Fiskalstrafrecht

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e) Gewerberechtliche Folgen

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Das Gewerbezentralregister (GZR) wird beim Bundesamt für Justiz als besondere Abteilung des Bundeszentralregisters geführt. Es enthält neben Verwaltungsentscheidungen auch Bußgeldentscheidungen wegen im Zusammenhang mit der Gewerbeausübung begangener Ordnungswidrigkeiten (vorausgesetzt, dass das festgesetzte Bußgeld 200 € übersteigt) sowie bestimmte rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen gegen Gewerbetreibende. Die Eintragung wird im Rahmen von Zuverlässigkeitsprüfungen im Gewerbe- und Gaststättenrecht relevant, wenn die zuständigen Ämter Auskunft aus dem GZR nach § 150a GewO verlangen. Die Gewerbeuntersagung richtet sich hierbei nach § 35 GewO. Das Gewerbe wird nach § 35 GewO untersagt, wenn die zuständige Behörde zu dem Ergebnis kommt, dass der Gewerbetreibende unzuverlässig ist und die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Will eine Verwaltungsbehörde in dem Untersagungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen einen Gewerbetreibenden gewesen ist, so kann sie nach § 35 Abs. 3 GewO zu dessen Nachteil von dem Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich bezieht auf die Feststellung des Sachverhalts, die Beurteilung der Schuldfrage sowie die Beurteilung der Frage, ob er bei weiterer Ausübung des Gewerbes erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne des § 70 StGB begehen wird und ob zur Abwehr dieser Gefahren die Untersagung des Gewerbes angebracht ist. Ein Tätigkeitsverbot ist nach § 16 Abs. 3 HandwO möglich und die Eintragung in das GZR (§ 150a GewO) ist in § 21 SchwarzarbG normiert.

Anmerkungen

[1]

Vgl. hierzu insgesamt: Müller/Schlothauer/Lehr 2. Aufl. 2014, § 21.

[2]

Dahs Rn. 99.

[3]

Böttger/Tsambikakis/Kretschmer Kap. 14 Rn. 253.

[4]

Böttger/Tsambikakis/Kretschmer Kap. 14 Rn. 250.

[5]

Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager 29. Kap. Rn. 14.

[6]

Weihrauch/Bosbach Verteidigung im Ermittlungsverfahren, 7. Aufl. 2011, Rn. 336.

[7]

Vgl. Fischer § 45 Rn. 6.

[8]

Fischer § 45 Rn. 7.

[9]

Müller-Gugenberger/Bieneck/Niemeyer § 13 Rn. 11a.

4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten

Inhaltsverzeichnis

I. Die Organisation der Finanzbehörden im Bereich der Steuerdelikte

II. Aufgaben und Befugnisse der Steuerfahndung

III. Zuständigkeiten und Befugnisse der Bußgeld- und Strafsachenstellen

IV. Befugnisse der Finanzbehörde im unselbstständigen Ermittlungsverfahren

V. Überleitung der Ermittlungsbefugnis auf die Staatsanwaltschaft nach § 386 Abs. 3 und Abs. 4 AO

VI. Die Stellung der Finanzbehörde unter der Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft

VII. Besonderheiten bei Steuerstrafverfahren

VIII. Ursprung und Anfangsverdacht eines Steuerdelikts

IX. Die Einleitungsbefugnis beim Anfangsverdacht eines Steuerdeliktes

Literatur:

Hardtke/Westphal Die Bedeutung der strafrechtlichen Ermittlungskompetenz der Finanzbehörde für das Steuergeheimnis, wistra 1996, 91; Hellmann Die Befugnis der Landesfinanzverwaltung zum Erlass der Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer), wistra 1994, 13; Kohlmann Steuerstrafrecht mit Ordnungswidrigkeitenrecht und Verfahrensrecht Kommentar zu den §§ 369-412 AO, Loseblatt; Liebsch/Reifelsberger Die Grenzen des Evokationsrechts, wistra 1993, 325; Madauß Das neue Recht der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und Steuerstrafverfahren Fragen aus der Sicht der Praxis, NZWiSt 2018, 28; Reh Praxisprobleme im Umgang mit dem neuen Recht der Vermögensabschöpfung aus staatsanwaltschaftlicher Sicht, NZWiSt 2018, 20; Rettke Einziehung und Vermögensarrest im Steuerstrafverfahren, wistra 2017, 417; Sediqi Die Ermittlungskompetenz der Finanzbehörde bei Zusammentreffen von Steuerstraftat und Allgemeindelikt, wistra 2017, 259; Teske Das Verhältnis von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren unter besonderer Berücksichtigung des Zwangsmittelverbotes (§ 393 Abs. 1 S. 2 und S. 3 AO), wistra 1988, 207.

4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › I. Die Organisation der Finanzbehörden im Bereich der Steuerdelikte

I. Die Organisation der Finanzbehörden im Bereich der Steuerdelikte

1

Die Finanzbehörden der Bundesländer haben die gesetzliche Aufgabe der Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten unterschiedlich organisiert. Die Bundesländer Berlin und Niedersachsen haben beispielsweise gesonderte Finanzämter für Fahndung und Strafsachen[1] geschaffen. Auch die Bundesländer Hamburg und Nordrhein-Westfalen haben diese Organisationsform gewählt, wobei Hamburg die Bezeichnung Finanzämter für Prüfdienste und Strafsachen und Nordrhein-Westfalen die Bezeichnung Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung verwendet. Diese Sonderfinanzämter nehmen ausschließlich die Aufgaben der Steuerfahndung und der Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra oder StraBu[2]) wahr. Die Rechtsgrundlage für diese Organisation findet sich in § 17 Abs. 2 S. 3 FVG. Danach kann die zentrale Zuständigkeit für die den Finanzämtern zugewiesenen Bezirke durch eine Rechtsverordnung auf ein gesondertes Finanzamt übertragen werden. Umgesetzt wird diese Zuständigkeitserweiterung durch die jeweiligen Verordnungen (VO) der genannten Bundesländer, beispielsweise in Niedersachsen durch § 4 der VO über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14.12.2005 (Nds. GVBl 2005, 411). In den meisten Bundesländern sind die Steuerfahndungsstellen und die Bußgeld- und Strafsachenstellen entweder in die Veranlagungs- bzw. Festsetzungsfinanzämter integriert oder sie sind einem besonderen Finanzamt zugeordnet, das noch weitere besondere Aufgaben für andere Finanzämter übernommen hat. Das Bundeszentralamt für Steuern stellt im Internet auf www.bzst.de unter Online Dienste Finanzamtssuche ein Portal zur Verfügung auf dem die jeweiligen Aufgaben und Zuständigkeiten der Landesfinanzämter abgefragt werden können.

2

Die Steuerfahndungs- sowie Bußgeld- und Strafsachenstellen sind in Sachgebiete aufgeteilt, die von Sachgebietsleitern geführt werden. Die Sachgebiete haben nach einer amtsinternen Zuweisung bestimmte Veranlagungsfinanzämter zu betreuen. Teilweise lässt sich den Geschäftsverteilungsplänen der Finanzämter entnehmen, welches Sachgebiet für welchen Bezirk oder welches Veranlagungsfinanzamt bzw. Arbeitsgebiet zuständig ist. Einige Sachgebietsleiter nehmen auch die Funktion des Hauptsachgebietsleiters (HSGL) wahr, d.h. sie sind neben der Leitung des Sachgebietes auch zuständig für bestimmte Rechtsgebiete oder Organisationsbereiche (z.B. HSGL Abgabenordnung, Außensteuerrecht oder Bußgeld- und Strafsachenstelle). Die SGL der Bußgeld- und Strafsachenstellen sind ebenso wie der Finanzamtsvorsteher Volljuristen. Die SGL der Steuerfahndung sowie die Steuerfahnder und Sachbearbeiter der BuStra sind i.d.R. Bedienstete des gehobenen Dienstes (Steuerinspektoren, Steueroberinspektoren, Steueramtmänner bzw. -frauen, Steueramtsräte oder Steueroberamtsräte).[3] Der Vorsteher des Finanzamtes ist sowohl Leiter der Steuerfahndungsstelle als auch Leiter der BuStra. D.h. er ist „Polizeipräsident“ und „Leitender (Ober-)Staatsanwalt“ in Personalunion. Gleichzeitig ist er aber auch Leiter der Verwaltungsbehörde Finanzamt.

3

Nach der abschließenden Aufzählung des § 386 Abs. 1 S. 2 AO sind lediglich das Hauptzollamt (§ 1 Nr. 3 FVG), das Finanzamt (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 FVG), das Bundeszentralamt für Steuern[4] (§ 1 Nr. 2 FVG) und die Familienkasse als Finanzbehörde anzusehen (vgl. 3. Kap. Rn. 18 ff.). Die Zollfahndungsämter und Steuerfahndungsstellen sind mangels eigener Behördenqualität keine Finanzbehörde i.S.d. § 386 Abs. 1 S. 2 AO. Auch die Oberfinanzdirektionen, die Gemeindesteuerbehörden sowie die Finanzministerien der Länder und das Bundesministerium der Finanzen stellen keine Finanzbehörden in diesem Sinne dar.

 

Anmerkungen

[1]

In NRW Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (STRAFA-FA.).

[2]

Die Abkürzungen werden in den Bundesländern unterschiedlich verwendet. Im Folgenden wird sich der Abkürzung BuStra bedient.

[3]

Die Abkürzung des Steueramtmannes –StA- führt nicht selten zu der falschen Annahme, es handele sich um einen Staatsanwalt, wenngleich dies bei einem BuStra-Mitarbeiter im selbstständigen Ermittlungsverfahren in seiner Funktion gleichwohl der Fall ist.

[4]

Seit dem 1.1.2006 an die Stelle des bisherigen Bundesamtes für Finanzen getreten.

4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › II. Aufgaben und Befugnisse der Steuerfahndung

II. Aufgaben und Befugnisse der Steuerfahndung

4

Die Steufa ist eine gesonderte Dienststelle innerhalb der Landesfinanzbehörde. Sie hat durch den Gesetzgeber einen steuerrechtlichen und einen strafrechtlichen Auftrag erhalten. Zur Organisation der Steuerfahndungsstelle wird auf Rn. 1 f. verwiesen.

Die Zuständigkeiten, Befugnisse und Aufgaben der Steufa ergeben sich aus den §§ 208 und 404 AO (vgl. Nr. 122, 123 Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (AStBV), vgl. hierzu Rn. 6). Die Vorschrift des § 208 AO weist der Steufa eine Doppelfunktion zu.[1] Danach ist die Steufa zum einen Steuerbehörde, d.h. sie stellt unter Zugrundelegung des geltenden Steuerrechts die steuererheblichen Sachverhalte mithin die Besteuerungsgrundlagen fest und führt sie der Veranlagung und Festsetzung zu. Zum anderen ist sie als Finanz- oder Steuerpolizei auch Strafverfolgungsbehörde, die gem. § 404 S. 1 AO dieselben Rechte und Pflichten wie die Behörden und Beamten des Polizeidienstes nach den Vorschriften der Strafprozessordnung hat.

Anmerkungen

[1]

BFH NJW 2001, 2573 ff.

4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › II. Aufgaben und Befugnisse der Steuerfahndung › 1. Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO

1. Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO

5

§ 208 Abs. 1 Nr. 1 AO weist der Steufa die Aufgabe der Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten zu. Zu diesen Steuerstraftaten gehören nach § 369 Abs. 1 Nr. 1 AO sowohl . . . Taten, die nach den Steuergesetzen strafbar sind . . ., womit vor allem die Steuerhinterziehung erfasst wird, als auch nach Nr. 2 . . . der Bannbruch . . . als Zollvergehen sowie nach Nr. 3 . . . die Wertzeichenfälschung und deren Vorbereitung, soweit die Tat Steuerzeichen betrifft . . und letztlich nach Nr. 4 . . . die Begünstigung einer Person, die eine Tat nach den Nr. 1–3 begangen hat. Steuerordnungswidrigkeiten sind gem. § 377 Abs. 1 AO Zuwiderhandlungen, die nach den Steuergesetzen mit Geldbuße geahndet werden können. Hierzu gehören insbesondere die leichtfertige Steuerverkürzung gem. § 378 AO, die Steuergefährdung gem. § 379 AO, die Gefährdung der Abzugssteuern gem. § 380 AO und die unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen gem. § 160 Abs. 1 StBerG (vgl. Nr. 105 ff. AStBV mit weiteren Ordnungswidrigkeiten auch nach anderen Gesetzen).

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Die AStBV sind in allen Straf- und Bußgeldverfahren anzuwenden, in denen die Finanzbehörde ermittelt oder zur Mitwirkung berufen ist (Nr. 1 Abs. 1 AStBV).[1] Sie sind sowohl von allen Bediensteten der Steufa und der BuStra als auch von anderen Stellen der FinB zu beachten, soweit Maßnahmen im Straf- und Bußgeldverfahren zu veranlassen sind oder es sich um die Zusammenarbeit jener Dienststellen handelt. Ziel dieser Anweisungen ist es, eine einheitliche Handhabung der anzuwendenden Gesetze sowie eine reibungslose Zusammenarbeit der berufenen Stellen der FinB bei der Verfolgung von Steuerstraftaten und Ordnungswidrigkeiten sicherstellen (Einführung der AStBV). Die AStBV geben die maßgeblichen Grundsätze in Straf- und Bußgeldverfahren zusammenfassend wieder. Überwiegend beschränken sie sich auf die Wiedergabe von Gesetzestexten. Teilweise werden die AStBV als rechtswidrig angesehen, da für ihren Erlass eine Rechtsgrundlage fehle und die Landesfinanzverwaltung keine Befugnis zur Erteilung von Weisungen im Falle staatsanwaltschaftlicher Verfahrensbeteiligung habe.[2] Aufgrund gleichlautender Erlasse der obersten Finanzbehörden der Bundesländer wird eine einheitliche Anwendung der AStBV in sämtlichen Bundesländern sichergestellt. Teilweise überschneiden sich die Regelungen der AStBV mit Regelungen der bundeseinheitlich geltenden Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV). In der Praxis orientieren sich die beteiligten Stellen der FinB vor allem an den AStBV. Die Staatsanwaltschaft (StA) sowie das Gericht sind dagegen nicht an die AStBV gebunden. Sie orientieren sich an den Regelungen der RiStBV, akzeptieren aber ein Vorgehen der FinB nach den Vorschriften der AStBV solange eine gesetzeskonforme Verfahrensweise gegeben ist. Welche konkreten Ermittlungsmaßnahmen der Steufa bei der Erforschung von Steuerdelikten zur Verfügung stehen, wird unter Rn. 11 f. dargestellt.

Anmerkungen

[1]

AStBV 2017, BStBl I 2016, 1338.

[2]

Hübschmann/Hepp/Spitaler/Hellmann § 393 Rn. 39; Franzen/Gast/Joecks/Randt § 385 Rn. 17; Hellmann wistra 1994, 13.

4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › II. Aufgaben und Befugnisse der Steuerfahndung › 2. Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO

2. Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO

7

Nach § 208 Abs. 1 Nr. 2 AO (Nr. 122 Abs. 1, 123 Abs. 1 AStBV) ermittelt die Steufa auch die Besteuerungsgrundlagen von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten. D.h. sie ermittelt einen Steueranspruch nach den geltenden Vorschriften der Steuergesetze dem Grunde und der Höhe nach. Das Ermittlungsergebnis hinsichtlich des objektiven und subjektiven Tatbestandes eines Steuerdeliktes, i.d.R. einer Steuerhinterziehung, wird nach umfassender Würdigung von Zeugenaussagen und sichergesellter bzw. beschlagnahmter Beweismittel in einem sog. Fahndungsbericht zusammenfassend dargestellt (Nr. 125 Abs. 3, Nr. 127 Abs. 2 AStBV). Der Fahndungsbericht spiegelt das steuerstrafrechtlich relevante Ermittlungsergebnis wider und wird der BuStra, welche die Staatsanwaltschaft (StA) der Finanzbehörde ist, zur abschließenden strafrechtlichen Würdigung übersandt (vgl. Nr. 127 Abs. 2 S. 4 AStBV). Zu den Aufgaben und Befugnissen der BuStra vgl. Rn. 15 ff.. In den überwiegenden Fällen führen die Ermittlungen der Steufa zu einem Mehrergebnis bzw. einer Steuernachforderung. Das strafrechtliche Mehrergebnis kann aber von dem steuerlichen Mehrergebnis abweichen. Dies ergibt sich bspw. aus den unterschiedlichen Verjährungsvorschriften. So beträgt die Festsetzungsverjährung bei einer Steuerhinterziehung 10 Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 2 HS 1 AO), die Strafverfolgungsverjährung dagegen regelmäßig 5 Jahre (§ 78 Abs. 1 StGB). Lediglich in den besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1–6 AO hat der Gesetzgeber eine Verjährungsfrist von 10 Jahren festgelegt (§ 376 Abs. 1 AO, vgl. auch 9. Kap. Rn. 11 ff.). Besonders deutlich wird die Doppelfunktion der Steufa angesichts der unterschiedlichen Verjährungsfristen des Steuerrechts und des Strafrechts bei der Betrachtung der einzelnen Taten und Tatzeiträume.

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Beispiel

Angenommen die Steufa bejaht aufgrund vorliegenden Kontrollmaterials, welches auf steuerpflichtige Zinseinnahmen eines bisher nicht bekannten Kontos in der Schweiz schließen lässt, den Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung, da der selbstständig tätige Steuerpflichtige keinerlei Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärt hat. Sie leitet die strafrechtlich noch nicht verjährten Veranlagungsjahre 2010–2015 wegen (Einkommen-) Steuerhinterziehung ein. Im Laufe der Ermittlungen stellt sich heraus, dass dem Konto bereits in den Jahren 2008 und 2009 steuerpflichtige Zinsen gutgeschrieben wurden. In Bezug auf die eingeleiteten Kalenderjahre 2010–2015 wird die Steufa ihrer Doppelfunktion gerecht, indem sie den strafrechtlich relevanten Sachverhalt als Strafverfolgungsbehörde erforscht (§ 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO) und die Besteuerungsgrundlagen nach den geltenden Steuergesetzen ermittelt (§ 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO). Hinsichtlich der strafrechtlich verjährten Kalenderjahre 2008 und 2009 wird die Steufa ausschließlich gem. § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO als Steuerbehörde tätig. Das Veranlagungsfinanzamt erhält von der Steufa einen Bericht aus dem die Besteuerungsgrundlagen hervorgehen. Dieser sog. Steuerbericht stellt den steuerlich relevanten Sachverhalt für die steuerlich nicht verjährten Veranlagungsjahre 2008–2015 zusammenfassend dar (vgl. Nr. 125 Abs. 3, Nr. 127 Abs. 1 AStBV). Daraufhin erhält der Steuerpflichtige vom Veranlagungsfinanzamt geänderte Einkommensteuerbescheide wegen des verwirklichten Tatbestandes der Steuerhinterziehung für die Kalenderjahre 2008–2015 gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 und § 169 Abs. 2 S. 2 HS 1 AO.

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Abweichungen zwischen dem steuerstrafrechtlichen Mehrergebnis und dem rein steuerlichen können auch dadurch begründet sein, dass bestimmte Sachverhalte zwar zu einer steuerlichen Änderung führen, aber vorsätzliches Verhalten des Steuerpflichtigen insoweit nicht nachweisbar ist. Im sog. Fahndungsbericht wird nach Auswertung und Würdigung der Beweismittel dargestellt, welche konkreten Sachverhalte (steuer-)strafrechtliche Relevanz haben und ob der beschuldigte Steuerpflichtige insoweit vorsätzlich gehandelt hat bzw. vorsätzlich seiner Steuererklärungspflicht nicht nachgekommen ist. Die Steufa wird in diesen Fällen im Fahndungsbericht eine steuerstrafrechtliche Mehrsteuerberechnung erstellen, aus der die Höhe der strafrechtlich vorgeworfenen Steuernachforderung hervorgeht. Diese Berechnung weicht in diesen Fällen im Ergebnis von der Festsetzung in den Änderungsbescheiden ab.

4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › II. Aufgaben und Befugnisse der Steuerfahndung › 3. Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO

3. Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO

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Zu den Aufgaben der Steuerfahndung gehören nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO auch die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (Nr. 122 Abs. 1 S. 3 AStBV). Auf dieser Grundlage führt die Steufa sogenannte Vorfeldermittlungen durch, wenn noch keine konkreten Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat oder Ordnungswidrigkeit gegeben sind, aber die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt (Nr. 12 Abs. 1 AStBV). Diese Ermittlungen stellen Ermittlungen im Besteuerungsverfahren dar und können sich sowohl auf unbekannte Steuerpflichtige als auch auf unbekannte Sachverhalte beziehen (Nr. 12 Abs. 1 S. 3 AStBV). Ziel der Ermittlungen ist es, besteuerungsrelevante Sachverhalte aufgrund „konkreter Momente“ oder einer „allgemeinen Erfahrung“ ohne zureichende tatsächliche Anhaltspunkte (Anfangsverdacht) aufzudecken und der Besteuerung zuzuführen (z.B. Goldgeschäfte bei Zahnärzten, Verkauf von Jachten).[1] Die FinB spricht hier von der Aufdeckung neuer Prüffelder. Wird die Steufa nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO tätig, entfällt das für die FinB im Veranlagungsstadium bzw. während der Außenprüfung (AP) geltende Vor- und Erstbefragungsrecht des Steuerpflichtigen (§ 93 Abs. 1 S. 3 AO). D.h. die Steufa ist befugt gem. § 208 Abs. 1 S. 3 AO (Nr. 123 Abs. 2 AStBV)


andere Personen als die Beteiligten sofort um Auskunft anzuhalten,
Auskunftsersuchen ohne Einschränkung mündlich zu stellen,
Vorlage von Urkunden ohne vorherige Befragung des Vorlagepflichtigen zu verlangen
und die Einsicht dieser Urkunden beim Vorlagepflichtigen unabhängig von dessen Einverständnis zu erwirken.