Fiskalstrafrecht

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Anmerkungen

[1]

FG Hamburg EFG 1987, 9; FG Hamburg BeckRS 1990, 07240.

4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › II. Aufgaben und Befugnisse der Steuerfahndung › 4. Prozessuale Befugnisse der Steuerfahndung

4. Prozessuale Befugnisse der Steuerfahndung

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Steuerfahnder sind Ermittlungsbeamte der Staatsanwaltschaft (§ 399 Abs. 2 AO, § 152 GVG). Sie sind gem. § 385 Abs. 1 AO i.V.m. den einschlägigen Vorschriften der StPO befugt, strafrechtliche Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Damit sind sie bei Vorliegen eines Anfangsverdachtes, auch ohne Auftrag der BuStra oder StA, befugt, ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren einzuleiten. Über § 404 AO erhält die Steufa dieselben Rechte und Pflichten wie die Polizei. D.h. sie kann bei Gefahr im Verzug


die Durchsuchung nach §§ 102, 103 StPO,
die Beschlagnahme nach §§ 94 Abs. 2, 98 Abs. 1 StPO,
die körperliche Untersuchung des Beschuldigten nach § 81a Abs. 2 StPO oder Dritter nach § 81c Abs. 1 und Abs. 2, Abs. 5 StPO
sowie Maßnahmen nach § 132 StPO (Sicherheitsleistung und Zustellungsbevollmächtigter) anordnen.

Sofern keine Gefahr im Verzug vorliegt, ist die Steufa jedoch mangels rechtlicher Befugnis verpflichtet, die entsprechenden Anträge auf Anordnung der genannten Maßnahmen über die BuStra oder die StA beim Ermittlungsrichter zu stellen (vgl. Nr. 123 Abs. 3 AStBV). Eine Antragstellung über die StA kommt dann in Betracht, wenn die FinB das Steuerstrafverfahren nach § 386 Abs. 1 AO nicht selbstständig führt oder gegen den Beschuldigten ein Haft- oder Unterbringungsbefehl (§ 386 Abs. 3 AO) erwirkt werden soll oder erlassen worden ist (vgl. Rn. 25 ff.). In der Praxis werden Anträge der genannten Maßnahmen im selbstständigen Ermittlungsverfahren nach § 386 Abs. 2 AO, die der richterlichen Anordnung bedürfen, über den Vorsteher des FAFuSt, der gleichzeitig Leiter der Strafsachenstelle, also der BuStra ist, gestellt (vgl. hierzu Rn. 2). Die BuStra ist im selbstständigen Verfahren nach § 386 Abs. 2 AO die „Staatsanwaltschaft der FinB“ (vgl. Rn. 15 ff.). Selbstständig führt die FinB ein Ermittlungsverfahren durch, wenn die Tat ausschließlich eine Steuerstraftat (§ 386 Abs. 2 Nr. 1 AO) oder eine dieser gleichgestellte Tat (§ 386 Abs. 2 Nr. 2 AO) darstellt (vgl. Rn. 16 f.). Ergibt sich im Laufe der Ermittlungen neben der Steuerstraftat ein Anfangsverdacht einer Nichtsteuerstraftat (z.B. eine Urkundenfälschung nach § 267 StGB) oder ein Grund das Verfahren bspw. wegen des Umfangs des Steuerschadens unverzüglich an die StA abzugeben, geht die selbstständige Verfahrensherrschaft der FinB auf die StA über (vgl. Rn. 26 f.). Ab diesem Zeitpunkt erhält die FinB lediglich eine allgemeine mithin unselbstständige Ermittlungsbefugnis (§ 386 Abs. 1 AO) mit den unter Rn. 25 ff. dargestellten Folgen.

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Im Unterschied zur Polizei holt die Steufa in der Praxis selbstständig Bankauskünfte ein (vgl. Nr. 145, Nr. 146 AStBV). Dieses Recht steht ihr im Besteuerungsverfahren nach §§ 93, 208 AO zu. Im Steuerstrafverfahren nimmt die Steufa gem. § 404 AO die Stellung der Polizei als Ermittlungsbeamte der StA ein. Sie ist danach befugt, zur Erforschung der Straftat Auskünfte von Dritten gem. § 163 StPO einzuholen. Da durch die Erteilung der Auskunft eine Vorladung zur Zeugenvernehmung des Ersuchten oder eine Beschlagnahmeanordnung eines Gegenstandes (z.B. Kontoverdichtung) vermieden werden kann, erteilen die Banken in Kenntnis der Rechte der Steufa im Besteuerungsverfahren auch im Strafverfahren unmittelbar Auskunft.

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Die Praxis zeigt, dass die Steufa auch im gesamten Bundesgebiet Ermittlungshandlungen vornimmt, obwohl eine derartige länderübergreifende Ermittlungsberechtigung zwar nach geltendem Recht nicht vorgesehen, nach h.M. aber zulässig ist.[1] Nr. 124 AStBV gibt der ermittelnden Steufa vor, dass bei Amtshandlungen in einem anderen Bezirk, die sonst zuständige Steufa um Amtshilfe zu ersuchen oder zumindest vor der beabsichtigten Maßnahme zu unterrichten ist. Diese Anweisung ist zum einen zur Erkenntnisgewinnung vorhandener Ortskenntnisse der örtlich zuständigen Steufa sinnvoll, zum anderen zur Vermeidung von Doppelverfolgungen oder Gefährdung bereits laufender Ermittlungen in jedem Fall geboten. Erfahrungsgemäß setzt die ermittelnde Steufa bei länderübergreifenden Ermittlungshandlungen die örtlich zuständige Steufa von der geplanten Ermittlungsmaßnahme in Kenntnis, so dass eine Beteiligung der örtlich zuständigen Steufa an der Ermittlungshandlung in einem anderen Bundesland gewährleistet wird. In jedem Fall darf die Steufa auch außerhalb der Landesgrenzen Amtshandlungen vornehmen, soweit Steueransprüche betroffen sind, für die auch das von der Steufa zu betreuende Veranlagungsfinanzamt zuständig ist.

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Wurde die Steufa im Rahmen einer Außenprüfung (AP) bzw. Betriebsprüfung (BP) (§§ 193 ff. AO) hinzugezogen, fertigt sie nach Auswertung sämtlicher Ermittlungsmaßnahmen hinsichtlich der straf- oder bußgeldrechtlichen Feststellungen einen sog. Fahndungsbericht (Nr. 127 Abs. 2 AStBV) an (vgl. Rn. 7). Die für die Besteuerung erheblichen Prüfungsfeststellungen werden durch die Steufa in einem Prüfungsbericht dem sog. Steuerbericht entsprechend § 202 Abs. 1 AO dargestellt (Nr. 127 Abs. 1 AStBV). Bei gemeinsamen Prüfungen der Steufa mit der BP, sog. BP/F-Prüfungen, fertigt i.d.R. die BP den Bericht über die steuerlichen Feststellungen an (vgl. Nr. 125 Abs. 3 AStBV). Haben die Ermittlungen keine steuerliche Auswirkung ergeben, erfolgt seitens der Steufa eine Mitteilung an die BuStra in Form eines Vermerks oder eines abgekürzten Fahndungsberichtes (Nr. 127 Abs. 1 S. 3 AStBV). Ob der Fahndungsbericht nebst Ermittlungsakte an die BuStra oder direkt an die StA übermittelt wird, hängt davon ab, ob die FinB das Ermittlungsverfahren selbstständig nach § 386 Abs. 2, Abs. 4 S. 3 AO (Nr. 17 AStBV) oder unselbstständig nach § 386 Abs. 1, 3 und Abs. 4 S. 2 AO führt. Hat die StA bereits im Laufe der Ermittlungen die Verfahrensherrschaft übernommen, wird der Fahndungsbericht mit den Ermittlungsakten i.d.R. unmittelbar an die StA übersandt.

Anmerkungen

[1]

Tipke/Kruse/Seer§ 208 Rn. 41; Kohlmann/Matthes § 404 Rn. 40.

4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › III. Zuständigkeiten und Befugnisse der Bußgeld- und Strafsachenstellen

III. Zuständigkeiten und Befugnisse der Bußgeld- und Strafsachenstellen

4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › III. Zuständigkeiten und Befugnisse der Bußgeld- und Strafsachenstellen › 1. Sachliche und örtliche Zuständigkeit

1. Sachliche und örtliche Zuständigkeit

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Die BuStra ist eine eigenständige Strafverfolgungsbehörde der FinB. Sie ist die „Staatsanwaltschaft“ der FinB, der die sachliche Zuständigkeit im Rahmen einer Zuständigkeitskonzentration gem. § 387 Abs. 2 AO übertragen worden ist (vgl. Nr. 23 AStBV).[1] Sie ermittelt gem. § 386 Abs. 1 AO den steuerstrafrechtlichen Sachverhalt, ist jedoch keine Strafvollstreckungsbehörde gem. § 451 Abs. 1 StPO. Ob die BuStra eigenständig wie eine StA oder als Ermittlungsperson lediglich mit den Rechten und Pflichten der Steufa bzw. der Polizei tätig wird, richtet sich danach, ob sie selbstständig nach § 386 Abs. 2, Abs. 4 S. 3 AO (Nr. 17 AStBV) oder unselbstständig nach § 386 Abs. 1, Abs. 3 oder Abs. 4 S. 2 AO ermittelt. Die selbstständige Ermittlungsbefugnis ist in der Praxis die Regel, nach der Gesetzessystematik aber nicht der Grundsatz. Die örtliche Zuständigkeit der FinB, unabhängig davon, ob die BuStra das Ermittlungsverfahren selbstständig oder unselbstständig führt, regelt § 388 AO (vgl. Nr. 24 AStBV). Mit der Formulierung . . . in deren Bezirk, die Steuerstraftat begangen . . .worden ist, . . . knüpft § 388 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 AO an § 9 StGB an. Neben dem Tatortprinzip können aber auch der Ort der Tatentdeckung (§ 388 Abs. 1 Nr. Alt. 2 AO), die abgabenrechtliche Zuständigkeit (§ 388 Abs. 1 Nr. 2 AO) und der Wohnsitz (§ 388 Abs. 1 Nr. 3 AO) zur Zeit der Einleitung des Strafverfahrens sowie der gewöhnliche Aufenthaltsort (§ 388 Abs. 3 AO) des beschuldigten Steuerpflichtigen eine örtliche Zuständigkeit begründen. Ändert sich der Wohnsitz des Beschuldigten oder die abgabenrechtliche Zuständigkeit der FinB nach Einleitung des Strafverfahrens, ist auch für diese „neue“ FinB eine Zuständigkeit gegeben (vgl. Nr. 24 Abs. 2 S. 2 AStBV). In diesen Fällen bleibt in der Regel die FinB zuständig, die zuerst ein Strafverfahren eingeleitet hat (§ 390 Abs. 1 AO, Nr. 25 Abs. 2 AStBV). Bei einer Mehrfachzuständigkeit zweier FinB ist die Sachdienlichkeit entscheidendes Kriterium für die Übernahme und anschließende Durchführung eines Verfahrens (vgl. Nr. 25 Abs. 3 AStBV). Da für die Staatsanwaltschaften und Gerichte die Vorschriften der §§ 7 ff. StPO i.V.m. 143 GVG maßgeblich sind und es sich bei den §§ 386 ff. AO um Sondervorschriften handelt, kann es zu einem Auseinanderfallen der gerichtlichen/staatsanwaltschaftlichen und der finanzbehördlichen örtlichen Zuständigkeit kommen. D.h. die Zuständigkeit einer BuStra muss nicht mit der im selben Landgerichtsbezirk zuständigen StA übereinstimmen. Ermittlungshandlungen einer örtlich unzuständigen FinB sind aber grundsätzlich nicht unwirksam.[2]

 

Anmerkungen

[1]

Vgl. Franzen/Gast/Joecks/Randt § 387 Rn. 6.

[2]

Kohlmann/Hilgers-Klautzsch § 388, Rn. 74.

4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › III. Zuständigkeiten und Befugnisse der Bußgeld- und Strafsachenstellen › 2. Befugnisse der Finanzbehörde im selbstständigen Ermittlungsverfahren

2. Befugnisse der Finanzbehörde im selbstständigen Ermittlungsverfahren

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Selbstständig führt die BuStra als FinB das Ermittlungsverfahren durch, wenn die Tat ausschließlich eine Steuerstraftat (§ 386 Abs. 2 Nr. 1 AO, Nr. 17, 18, 19 AStBV) oder eine dieser gleichgestellte Tat betrifft.

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Beispiele für gleichgestellte Straftaten und Taten nach § 386 Abs. 2 Nr. 2 AO


Betrug in Bezug auf die Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz (§ 263 StGB i.V.m. § 15 Abs. 2 EigZulG, Nr. 19 AStBV),
Subventionsbetrug in Bezug auf Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz (§ 264 StGB, § 15 InvZulG 2010),
ungerechtfertigte Erlangung von Altersvorsorgezulagen (§ 96 Abs. 7 EStG),
Arbeitnehmersparzulagen (§ 14 Abs. 3 5. VermBG),
Verletzung zugleich andere Strafgesetze und deren Verletzung Kirchensteuern oder andere öffentlich-rechtliche Abgaben betrifft, die an Besteuerungsgrundlagen, Steuermessbeträge oder Steuerbeträge anknüpfen (§ 386 Abs. 2 Nr. 2 AO, Nr. 17 Abs. 1 Nr. 2 AStBV),
Beiträge an Industrie- und Handelskammern, deren Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuermessbetrag ist (Nr. 17 Abs. 1 Nr. 2 AStBV).

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Die selbstständige Ermittlungsbefugnis ist in der Praxis der Regelfall. Im selbstständigen Ermittlungsverfahren nimmt die BuStra gem. § 399 Abs. 1 AO die Rechte und Pflichten wahr, die der StA im Ermittlungsverfahren zustehen, d.h. sie kann Ermittlungen jeder Art vornehmen (vgl. auch Nr. 42 Abs. 1 AStBV).[1] Damit ist sie befugt, gerichtliche Untersuchungshandlungen i.S.d. § 162 StPO zu beantragen (vgl. Nr. 43 AStBV).

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Beispiele


Durchsuchung beim Verdächtigen nach §§ 102, 105 StPO,
Durchsuchung beim Dritten nach §§ 103, 105 StPO,
Beantragung von Beschlagnahmeanordnungen gem. §§ 94, 98 StPO beim Ermittlungsrichter,
Anordnung von Beschlagnahmen und Durchsuchungen bei Gefahr im Verzug nach §§ 98 Abs. 1, 105 Abs. 1 StPO,
Durchsetzung der Pflicht zum Erscheinen von Beschuldigten nach § 163a Abs. 3 StPO (vgl. Nr. 53 AStBV) sowie von Zeugen und Sachverständigen nach § 161a Abs. 1 und 2 StPO (vgl. auch Nr. 17 Abs. 3, 47, 54 AStBV),
Durchsicht von Papieren gem. § 110 StPO,
Einholung von Auskünften bei öffentlichen Behörden gem. § 161 StPO,
Anträge auf Überwachung der Telekommunikation gem. §§ 100a S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2a 100b Abs. 1 S. 1 StPO (Nr. 74 AStBV),
Anträge auf Maßnahmen außerhalb von Wohnraum gem. § 100h Abs. 1 Nr. 1 und i.V.m. § 163f Abs. 1 (z.B. längerfristige Observationen), wenn sich die Steuerhinterziehung als Katalogtat bzw. erhebliche Straftat darstellt.

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Nach § 396 Abs. 2 AO ist die BuStra auch befugt nach pflichtgemäßem Ermessen im Ermittlungsverfahren in Form einer Verfügung (vgl. §§ 167, 171 StPO) über die Aussetzung des Strafverfahrens zu entscheiden, wenn ein Steueranspruch bzw. die Steuerverkürzung oder der ungerechtfertigte Steuervorteil dem Grunde nach streitig ist. Ebenso ist sie berechtigt, das Verfahren bei klärungsbedürftigen zivil- oder verwaltungsrechtlichen Vorfragen nach fruchtlosem Ablauf einer von ihr bestimmten Frist nach § 154d StPO einzustellen. Zeichnet sich bei der Aufnahme der Ermittlungen bereits ab, dass ein Steueranspruch gefährdet ist, besteht die Möglichkeit beim Ermittlungsrichter zur Sicherung von Vermögenswerten, einen Vermögensarrest gem. §§ 111e StPO zu beantragen (vgl. Nr. 70, 71, 72 AStBV zum dinglichen Arrest). Die Veranlagungsfinanzämter können ungeachtet des strafrechtlichen Vermögensarrestes nach § 324 AO zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen nach §§ 249–323 AO in das bewegliche und unbewegliche Vermögen eines Steuerschuldners einen dinglichen Arrest anordnen. Nach § 111e Abs. 6 StPO steht diese Möglichkeit der Sicherung von Vermögenswerten einer Anordnung mit dem Ziel der Wertersatzeinziehung nicht entgegen (vgl. Rn. 73).

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Die BuStra erteilt regelmäßig der Steufa aufgrund ihrer Sachkunde im Steuerrecht den Ermittlungsauftrag, den steuerstrafrechtlichen Sachverhalt aufzuklären. Aber auch der Polizei können bestimmte Ermittlungsaufträge erteilt oder Vollstreckungshandlungen übertragen werden (§ 161 StPO, Nr. 42 Abs. 1 AStBV). Ist beispielsweise ein Zeuge trotz Androhung der Vorführung zu seiner Vernehmung durch die BuStra nicht erschienen, kann sich die BuStra im Wege der Amtshilfe der Polizei bedienen, welche die Vorführung vollstreckt. Denn Zeugen sind gem. § 161a Abs. 1 S. 1 StPO verpflichtet, vor der BuStra zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn diese das Ermittlungsverfahren selbstständig führt (Nr. 47 Abs. 1 AStBV). In der Praxis bleibt dies jedoch die Ausnahme.

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Die selbstständige Verfahrensherrschaft der FinB berechtigt mit Ausnahme der Anklageerhebung zu sämtlichen verfahrensabschließenden Entscheidungen (vgl. Nr. 79 AStBV). Danach kann die BuStra


mangels hinreichenden Tatverdachts eine Einstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO (Nr. 81 AStBV),
eine vorläufige Einstellung des Verfahrens bei vorübergehenden Hindernissen gem. § 154f StPO,
eine Einstellung bei Geringfügigkeit gem. § 153 Abs. 1 StPO (Nr. 82 AStBV) oder nach § 398 AO (Nr. 82 Abs. 2 AStBV, vgl. Rn. 69),
ein Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen gem. § 153a Abs. 1 StPO (Nr. 83 AStBV)

verfügen oder


gem. §§ 153b, 153c, 154, 154b StPO von der Verfolgung absehen,
einen Strafbefehlsantrag gem. §§ 400 1. HS AO, 407 ff. StPO (Nr. 84 AStBV) beim zuständigen Strafrichter stellen,
die Einziehung oder den Verfall gem. § 401 AO (Nr. 90 AStBV) beim zuständigen Gericht beantragen oder
der StA gem. § 400 2. HS AO (Nr. 89 AStBV) die Ermittlungsakten vorlegen.

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Soweit die BuStra Einstellungen nach §§ 153 Abs. 1 oder 153a Abs. 1 StPO in Erwägung zieht, die wegen der Höhe der Steuerschäden der Zustimmung des Strafrichters bedürfen, leitet sie die Ermittlungsakten dem zuständigen Amtsgericht unmittelbar zu. Ab welcher Höhe eines strafrechtlich relevanten Steuerschadens der jeweils zuständige Strafrichter seine Zustimmung für erforderlich erachtet, liegt in seinem Ermessen und wird in den Amtsgerichtsbezirken sehr unterschiedlich gehandhabt. Die Strafrichter an verschiedenen Amtsgerichten können insoweit unterschiedliche Zustimmungsgrenzen vertreten. So bedarf es bspw. für eine Einstellung nach § 153a Abs. 1 StPO im Zuständigkeitsbezirk des Amtsgerichts A bereits einer richterlichen Zustimmung ab einem Steuerschaden in Höhe von 5.000 €, im Amtsgerichtsbezirk B dagegen erst ab 10.000 €. In der Praxis kennt die BuStra die geltenden Zustimmungsgrenzen des jeweiligen Amtsgerichts. Bewegt sich der ermittelte Steuerschaden innerhalb dieser Zustimmungsgrenzen,, bedarf es i.d.R. keiner Übersendung der Ermittlungsakten an den Strafrichter. In diesen Fällen wird eine antizipierte Zustimmung des Strafrichters angenommen. Aber nicht nur die Zustimmungsgrenzen für eine Einstellung gegen Geldauflage nach § 153a Abs. 1 StPO sind von Amtsgericht zu Amtsgericht unterschiedlich, sondern auch die verfahrensgegenständlichen Schadenssummen bei denen der zuständige Strafrichter eine solche Einstellung überhaupt noch für opportun hält. So kommt bspw. eine Einstellung gegen Geldauflage beim Amtsgericht A ab einem Steuerschaden in Höhe von 15.000 € grds. nicht mehr in Betracht, während dies beim Amtsgericht B erst ab einem Steuerschaden von 20.000 € nicht mehr der Fall ist. Die Summe des Steuerschadens bezieht sich erfahrungsgemäß auf den gesamten Verfahrensgegenstand und nicht auf die einzelne materielle Tat. Bei den von den Amtsgerichten zu den Strafsachenstellen kommunizierten „Einstellungsgrenzen“, handelt es sich jedoch nicht um absolute Grenzen oder Ausschlussgrenzen. Ob eine Einstellung gegen Geldauflage überhaupt in Betracht kommt, ist immer von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Damit ist eine Einstellung nach § 153a Abs. 1 StPO bspw. bei unvorbelasteten Beschuldigten und vollständiger Schadenswiedergutmachung nicht ausgeschlossen, wenn die jeweils geltende „Einstellungsobergrenze“ überschritten ist, aber das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung durch die Zahlung der Geldauflage beseitigt werden kann. Die Erfahrung zeigt, dass diese verfahrensabschließende Entscheidung gerade bei nicht vorbelasteten geständigen und einsichtigen Beschuldigten, die den Schaden wiedergutgemacht haben, grds. in Betracht gezogen werden kann. Dies setzt jedoch voraus, dass der Beschuldigte bzw. dessen Verteidiger frühzeitig das Gespräch mit der BuStra sucht.

 

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Nach § 400 HS 1 AO hat die BuStra ein selbstständiges Antragsrecht auf Erlass eines Strafbefehls. Das Strafbefehlsverfahren kommt grundsätzlich auch bei besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 3 Nr. 1–5 AO in Betracht, da es sich um ein Steuervergehen handelt. Die Finanzverwaltung hält jedoch eine Erledigung der Steuerstrafsache im Strafbefehlsverfahren für nicht geboten, wenn ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegt (vgl. Nr. 84 Abs. 3 AStBV). In jedem Fall sollte im Hinblick auf die Rspr. des 1. Strafsenates des BGH vom 2.12.2008 – 1 StR 416/08 von einem Verfahrensabschluss im Strafbefehlsverfahren abgesehen werden, wenn ein hinreichender Tatverdacht einer Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall mit einem Verkürzungsschaden von 1 Mio. € gegeben ist.[3] Entschließt sich die BuStra einen Strafbefehlsantrag gem. § 400 HS 1 AO zu stellen, leitet sie die Ermittlungsakten an die StA weiter. Bei der StA erfolgt die Registrierung der Steuerstrafsache als Js-Sache, ohne dass darin eine Evokation zu sehen ist, da in jedem Fall, ungeachtet eines möglichen Einspruchs gegen den erlassenen Strafbefehl, die Vollstreckung der Steuerstrafsache nach Rechtskraft durch die StA vorgenommen wird. Ein eigenes inhaltliches Prüfungsrecht des Strafbefehlsantrages bzw. eine Abänderungsbefugnis steht der StA nicht zu.[4] Zum selbstständigen Strafbefehlsantragsrecht vgl. Rn. 68.