worden ist, auf Herrn von Buckingham, den Ihr ermorden ließet, auf Frau von Chevreuse, welche Ihr in die Verbannung schicktet, und auf Herrn von Beaufort anspielte, der auf Euer Geheiß eingekerkert wurde. Spielte er auf mich an, so geschah dieß nur, weil er nicht weiß, was ich für Euch bin.«

Anna bebte, wie sie dieß that, wenn man sie in ihrem Stolze verletzte; sie erröthete und drückte, um nicht zu antworten, ihre zugespitzten Nägel in ihre schönen Hände.

»Er ist ein Mann von gutem Rath, von Ehre und Geist, und dabei auch ein Mann von Entschlossenheit,« fuhr Mazarin fort. »Ihr wißt etwas davon, nicht wahr, Madame?« Ich will ihm also sagen, und das ist eine persönliche Gnade, die ich ihm erweise, worin er sich in Beziehung auf mich täuscht. Das, was man mir nämlich vorschlägt, ist in der That beinahe eine Abdankung, und eine Abdankung verdient, daß man darüber nachdenkt.«

»Eine Abdankung?« sprach Anna, »ich glaubte, mein Herr, nur die Könige könnten abdanken.«

»Wohl,« versetzte Mazarin, »bin ich nicht beinahe König, und sogar König von Frankreich? An den Fuß eines königlichen Bettes geworfen, Madame, das versichere ich Euch, gleicht meine Minister-Simarre bei Nacht gar sehr einem Königsmantel.«

Das war eine von den Demüthigungen, mit welchen er sie sehr häufig heimsuchte, und unter denen sie beständig das Haupt beugte. Nur Elisabeth und Katharina II. blieben zugleich Geliebtinnen und Königinnen für ihre Liebhaber.

Anna von Oesterreich betrachtete daher mit einer Art von Schrecken das bedrohliche Antlitz des Cardinals, dem es in solchen Augenblicken nicht an einer gewissen Größe fehlte.

»Mein Herr,« sprach sie, »habt Ihr nicht gehört, daß ich diesen Leuten sagte, Ihr würdet thun, was Euch beliebte?«

»Dann glaube ich, daß es mir belieben muß, hier zu bleiben; es ist dieß nicht allein mein Interesse, sondern, ich wage dieß zu behaupten, es gereicht auch zu Eurem Heil.«

»Bleibt also, mein Herr, ich verlange nichts Anderes; aber dann laßt mich nicht beleidigen.«

»Ihr sprecht von den Anmaßungen der Meuterer, und von dem Tone, in dem sie sich ausdrückten? Nur Geduld! Sie haben ein Terrain gewählt, auf dem ich ein geschickterer General bin, als sie: die Conferenzen. Wir werden sie schon durch Temporisiren allein schlagen. Sie haben bereits Hunger; in acht Tagen wird es noch schlimmer stehen.«

»Ei, mein Gott, ja, ich weiß, daß wir hierdurch zum Ziele gelangen werden; aber es handelt sich nicht um sie allein, nicht sie allein erlauben sich die verletzendsten Beleidigungen gegen mich.«

»Ah! ich begreife Euch. Ihr meint die Erinnerungen, welche diese drei oder vier Edelleute beständig hervorrufen. Aber wir halten sie gefangen und sie sind gerade schuldig genug, daß wir sie so lange, als es uns zusagen wird, in Gefangenschaft lassen. Ein Einziger ist noch nicht in unserer Gewalt und trotzt uns. Aber den Teufel! es wird uns bald gelingen, ihn mit seinen Gefährten zu vereinigen. Es scheint mir, wir haben schwierigere Dinge vollbracht, als dieses. Ich habe vor Allem und aus Vorsicht in Rueil, das heißt in meiner Nähe, unter meinen Augen, im Bereiche meiner Hand, die zwei Störrischsten einsperren lassen. Noch heute wird ihnen der Dritte dort beigesellt.«

»So lange sie Gefangene sind, mag es gut sein,« sprach Anna von Oesterreich; »aber sie werden eines Tags herauskommen.«

»Ja, wenn Eure Majestät sie in Freiheit setzt.«

»Ah!« fuhr Anna von Oesterreich, ihren eigenen Gedanken beantwortend, fort, »hier sehnt man sich nach dem Besitze der Bastille zurück.«

»Warum dieß?«

»Nach der Bastille, mein Herr, die so stark und so verschwiegen ist.«

»Madame, mit den Conferenzen haben wir den Frieden; mit dem Frieden haben wir Paris; mit Paris haben wir die Bastille! Unsere vier Prahler werden darin verfaulen.«

Anna von Oesterreich runzelte leicht die Stirne, während ihr Mazarin, um von ihr Abschied zunehmen, die Hand küßte.

Mazarin entfernte sich nach diesem halb unterthänigen, halb galanten Akte. Anna von Oesterreich folgte ihm mit dem Blicke, und je mehr er sich entfernte, desto deutlicher hätte man ein verächtliches Lächeln auf ihren Lippen hervortreten sehen können.

»Ich habe,« murmelte sie, »die Liebe eines Cardinals verachtet, der nicht sagte: »»Ich werde thun!«« sondern: »»Ich habe gethan!«« Dieser kannte sicherere Gewahrsame, als Rueil, düsterere, stummere, als die Bastille … Oh! die entartete Welt! …«