Fiskalstrafrecht

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4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › IX. Die Einleitungsbefugnis beim Anfangsverdacht eines Steuerdeliktes

IX. Die Einleitungsbefugnis beim Anfangsverdacht eines Steuerdeliktes

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Nach der gesetzlichen Aufzählung des § 397 Abs. 1 AO sind die FinB, die Polizei, die StA, eine ihrer Ermittlungspersonen sowie der Strafrichter befugt, eine Einleitung eines Ermittlungsverfahrens vorzunehmen bzw. entsprechende Maßnahmen zu veranlassen. Der Gesetzgeber wollte mit der Reihenfolge der benannten Stellen, keine Rangfolge der einleitungsbefugten Stellen festlegen.[1] Danach ist für die Rechtsfolge einer Einleitung unerheblich, welche der genannten Stellen die Einleitung bewirkt hat.[2] In der Praxis wird die Prüfung eines Anfangsverdachtes eines Steuerdeliktes in der Regel durch die Steufa oder BuStra vorgenommen. Diese Stellen haben zum einen die steuerliche Sachkunde und zum anderen die Möglichkeit auf die bei ihnen im Datenverarbeitungssystem vorhandenen steuererheblichen Daten, die aufgrund durchgeführter Veranlagungen erfasst wurden, zuzugreifen. Denn um zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung sicher bejahen zu können, bedarf es neben der Kenntnis der Einzelsteuergesetze auch der Kenntnis der gesetzlichen Steuererklärungspflichten und Abgabefristen in Bezug auf den jeweiligen Steuerpflichtigen. Diese Informationen stehen den Staatsanwaltschaften und Gerichten nicht zur Verfügung. In der Regel werden Strafanzeigen (§ 158 StPO), die sich auf ein Steuerdelikt beziehen und bei der StA, Polizei oder Gericht eingehen, direkt an die FÄFuSt mit der Bitte um Prüfung eines Anfangsverdachtes in eigener Zuständigkeit weitergeleitet. Diese „eigene“ Zuständigkeit folgt aus § 399 Abs. 1 AO. Die FinB nimmt gem. §§ 386 Abs. 2 i.V.m. 399 Abs. 1 AO bei der Verfolgung von Straftaten die Rechte und Pflichten der StA wahr (vgl. Rn. 18 ff.). FinB ist gem. § 386 Abs. 1 S. 2 AO das Finanzamt. Auch wenn in den unter Rn. 1 genannten Bundesländern Sonderfinanzämter für die Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten (FÄFuSt) eingerichtet wurden, behalten die Veranlagungs– bzw. Besteuerungsfinanzämter die allgemeine Strafverfolgungsbefugnis gem. § 399 Abs. 2 AO. Nach § 386 Abs. 1 AO ermittelt die FinB bei Verdacht einer Steuerstraftat den Sachverhalt. Aufgrund innerdienstlicher Organisation sind Steuerfahnder und Sachbearbeiter der BuStra als zuständige Amtsträger der FinB befugt, eine Einleitung eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens vorzunehmen. Dies geschieht regelmäßig durch eine Einleitungsverfügung in der die Steuerarten (z.B. Umsatzsteuer) und Veranlagungszeiträume konkret aufgeführt werden müssen. Diese Konkretisierung hat mit Blick auf die verjährungsunterbrechende Wirkung gem. § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 376 AO zu erfolgen.[3] Aber auch der Außenprüfer (Großbetriebsprüfer/Betriebsprüfer) ist nach § 399 Abs. 2 AO befugt, . . ., bei dem Verdacht einer Steuerstraftat den Sachverhalt zu erforschen und alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Der Außenprüfer ist als Steuerbeamter auch ein Veranlagungsbeamter, der in erster Linie für die Überprüfung der Besteuerungsgrundlagen zuständig ist. Bei Vorliegen eines Anfangsverdachtes mit unmittelbarem Handlungsbedarf ist er in zweiter Linie aber auch Ermittlungsperson für die Strafverfolgungsstellen und damit zur Einleitung berechtigt. Ein sofortiges Handeln des Außenprüfers ohne vorherige Unterrichtung des zuständigen FAFuSt ist geboten, wenn er wegen Gefahr im Verzug Beweismittel gem. § 98 StPO beschlagnahmen muss. Ebenso hat er gem. § 399 Abs. 2 S. 2 AO das Recht. . . Durchsuchungen . . . und sonstige Maßnahmen nach den für Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft geltenden Vorschriften der Strafprozessordnung . . . anzuordnen (vgl. Nr. 130, 131, 133 AStBV). Der Prüfer hat in diesen Fällen die Einleitung des Steuerstrafverfahrens unverzüglich selbst vorzunehmen, in den Akten zu vermerken und diese Maßnahme dem FAFuSt anzuzeigen (vgl. auch § 10 BpO 2000). In der Praxis wird der in § 399 Abs. 2 AO geregelte Fall die Ausnahme sein und nur in Betracht kommen, wenn der Steuerpflichtige im Rahmen der Außenprüfung für den Prüfer erkennbar im Begriff ist, Unterlagen beiseite zu schaffen.

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Im Regelfall wird der Außenprüfer keine Einleitung vornehmen, sondern nach § 10 Abs. 1 BpO 2000 die für die Bearbeitung der Straftat zuständige Stelle, also die Steufa oder BuStra, unterrichten. Wird der Anfangsverdacht gegen den Steuerpflichtigen bejaht, dürfen nach einer verwaltungsinternen Anweisung, die Ermittlungen hinsichtlich des Sachverhaltes, auf den sich der Verdacht bezieht, erst fortgesetzt werden, wenn dem Steuerpflichtigen die Einleitung des Strafverfahrens mitgeteilt worden ist.[4] In der Praxis wird erfahrungsgemäß die Betriebsprüfung gänzlich unterbrochen bis die Einleitung des Strafverfahrens bekanntgegeben bzw. eine ggf. angezeigte Durchsuchungsmaßnahme vollstreckt worden ist. Dies erscheint angesichts des materiellen und prozessualen Tatbegriffs der Steuerhinterziehung, der bspw. die Einkommensteuer 2009 mit sämtlichen steuererheblichen Sachverhalten des Veranlagungsjahres und nicht nur bestimmte Einzelsachverhalte einer Einkunftsart erfasst, die verfahrensrechtlich richtige Vorgehensweise.

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Anknüpfend an den prozessualen Tatbegriff des § 264 StPO hat das OLG Braunschweig eine Ermittlungskompetenz der FinB auch für Nichtsteuerstraftaten angenommen.[5] So liegt es nahe, dass im Rahmen der Ermittlung einer Steuerhinterziehung bei der Auswertung von Handels- und Geschäftsbüchern, Grundaufzeichnungen, Belegen, Rechnungen u.Ä., auch Urkundenfälschungen gem. § 267 StGB aufgedeckt werden. Durch die Erweiterung des Strafverfahrens auf außersteuerliche Delikte verliert die FinB zwar ihre selbstständige Verfahrensherrschaft gem. § 386 Abs. 2 AO, aber nicht ihre (unselbstständige) Ermittlungskompetenz gem. §§ 386 Abs. 1, 402 AO.[6] Da die Ermittlungsbefugnis vorliegend aus polizeilichen Befugnissen abgeleitet wird, kann für die Einleitungsbefugnis nichts anderes gelten. Die Reichweite der Einleitungsbefugnis der FinB bei einem Anfangsverdacht einer Nichtsteuerstraftat ist, wie unter Rn. 27 ausgeführt, umstritten. Der BGH erkennt eine (unselbstständige) Ermittlungsbefugnis für den Fall der Tateinheit zwischen einer Steuerstraftat und einer Nichtsteuerstraftat ohne weiteres an.[7] Das OLG Braunschweig lässt eine prozessuale Tat i.S.d. § 264 StPO genügen. (vgl. dazu Rn. 27) In der Praxis sollte im Zweifel, soweit es das Steuergeheimnis (§ 30 Abs. 4 Nr. 4 1. Fall AO) zulässt, unverzüglich Kontakt mit der zuständigen StA aufgenommen werden, um das weitere Vorgehen im Hinblick auf das Allgemeindelikt abzustimmen und ggf. verjährungsunterbrechende Maßnahmen rechtzeitig einzuleiten.

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Eine Entscheidung hinsichtlich des Verfahrensabschlusses wegen der Nichtsteuerstraftat bleibt in jedem Fall der StA vorbehalten, da sie kraft Gesetz bereits mit Begründung des Anfangsverdachts die Verfahrensherrschaft nach § 386 Abs. 1 AO und nicht nach § 386 Abs. 4 S. 1 AO erlangt. Sie hat jedoch die Möglichkeit bereits während der Ermittlungen von der verfahrensrechtlichen Abtrennung des Vorwurfs der Nichtsteuerstraftat Gebrauch zu machen und die verbleibende Steuerstraftat im Benehmen mit der FinB wieder an diese zurückzugeben (Nr. 140 Abs. 3 AStBV, vgl. Rn. 44).[8] Dies hat zur Folge, dass die FinB hinsichtlich der verbleibenden Steuerstraftat wieder ihre selbstständige Verfahrensherrschaft nach § 386 Abs. 2 AO mit Abschlussbefugnis zurück erhält. Diese Vorgehensweise hat sich in der Praxis durchaus bewährt, setzt aber voraus, dass die FinB mit ihrer StA zusammenarbeitet und den prozessualen Tatbegriff im Auge behält (vgl. Rn. 26 f.).

Anmerkungen

[1]

Franzen/Gast/Joecks/Jäger § 397 Rn. 12.

[2]

Franzen/Gast/Joecks/Jäger § 397 Rn. 13.

[3]

BVerfG 5.5.2000 – 2 BvR 2212/99; BVerfG 6.3.2002 – 2 BvR 1619/00.

[4]

BMF-Schreiben vom 20.7.2001 – IV D 2 – S 0403-3/01; BStBl I 2001, 502.

[5]

OLG Braunschweig wistra 1998, 71.

[6]

Franzen/Gast/Joecks/Randt § 386 Rn. 26 f.

[7]

BGH wistra 1990, 59.

[8]

Kohlmann/Peters § 386 Rn. 102.

5. Kapitel Akteneinsicht

Inhaltsverzeichnis

 

A. Grundlagen und Systematik

B. Das Akteneinsichtsrecht des Beschuldigten bzw. seines Verteidigers gem. § 147 Abs. 1 StPO

C. Das Akteneinsichtsrecht des Nebenbeteiligten

D. Das Akteneinsichtsrecht öffentlicher Stellen gem. § 474 StPO

E. Das Akteneinsichtsrecht der Finanzbehörden gem. § 395 AO

F. Das Akteneinsichtsrecht des Verletzten gem. § 406e Abs. 1 StPO

G. Das Akteneinsichtsrecht sonstiger Personen gem. § 475 Abs. 1, 2 StPO

Literatur:

Beulke/Witzigmann Das Akteneinsichtsrecht des Strafverteidigers in Fällen der Untersuchungshaft, NStZ 2011, 254; Burkhard Akteneinsichtsrecht des Strafverteidigers in Steuerstrafverfahren – hierzu gehört u.a. auch der rote Bogen und das Fallheft des Betriebsprüfers, StV 2000, 526; Donath/Mehle Akteneinsichtsrecht und Unterrichtung des Mandanten durch den Verteidiger, NJW 2009, 1399; Jahn/Lips Hat der Strafverteidiger die Pflicht bei der Rekonstruktion außer Kontrolle geratener Verfahrensakten mitzuwirken?, StraFo 2004, 229; Kümmel Das Akteneinsichtsrecht des Verletzten nach § 406e StPO und das Steuergeheimnis nach § 30 AO – ein in Korruptionsverfahren unauflösliches Spannungsverhältnis?, wistra 2014, 124; Müller-Jacobsen/Peters Schwarzmalerei in Steuerstrafsachen, wistra 2009, 458; Peglau Akteneinsichtsrecht des Verteidigers in Untersuchungshaftfällen, JR 2012, 231; Riedel/Wallau Das Akteneinsichtsrecht des „Verletzten“ in Strafsachen – und seine Probleme, NStZ 2003, 393; Schlothauer Zu den Grenzen des Akteneinsichtsrechts des Verletzten nach StPO § 406e und der gerichtlichen Nachprüfbarkeit einer Ankündigung der Staatsanwaltschaft, dem Verletzten Akteneinsicht zu gewähren, StV 1988, 334; Thomas Der Diskussionsentwurf zur Verbesserung der Rechte des Verletzten im Strafverfahren – ein Stück Teilreform?, StV 1985, 431.

5. Kapitel Akteneinsicht › A. Grundlagen und Systematik

A. Grundlagen und Systematik

1

Das nachfolgend im Einzelnen dargestellte Akteneinsichtsrecht der StPO[1] ist von zentraler Bedeutung für Beschuldigte (§ 147 StPO)[2], Verletzte (§ 406e StPO), öffentliche Stellen (§ 474 StPO, § 395 AO) und sonstige Dritte (§ 475 StPO) zur Erlangung von Informationen, die im Zuge von Straf-[3] und Ordnungswidrigkeitenverfahren[4] von staatlichen Behörden erhoben werden.[5] Grundsätzlich gilt dabei: Die Geheimhaltung entsprechender Informationen ist die Regel, die Gewährung der Akteneinsicht die Ausnahme. Das Recht auf Akteneinsicht bedarf daher stets der gesetzlichen Legitimation und einer Begründung des Antragstellers, die geeignet ist, sein Recht auf Akteneinsicht und dessen Reichweite, d.h. den Umfang der Akteneinsicht, im Einzelfall zu rechtfertigen. Anderenfalls ist die Gewährung der Akteneinsicht zu versagen.

2

Die Anforderungen, die an die Begründung eines solchen Akteneinsichtsrechts zu stellen sind, sind der jeweiligen Norm, auf die das Akteneinsichtsrecht gestützt wird, zu entnehmen.[6] Aus der Systematik des Rechts auf Akteneinsicht folgt zudem, dass der Betroffene anzuhören und in aller Regel eine Interessenabwägung zwischen den persönlichen Interessen des Betroffenen bzw. dem staatlichen Interesse an der Geheimhaltung entsprechender Informationen und dem Interesse des Antragstellers auf Akteneinsicht vorzunehmen ist, bevor die Entscheidung über die Gewährung der Akteneinsicht ergeht und die Einsicht in die Akte gewährt wird. Soweit der Gesetzgeber in Ausnahmefällen bereits selbst eine solche Interessenabwägung vorgenommen hat und die Gewährung der Akteneinsicht entweder ganz oder teilweise von der Eigenschaft des Antragstellers („Beschuldigter“, „Nebenkläger“, „Justizbehörden“) oder dem Zweck der Akteneinsicht (zu Zwecken der Rechtspflege) abhängig macht, sind (nur) diese Eigenschaften und Zwecke Gegenstand der Prüfung, ob und in welchem Umfang das Recht auf Akteneinsicht besteht. Ob die Akteneinsicht alsdann auch unmittelbar und in vollem Umfang gewährt werden kann, oder ob die Voraussetzungen für Beschränkungen (bspw. die Gefährdung des Ermittlungszwecks i.S.d. § 147 Abs. 2 S. 1 StPO) vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls.

3

Besteht das Recht auf Akteneinsicht, so ist dem Verteidiger des Beschuldigten grundsätzlich in alle dem Gericht vorliegenden Akten, oder im Falle der Anklageerhebung vorzulegenden Akten, uneingeschränkt Einsicht zu gewähren. Diese Akteneinsicht umfasst, wegen des Grundsatzes der Aktenvollständigkeit und -wahrheit,[7] das gesamte Material, das im Rahmen des (Vor-) Verfahrens angefallen ist.[8] Alle Schriftstücke, Ton- und Bildaufnahmen, aus denen sich schuldspruch- oder rechtsfolgenrelevante Umstände ergeben können, sind der Akte beizufügen.[9] Eine „Auswahl“ von Aktenbestandteilen, die aus Sicht der Behörde für verfahrensrelevant erachtet werden, ist unzulässig. Die Akteneinsicht anderer Personen, Behörden oder Institutionen ist dagegen in aller Regel auf den darzulegenden Zweck der Akteneinsicht beschränkt. Aufgrund des mit der Gewährung der Akteneinsicht zwangsläufig verbundenen Eingriffs in das grundgesetzlich verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) stellt die unberechtigte Gewährung der Akteneinsicht einen schwerwiegenden Rechtsverstoß dar.

Anmerkungen

[1]

Vgl. allgemein HK-StPO/Julius Vor § 147; EGMR EuGRZ 2003, 472, 479.

[2]

Einen generellen Anspruch auf Akteneinsicht hat der Beschuldigte selbst nicht: Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt § 147 Rn. 1; Zum Sonderfall des unverteidigten Beschuldigten, dem auf Antrag Auskünfte und Abschriften aus den Akten zu erteilen sind, um sich sachgerecht verteidigen zu können: Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt § 147 Rn. 4 unter Hinweis auf LG Ravensburg NStZ 1996, 100.

[3]

Zum Akteneinsichtsrecht im Steuerstraf- sowie im Besteuerungsverfahren vgl. Gehm StV 2016, 185 ff.

[4]

Gem. § 46 Abs. 1 OWiG findet die StPO dort „sinngemäß“ Anwendung.

[5]

Zur Akteneinsicht in Telekommunikationsdaten vgl. Wettley/Nöding NStZ 2016, 633 ff.

[6]

Vgl. §§ 147 (Verteidiger für den Beschuldigten), 385 Abs. 3 (Prozessbevollmächtigter des Privatklägers), 406e Abs. 1 S. 1(Rechtsanwalt für den Verletzten), 406e Abs. 1 S. 2 (Rechtsanwalt für den Privatkläger i.S.v. 395 Abs. 1, 2 und 3), 434 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 442 Abs. 1 (Rechtsanwalt oder zur Verteidigung berechtigter für den Einziehungs- und Verfallsbeteiligten) und in Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG und 109 ff. StVollzG der Bevollmächtigte, ohne das hierfür eine gesetzliche Regelung besteht.

[7]

Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt § 147 Rn. 14 ff.

[8]

HK-StPO/Julius § 147 Rn. 5 unter Hinweis auf: BGH StV 2010, 228 f.

[9]

Vgl. BGH StV 2010, 228, 229.

5. Kapitel Akteneinsicht › B. Das Akteneinsichtsrecht des Beschuldigten bzw. seines Verteidigers gem. § 147 Abs. 1 StPO

B. Das Akteneinsichtsrecht des Beschuldigten bzw. seines Verteidigers gem. § 147 Abs. 1 StPO

5. Kapitel Akteneinsicht › B. Das Akteneinsichtsrecht des Beschuldigten bzw. seines Verteidigers gem. § 147 Abs. 1 StPO › I. Die Bedeutung der Akteneinsicht für den Beschuldigten

I. Die Bedeutung der Akteneinsicht für den Beschuldigten

4

§ 147 Abs. 1 StPO regelt das Recht des Verteidigers auf Akteneinsicht. Hat ein Beschuldigter mehrere Verteidiger, so steht jedem von ihnen das Recht auf Akteneinsicht gesondert zu.[1] Die Vorschrift ist gesetzliche Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes einer fairen Verfahrensführung[2] und des Anspruchs auf rechtliches Gehör.[3] Eine sachgerechte Verteidigung im Strafverfahren ist nur dann möglich, wenn dem Beschuldigten und seinem Verteidiger die (bisherigen) Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden bekannt sind. Dies ist in aller Regel allein durch die (vollständige) Einsicht in die Ermittlungsakte möglich. Ein Anspruch auf die Erteilung von Abschriften und Ablichtungen – als Unterfall der Akteneinsicht – besteht indes nicht; vielmehr muss der Verteidiger diese grundsätzlich selbst fertigen.[4]

5

Von dem Akteneinsichtsrecht zu unterscheiden ist das ebenfalls in § 147 Abs. 1 StPO normierte Recht des Verteidigers, amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen. Dieses ist kein Teil des Akteneinsichtsrechts, sondern ergänzt dieses. Bei den Beweisstücken handelt es sich um beschlagnahmte, sichergestellte oder auf andere Weise in den Gewahrsam der Behörde gelangte Gegenstände. Hierunter fallen auch Urkunden[5] sowie Augenscheinsobjekte. Diese dürfen dem Verteidiger nicht mitgegeben werden. Der Verteidiger darf die Beweisstücke an ihrem Verwahrungsort besichtigen. Soweit dies technisch möglich ist, muss dem Verteidiger allerdings die Möglichkeit eingeräumt werden, Fotokopien zu fertigen. Streitig ist nur, ob der Verteidiger – gerade in Umfangsverfahren – einen Anspruch darauf hat, amtlich gefertigte Kopien zu erhalten. Eine Reihe von Gerichten[6] hat in der jüngeren Vergangenheit in Einzelfällen einen solchen Anspruch aufgrund des Rechts des Beschuldigten auf informationelle Waffengleichheit bejaht; eine grundsätzliche Linie ist indes nicht erkennbar.

Anmerkungen

[1]

Satzger/Schluckebier/Widmaier/Beulke StPO, § 147 Rn. 6.

[2]

BVerfGE 63, 45, 62; OLG Brandenburg NJW 1996, 67, 68; SK-StPO/Wohlers § 147 Rn. 1.

[3]

Jahn/Lips StraFo 2004, 229, 232 f.

[4]

Meyer/Goßner/Schmitt/Schmitt § 147 Rn. 6 f.

[5]

OLG Köln NJW 1985, 336, 337.

[6]

OLG Frankfurt StV 2001, 611, 612; OLG Stuttgart NStZ-RR 2013, 217, 217; AG Lemgo NStZ 2012, 287, 287.

5. Kapitel Akteneinsicht › B. Das Akteneinsichtsrecht des Beschuldigten bzw. seines Verteidigers gem. § 147 Abs. 1 StPO › II. Die Gewährung von Akteneinsicht an den Beschuldigten

II. Die Gewährung von Akteneinsicht an den Beschuldigten

6

Das Akteneinsichtsrecht nach § 147 Abs. 1 StPO steht nur dem Verteidiger zu. Der Beschuldigte selbst hat keinen (unmittelbaren) Anspruch auf Akteneinsicht gem. § 147 Abs. 1 StPO bzw. kann dieses nicht selbst wahrnehmen.[1] Dies gilt auch dann, wenn er selbst Rechtsanwalt ist. Umgekehrt lässt sich aber aus dieser Vorschrift kein Verbot der Gewährung von Akteneinsicht an den Beschuldigten entnehmen.[2] Der unverteidigte Beschuldigte hat gem. § 147 Abs. 7 S. 1 StPO einen Anspruch auf Auskünfte und Abschriften aus den Akten, wenn er sich ansonsten nicht angemessen verteidigen kann.[3]

 

Anmerkungen

[1]

Anders im Ordnungswidrigkeitenrecht, vgl. § 49 Abs. 1 OWiG.

[2]

LG Ravensburg NStZ 1996, 100, 101; SK-StPO/Wohlers § 147 Rn. 10.

[3]

KK-StPO/Laufhütte/Willnow § 147 Rn. 2; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt § 147 Rn. 4.

5. Kapitel Akteneinsicht › B. Das Akteneinsichtsrecht des Beschuldigten bzw. seines Verteidigers gem. § 147 Abs. 1 StPO › III. Das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers gem. § 147 StPO