Die zeitlose Ayurveda-Küche

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Definition von Ayurveda als Methode


Im Juli 2010 wurde eine ZDF-Kochsendung mit dem bekannten bayerischen Sternekoch Lanz ausgestrahlt.

Überraschenderweise sprach er dort über die uralte ayurvedische Küchentradition, natürlich ohne sie namentlich zu erwähnen.

Er bereitete eine Gewürzmischung zu, in der die antikarzinogene Wirkung der Kurkumawurzel durch die Beigabe von schwarzem Pfeffer 100-fach verstärkt wird.

War das ein wegweisendes Signal für die bahnbrechende Heilküche des indischen Subkontinents?

Ayurveda die zeitlose Mutter aller Heilkünste
Was bedeutet Ayurveda wortwörtlich?

Ayurveda ist das älteste überlieferte Medizinsystem der Menschheit. Ayus ist das lebendige Gefüge aus Körper, Sinnesorganen, Geist und Bewusstsein. Veda bedeutet das erfahrbare praktische Wissen. Ayurveda, die „Wissenschaft vom langen, gesunden Leben“, ist eine umfassende Humanwissenschaft und Erfahrungsmedizin. Sie wirkt ordnend und ausgleichend auf das menschliche Leben in all seinen Bereichen.

Gesundheit im ayurvedischen Sinn

Ein Mensch wird gesund genannt, wenn

• seine Bioenergien (Vata, Pitta und Kapha) in Harmonie sind (Sama doshah),

• er über eine ausgewogene Verdauung/einen ausgewogenen Stoffwechsel verfügt (Samagnish),

• seine Gewebe richtig aufgebaut und die Abfallstoffe adäquat ausgeschieden werden (Sama dhatu, mala kriyah),

• seine Sinnes- und Tastorgane richtig arbeiten (Prasannatmendriya),

• seine Seele und sein Geist sich in einem Zustand dauerhaften Glücks befinden (Manah svastha ityabhidhiyate).

Sushruta Samhita, 15.38, 1. Jahrhundert v. Chr.

Gesundheit im abendländischen Sinn

„Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ (WHO, Genf, 1948)

Ayurveda ist eine universale, zeitlose Heil- und Selbstheilmethode. Da die menschliche Seele dem „kristallisierten, höheren Bewusstsein – der Summe aller Erfahrungen“ in uns entspricht, kann man Ayurveda als „Medizin des Bewusstseins“ bezeichnen. Nur das, was wir bewusst tun, vermag uns wirklich zu heilen.

Ayurveda ist überall auf unserem Globus anwend-bar, unabhängig von Rasse, Kultur, Religion, politischen Überzeugungen, Gewohnheiten und klimatischen Bedingungen. Wer die Grundprin-zipien des Ayurveda beherrscht, kann diese globale Methode den jeweiligen lokalen Bedingungen und Bedürfnissen auf der Erde anpassen.

Die logische Folge wird stets ein harmonisches Gleichgewicht auf der Ebene von Körper, Sinnesorganen, Geist und Bewusstsein sein.

Die indischen Rishis (Priesterärzte der Antike) empfingen in tiefer Hingabe und Versenkung die Naturgesetze. Sie waren in der Lage, den Fluss des Lebens zu kontrollieren. In Selbstversuchen ersannen sie Methoden und Verfahren, durch welche der Mensch sich vor Krankheiten schützen konnte und so in immer größere Harmonie mit dem Leben und der Umwelt gelangt.

Definition der ayurvedischen Heilküche


Ayurvedisch kochen heißt: heißt:

In einer Hauptmahlzeit

• alle sechs Geschmacksrichtungen (Rasa) zu vereinigen: süß, sauer, salzig, bitter, scharf und herb,

• den Wandel der Jahreszeiten (Rtu), die Konstitution des Menschen (Prakruti) und seinen momentanen, gestörten Zustand (Vikriti) zu beachten,

• das Verdauungsfeuer (Agni) zu stärken sowie die Verdauung (Samana) und die Ausscheidung (Apana) anzuregen,

• durch eine gezielte Auswahl an Nahrungsmitteln, Gewürzen und den Stoffwechsel anregenden Zubereitungsmethoden alle fünf Sinne (Jnanendriyas) anzusprechen. In ayurvedisch zubereiteten Speisen wird das „Gegengift“ in Form von sogenannten Antidots gleich mitgeliefert (siehe Tabelle, S. 214),

• die richtigen Nahrungskombinationen (Pathyapathya) zu wählen und damit ayurvedische Trennkost zu praktizieren.

Der Esser ist wichtiger als das Essen

Die Komplexität seines Wohlbefindens hängt von folgenden Faktoren ab:

- der Individuellen Konstitution: V, P, K, VP, PV, VK, KV, PK, KP, VPK (siehe S. 68 „Der Prakruti-Typtest“),

- der aktuellen körperlichen und seelischen Verfassung,

- der gegenwärtigen Lebensphase (Kapha-Wachstumsphase, Pitta-Midlife oder Vata-Seniorenalter),

- dem Zustand des individuellen Agni/Ama (Verdauungsfeuer/Ausscheidung) je nach Jahreszeit,

- der intuitiven Wahrnehmung und dem Einsatz der Sinne beim Essen: Was tut gut – was nicht?

Hier zählt man weder Kalorien noch zerlegt man die Nahrung in Fette, Eiweiße, Kohlenhydrate oder Spurenelemente.

In der ayurvedischen Ernährungswissenschaft haben die subjektive Erfahrung und das subjektive Empfinden eines jeden Menschen mehr Bedeutung als die objektiven Inhaltsstoffe der Nahrung. Die Nahrung soll individuell verträglich sein, also der momentanen Verdauungskapazität entsprechen.

Auch soll sie den unterschiedlichen Bedürfnis-sen eines Menschen, seinem Alter, Beruf, seiner körperlichen und seiner geistigen Verfassung angemessen sein. Gesunde Ernährung ist somit für jeden etwas ganz Persönliches.

Ein ayurvedisches Axiom lautet: „Nahrung ist Medizin, Medizin ist Nahrung.“ Die Nahrung sollte so zubereitet werden, dass man mit ihr gleichzeitig das Gegengift zu sich nimmt. Das sind Gewürze, Samen oder Kräuter, die helfen, die Speisen optimal zu verdauen. Voraussetzung für das sichere Hantieren mit diesen Zutaten ist die Kenntnis der

Energetik der Nahrungsmittel: Rasa, Guna, Karma, Virya, Vipak (siehe Kap. 3, S. 82 ff.), die Tridosha-Lehre (siehe Kap. 2, S. 46 ff.) und ihre Wirkung auf das Bewusstsein: Sattva, Rajas, Tamas (siehe Kap. 3, S. 114 ff.).

Es gilt, sorgfältig qualitativ hochwertige Nahrungsmittel auszuwählen. Dazu gehören Wurzeln, Milch und Getreide, möglichst aus biologischem Anbau. Es sind Früchte und Gemüse der Jahreszeit aus der Region vorzuziehen. Alle Zutaten sollten einen hohen Nährwert haben, natürlich hergestellt und so wenig wie möglich industriell verarbeitet sein (siehe Kap. 3, S. 133 ff.).

Ein weiterer Faktor, der bei der qualitativen Auswahl von Nahrungsmitteln eine Rolle spielt, betrifft die alkalische Balance in Speisen, also das Gleichgewicht zwischen säuernden und basisch wirkenden Nahrungsmitteln der pH-Werteskala. Leider gibt es viel Verwirrung um die korrekte pH-Wert-Bestimmung. Viele Konsumenten sind unsicher, wo der pH-Wert eigentlich gemessen werden soll. Im Säure-Basen-Milieu des Speichels oder im Magen? Im Blut oder im Urin? Oder ist das Säure-Basen-Verhalten der Nahrungsmittel selbst ausschlaggebend? Alles ist richtig, aber nichts ausschließlich. Auch in diesem Fall lohnt die ganzheitliche Betrachtung der Phänomene.

Man kann die Verwirrung aus ayurvedischer Sicht aufklären. Beginnen wir mit den Nahrungsmitteln und den ihnen innewohnenden Qualitäten (Gunas), Geschmacksrichtungen (Rasas) und pharmakologischen Wirkungen (Karmas).

Diese stehen fest, basierend auf jahrhundertealten Erfahrungen. Die meisten Zitrusfrüchte haben in ihrem natürlichen Zustand einen sauren Rasa (Geschmack), wirken aber erst nach der Assimilation im Blut alkalisierend. Wenn diese Substanzen mit dem Speichel in Berührung kommen, nimmt man die einzelnen Rasas wahr. Hier spielen Säure und Base noch keine Rolle. Im sauren Magenmilieu könnte man den heißen Virya (Energie einer Substanz) mit einer säuernden Wirkung vergleichen; ein kühler Virya wäre mit einer basischen Wirkung vergleichbar. Säuren erhitzen, Basen wirken kühlend.

Das mit Nährstoffen angereicherte Blut (Ahara rasa), entspricht der Nachverdauungswirkung (Vipak). Allerdings gibt es hier einen süßen Vipak (K++/vermutlich basisch3), einen sauren Vipak (P++/ vermutlich säuernd4) und einen scharfen Vipak (V++). (Weitere Details über die Energetik der Verdauung im Kap. 3, S. 92)

 

„Was des einen Nahrung,

ist des anderen Gift.“

(Paracelsus)

Der pH-Wert im Urin ist, ayurvedisch betrachtet, weniger relevant als die Frage, ob über die drei Ausscheidungsprodukte Stuhl, Urin, Schweiß (Mala) überschüssiges Vata, Pitta oder Kapha ausgeschieden wurde. Hierüber lassen sich physio-pathologische Rückschlüsse ziehen und man kann so die Ursache der Stoffwechselstörung analysieren – ein völlig anderer Weg.

Generell leiden Vegetarier weit weniger unter Übersäuerung. Der Stoffwechsel, d. h. die Enzymaktivität, die Zellatmung sowie das Herz-Kreislauf- System werden stark von Veränderungen des pH-Werts im Blut beeinflusst.

Diese Veränderungen finden nicht plötzlich, sondern über Wochen und Monate statt. Sie sind das Resultat des gesamten Ernährungsverhaltens. Vegetarier ernähren sich in erster Linie von basischen und pH-neutralen Nahrungsmitteln und einer geringen Menge an säuernden Stoffen. Das ist der Grund, weshalb man kaum Vegetarier kennt, die unter den sogenannten Zivilisationskrankheiten leiden. Die oben genannten pH-Veränderungen sind das Ergebnis einer langjährigen unausgewogenen, säurelastigen Ernährung. Jeder Mensch kann durch veränderte Kost sein Blut basischer machen. Basisches Blut ist der Garant für ein Höchstmaß an Gesundheit und mentaler Ausgeglichenheit.

Die drei großen Gruppen der Säure-Basen-Diät

1. Basennahrung: Süße und saure natürliche Früchte und Fruchtsäfte, Trockenfrüchte, nahezu alle Gewürze und Gemüse, Salate, Pilze, Kartoffeln, Bohnen (Hülsenfrucht), Kokos- und Haselnuss, Bulgur, selbst gemachter Frischkäse (Paneer), Hüttenkäse, Buttermilch. Basische Nahrung wirkt aufbauend und harmonisierend auf Organe, Gewebe, Nerven und Drüsen.

2. Säure bildende Nahrungsmittel: Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte, Käse, Eier, Erbsen, Linsen und die meisten Kohlenhydrate, insbesondere Süßigkeiten und Weißmehlprodukte, Brot und Backwaren.

3. pH-neutrale Nahrungsmittel: Fette wie Ghee, Butter, Margarine, Speiseöle, Buchweizen, Milch, Sahne und Sauermilchprodukte. Da diese Fette sehr konzentriert sind, können sie, im Übermaß genossen, säuernd wirken. Das wiederum belastet das Verdauungssystem, insbesondere die Organe der Fettverdauung wie Leber, Gallenblase und Pankreas. Bei Kindern unter zwölf Jahren wirkt sich das besonders problematisch aus. Ihre Organe sind noch nicht voll belastbar durch schweres Essen.

Im Verhältnis sollte die tägliche Kost aus ⅔ Basennahrung und ⅓ sauren Nahrungsmitteln bestehen. Bei der durchschnittlichen US-amerikanischen Kost verhält es sich genau umgekehrt. Machen Sie also Gemüse zum Kern Ihrer Ernährung, begleitet von Früchten, Nüssen, Hülsenfrüchten und einfachen Milchprodukten. Schränken Sie Süßigkeiten, Kohlenhydrate und tierische Proteine ein. Seien Sie maßvoll in der Verwendung von Fetten und Ölen. Sie werden sich dadurch besser fühlen!

Ayurveda in der westlichen Gesellschaft
Diätrichtungen im Vergleich


Im Ökotest von 1993 wurden erstmals u. a. folgende Diätrichtungen untersucht: Vegetarismus (ovo-lacto/vegan), Makrobiotik, Haysche Trennkost, Ayurveda, Rohkost und anthroposophische Ernährung. Unbedenklich für Jung und Alt und auf lange Sicht ohne Gesundheitsrisiken waren lediglich die anthroposophische und die ayurvedische Ernährungsweise. Bei letzterer ist für Kinder und Heranwachsende bis zur Volljährigkeit ein ausschließlicher Genuss nicht ratsam. Die zu intensiven Gewürze oder bitteren und scharfen Gemüse wie Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer und Chili wirken zu stimulierend auf das Hormon- und Nervensystem. Alle anderen Richtungen können vorübergehend oder bei Allergien und Stoffwechselproblemen eine reinigende und entlastende Wirkung auf den Organismus haben. Bei zu langem Genuss führen sie – von typbedingten Ausnahmen abgesehen – zu Mangelerscheinungen und Gesundheitsproblemen.

Beide, die anthroposophische und die ayurvedische Ernährungsweise, sind ganzheitliche, spirituelle, also den ganzen Menschen in seinem Umfeld spiegelnde Systeme

Körper, Sinne und Bewusstsein sind gleichberechtigt. Nach Rudolph Steiner5 ernährt man sich so wie in Europa vor dem zweiten Weltkrieg: höchstens einmal pro Woche Fleisch oder Fisch, regelmäßig Hülsenfrüchte, Milchprodukte in Maßen, viel ungespritztes Gemüse, Salate, Gartenkräuter und Obst der Jahreszeit. Alles ist möglichst in der gleichen Region gereift (in der man selbst lebt), d. h. aus einem Umkreis von 50–100 km.

Schlussendlich ist in der anthroposophischen Betrachtung der geistige Aspekt der Nahrung ebenso wichtig wie in der Triguna-Lehre. Auch hier geht es darum, so viel wie möglich ätherisches, also feinstoffliches Bewusstsein aus der Nahrung zu ziehen. Das gemeinsame Ziel lautet: allumfassende Gesundheit und spirituelles Wachstum.

Ayurveda-Küche versus indische Küche

Den meisten sind der exotische Geschmack und die stark gewürzten Speisen der bürgerlichen indischen Küche bekannt. Die verschiedensten Koch-traditionen des indischen Subkontinents gehen auf die vedische Tradition zurück und orientieren sich in Bezug auf Kombination und Auswahlkriterien an den Grundprinzipien des Ayurveda.

Viele unserer Gäste meinten, die indische Volksküche sei mit der ayurvedischen Heilküche gleichzusetzen. Das trifft aber nicht zu. Die Definition der ayurvedischen Heilküche zeigt deutlich, womit sie sich von der indischen Küche abgrenzt. Die brahmanische Priesterkaste Indiens hat sich meist an die Prinzipien der Ayurveda-Küche gehalten. Ein Großteil der Hindus isst vegetarisch. In den ayurvedischen Medizinschriften hingegen werden die Qualitäten, Vorzüge und Nachteile des Verzehrs einzelner Nahrungsmittel wie Fleisch, Fisch oder Milch genauestens analysiert. Es geht dabei um die typenspezifische Zu-/Abträglichkeit und den therapeutischen Nutzen dieser Nahrungsmittel sowie die pathologischen Folgen missbräuchlichen Verzehrs. Fleisch war also in der indischen Antike keineswegs tabu – unter gewissen Voraussetzungen natürlich. Die Ausübung bestimmter religiöser, spiritueller Praktiken und Meditationstechniken legte den Verzicht auf Fleisch- oder Fischverzehr nahe. (Mehr dazu im Kapitel 3, S. 113 ff. )

Wie jedes andere Land sind die Inder in ihre kulturellen Traditionen eingebettet und haben klimatisch bedingte Essgewohnheiten

Die persische Mogulherrschaft führte im 16. Jahrhundert den Fleischverzehr ein. Die Portugiesen brachten etwas später die Chilischote nach Indien. Die Kuh war und ist bis heute die Lebensgrundlage der indischen Familie in ländlicher Gegend. Die hinduistische Religion ist die einzige Weltreligion ohne Religionsstifter. In ihr ist sogar die Nahrung Gott Brahma zugeordnet und das (Verdauungs-)Feuer wird als Gottheit namens Agnideva verehrt.Alle Lebewesen haben hier gleiches Recht auf Leben und seelische Entwicklung. Menschen, die den Tieren das Leben nehmen, verstricken sich nach Auffassung der Hindus in karmische Prozesse, die bis in spätere Reinkarnationen negative Auswirkungen haben können. Deshalb haben die Hindus die älteste vegetarische Tradition der Erde. Diese Gegebenheiten prägen trotz äußerer Einflüsse die Küche Indiens. Indien war zudem das letzte Land,

in dem der McDonald’s-Konzern Fuß gefasst hat – ein positives Zeichen starker und gesunder Ess-traditionen. Die junge Generation der Oberschicht in den indischen Metropolen ernährt sich heute genauso schlecht und unbewusst wie die meisten Menschen in den westlichen Industrieländern.

Ayurvedisch kochen heißt nicht indisch kochen

Die uns bekannten indischen Gewürze sind heute auch in der westlichen Welt wieder zunehmend gefragt – nicht allein wegen ihrer intensiven und exotischen Gaumennoten, sondern vor allem wegen ihrer wohltuenden Wirkung. Viele von ihnen waren schon vor Beginn des 20. Jahrhunderts beliebt und eine Luxusware, die nur wohlhabenden Kreisen vorbehalten war. Wenn man alte Handelsregister der Hafenstädte Europas durchforstet, findet man über Jahrhunderte Gewürze wie Anis, Fenchel, Asant, Cumin, Gelbwurz, Koriander, Zimt, Kardamom und andere aus dem Orient.

Wenn wir unseren heimischen Gerichten Gewürze wie Cumin, Kardamom oder Fenchel hinzufügen, kann es sein, dass das Ganze plötzlich „indisch“, „orientalisch“ oder „weihnachtlich“ schmeckt. Mit Sicherheit gibt es in jedem Teil der Welt äquivalente Gewürze, die den Eigenschaften der bekannten ayurvedischen Gewürze entsprechen. Hierzulande finden wir in der Hildegard-Küche die bei uns beheimateten Wildkräuter und Gewürze. Hildegard von Bingen hat in Anlehnung an die ayurvedische Drei-Säfte-Lehre gearbeitet.

Selten wird in indischen Restaurants Europas nach ayurvedischen Kriterien gekocht

Die Speisen sind, wie in jeder anderen Küchentradition, meist einseitig oder unzeitgemäß zubereitet. Indische Gerichte sind oft viel zu fett. Sie werden in Joghurt oder Sahne gekocht, mit säuernden Tomatensoßen, Brot aus Weißmehl, zu scharf oder schlichtweg überwürzt und mit in altem Frittierfett gebackenen Zutaten serviert. Die Nachtische sind üppig und oft viel zu süß.

Erstaunlich ist, dass diese Küche dennoch vielen Europäern weitaus besser bekommt als jede westliche Fast-Food-Küche. Das liegt vermutlich an den Juwelen der Verdauung – den Gewürzen.

Ayurvedisch kochen heißt

das Prinzip der unterschiedlichen Energetik von Lebensmitteln zu verstehen, erwünschte Eigenschaften gezielt hervorzuheben oder durch einfache Kunstgriffe (z. B. mithilfe von Antidots) Ausgleich zu schaffen. Dieses Prinzip lässt sich auf jede Kochtradition übertragen, sofern man sich mit Energetik befasst. Das haben wir für Sie in wochenlanger Recherche getan.

Ayurvedisch kochen können Sie überall auf der Welt. Indisch kocht man besser nur für indische Mägen. Ayurvedisch kochen heißt stets, ein sensibles Gleichgewicht zwischen Genuss, Sättigung, Befriedigung der Sinne und einem individuellen Maß an Zuträglichkeit zu finden. Die Auswahl der Speisen sollte sich überwiegend auf die Nahrungsmittel heimischer Herkunft, entsprechend der saisonalen Erntezeit, beschränken.

Die vorherrschende Qualität der Jahreszeit bestimmt die Art der Zubereitung:

• warme, ölige Speisen und Gewürze im Herbst und Frühwinter – der Vata-Zeit,

• kühlende Speisen, mehr Rohkost und Früchte im Sommer – der Pitta-Zeit,

• trockene, leichte, schleimlose, eiweiß- und fettarme, gut gewürzte Speisen im Spätwinter und Frühjahr – der Kapha-Zeit. (Näheres dazu siehe Kap. 3, S. 90, 118 ff. 122 ff.).

Speziell in den asiatischen Kochtraditionen kommt genau das gleiche Prinzip zum Einsatz. Chinesen und Japaner haben ebenso feingliedrige Energetiksysteme. Energetisch ausgewogen zu kochen ist also keineswegs nur eine indische Fähigkeit.

Ayurveda und die Azidose/Anti-Milch-Propaganda

Anhänger der sogenannten Azidosetherapie (sie dient der Entsäuerung des Körpers) vertreten die These, dass insbesondere das Milcheiweiß vom erwachsenen Menschen nicht aufgespalten werden kann. In der Folge würden die Lymphgefäße verkleben. Der Zwischenzellraum würde mit zahllosen sauren Schlacken und Zelltrümmern überflutet. Das wird als Grundlage allen zivilisatorischen Übels angesehen. Man rückt den „Milcheiweißsündern“ mit unangenehmen Azidosemassagen zu Leibe, untersagt ihnen den Verzehr von Milchprodukten und verabreicht Basenpulver. Auf diese Weise meint man, den Übeltäter namens „Azidose“ erfolgreich bekämpfen zu können. Aber warum trifft das nur auf einen Teil der Bevölkerung zu? In der Lebensmittelbranche und auch in der klassischen Schulmedizin befasst man sich nur selten mit der Konstitutionslehre.

 

Die Milchverachtung hat auch genetische Ursachen

Um Milch bzw. den darin enthaltenen Milchzucker überhaupt verdauen zu können, wird das Enzym Lactase benötigt. Dieses Enzym fehlt vielen Völkern rund um den Globus, besonders den Afrikanern, den Chinesen, den Indianern, den Aborigines Australiens und den Ostasiaten – mit Ausnahme der Inder und der Nordeuropäer.

Wird die Laktose nicht aufgespalten, kommt es zu Darmspasmen, Blähungen und Durchfällen. Das Milcheiweiß beginnt im Darm zu gären, führt zu Flüssigkeitsansammlungen und sehr schmerzhaften, kolikartigen Symptomen.

Warum fehlt so vielen Menschen das Enzym Lactase? Die Fähigkeit nordeuropäischer Erwachsener, Milch zu verdauen, ist eine junge entwicklungsgeschichtliche Anpassung. Kein Säugetier verträgt im Erwachsenenalter Milch. Auch unsere Vorfahren sind als Erwachsene über Generationen ohne Milch ausgekommen. Eine populärwissenschaftliche These behauptet, dass die Umstellung unseres Körpers vor 10.000 Jahren mit der Sesshaftigkeit, also durch Ackerbau und Viehzucht, begann. Die Rinder dienten zunächst als Arbeitstiere, später, und besonders in Notzeiten, als Fleisch- und Milchlieferanten. Nur die Menschen in der nördlichen Hemisphäre überlebten, die Milch als primäre Proteinquelle problemlos trinken und verdauen konnten.

Die Mittelmeervölker vertragen hingegen Milch nicht so gut; Käse oder Joghurt sind dagegen weniger ein Problem. Eine Erklärung der Genetiker ist das Wetter. Im Nord-Süd-Gefälle Europas ist die Sonneneinstrahlung sehr unterschiedlich. Die Haut produziert bei Sonneneinstrahlung Vitamin D, was für die Kalziumaufnahme im Dickdarm wesentlich ist. Durch die helle Haut können wir auch bei geringer Sonnenstrahlung mehr UV-Licht absorbieren. Dies reicht aber trotzdem nicht aus, um uns vor Vitamin-D-Mangel (Rachitis) oder Kalziummangel (Osteomalazie) zu schützen. Hier kommt die Milch ins Spiel: Sie enthält große Mengen an Kalzium. Andererseits erleichtert die Lactase die Kalziumaufnahme im Darm erheblich. Die Anpassung unserer Erbanlagen durch unsere helle Haut und das Enzym Lactase brachte uns immerhin 2 % Überlebensvorteil. Dieser Prozess dauerte etwa 5.000 Jahre.

Aus ayurvedischer Sicht kann man in Sachen Ernährung und Therapien nichts zum allein selig machenden Wunderheilmittel erheben Die Kuhmilch wird in der ayurvedischen Ernährungslehre als wertvolles Nahrungsmittel eingestuft – allerdings unter bestimmten Voraussetzungen und nicht für jedermann zu jeder Zeit (weiteres siehe S. 172 und S. 336,). Keine einzelne Diät- wie Therapierichtung kann allen Menschen gerecht werden. Die Antwort liegt in der Betrachtung der individuellen Konstitution – dem genetisch determinierten, individuellen Reiz-Reaktions-Muster eines jeden Menschen (siehe Kap. 2, S. 41 ff.).