Steuerstrafrecht

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e) Disziplinarrechtliche Folgen

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Beamtenrechtlich können, wenn die Steuerhinterziehung als Dienstvergehen gewertet wird, Disziplinarmaßnahmen gegen den Beamten verhängt werden. Für Beamte des Bundes wird das Disziplinarrecht im Bundesdisziplinargesetz (BDG) geregelt, für Landesbeamte in den Disziplinargesetzen der Länder, die weitgehend die gleichen Regelungen wie das BDG enthalten und dem BeamtStG. Als Disziplinarmaßnahmen kommen gem. § 5 BDG (bzw. nach den landesrechtlichen Vorschriften) in Betracht: Verweis (§ 6 BDG), Geldbuße (§ 7 BDG), Kürzung der Dienstbezüge (§ 8 BDG), Zurückstufung (§ 9 BDG) und Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 BDG). Ruhestandsbeamten kann das Ruhegehalt gekürzt (§ 11 BDG) oder aberkannt werden (§ 12 BDG).

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Die disziplinarische Ahndung setzt ein Dienstvergehen voraus (§ 2 BDG i.V.m. § 77 Abs. 1 BBG bzw. die entspr. Norm im Landesdisziplinargesetz i.V.m. § 47 BeamtStG). Unterschieden wird insoweit nach innerdienstlichen Pflichtverletzungen, die stets ein Dienstvergehen sind und außerdienstlichen Pflichtverletzungen, für die nach § 77 Abs. 1 S. 2 BBG hinzukommen muss, dass sie nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet sind, das Vertrauen in einer für das Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Für Landesbeamte fordert § 47 BeamtStG, eine bedeutsame Beeinträchtigung des Vertrauens in einer für das Amt bedeutsamen Weise. Die Abgrenzung einer außerdienstlich begangenen von einer innerdienstlich begangenen Straftat richtet sich nach der „materiellen“ Dienstbezogenheit, d.h. danach, ob durch das Verhalten innerdienstliche Pflichten verletzt werden.[1099] Demnach begeht der Finanzbeamte eine außerdienstliche Pflichtverletzung, wenn er Einkünfte aus einer genehmigten Nebentätigkeit nicht erklärt. Eine innerdienstliche Pflichtverletzung liegt z.B. in der Anlegung von Steuerkonten für fiktive Steuerpflichtige und der anschließenden Festsetzung von Erstattungsbeträgen, um für sich oder einen Dritten Zahlungen zu erhalten.[1100]

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Auch eine durch einen Beamten außerdienstlich begangene Steuerhinterziehung kann ein Dienstvergehen sein, das Disziplinarmaßnahmen auslösen kann,[1101] wobei sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach den Umständen des Einzelfalles richtet.[1102] Nach der diziplinarrechtlichen Rspr. stellt die Steuerhinterziehung schon für sich genommen ein schweres Delikt dar, dessen Gewicht noch erheblich vergrößert wird, wenn sie durch einen Finanzbeamten begangen wird.[1103] Das gilt selbst dann, wenn der Steuerschaden gering ist.[1104] Ist der Umfang der hinterzogenen Steuern besonders hoch oder sind mit dem Fehlverhalten zusätzliche schwerwiegende Straftatbestände oder andere nachteilige Umstände mit erheblichem Eigengewicht verbunden, ist nach der Rspr. des BVerwG eine nach außen erkennbare Disziplinarmaßnahme erforderlich, also zumindest eine Dienstgradherabsetzung geboten, um den Beamten deutlich auf sein Fehlverhalten hinzuweisen.[1105] Ist der Hinterziehungsbetrag siebenstellig, kommt eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder eine Aberkennung des Ruhegehalts in Betracht.[1106]

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Die Disziplinargerichte sind an die Feststellungen eines Strafurteils grundsätzlich gebunden (§ 57 Abs. 1 BDG bzw. die landesrechtlichen Vorschriften). Ein rechtskräftiger Freispruch entfaltet Bindungswirkung für das Disziplinarverfahren (§ 14 BDG bzw. die landesrechtlichen Vorschriften). Ist der Beamte wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden oder ist das Verfahren endgültig nach § 153a StPO eingestellt worden, kommen daneben die Disziplinarmaßnahmen Verweis, Geldbuße oder Kürzung des Ruhegehalts nicht in Betracht (§ 14 Abs. 1 BDG). Eine Kürzung der Dienstbezüge bleibt möglich, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten (§ 14 Abs. 1 BDG). Bei einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr durch Urteil eines deutschen Gerichts endet das Beamtenverhältnis mit der Rechtskraft des Urteils automatisch (§§ 21 Nr. 2, 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BeamtStG). Die im Wege eines Strafbefehls erfolgte Verurteilung entfaltet hingegen keine Bindungswirkung für das Disziplinarverfahren und führt zu keinem automatischen Verlust des Beamtenstatus.[1107] Nach Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige i.S.d. § 371 bleibt die disziplinarrechtliche Ahndung der dieser zugrunde liegenden Steuerhinterziehung möglich[1108] (siehe dazu auch § 371 Rn. 296 ff.) kann sich aber, wenn die Abgabe freiwillig erfolgt ist, mildernd auswirken.[1109]

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Bei Mitteilungen wegen Dienstvergehen durch Steuerhinterziehung ist das Steuergeheimnis zu beachten, wonach die Offenbarung entsprechender Kenntnisse eine Ermächtigung i.S.d. § 30 Abs. 4 AO voraussetzt.[1110] Geeignete gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen finden sich in § 49 BeamtStG und § 14 EGGVG.

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Für Dienstvergehen von Notaren regeln §§ 95 ff. BNotO das Disziplinarverfahren. Die möglichen Disziplinarmaßnahmen nennt § 97 BNotO: Verweis, Geldbuße und Entfernung aus dem Amt. Nach § 96 Abs. 1 S. 1 BNotO gilt das BDG entspr., soweit in der BNotO nichts Abweichendes bestimmt ist.

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Für Bundesrichter gelten gem. § 46 DRiG die Vorschriften für Bundesbeamte entspr. soweit das DRiG nichts anderes bestimmt. Für Landesrichter gilt gem. § 71 DRiG das BeamtStG. In Disziplinarsachen betreffend Richter entscheiden Dienstgerichte (§§ 61 f., 77 f. DRiG). Für das Disziplinarverfahren gelten die Vorschriften des BDG entspr. (§ 63 Abs. 1 DRiG). Das Dienstverhältnis endet, wenn ein Richter wegen Steuerhinterziehung oder einer sonstigen vorsätzlichen Straftat rechtskräftig zu einer Freiheitstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird (§ 24 Nr. 1 DRiG; § 71 DRiG i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG).

f) Zivilrechtliche Folgen

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Die zivilrechtliche Rspr. des BGH zur Nichtigkeit von Verträgen, die der Steuerhinterziehung dienen, unterscheidet nach der Art des Verstoßes. So betont der für Grundstückskaufverträge zuständige 5. Zivilsenat des BGH, dass die Absicht Steuern zu hinterziehen einen Vertrag nur dann nach §§ 134, 138 BGB nichtig sein lässt, wenn diese Absicht alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Rechtsgeschäftes ist. Das sei nicht der Fall, wenn der Grundstückskaufvertrag zwar fehlerhafte Kaufpreisangaben enthält, die Begründung der Verpflichtung zur Übertragung des Grundstücks und die Verpflichtung zur Bezahlung des Kaufpreises aber ernstlich gewollt sind.[1111] Für Werkverträge mit einer Ohne-Rechnung-Abrede nimmt der 7. Zivilsenat an, dass diese Abrede nichtig sei. Die Nichtigkeit trete nur dann nicht ein, wenn angenommen werden könne, dass ohne die Ohne-Rechnung-Abrede bei ordnungsgemäßer Rechnungslegung und Steuerabführung der Vertrag zu denselben Konditionen, insb. mit derselben Vergütungsregelung, abgeschlossen worden wäre.[1112] Damit deckt sich auch die Rspr. des 12. Zivilsenats für das Mietvertragsrecht.[1113] Im Einzelfall könne allerdings die Berufung auf die Nichtigkeit eines gegen ein gesetzliches Verbot verstoßenden Rechtsgeschäfts gegen Treu und Glauben verstoßen, so dass der Vertrag im Ergebnis als wirksam zu behandeln sei.[1114] So kam der BGH etwa in einem Fall zu dem Ergebnis, der Vertragspartner könne sich nach Treu und Glauben zur Abwehr von Mängelansprüchen des Bestellers nicht auf die Gesamtnichtigkeit des Vertrages berufen, wenn er seine Bauleistungen mangelhaft erbracht hat.[1115]

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Inzwischen nimmt der 7. Senat die Gesamtnichtigkeit des Vertrages nach § 134 BGB ohne den Umweg über § 139 BGB an, wenn mit der Ohne-Rechnung-Abrede gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen wird.[1116] Solche Abreden führen demnach bei einseitigen Verstößen jedenfalls dann zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages, wenn der Auftraggeber den Verstoß kennt und ihn bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt.[1117] Anders als die Nichtigkeitsfolge aus § 139 BGB könne die nach § 134 BGB im öffentlichen Interesse und zum Schutz des allgemeinen Rechtsverkehrs angeordnete Nichtigkeit allenfalls in ganz engen Grenzen durch eine Berufung auf Treu und Glauben überwunden werden,[1118] so dass etwa Mängelansprüche von vornherein nicht gegeben sind. Unerträgliche Ergebnisse ließen sich über §§ 812 ff. BGB vermeiden.[1119]

Die Vereinbarung darüber, den Arbeitslohn „schwarz“ auszuzahlen führt regelmäßig nicht zur Nichtigkeit des Arbeitsvertrages.[1120] Nichtig ist dann nur die Schwarzlohn-Abrede, es gilt die Nettolohnfiktion des § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV.

g) Keine Restschuldbefreiung

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Steuerschulden aus einer durch strafrechtliche Verurteilung rechtskräftig festgestellten Steuerhinterziehung sind gem. § 302 Nr. 1 InsO nicht (mehr) von der Restschuldbefreiung im Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens umfasst.[1121]

XI. Konkurrenzen

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Über die Frage der Konkurrenzen wird geklärt, ob eine oder mehrere Handlungen und Taten i.S.d. materiellen Strafrechts vorliegen.[1122]

 

1. Materielle Tateinheit und Tatmehrheit

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§§ 52 ff. StGB treffen Regelungen für die Bildung der Strafe, je nachdem, ob Tateinheit oder Tatmehrheit vorliegt. Sie spielen hingegen keine Rolle für die Auslegung von Tatbestands- und Qualifikationsmerkmalen, so dass bspw. auch bei tateinheitlicher Begehung gewerbsmäßiges Handeln vorliegen kann.[1123] Da die Strafe für eine aus mehreren Teilakten bestehende tateinheitlich begangene Straftat i.S.d. § 52 StGB in der Regel niedriger ausfällt als die nach §§ 53, 54 Abs. 2 StGB für tatmehrheitlich begangene Taten geltende Obergrenze,[1124] ist unter Berücksichtigung des In-dubio-pro-reo-Grundsatzes[1125] im Zweifel von tateinheitlicher Begehung auszugehen.[1126] Andererseits stellt der BGH aber für die Bestimmung des großen Ausmaßes der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 auf die tateinheitlich begangene Tat ab und addiert die hinterzogenen Beträge,[1127] was für den Angeklagten wegen des erhöhten Strafrahmens nachteilig sein kann.

a) Tateinheit

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Tateinheit (Idealkonkurrenz) liegt vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt oder dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzt (§ 52 Abs. 1 StGB). Es wird dann nur auf eine Strafe erkannt. Die Strafe wird gem. § 52 Abs. 2 StGB nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe – d.h. den unter Berücksichtigung von Milderungen und Schärfungen höchsten Strafrahmen[1128] – androht. Dieselbe Handlung i.S.d. § 52 StGB besteht in einer Handlung im natürlichen Sinne, d.h. wenn sich ein Willensentschluss in einem Ausführungsakt erschöpft.[1129] Gleiches gilt, wenn mehrere Handlungen im natürlichen Sinne zu einer natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden. Das geschieht dann, wenn sich mehrere durch engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang verbundene inhaltlich und äußerlich gleichartige Einzelhandlungen bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun darstellen.[1130] Schließlich kann eine Mehrheit natürlicher Handlungen, die tatbestandlich zusammengefasst sind und sich als Verwirklichung eines einheitlichen Täterwillens darstellen, als sog. tatbestandliche Handlungseinheit eine Tat im Rechtssinne bilden.[1131] So handelt bspw. einheitlich, wer nach Erlass eines ungünstigen Steuerbescheides den bereits im Rahmen der Abgabe der Erklärung begonnenen Versuch der Steuerhinterziehung durch falsche Angaben im Rechtsbehelfsverfahren mit dem Ziel der Steuerverkürzung fortsetzt, selbst wenn dies auf einem neuen Entschluss beruht. Die Verfolgung desselben unrechtmäßigen Anspruchs stelle einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang dar, da der Täter keinen neuen Willensentschluss in Bezug auf den Gegenstand der Steuerhinterziehung fasse, sondern durch die gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfe der AO und der Finanzgerichtsordnung nur die eingesetzten Mittel zur Erreichung desselben Zieles ändere.[1132] Nach früherer, inzwischen aufgegebener Rechtsprechung, wurden zudem mehrere Handlungen, die jede für sich den Tatbestand des § 370 erfüllen, über die Figur der fortgesetzten Handlung als eine Handlung im Rechtssinne behandelt, wenn sie als Ausschnitte eines einheitlichen Geschehens und damit als Bestandteile einer einzigen Tat angesehen wurden. Die Verjährung wurde so auf den Zeitpunkt nach Beendigung des letzten „Teilakts“ hinausgeschoben. Vorausgesetzt wurden die Verletzung desselben Rechtsguts, eine gleichartige Begehungsweise und ein einheitlicher Entschluss in Bezug auf die Gesamttat.[1133] Diese Rspr. ist sowohl allgemein im Strafrecht,[1134] als auch speziell im Steuerstrafrecht[1135] aufgegeben worden.[1136]

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Im Steuerstrafrecht sind maßgeblich für den materiell-rechtlichen Tatbegriff die steuerlichen Erklärungspflichten.[1137] Werden bspw. innerhalb einer Steuererklärung mehrere falsche Angaben gemacht, sind sie Teile derselben Handlung im materiellen Sinn.[1138] So stellt die Hinterziehung von USt durch Nichtanmeldung von Ausgangsumsätzen einerseits und durch unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuern andererseits für jeden Voranmeldungszeitraum eine einheitliche Tat im materiell-rechtlichen Sinn dar.[1139] Auch die unterlassene Anmeldung der Lohnsteuer gem.§ 41a EStG für verschiedene Arbeitnehmer bildet für einen Anmeldezeitraum eine einheitliche Tat.[1140] Außerhalb des Festsetzungsverfahrens kann bspw. ein wahrheitswidrig begründeter Stundungs- oder Erlassantrag zu einer tateinheitlichen Verkürzung von Steuerrückständen verschiedener Steuerarten führen.[1141]

b) Tatmehrheit

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Demgegenüber liegt Tatmehrheit (Realkonkurrenz) vor, wenn jemand mehrere Straftaten begangen hat, die gleichzeitig abgeurteilt werden (§ 53 Abs. 1 StGB). Es wird dann eine Gesamtstrafe nach den Vorgaben des § 54 StGB gebildet. Dazu wird die schwerste zu verhängende Einzelstrafe, die sog. Einsatzstrafe, durch zusammenfassende Würdigung der Person des Täters und der einzelnen Strafen angemessen erhöht (§ 54 Abs. 1 S. 3 StGB). Dabei sind unter anderem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihr Zusammenhang und ihre größere oder geringere Selbstständigkeit zu berücksichtigen.[1142] Die tatrichterliche Praxis orientiert sich häufig als Faustformel an einer Erhöhung der Einsatzstrafe um etwa die Hälfte der Summe der weiteren verwirklichten Strafen.[1143] Die höchstrichterliche Rspr. lehnt schematische Modelle ab und fordert eine Gesamtschau von Unrechtsgehalt und Schuldumfang.[1144] Das Höchstmaß der Gesamtstrafe ist dadurch begrenzt, dass es die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen darf (§ 54 Abs. 2 S. 1 StGB). Nach § 55 StGB kann eine Gesamtstrafe auch nachträglich gebildet werden, wenn nach noch nicht vollstreckter rechtskräftiger Verurteilung eine weitere Verurteilung wegen einer vor der früheren Verurteilung begangenen Tat erfolgt.

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Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbstständige Tat i.S.d. § 53 StGB zu werten. Werden Steuererklärungen abgegeben, die verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steuerpflichtige betreffen, stehen diese somit zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit. Eine einheitliche Zielsetzung des Täters, ein übereinstimmender Beweggrund oder die Verfolgung eines Endzwecks begründen Tateinheit ebenso wenig, wie das bloße Zusammenfallen von zwei Tatbeständen, bei denen der Täter den einen Tatbestand lediglich gelegentlich der anderen Tat verwirklicht.[1145] Die frühere Rspr.,[1146] wonach Tateinheit ausnahmsweise vorliegen könne, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgegeben werden, hat der 1. Senat mit Beschluss vom 22.1.2018 (1 StR 535/17) aufgegeben.[1147] Ebenso wenig ist für die konkurrenzrechtliche Bewertung erheblich, dass die Erklärungen hinsichtlich der verschwiegenen Betriebseinnahmen inhaltlich übereinstimmen.[1148]

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Bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen ist ebenfalls im Hinblick auf jede Steuerart, jeden Besteuerungszeitraum und jeden Steuerpflichtigen von einer selbstständigen Tat auszugehen.[1149] Allein ein einheitlicher Tatentschluss, seinen steuerlichen Pflichten für mehrere Steuerarten und mehrere Besteuerungszeiträume künftig nicht nachzukommen, begründet noch keine Tateinheit.[1150] Tateinheit ist nur dann ausnahmsweise anzunehmen, wenn die erforderlichen Angaben, die der Täter pflichtwidrig unterlassen hat, durch dieselbe Handlung zu erbringen gewesen wären.[1151] So hinterzieht etwa der Täter beim Schmuggel von Zigaretten dadurch, dass er bei der Einfuhr die ihm obliegenden Erklärungspflichten nicht erfüllt sowohl Einfuhrumsatzsteuer als auch Tabaksteuer.[1152]

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Die Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen ist nach aktueller Rechtsprechung des 1. Senats als mitbestrafte Vortat einer Steuerhinterziehung durch Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung desselben Jahres zu qualifizieren.[1153] Gleiches hat der BGH für den Fall der Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und der nachfolgenden Nichtabgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung entschieden.[1154] Für die bislang nicht entschiedenen „Mischfälle“ der Nichtabgabe von Voranmeldungen und der Abgabe einer fehlerhaften Jahreserklärung sowie der Abgabe fehlerhafter Voranmeldungen und der Nichtabgabe einer Jahreserklärung wird nichts anderes gelten, da der BGH für die Frage der mitbestraften Vortaten allgemein auf das Verhältnis zwischen Voranmeldungen und Jahreserklärung abstellt, ohne einen Unterschied bzgl. der Begehungsform zu machen. Ausdrücklich führt der BGH in seiner Entscheidung vom 25.10.2018 aus: „Den Feststellungen kann … nicht entnommen werden, ob der Angeklagte auch in der Umsatzsteuerjahreserklärung unrichtige Angaben gemacht bzw. eine solche nicht abgegeben hat, obwohl eine Pflicht dazu (noch) bestand“.[1155] Es spielt folglich keine Rolle, ob den durch Nichtabgabe von Voranmeldungen begangenen Steuerhinterziehungen hinsichtlich der Jahreserklärung eine durch Tun oder Unterlassen begangene Steuerhinterzieung nachfolgt.[1156] Gleiches gilt nach Abgabe falscher Umsatzstseuevoranmeldungen. Demgegenüber versteht etwa Ebner die Rspr. so, dass nur dann allein auf die Umsatzsteuerjahreserklärung abzustellen sei, wenn eine solche auch abgegeben worden ist. Wurden lediglich falsche Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben, im Anschluss aber eine Umsatzsteuerjahreserklärung gänzlich unterlassen, so lägen mangels „Durchgangsstadium“ im Sinne des Urteils (IV.2.a bb (2)) im Grundsatz nach wie vor mehrere tatmehrheitliche Steuerhinterziehungen vor.[1157] Vor der Rspr.-Änderung war die h.M. der Ansicht, zwar bezögen sich die Erklärungen auf dieselbe Steuerart und dasselbe Steueraufkommen eines Jahres, dennoch komme ihnen „aufgrund der steuerrechtlichen Selbstständigkeit beider Besteuerungsverfahren“[1158] jeweils ein eigenständiger Erklärungswert zu, der auch durch die Zusammenfassung in der Jahreserklärung nicht deckungsgleich werde.[1159] Mit der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung verwirkliche der Täter daher weiteres Handlungs- und Erfolgsunrecht, indem er eine eigenständige Gefährdung für das Umsatzsteueraufkommen herbeiführe.[1160] Nach der aktuellen Rspr. des BGH ist, wenn es zur tatbestandlichen (Nichts-)Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung kommt, nur eine Tat der Umsatzsteuerhinterziehung verfolgbar, auch wenn bereits keine oder falsche Voranmeldungen abgegeben worden sind.[1161] Der in früheren Entscheidungen angeregten Verfolgungsbeschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO bedarf es daher nicht mehr. Der BGH betont, dass sich für das konkurrenzrechtliche Verhältnis von unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen und unrichtiger Umsatzsteuerjahreserklärung des nämlichen Jahres auch keine Unterschiede in Abhängigkeit davon ergeben, ob der Täter aufgrund falscher Angaben in den Voranmeldungen zunächst nur Liquidität erreichen wollte oder ob er von Anfang an auf Dauer Steuern verkürzen wollte. Bleibe der Hinterziehungsumfang durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung hinter demjenigen unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen zurück, könne darin eine strafbefreiende Teilselbstanzeige liegen (vgl. § 371 Abs. 2a Satz 1 und 4 AO, siehe dazu § 371 Rn. 75).[1162] Kommt es nach Nichtabgabe oder Abgabe von falschen Voranmeldungen nicht zur Abgabe einer Jahreserklärung, so werden die bzgl. der Voranmeldungen begangenen Taten erst dann konsumiert, wenn die in der (Nicht-)Abgabe der Jahreserklärung liegende Steuerhinterziehung vollendet ist[1163] (zur Vollendung siehe Rn. 184 ff.). Ist insoweit Vollendung noch nicht eingetreten, so können bis zu 12 Taten der Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Abgabe falscher Voranmeldungen tatmehrheitlich verwirklicht sein. Die Verwirklichung von „bis zu dreizehn materiell voneinander unabhängigen Taten der Steuerhinterziehung“ kommt entgegen der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr in Betracht.[1164]

 

440

Um mehrere Taten i.S.d. § 53 StGB handelt es sich bei der Hinterziehung der gem. § 41a EStG monatlich vom Arbeitgeber anzumeldenden Lohnsteuer und der jährlich vom Arbeitnehmer zu erklärenden Einkommensteuer. Insoweit kommen, bezogen auf ein Jahr, weiterhin 13 eigenständige Hinterziehungstaten in Betracht.[1165] Der BGH hat dazu klargestellt, dass sich der Arbeitnehmer an den auf die Lohnsteuer bezogenen Taten des Arbeitgebers als Täter oder Gehilfe beteiligen kann oder aber die Hinterziehung in mittelbarer Täterschaft begehen kann, indem er etwa dem Arbeitgeber falsche Lohnsteuermerkmale mitteilt.[1166] Daneben tritt als weitere eigenständige Tat die Hinterziehung von Einkommensteuer durch den Arbeitnehmer, wenn seine Veranlagung nach dem Einkommensteuergesetz durchzuführen ist und er insoweit unrichtige Erklärungen abgibt oder die Abgabe einer Steuererklärung unterlässt. An dieser Tat kann sich der Arbeitgeber als Täter oder als Gehilfe beteiligen.[1167] Fraglich ist, ob im Verhältnis der Lohnsteuer zur Einkommensteuer (ebenso wie im Verhältnis der Umsatzsteuervoranmeldung zur Jahreserklärung) von einer einheitlichen prozessualen Tat i.S.d. § 264 StPO auszugehen ist.[1168] Zu beachten ist insoweit, dass erklärungspflichtig hinsichtlich der Lohn- und der Einkommensteuer – anders als bei der Umsatzsteuer – unterschiedliche Personen, nämlich Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sind. Eine einheitliche prozessuale Tat kommt z.B. in Betracht, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Schwarzlohnabrede treffen.[1169]