Die zeitlose Ayurveda-Küche

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1 Einführung

Historische Quellen der Ayurveda-Medizin

Definition von Ayurveda als Methode

Definition der ayurvedischen Heilküche

Ayurveda in der westlichen Gesellschaft


Die Geschichte des Ayurveda muss genau genommen von zwei Seiten beleuchtet werden.

Es existieren die traditionelle Überlieferung aus vedischem Zusammenhang und eine wissenschaftlich geprüfte Historie.

Beide stehen in krassem Widerspruch zueinander. Da- mit sich jeder ein eigenes Bild machen kann, stellen wir

die beiden einander gegenüber und überlassen dem Leser die Entscheidung, welche Version er für wahrscheinlicher hält. Zuerst wenden wir uns der Darstellung innerhalb der Tradition zu.

In der ayurvedischen Tradition gibt es die Darstellung der Entstehung nur in philosophischem und mythologischem Kontext. Die Entstehung des Ayurveda historisch zu datieren ist ebenso unmöglich wie sinnlos. Er ist eine Wissenssammlung, die aus einem unbestimmten Zeitraum bis zum erstmaligen Niederschreiben vor ebenfalls unbestimmbarer Zeit stammt. Schätzungsweise wird die Wissenssammlung seit etwa 5.000 Jahren betrieben, mit Unterbrechung nach dem Zerfall der vedischen Hochkultur. Die ältesten bekannten Schriften sind ursprünglich etwa 3.000 Jahre alt, aber immer wieder abgeschrieben und heute nur noch aus jüngerer Zeit verfügbar. Das Prinzip der Mahabhutas (5 Elemente) findet sich allerdings schon auf Steinschriften aus Indien, die auf ein Alter von 11.000 Jahren datiert werden können (Die 4 Elemente – Der geheime Schlüssel zur geistigen Macht, Emil Stejnar, Ibera-Verlag, Wien, 2008).

Sämtliche Verfasser vedischer Texte weisen darauf hin, dass dieses Wissen universell und zeitlos ist und seit Anbeginn der Schöpfung existiert. Des Weiteren herrscht eine große Kluft zwischen schulgeschichtlicher, anthropologischer Forschung und der orientalischen asiatischen Geschichtsschreibung in Bezug auf historische Zeiträume.

Die vedischen Verfasser weisen auch immer wieder auf den zyklischen Aspekt der Zeit hin. Hiernach wird erst in diesem gegenwärtigen Zeitalter des Kaliyuga (astronomisches Zeitalter der Dunkelheit) das Niederschreiben gewisser Wissenskomplexe notwendig. Grund dafür ist der zunehmende Verlust der menschlichen Fähigkeit des Sruti-Siddha, dem Behalten aller einmalig gehörten Zusammenhänge. Das Kaliyuga begann vor 5.400 Jahren. Interessant ist, dass das Erscheinen der ersten komplexen Schriftart, dem Deva-Nagari (dem heutigen Sanskrit), in ebendiesen Zeitraum fällt.

Die klassischen Schulen

Die ältesten uns bekannten Texte gehen direkt auf zwei Verfasser zurück, die auch als Begründer der zwei führenden Schulen gelten: Caraka und Sushruta. Ältere Texte, die der mythischen Figur Dhanvantari1 zugeordnet werden, sind heute nicht mehr existent oder vor der Öffentlichkeit verborgen.

Die genaue Lebenszeit beider Ärzte ist nicht genau zu bestimmen. Laut den ayurvedischen Revitalisierungsaktivisten haben sie definitiv gelebt, wenn auch ungewiss ist, wann und wo.

Sushrutas Leben und Wirken wird auf etwa 800 v. Chr. datiert. Naheliegend ist, dass Caraka und Sushruta, wenn überhaupt, in zwei verschiedenen Jahrtausenden gelebt haben.


Historische Quellen der Ayurveda-Medizin

Die ältesten uns bekannten handschriftlichen Texte werden auf die Zeit zwischen 300 v. Chr. und 200 v. Chr. datiert. Zwischen 300 v. Chr. und 600 n. Chr. muss eine Art Kanonisierung der vorliegenden Texte durch damalige Verantwortliche für den medizinischen Bildungsbereich geschehen sein. Das geht eindeutig aus Zeitzeugenberichten und späteren Quellen hervor.

Der Meisterchirurg Sushruta2 lebte der Legende nach etwa 800 v. Chr. Den Überlieferungen zufolge war er, Sohn des Vishvamitra, von seinem Vater an die Schule des Divodasa Kasi Raja Dhanvantari in Varanasi (Benares) geschickt worden, um die Grundlagen der Medizin zu studieren. Während seines Studiums spezialisierte er sich auf Shalya (Chirurgie) und machte es zu seinem Lebensinhalt. Über seine Erfahrungen schrieb er ein Buch. So entstand die Sushruta Samhita, das berühmte anatomische Standardlehrwerk des Altertums. Bemerkenswert an dieser Schrift ist, dass sie im Altertum sowohl ins Arabische als auch ins Griechische übersetzt wurde. Sie wird in allen medizinischen Quellen der Antike erwähnt – sowohl in Europa als auch im restlichen Mittelmeerraum.

Sushruta hatte sich auf das Behandeln von Kampfwunden auf den Schlachtfeldern der damaligen Zeit spezialisiert. Dies garantierte seinerzeit reichlich Arbeit. So erwarb er sich weit über die Grenzen seines Landes hinaus einen Ruf als Wundarzt und Feldchirurg. Diese Tätigkeit kann als Schlüssel dazu angesehen werden, warum Sushruta über so exakte anatomische Kenntnisse verfügte, was in diesem Zeitalter eher ungewöhnlich war. Diese Kenntnisse waren für die damalige Zeit so präzise, dass sie in unserer bekannten Antike bis ins Spätmittelalter in Südeuropa als anatomisches Standardlehrwerk galten.

In der Sushruta Samhita wird erwähnt, dass das niedergeschriebene Wissen eine Abschrift der Lehren Dhanvantaris ist. Gleichzeitig wird erwähnt, dass Mitschüler Sushrutas wie Aupadhenava, Aurabhra und Skalavat Paua ebenfalls schriftliche Abhandlungen über plastische Chirurgie geschrieben haben. Diese Schriften existieren nicht mehr. Daher nahm Sushrutas Werk den Platz des Standardlehrwerks ein. Ebenso interessant ist Sushrutas Bericht über das Anfertigen einer eisernen Beinprothese nach der Amputation bei einer jungen Frau.

Neben der Anatomie Sushrutas ist das nächste Hauptwerk des Ayurveda das von Caraka – die Caraka Samhita. Sie ist das zentrale Werk ayurvedischer Heilkunde und Standardliteratur an ayurvedischen Universitäten in Indien. Caraka definiert zunächst ganz allgemein die menschliche Natur ganzheitlich. Er legt Regelwerke für gesundes Verhalten fest und erläutert grundlegende Naturheilverfahren, die größtenteils auf der ganzen Welt bis heute bekannt und genutzt werden. Hierzu gehören die Diätetik, Dampfbäder, Kräuterabkochungen, heiße Wickel, Ölmassagen usw.

Caraka beschreibt ein ganzheitliches Menschenbild, das sowohl geistige Realitäten als auch die seelische Ebene dem Menschen als ebenso wichtig zuordnet, wie das Wissen um die Funktionen auf der physischen Ebene. Man kann sagen, dass der Ayurveda durch Ergänzungen moderner medizinischer Erkenntnisse das älteste ganzheitliche erfahrungsmedizinische Wissen der Menschheit darstellt. Hierbei sind alle möglichen Realitäten im somatischen wie im psychischen Bereich berücksichtigt.

Die Verfasser weisen immer wieder daraufhin, dass dieses Wissen vom Ursprung her deduktiver Art ist. Es entstammt also der gleichen spirituellen Dimension wie unsere Seelen und existiert seit Anbeginn der Zeit. Alle Sammlungen von Texten späteren Erscheinens stellen den induktiven erfahrungswissenschaftlichen Teil dar.

Die Schulen teilten sich früh in zwei Linien: Diagnostik/Innere Medizin und Chirurgie. Die chirurgische Schule geht über Sushruta und auf Divodasa Dhanvantari (schriftlich erstmalig erwähnt im 9.–6. Jahrhundert v. Chr.) zurück. Er gilt als der Urvater der chirurgischen Schule.

In der traditionellen Überlieferung verläuft der Entwicklungspfad der Schulen folgendermaßen:

Bharadvaj: erster Mensch, der dieses Wissen in deduktiver Form empfängt; Sharngadhaa Samhita

(Sammlung ayurvedischer Rezepte aus dem 13. Jahrhundert v. Chr.).

Madhava Nidana-Diagnostik: im 9. Jahrhundert v. Chr. erstmalig schriftlich erwähnt; hier wird die erste Verwendung von Quecksilber auf das 14. Jahrhundert v. Chr. zurückdatiert.

Asthanga Hridayam: angeblich im 8. Jahrhundert v. Chr. erstmalig schriftlich erwähnt.

Atreya Punarvasu: erste Ärzteschule, 6.–8. Jahrhundert v. Chr. gegründet.

Atreya: schreibt die Caraka Samhita im 1. Jahrhundert v. Chr. in der heute bekannten Form nieder.

Die Historie aus indologischer/ethnologischer Sicht

Der uns heute bekannte Ayurveda ist in dieser professionalisierten Form ein Kind des 20. Jahrhunderts. Seine Ursprünge liegen nicht allein in Indien. Vielmehr hat der asiatische Medizinpluralismus über Jahrhunderte, möglicherweise über Jahrtausende hinweg ein vielschichtiges Gewebe entwickelt, das man heute unter dem Begriff „Ayurveda“ zusammenzufassen versucht.

 

Die verschiedenen medizinischen Traditionen wurden über Jahrhunderte hinweg in Indien nur innerhalb bestimmter Familien weitergegeben. So kommen auch die verschiedenen Spezialisierungen der alten Traditionen zustande. Die Verwendung der klassischen Texte und Methoden spielten hier nachweislich keine Rolle. Die meisten Vaidya-Familien waren erwiesenermaßen nicht einmal des Sanskrit kundig („Kölner Ethnologische Arbeitspapiere“, Bonn 1992).

Nach den eigenen vedischen Quellen ist der Ayurveda göttlichen Ursprungs, d. h., er wurde durch Götter und Weise (Rishis) offenbart. Daran knüpfen sich die Jahrtausende alte Erfahrungswerte durch die praktische Anwendung des offenbarten Wissens. Durch das Verbundensein mit der religiösen Tradition Indiens erhebt der Ayurveda einen Anspruch auf Absolutheit und gleichzeitig darauf, wissenschaftlicher Urheber der Humanmedizin zu sein.


Bei einem genaueren Betrachten der historischen Hintergründe entsteht allerdings ein völlig anderes Bild. Wir haben für unsere Recherchen die ethnologische Magisterarbeit von Ronald Kaiser mit dem Titel „Die Professionalisierung der ayurvedischen Medizin und deren Rolle im indischen Medizinpluralismus“ eingehend studiert und dort die besten Belege über die Historie des Ayurveda gefunden.

Zum einen zeigen die dort angegebenen Quellen eine andere Entstehungsgeschichte als die ayurvedaeigenen Überlieferungen. Zum anderen entsteht ein anderes Bild der gegenseitigen Beeinflussung von indischer, arabischer, griechischer und graeco-arabischer Unani-Medizin. Danach ist viel wahrscheinlicher, dass mehr Teile des Ayurveda von anderen medizinischen Traditionen übernommen wurden als umgekehrt. Damit muss der Urheberanspruch des Ayurveda als älteste Medizin infrage gestellt werden.

Sowohl indologische als auch viele indische Quellen stehen im Widerspruch zueinander, was historische Fakten und Zeiträume betrifft. An dieser Stelle werden wir uns nur kurz mit den beiden grundlegenden Unverständlichkeiten der ayurvedischen Geschichte befassen:

Die grundlegenden Werke der klassischen Periode

Caraka Samhita und Sushruta Samhita

• Die einseitige Einflussnahme des Ayurveda auf andere medizinische Traditionen

Die Werke des Altertums, die die Basisliteratur des Ayurveda darstellen, stammen nach den Indologen aus verschiedenen Epochen. Sie beziehen sich auf chinesische Dokumente, die einen Arzt mit Namen Chara oder Caraka am Hofe des Königs Kaniska erwähnen. Es ist nicht gesichert, dass er auch der Autor der nach ihm benannten Samhita ist. Selbst in der Caraka Samhita findet sich der Hinweis, dass einige Teile der Originalversion verloren gingen und im 12. Jahrhundert von einem Kashmiri namens Drdhabala ergänzt wurden.

Auch Sushruta lässt sich als historische Person nicht datieren und es existiert kein Beweis für seine Existenz. Sicher ist allerdings, dass ausgerechnet die Chirurgie eher in griechischer, mesopotamischer und arkadischer Medizin praktiziert und gelehrt wurde als in ayurvedischer. Die Sushruta Samhita beschreibt aber hauptsächlich das Thema Chirurgie. Sie beschreibt 121 Operationsinstrumente und Techniken der plastischen Chirurgie, z. B. die Entwicklung einer Nasenplastik sowie die Herstellung von Beinprothesen.

Die von Vedantisten behaupteten medizinischen Kenntnisse in Rigveda und Atharvaveda heben sich nicht über den Kontext Krankheit und Dämonologie hinaus, kennen keine Materia Medica und keine vielschichtigen Therapiemethoden. Lediglich die Existenz von Heilpflanzen wird erwähnt.

Der älteste genau datierte Nachweis über ein Tridosha-Konzept, eine Lehre über Verdauung, Einfluss von Jahreszeiten und benannten Krankheiten sowie Medikamenten, lässt sich im sogenannten Bower-Manuskript finden, das auf ca. 500 n. Chr. datiert wird. Die Sprache dieses Manuskripts ist älter als die der Caraka- und Sushruta Samhita, von denen heute nur Fassungen aus dem 11. oder 12. Jahrhundert existieren. Interessant ist aber an dieser Stelle, dass es arabische Übersetzungen der beiden Texte aus dem 8. Jahrhundert gibt. Die Texte existierten also schon vorher.

Der erste literarische Beweis über ein Ungleichgewicht der Säfte, das Krankheiten hervorrufen kann, findet sich in einem Manuskript von Katyayana von 313 v. Chr. Dazwischen existiert das sogenannte Quizil-Fragment aus dem 2.–3. Jahrhundert n. Chr., in dem ebenfalls die drei Doshas Wind, Galle und Schleim erwähnt werden. Das älteste bekannte Dokument der Caraka Samhita ist nach dem deutschen Indologen Julius Jolly in noch schlechterem Zustand als die Sushruta Samhita. Deren heutige Version wurde aus verschiedenen Kommentaren aus dem 11. und 12. Jahrhundert n. Chr. zusammengesetzt.

Die dem Autor Vagbhata zugeordnete Samhita stammt aus dem 6.–7. Jahrhundert n. Chr. und ist das jüngste der drei klassischen Standardlehrwerke. Alle zusammen werden Astangahrdaya Samhita genannt, das „Herz der acht Glieder“.

Es bleibt also zu bemerken, dass die frühe Datierung der Samhitas auf bis zu 1.000 Jahre v. Chr. wissenschaftlich nicht haltbar ist, auch wenn es vonseiten der Ayurveda-Bewegung immer wieder behauptet wird. Auch die von Indologen gemachten Angaben von 100/200–400 n. Chr. sind nur Schätzungen. Nachgewiesen wurde ein medizinisches Konzept, das über die Dosha-Lehre hinausgeht, erst im 5. Jahrhundert n. Chr.

Insgesamt nehmen die Autoren der Werke über Indologie an, dass sich die medizinischen Traditionen dennoch unabhängig voneinander parallel entwickelt haben. Es ist eine Tatsache, dass im 6. Jahrhundert v. Chr. griechische Ärzte an den Höfen der persischen Könige arbeiteten, zu deren Imperium auch Indien zählte. Eine einseitige Einflussnahme der ayurvedischen auf die griechische Medizin wird also eher ausgeschlossen.

In seiner heutigen Form ist Ayurveda ein Produkt des Zusammenschlusses vieler medizinischer Traditionen, auch europäischer. Die Behandlungsarten wie Aderlass, Einläufe und Ausleitungsverfahren finden im 16. Jahrhundert in den Krankenhäusern der portugiesischen Kolonialherren erstmalig in Indien Erwähnung. Auch das Pulsfühlen als Diagnosemethode wird erst spät von der Unani-Medizin übernommen. Zungenbelag mit der Verdauung in Zusammenhang zu bringen entstammt nachweislich der europäischen Medizin.

Während der Herrschaft der persischen Mogulkaiser ab dem 15. Jahrhundert fand ein ausgesprochen reger Austausch von medizinischem Wissen unter Unani-Ärzten, Vaidyas und buddhistischen Heilertraditionen statt. Die muslimischen Herrscher waren Patrone der Vaidyas, während die Hindukönige die Unani-Ärzte förderten. Von einer Unterdrückung der Ayurveda-Tradition durch Besatzungsmächte kann also nicht die Rede sein. Selbst die Briten unternahmen Anstrengungen, die indischen Heilkünste zu fördern und in diesem Bereich ein eigenes Bildungswesen aufzubauen. Leider war zu diesem Zeitpunkt (frühes 19. Jahrhundert) Indien voll von Heilern, die nur magisch-mystisch oder religiös in der Praxis orientiert waren, jede Menge Scharlatane inklusive.

Erste Bestrebungen der indischen Provinzregierungen entwickeln im 19. Jahrhundert ein medizinisches Bildungssystem. Es entstanden die ersten klassischen ayurvedischen Schulen, die, angelehnt an europäische Medizin, Anatomie, Chirurgie und Anwendungen der klassischen Ayurveda-Medizin lehrten. Auch hier spielte der Austausch zwischen Europäern und Indern eine wichtige Rolle. Die heute existierenden Schulen sind erst im letzten Jahrhundert (also nach der Unabhängigkeit Indiens 1947) eröffnet oder reaktiviert worden. Das einheitliche Bildungswesen für Ayurveda wird vom CCIM (Central Council for Indian Medicine) reguliert. Der indische Studiengang fängt beim Bachelor-Studiengang über fünf Jahre an und geht über insgesamt neun Jahre weiter bis zum Doktor der Medizin (M.D.).

Die vedische Kochkunst und ihre Ursprünge


Die Entwicklung der vedischen Kochkunst lässt sich nicht mehr datieren, da viele der heute noch bekannten Rezepte auch bereits in Jahrtausende alten Schriften Erwähnung finden, z. B in der Bhagavata Purana, der Caraka Samhita und anderen. Einige der orthodoxen spirituellen Schulen besitzen Klöster, die Jahrtausende alte Rezeptsammlungen auf ayurvedischer Grundlage archivieren. Heilkundige und Hüter des Wissens waren und sind bis heute Eingeweihte der spirituellen Schulen. Strengere ayurvedische Diäten und Kochrituale finden sich in ganz Indien und Asien nur noch in Klöstern oder Tempeln von Hindus und Buddhisten. Speziell in brahmanischen Kreisen wird die vedische Kochkunst seit Jahrtausenden entwickelt und kultiviert. Die speziellen Diäten (Sattvika bis Tamasika) werden von dort an die Menschen außerhalb weitergegeben. Auf deren Empfehlungen und Vorbildfunktion hin hat sich speziell in Indien auch die bürgerliche Kochkultur entwickelt.

Da sich im Laufe der Jahrhunderte die Lebensgewohnheiten in Bezug auf Landwirtschaft und Konsumgüter auch durch klimatische Änderungen immer wieder verändert haben, finden wir auch eine stetige Weiterentwicklung der Forschung im Ernährungsbereich.

„Der, der täglich Heilnahrung zu sich nimmt,

genießt ein harmonisches Leben.

Er bleibt unberührt von den Sinnesobjekten, gibt und vergibt, liebt die Wahrheit, dient den Mitmenschen und bleibt frei von Krankheit.“

(Vagbhata Sutrasthana)

Im Laufe der letzten 100 Jahre wurden im Westen moderne Ernährungstheorien entwickelt. Sie sind meist widerlegt worden oder stellten sich als ineffektiv oder teilweise sogar gefährlich heraus, und verschwanden deshalb wieder. Im Gegensatz dazu ist die ayurvedische Ernährungslehre die älteste zeitlose Erfahrungswissenschaft der Menschheit. Grund dafür ist, dass sie die Individualität jedes Körpers berücksichtigt. Demzufolge liefert sie zuverlässige Ergebnisse im Bereich der Prävention und Ernährungstherapie.

Zwischen moderner wissenschaftlicher Forschung und Ayurveda stellt sich die Vertrauensfrage. Der Unterschied beider Schulen liegt in der Methodik: Die Rishis und die vedischen Ärzte der Antike betrachteten ihren eigenen Körper als Experimentierfeld. Durch exakte sinnliche Wahrnehmung und Beobachtung kamen sie zu Ergebnissen, die auch heute jeder Mensch reproduzieren kann – un-abhängig von Rasse, Kultur, Glauben, Gewohnheit und Klima. In der modernen wissenschaftlichen Forschung wurde das Experimentierfeld in die Tierwelt der kleinen Säugetiere verlagert. Dabei ist statistisch jedes Ergebnis mittels Laboruntersuchungen und technischen Messdaten am toten Säugetier reproduzierbar. Interessant ist aber, dass die sogenannten „modernen“ ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse sich größtenteils mit den ayurvedischen Angaben aus grauer Vorzeit decken.

Die historischen Einflüsse Indiens schlagen sich auch in der ayurvedischen Küche nieder. Die heute bekannte indische bürgerliche Küche geht natürlich maßgeblich auf das alte Wissen zurück. Man muss aber beachten, dass der Norden des Landes über Jahrhunderte hinweg immer wieder von Belagerern und Eroberern besetzt war, die erheblich Einfluss auf die kulturellen Gepflogenheiten genommen haben. So führten die persische Küche der Moguln und die Vorlieben der englischen Kolonialherren zu einer überraschend fleischlastigen Küche Nordindiens. Die Portugiesen brachten beispielsweise die bis dahin unbekannte Chilischote nach Indien, die einen festen Platz in der indischen Küche gefunden hat. Die toxischen Nahrungsmittelkombinationen hingegen, nach ayurvedischen Maßstäben bemessen, finden wir eher noch in der bürgerlichen Küche Südindiens berücksichtigt.