Fiskalstrafrecht

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c) Rückgabe der Steuerstrafsache an die Finanzbehörde

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Eine Rückgabe der Steuerstrafsache an die FinB nach § 386 Abs. 4 S. 3 AO kann die StA nach Abgabe oder Evokation nur im Einvernehmen mit der FinB erreichen. „Im Einvernehmen“ setzt eine Übereinstimmung der beiden Behörden voraus. Das bedeutet, dass die FinB nicht auf Rückforderung der Strafsache drängen und die StA der FinB diese nicht aufdrängen darf.[15] Die Rückgabe setze nach umstrittener Auffassung grundsätzlich ein vorheriges selbstständiges Ermittlungsrecht der FinB nach § 386 Abs. 2 AO voraus, womit eine Rückübertragung in Fällen in denen ein Haftbefehl aufgehoben wurde oder sich der Verdacht einer Zusammenhangstat nicht bestätigt hat, nicht möglich sei.[16] In der Praxis ist Folgendes zu beobachten: Das Steuerstrafverfahren wird auch bei Vorliegen eines Anfangsverdachtes einer Urkundenfälschung zunächst ausermittelt und schließlich nach § 386 Abs. 4 AO an die StA abgegeben, obwohl sich die Zuständigkeit der FinB bereits ab dem Zeitpunkt der Einleitung des Allgemeindelikts nach § 386 Abs. 1 AO richtet (vgl. hierzu auch Rn. 46, 89 f.). Kann die Nichtsteuerstraftat aus dem Verfahren der FinB schon vor einer Abgabe i.S.d. § 386 Abs. 4 S. 1 AO zwecks Verfolgung in einem gesonderten Strafverfahren, das bei der StA zu führen ist, abgetrennt werden, weil es sich bei der Nichtsteuerstraftat um eine andere prozessuale Tat i.S.d. § 264 StPO handelt, z.B. bei einem Verdacht des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelten gem. § 266a Abs. 1 und 2 StGB, steht einer Rückgabe der Steuerstrafsache nach der hier vertretenen Auffassung ohnehin nichts im Weg. In der Praxis werden in der überwiegenden Anzahl der Fälle Erkenntnisse einer Nichtsteuerstraftat, die sich als eine andere prozessuale Tat darstellt, unter Beachtung des Steuergeheimnisses ,zeitnah der StA mitgeteilt, ohne den Weg der förmlichen Abgabe zu beschreiten (§ 30 Abs. 4 Nr. 4a AO). Aber auch bei einer einheitlichen prozessualen Tat wird die FinB erfahrungsgemäß nichts gegen eine (möglichst frühzeitige) Abtrennung der Nichtsteuerstraftat mit der Folge einer Einstellung oder Verfolgungsbeschränkung gem. § 154a Abs. 1 StPO durch die StA einzuwenden haben, wenn sie ihr (Steuerstraf-)Verfahren anschließend eigenständig – ihren Vorstellungen entsprechend – abschließen kann.[17] Der Beschuldigte wird erfahrungsgemäß ebenfalls nichts gegen einen Abschluss des Steuerstrafverfahrens durch die FinB einzuwenden haben, da die Abschlussbefugnis im Strafbefehlsverfahren ihre Grenze findet und der Strafkatalog der FinB als moderat bezeichnet werden kann. Der Streit, ob in diesen Fällen ein Einverständnis gem. § 386 Abs. 4 S. 3 AO erforderlich sei oder ob es auf ein solches nicht ankomme, da kein Fall des § 386 Abs. 4 S. 3 AO vorliege, ist angesichts der Praxis akademisch.[18] In der Praxis nimmt die FinB frühzeitig Kontakt mit der StA auf, wenn sie nach Abgabe der Steuerstrafsache an diese eine Rückgabe begehrt. Entsprechend verhält es sich, wenn die StA nach Erhalt des Verfahrens eine Abtrennung der Nichtsteuerstraftat favorisiert und einen Abschluss im Strafbefehlswege durch die FinB für sachdienlich hält. Entscheidend für einen möglichst geringen Reibungsverlust, ist eine praktikable Zusammenarbeit der FinB mit der StA. Eine Rückgabe der Steuerstrafsache sollte aber grds. wegen der einhergehenden Verfahrensverzögerung und der bis dato erfahrungs- und naturgemäß langen Verfahrensdauer von Steuerstrafsachen die Ausnahme bleiben und grundsätzlich vermieden werden.

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Förmliche Rechtsbehelfe stehen den Beschuldigten gegen die Abgabe, Evokation und Rückgabe der Steuerstrafsache nach § 386 Abs. 4 S. 1, 2 und 3 AO nicht zur Verfügung, da es sich lediglich um der Strafrechtspflege intern zuzurechnende Prozesshandlungen handelt.[19]

Anmerkungen

[1]

BGH wistra 2009, 107.

[2]

Kohlmann/Peters § 386 Rn. 119.

[3]

Kohlmann/Peters § 386 Rn. 126; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Rüping § 386 Rn. 70.

[4]

Kohlmann/Peters § 386 Rn. 126; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Rüping § 386 Rn. 70.

[5]

Kohlmann/Heerspink § 392 Rn. 61 ff.

[6]

Kohlmann/Heerspink § 392 Rn. 72.

[7]

Franzen/Gast/Joecks/Randt § 392 Rn. 25.

[8]

Kohlmann/Peters § 386 Rn. 133.

[9]

Hardtke/Westphal wistra 1996, 93.

[10]

Hübschmann/Hepp/Spitaler/Rüping § 386 AO Rn. 78; Kohlmann/Peters § 386 Rn. 143; LG Frankfurt wistra 1993, 154.

[11]

Kohlmann/Peters § 386 Rn. 153.

[12]

BGH 30.4.2009 – 1 StR 90/09; Kohlmann/Peters § 386 Rn. 146.

[13]

BGH NJW 2009, 2319 ff.

[14]

Franzen/Gast/Joecks/Randt § 386 Rn. 62.

[15]

Kohlmann/Peters§ 386 Rn. 154 f.

[16]

Kohlmann/Peters § 386 Rn. 154; Franzen/Gast/Joecks/Randt § 386 Rn. 60.

[17]

Kohlmann/Peters § 386 Rn. 102; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Rüping § 386 Rn. 71.

[18]

Franzen/Gast/Joecks/Randt § 386 Rn. 60; Kohlmann/Peters § 386 Rn. 102.

[19]

Franzen/Gast/Joecks/Randt § 386 Rn. 50.

4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › VI. Die Stellung der Finanzbehörde unter der Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft

VI. Die Stellung der Finanzbehörde unter der Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft

4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › VI. Die Stellung der Finanzbehörde unter der Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft › 1. Polizeiliche Rechte und Pflichten der Finanzbehörde

1. Polizeiliche Rechte und Pflichten der Finanzbehörde

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Liegt die Verfahrensherrschaft nach einem erlassenen Haft- oder Unterbringungsbefehl (§ 386 Abs. 3 AO), einer Abgabe (§ 386 Abs. 4 S. 1 AO), einer Evokation (§ 386 Abs. 4 S. 2 AO) oder aufgrund des Verdachts einer Nichtsteuerstraftat (§ 386 Abs. 1 S. 1 AO) bei der StA, erhält die FinB nach § 402 AO dieselben Rechte und Pflichten wie die Behörden des Polizeidienstes nach der StPO sowie nach § 399 Abs. 2 S. 2 AO (Nr. 91 AStBV). Das bedeutet, dass die FinB zum Ermittlungsorgan der StA wird. Die Sachbearbeiter der BuStra werden hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten ebenso wie die Steuerfahnder zu „Ermittlungspersonen“ (§ 152 GVG) der StA. Die BuStra als auch die Steufa hat den Ersuchen oder Ermittlungsaufträgen der StA Folge zu leisten (§§ 160, 161, 163 StPO i.V.m. § 402 AO). § 402 Abs. 1 AO ermächtigt die FinB ausdrücklich die Befugnisse nach § 399 Abs. 2 AO wahrnehmen zu können. D.h. sie kann Maßnahmen wie z.B. Wohnungsdurchsuchungen, Sicherstellungen und Beschlagnahmen von Gegenständen, körperliche Durchsuchungen oder einen Vermögensarrest anordnen, wenn Gefahr im Verzug gegeben ist (vgl. Nr. 91 Abs. 3 AStBV). Die Befugnis zur Durchsicht der Papiere gem. § 110 StPO hat im Verfahren der StA neben der Steufa auch die BuStra (Nr. 91 Abs. 3 S. 3 AStBV) soweit die StA dies anordnet. Aber auch die Veranlagungsämter können ungeachtet der Zuständigkeitskonzentration nach § 387 Abs. 2 AO die genannten unaufschiebbaren Anordnungen treffen. Sie sind ebenfalls Hilfsorgan für die StA. In der Praxis werden sie z.B. auch mit einer Schadens- oder Mehrsteuerberechnung beauftragt (Nr. 91 Abs. 4 AStBV).[1]

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Die FinB ist verpflichtet, dem Ersuchen einer Staatsanwaltschaft um Durchführung von Ermittlungen nachzukommen. Insoweit besteht kein Ermessen oder Prüfungsrecht (Nr. 91 Abs. 5 AStBV). Mit der Anhängigkeit der Steuerstrafsache beim Strafgericht endet die Weisungsbefugnis der StA gegenüber der FinB.[2]

 

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Die Maßnahmen der FinB im Rahmen ihrer Eilzuständigkeit (§§ 402, 399 Abs. 2 S. 2 AO) können beim zuständigen Amtsgericht mittels eines Antrages auf gerichtliche Entscheidung gem. § 98 Abs. 2 StPO und anschließender Beschwerdemöglichkeit gem. § 304 StPO beim zuständigen Landgericht überprüft werden (vgl. Nr. 98 Abs. 2 AStBV).

Anmerkungen

[1]

Franzen/Gast/Joecks § 402 Rn. 11.

[2]

Franzen/Gast/Joecks § 402 Rn. 13; Kohlmann/Hilgers-Klautzsch § 402 Rn. 6.

4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › VI. Die Stellung der Finanzbehörde unter der Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft › 2. Beteiligungs- und Anwesenheitsrechte der Finanzbehörde im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren

2. Beteiligungs- und Anwesenheitsrechte der Finanzbehörde im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren

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Führt die StA oder die Polizei Ermittlungen in Bezug auf eine Steuerstraftat durch, so regelt § 403 AO Beteiligungs- und Anwesenheitsrechte der FinB. Danach kann die sonst zuständige FinB auch an Ermittlungshandlungen der Polizei teilnehmen. Da die Steufa nicht FinB i.S.d. § 403 AO ist, was sich aus der ausschließlich die Steufa und Zollfahndung betreffenden kompetenzzuweisenden Vorschrift des § 404 AO ableiten lässt, bleibt es der BuStra vorbehalten, an Ermittlungshandlungen der genannten Art teilzunehmen.[1] Dazu sollen der FinB Ort und Zeit der Ermittlungshandlung rechtzeitig mitgeteilt werden (§ 403 Abs. 1 S. 2 AO). Der Soll-Vorschrift ist zu entnehmen, dass eine Mitteilung unterbleiben kann, wenn die Untersuchungshandlung so schnell wie möglich erfolgen muss, da ansonsten der Untersuchungszweck gefährdet wäre (§ 168c Abs. 5 S. 2 StPO).[2] Auch bei richterlichen Untersuchungshandlungen soll die FinB informiert werden, da ihr § 403 Abs. 2 AO dieselben Anwesenheitsrechte wie der StA verleiht. Das sind insbesondere solche bei Vernehmungen von Beschuldigten, Zeugen und Sachverständigen (§ 168c Abs. 1 und 2 StPO, Nr. 92 Abs. 2 AStBV) oder bei richterlichem Augenschein (§ 168d Abs. 1 StPO).

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Das Anwesenheitsrecht wird weiter ausgebaut durch das Fragerecht nach § 403 Abs. 1 S. 3 AO. Danach kann ein Finanzbeamter i.d.R. ein BuStra-Mitarbeiter oder SGL der BuStra –kein Steuerfahnder- den Beschuldigten, den Zeugen oder Sachverständigen im Rahmen einer richterlichen Untersuchungshandlung unmittelbar befragen.

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Schließt die StA das unter ihrer Verfahrensherrschaft laufende Ermittlungsverfahren mit einer Anklageschrift oder mit dem Antrag auf Erlass eines Strafbefehls ab, hat sie die sonst zuständige FinB davon zu unterrichten (§ 403 Abs. 3 AO). Diese Mitteilung dient dazu, der FinB rechtzeitig Gelegenheit zu geben, sich auf die bevorstehenden gerichtlichen Maßnahmen oder Entscheidungen (auch im Zwischenverfahren), insbesondere den Hauptverhandlungstermin, einzustellen bzw. vorzubereiten. Denn ihr steht nach § 407 Abs. 1 AO im anschließenden gerichtlichen Verfahren das Recht zu . . . die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind. Die Mitteilungs- oder Informationspflicht besteht auch, wenn die FinB die Steuerstrafsache bereits abschlussreif gem. § 400 AO an die StA abgegeben hat.

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Erwägt die StA nach den durchgeführten Ermittlungen, das Verfahren einzustellen, hat sie die sonst zuständige FinB nach § 403 Abs. 4 AO anzuhören. Nach welcher gesetzlichen Vorschrift die Einstellung erfolgen soll ist für die Anhörung nicht entscheidend. Die Einstellung erfasst sämtliche Arten der Verfahrenseinstellung, d.h. sowohl eine Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts gem. § 170 Abs. 2 StPO als auch solche wegen Geringfügigkeit nach § 398 AO oder § 153 StPO. Auch bei einer Einstellung gegen Erfüllung von Auflagen nach § 153a StPO sowie bei Strafverfolgungsbeschränkungen nach § 154a StPO oder § 154 StPO (Teileinstellung bei mehreren Taten) ist das Anhörungsrecht zu beachten. Es soll der sachkundigen FinB die Möglichkeit gegeben werden, etwaige Bedenken vorzubringen und der StA, die naturgemäß nicht über eine vergleichbare steuerliche Sachkunde verfügt, evtl. nicht bedachte Umstände steuerstrafrechtlicher Art aufzuzeigen.

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Die Nichtbeachtung des Anhörungsrechts macht die Entscheidung der StA jedoch nicht mittels eines förmlichen Rechtsbehelfs anfechtbar.[3] Ebenso wenig führen Verstöße gegen die Beteiligungsrechte nach § 403 AO zur Unverwertbarkeit der Ermittlungshandlungen.[4]

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Nach h.M. ist der FinB auch das Klageerzwingungsverfahren nicht eröffnet, da sie selbst als Strafverfolgungsbehörde zur Wahrung des Legalitätsprinzips verpflichtet ist und eine andere Strafverfolgungsbehörde, die sogar ermächtigt wäre, das Steuerstrafverfahren jederzeit an sich ziehen zu können, nicht überprüfen lassen kann.[5] Der FinB stehen jedoch die Gegenvorstellung und die Dienstaufsichtsbeschwerde zur Verfügung.[6]

Anmerkungen

[1]

Franzen/Gast/Joecks § 403 Rn. 6.

[2]

Meyer-Goßner/Schmitt § 168c Rn. 5.

[3]

Kohlmann/Hilgers-Klautzsch § 403 Rn. 38.

[4]

Franzen/Gast/Joecks § 403 Rn. 16; Kohlmann/Hilgers-Klautzsch § 403 Rn. 44; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Hellmann § 403 Rn. 40.

[5]

Franzen/Gast/Joecks § 403 Rn. 18; Kohlmann/Hilgers-Klautzsch § 403 Rn. 39 f.

[6]

Hübschmann/Hepp/Spitaler/Hellmann § 403 Rn. 41; Franzen/Gast/Joecks § 403 Rn 17.

4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › VI. Die Stellung der Finanzbehörde unter der Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft › 3. Beteiligungs- und Anwesenheitsrechte der Finanzbehörde im gerichtlichen Verfahren

3. Beteiligungs- und Anwesenheitsrechte der Finanzbehörde im gerichtlichen Verfahren

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Für das gerichtliche Verfahren ergeben sich die Anhörungs- und Mitwirkungsrechte der FinB aus § 407 AO. Auch in diesem Verfahrensstadium ist es sinnvoll, die Sachkunde der FinB einfließen zu lassen. Das Gericht hat der FinB vor jeder Sachentscheidung, mit Ausnahme prozessualer Entscheidungen, die keinen Bezug zur Sachentscheidung haben, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Erwägt das Gericht vor der Eröffnung des Hauptverfahrens, den Verfahrensstand mit den Verfahrensbeteiligten nach § 202a StPO zu erörtern, ist neben der StA, dem Verteidiger und dem Beschuldigten auch die FinB zu beteiligen.[1] Die Anhörung muss nicht nur bei den Einstellungsmöglichkeiten der § 153 (Geringfügigkeit) und § 153a StPO (Geldauflage) erfolgen, sondern auch wenn das Gericht Einstellungen nach § 154 Abs. 2 (unwesentliche Nebenstraftat), § 154a Abs. 2 StPO (Verfahrensbeschränkung), § 205 StPO (Abwesenheit des Angeschuldigten), § 206a StPO (Verfahrenshindernisse), oder nach § 206b StPO (Gesetzesänderung) beabsichtigt. Die FinB kann eine Einstellung jedoch nicht verhindern, indem sie keine Zustimmung erteilt. Einer solchen (prozessualen) Zustimmung bedarf es eben nicht. Die Anhörung ist grds. formfrei. In der Hauptverhandlung erfolgt sie naturgemäß mündlich. Außerhalb der Hauptverhandlung wird i.d.R. eine schriftliche Stellungnahme der BuStra über die StA eingeholt. Dieses Recht wird von der FinB in der Praxis auch sehr ernst genommen und nicht selten folgen sehr ausführliche substantiierte schriftliche Stellungnahmen. Die FinB, genauer gesagt die BuStra, hat nach § 407 Abs. 1 AO ein Recht und nicht die Pflicht auf Anwesenheit und Äußerung in der Hauptverhandlung. Auch hier ist die Steufa aus den bereits genannten Gründen nicht Vertreter der FinB (vgl. Rn. 3, 49 f.). Die Verfahrensbeteiligte FinB, mithin die BuStra, sitzt in der Hauptverhandlung neben der StA. In der Praxis wird eine Nichtteilnahme der BuStra vor der Hauptverhandlung i.d.R. mit der StA abgestimmt (Nr. 94 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 AStBV). Zum einen ist der FinB selbst an einem positiven Ausgang des Verfahrens gelegen und zum anderen ist sowohl die StA als auch der Richter, nicht unbedingt im Sinne einer Waffengleichheit, wohl aber im Sinne einer sachgerechten Entscheidung, dankbar für die Mitwirkung eines Sachkundigen auf dem schwierigen Rechtsgebiet des Steuerstrafrechts. Denn nicht selten wird auf der Seite des Angeklagten ein steuerlich versierter Rechtsanwalt oder neben diesem ein Steuerberater verteidigen. Das Gericht teilt der zuständigen BuStra den Termin zur Hauptverhandlung oder der Vernehmung durch den beauftragten oder ersuchten Richter nach § 407 Abs. 1 S. 3 AO regelmäßig unter Einhaltung der Ladungsfristen nach §§ 214, 217 StPO mit.

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Im Rahmen der Hauptverhandlung und bei Vernehmungen durch den beauftragten oder ersuchten Richter darf der Vertreter der BuStra nach § 407 Abs. 1 S. 5 AO unmittelbar Fragen an den Angeklagten, Zeugen und Sachverständigen richten (§ 240 Abs. 2 S. 1 StPO, Nr. 94 Abs. 3 S. 2 AStBV). Das Gericht wird die Notwendigkeit oder Sachdienlichkeit der Frage i.d.R. nicht überprüfen, ggf. aber von der Zurückweisungsmöglichkeit ungeeigneter oder nicht zur Sache gehörender Fragen durch den Vorsitzenden nach § 241 Abs. 2 StPO Gebrauch machen.

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Ebenso steht der FinB in der Hauptverhandlung sowie bei der Vernehmung durch den beauftragten oder ersuchten Richter ein Stellungnahme- oder Erklärungsrecht nach § 407 Abs. 1 S. 4 AO zu (vgl. auch Nr. 94 Abs. 2 S. 2 AStBV). Der Vertreter der FinB erhält nach dem Wortlaut auf Verlangen das Wort. Es obliegt jedoch dem Vorsitzenden aufgrund seiner Prozessleitungsbefugnis nach § 238 StPO, den Zeitpunkt der Stellungnahme zu bestimmen. In der Praxis ist die besondere Sachkunde des BuStra-Mitarbeiters bzw. des SGL der BuStra für sämtliche Verfahrensbeteiligte durchaus förderlich, so dass es eines förmlichen Antrags auf Worterteilung i.d.R. nicht bedarf und erfahrungsgemäß sehr frühzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Dieses Stellungnahme- oder Erklärungsrecht entspricht inhaltlich nicht dem Schlussvortrag der StA nach § 258 StPO und sollte diesen auch nicht vorwegnehmen. Denn § 258 Abs. 1 StPO räumt dieses Recht lediglich der StA, dem Angeklagten bzw. dem Verteidiger, dem Privatkläger (vgl. §§ 374 ff. StPO) und Einziehungsbeteiligten § 427 Abs. 1 StPO sowie über § 397 Abs. 1 S. 3 StPO auch dem Nebenkläger ein.[2] Die FinB ist weder Nebenkläger noch hat sie ein Recht auf Erwiderung gem. § 258 Abs. 2 StPO.[3] Der Vertreter der FinB kann zu dem Schlussvortrag der StA noch ergänzende Ausführungen machen, jedoch darf er keine eigenen Anträge stellen (vgl. hierzu Nr. 94 Abs. 3 S. 3 AStBV). Ebenso wenig kann er Beweisanträge stellen oder Rechtsmittel einlegen (vgl. Nr. 94 Abs. 3 S. 3, Nr. 95 AStBV).[4]

58

Der Vertreter der BuStra kann auch als Zeuge oder Sachverständiger vernommen werden.[5] Es liegt im Ermessen des Gerichts bzw. Vorsitzenden dem auch als Zeugen geladenen Vertreter der BuStra, die Teilnahme an der Hauptverhandlung von Beginn an zu gestatten.[6] Die Vertreter der FinB erhalten von ihrem Dienstvorgesetzten für diese Fälle eine Aussagegenehmigung gem. § 54 StPO. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn der BuStra-Mitarbeiter an den Ermittlungen beteiligt war und nunmehr als Sachverständiger vernommen werden soll, da die Möglichkeit der Ablehnung gem. § 74 StPO eröffnet ist.

 

59

Die FinB ist nach § 407 Abs. 2 AO von dem Urteil oder anderer verfahrensabschließender Entscheidungen in Kenntnis zu setzen. Unabhängig davon, ob die FinB in der Hauptverhandlung anwesend war oder nicht, erhält sie eine Ausfertigung des Urteils oder Einstellungsbeschlusses nach Nr. 9 Abs. 1 i.V.m. Nr. 4 Abs. 3 Nr. 2 MiStra.

60

Verstöße gegen die Beteiligungsrechte der FinB nach § 407 Abs. 1 AO sind lediglich mit einer formlosen Gegenvorstellung angreifbar.[7] Ungeachtet der weiteren, aber streitigen Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde, sind beide Formen des Rechtsschutzes erfahrungsgemäß wenig Erfolg versprechend.[8] Seitens der StA (theoretisch auch seitens des Angeklagten) bestünde allenfalls die Möglichkeit, die Verletzung der Beteiligungsrechte nach § 407 Abs. 1 AO im Rahmen der Aufklärungsrüge nach § 344 Abs. 2 i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO mit der Revision geltend zu machen, wenn sich im konkreten Fall die Beteiligung der FinB aufgedrängt hätte und durch die Wahrnehmung der Rechte eine weitere Sachaufklärung zu erwarten gewesen wäre.[9]