Internal Investigations

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2. Wirtschaftliches Eigeninteresse des Unternehmens im Rahmen der Innenhaftung und Abgrenzung zur Eigenschadenversicherung

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Sieht man sich die Konzeption der D&O-Versicherung genauer an, dann kann allerdings nicht ignoriert werden – und die nachfolgenden Erwägungen sind insbesondere für die Durchführung und den richtigen Umgang mit internen Untersuchungen von entscheidender Bedeutung –, dass sich das Unternehmen damit faktisch auch selbst absichert.[11] Diese Formulierung mag rechtlich unkorrekt sein, da es sich bei der D&O-Versicherung nach inzwischen gefestigter und auch von der Rechtsprechung bestätigten Ansicht[12] nicht um eine Eigenschadenversicherung handelt.

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Doch besteht die Besonderheit der D&O-Versicherung gerade darin, dass das Unternehmen wirtschaftlich ein erhebliches Eigeninteresse an dem Abschluss dieser Versicherung hat. Denn wenn eine Inanspruchnahme des – in der Regel abberufenen – Geschäftsführers/Vorstandes/Aufsichtsrates im Rahmen von § 93 Abs. 2 AktG, § 43 Abs. 2 GmbHG begründet ist, dann steht dem Unternehmensleiter ein Anspruch auf Befreiung seiner Haftpflichtschuld gegenüber dem Versicherer zu, der wirtschaftlich dem Unternehmen zugutekommt. Im haftpflichtrechtlichen Jargon gesprochen bedeutet dies, dass der Versicherer das Vermögen des versicherten Organs von der auf ihm lastenden Haftpflichtschuld wieder befreit.[13] Diese Befreiung geschieht dadurch, dass der Versicherer dem Unternehmen im Rahmen der Versicherungssumme den eingetretenen Schaden ersetzt. Das wirtschaftliche Ergebnis aus Sicht des Unternehmens ist also – soweit ein Deckungsanspruch des Organs auf Befreiung von begründeten Schadensersatzansprüchen besteht – mit dem Ergebnis bei Bestehen einer Eigenschadenversicherung identisch.

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Deshalb hat man in der Vergangenheit den Zweck der D&O-Versicherung gar im Bilanzschutz zu Gunsten des Unternehmens sehen wollen.[14] Diese Formulierung ist allerdings insoweit unrichtig, als nicht jeder bilanzielle Verlust des Unternehmens über eine D&O-Versicherung abgedeckt ist. Schließlich besteht ein Befreiungsanspruch der Organe nur dann, wenn ein begründeter Schadenersatzanspruch des Unternehmens gegenüber dem Organmitglied besteht und dies ist ausweislich der Grundsatzentscheidung des BGH[15] zur Organhaftung im Falle der „glücklosen Hand“ gerade nicht der Fall.

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Doch ist es richtig, das wirtschaftliche Eigeninteresse des Unternehmens an dem Abschluss der Versicherung zu betonen. Dies hat zunächst auch der Gesetzgeber getan, da er in der Gesetzesbegründung zur Einführung des Pflichtselbstbehaltes nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ausdrücklich hervorhebt, dass ein Eigeninteresse des Unternehmens besteht.[16] Auch das Bundesfinanzministerium hat die Tatsache, dass das Unternehmen wirtschaftlich ein eigenes Interesse versichert bereits mit Schreiben vom 24.1.2002[17] aufgegriffen und ausgeführt, dass die Beiträge/Prämien, die von dem Unternehmen für die Versicherung gezahlt werden, einkommenssteuerrechtlich nicht zum Arbeitslohn der versicherten Arbeitnehmer gehören, weil dabei von einem „überwiegend eigenbetrieblichen Interesse“ des Arbeitgebers auszugehen sei. Die Finanzverwaltung hat damit ihre frühere Auffassung aufgegeben, wonach Prämienzahlungen der Gesellschaft zu einer D&O-Versicherung bei Vorständen als Einnahmen anzusehen waren.[18] Nach einer zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrages sehr aktuellen Entscheidung des BGH zur D&O-Versicherung[19] wird der beschriebene Schutzzweck des Gesellschaftsvermögens, der mit der D&O-Versicherung bezweckt wird, ebenfalls ausdrücklich in den Vordergrund gehoben. Der BGH hatte sich in dieser Entscheidung mit der Frage zu befassen, welche Voraussetzungen an den Eintritt des Versicherungsfalles bei einer D&O-Versicherung zu stellen sind. Die Vorinstanz[20] hatte noch betont, dass die Inanspruchnahme eines Vorstandsmitgliedes dann nicht geeignet sei, einen Anspruch auf Versicherungsschutz auszulösen, wenn sie ausschließlich mit dem Ziel erfolge, eine Leistung aus dem bestehenden Versicherungsvertrag durchzusetzen und damit gegenüber dem Vorstandsmitglied „nicht als ernsthaft“ angesehen werden könne. Richtigerweise hat der BGH dieser -– schon nahezu abstrus – anmutenden Ansicht des OLG Düsseldorf mit Verweis auf den Schutzzweck der D&O-Versicherung eine eindeutige Absage erteilt. Der BGH betont, dass sich der Zweck der D&O-Versicherung nicht „in einem Ausgleich der dem Schädiger aus seiner Haftung drohenden Vermögensschäden“ erschöpfe, sondern vielmehr auch der Geschädigte – und das ist im Rahmen der Innenhaftung die Gesellschaft – geschützt werden solle. Eine interessengerechte Auslegung verbiete es daher, den Eintritt des Versicherungsfalles deshalb zu verneinen, weil die Gesellschaft mit der Inanspruchnahme des Versicherten letztlich ausschließlich bezwecke, auf die Versicherungssumme zugreifen zu können. Diese – auf Basis der §§ 108–110 VVG ergangenen – Klarstellungen des versicherungsrechtlichen Senates stehen in Einklang mit den aktienrechtlichen Wertungen des Gesetzgebers und der gesellschaftsrechtlichen Rechtsprechung. Denn der Abschluss einer D&O-Versicherung steht nur dann mit den Vorgaben des § 93 AktG in Einklang, wenn er im Interesse der Gesellschaft erfolgt. Es gilt der Grundsatz, dass der Vorstand das Interesse des Unternehmenswohles zu fördern und zu beachten hat.[21] Eine ausschließlich an den Interessen der betroffenen Organmitglieder ausgerichtete Versicherungskonzeption – diese hatte das OLG Düsseldorf unbewusst zugrunde gelegt – ist jedenfalls dann bedenklich, wenn die Prämien für die Versicherung aus dem Gesellschaftsvermögen gezahlt werden.

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Dieses wirtschaftliche Eigeninteresse des Unternehmens an dem Abschluss der Versicherung gilt freilich nur für den Fall der Innenhaftung. Allerdings macht eine nähere Auseinandersetzung mit dem gesellschaftsrechtlichen Haftungsregime deutlich, dass es bei der D&O-Versicherung im Ergebnis immer nur um die Innenhaftung geht. Dies wird deutlich, wenn man sich die nachfolgenden Erwägungen vor Augen führt:

3. Mittelbarer Schutz der Gläubigerinteressen durch die in § 93 AktG/§ 43 GmbHG normierte Innenhaftung

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Die Innenhaftung ist dem deutschen Gesellschaftsrecht als Regelfall immanent. Dies folgt aus dem gesellschaftsrechtlichen Prinzip der Haftungstrennung, welches in § 13 Abs. 2 GmbHG und § 1 Abs. 1 S. 2 AktG verankert ist. Dem Gläubiger steht als Haftungsmasse grundsätzlich nur das Vermögen der Gesellschaft zur Verfügung. Er kann keine Ansprüche gegen die Gesellschafter erheben[22] und nur in den genannten Ausnahmefällen unmittelbar die Unternehmensleiter auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.

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Der Schutz des Gläubigers wird daher maßgeblich durch die Innenhaftung des Organmitglieds gegenüber der Gesellschaft gewährleistet.[23] Denn wenn begründete Schadensersatzansprüche im Innenverhältnis mit Erfolg geltend gemacht werden, dann erhöht sich die Haftungsmasse der Gesellschaft, die den Gläubigern zur Erfüllung ihrer Ansprüche zur Verfügung steht. Die Innenhaftung der Organe ist deshalb Teil der Unternehmensordnung und -kontrolle.[24] Der ganz überwiegende Teil der gemeldeten D&O-Schadensfälle betrifft deshalb auch den Bereich der Organinnenhaftung.[25]

4. Innenhaftung als Reflex der Außenhaftung

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Nur deshalb, weil der Gläubiger im Rahmen der Innenhaftung das Insolvenzrisiko der Gesellschaft trägt, sieht der Gesetzgeber in besonderen Fällen – aber immer nur zusätzlich zu der beschriebenen Innenhaftung –, eine unmittelbare Außenhaftung des Unternehmensleiters gegenüber dem Gläubiger vor. Insbesondere im Falle eines deliktischen Verhaltens des Unternehmensleiters, oder wenn dieser im Rahmen von § 311 Abs. 3 BGB besonderes Vertrauen begründet und in Anspruch genommen hat, soll der Gläubiger nicht auf den Grundsatz der Haftungstrennung verwiesen werden und das Insolvenzrisiko der Gesellschaft tragen müssen.

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Entscheidend ist nunmehr, dass in diesen Fällen der Anspruch des Gläubigers gegen den Unternehmensleiter immer neben und gleichzeitig mit dem Anspruch gegen die Gesellschaft etabliert wird. Rechtlich gibt es – wenn der Unternehmensleiter in seiner Funktion als Organ tätig war – keinen Anspruch des Gläubigers, der sich nur gegen den Unternehmensleiter richtet. Wenn der Unternehmensleiter gegenüber dem Gläubiger haftet, dann haftet immer auch die Gesellschaft als juristische Person. Diese muss sich nämlich das Verhalten ihrer Organmitglieder nach § 31 BGB analog zurechnen lassen. Es wird also eine gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschaft und des Unternehmensleiters gegenüber dem Gläubiger etabliert. Deshalb kommt der Außenhaftung praktisch, wenn auch nicht ausschließlich, so doch zumeist insbesondere dann Bedeutung zu, wenn sich der Anspruch gegen die Gesellschaft wegen eingetretener Insolvenz derselben als nicht werthaltig erweist.[26] Gerade dann wird der Gläubiger nämlich ausschließlich den Unternehmensleiter in Anspruch nehmen.[27]

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Erweist sich ein Außenhaftungsanspruch, der von einem Gläubiger gegen die Gesellschaft und das Organmitglied geltend gemacht wird, als begründet, so ist jedoch – und dies ist von ganz entscheidender Bedeutung – im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und betroffenem Organmitglied grundsätzlich das Organmitglied dazu verpflichtet, der Gesellschaft einen möglicherweise verbleibenden Schaden zu ersetzen. Gerät die Gesellschaft also in die Haftung gegenüber einem Gläubiger, weil sie sich das Verhalten ihres Organs zurechnen lassen muss, so liegt grundsätzlich auch eine Pflichtverletzung der im Innenverhältnis gegebenen Leitungsverantwortung nach § 93 Abs. 2 AktG vor.[28] Deshalb sind Freistellungsvereinbarungen, die eine Aktiengesellschaft mit einem Vorstandsmitglied vereinbart, rechtlich unwirksam.[29] Denn nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG darf die Gesellschaft im Innenverhältnis erst drei Jahre nach Entstehung eines möglichen Schadensersatzanspruchs und nur mit Zustimmung der Hauptversammlung auf einen möglichen Schadensersatzanspruch verzichten oder sich darüber vergleichen. Eine Gesellschaft, die ihr Leitungsorgan von vornherein für mögliche Außenhaftungsansprüche freistellt, würde gegen diese Vorschrift verstoßen, weil die Außenhaftung generell die Innenhaftung als mögliche Folge nach sich zieht.

 

5. Zwischenergebnis – Die Innenhaftung als maßgeblich versichertes Risiko der D&O-Versicherung

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Festzuhalten ist deshalb an dieser Stelle der Erwägungen, dass der Außenhaftung immer nur vorgeschaltete Bedeutung zukommt. Reflex jeder Außenhaftung ist immer die Innenhaftung nach § 93 Abs. 2 AktG/§ 43 Abs. 2 GmbHG.

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Deshalb muss man bei der Frage nach den Besonderheiten der D&O-Versicherung und auch den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen bei dem Umgang mit internen Untersuchungen darauf achten, dass gerade die Innenhaftung des Unternehmensleiters gegenüber „seiner“ Gesellschaft als Kern des im Rahmen einer D&O-Versicherung versicherten Risikos zu qualifizieren ist.[30] Wie soeben dargestellt, hat der Unternehmensleiter in diesem Zusammenhang auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die D&O-Versicherung wirtschaftlich dem Interesse des Unternehmens entspricht und damit faktisch dem Unternehmen Schäden ersetzt werden, für die ein Organ im Rahmen von § 93 Abs. 2 AktG haftbar gemacht werden kann. Dies ist die rechtliche Basis, die der Unternehmensleiter beachten muss, wenn er interne Untersuchungen anordnet oder entscheiden muss, wie mit dem Ergebnis dieser Untersuchungen umzugehen ist.

Anmerkungen

[1]

Koch GmbHR 2004, 19.

[2]

Sog. Claims-Made-Prinzip, vgl. dazu eingehend: OLG Frankfurt r + s 2011, 509; OLG Frankfurt r + s 2010, 61; 432; OLG München NZG 2009, 714; LG München r + s 2009, 11; Graf von Westphalen VersR 2011, 145; Koch VersR 2011, 295, Steinkühler/Kassing VersR 2009, 607.

[3]

Römer/Langheid VVG § 100 Rn. 1.

[4]

Im Einzelfall wird die D&O-Police jedoch auch als Eigenversicherung angeboten, vgl. hierzu MK-VVG/Ihlas Bd. II Teil 2 Kap. 1, D&O-Versicherung Rn. 65 ff.; Lange r + s 2010, 92, 94.

[5]

OLG München DB 2005, 1675; LG Marburg DB 2005, 438; MK-VVG/Dageförde § 43 Rn. 20; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Muschner VVG, § 43 Rn. 21 f.

[6]

Schirmer ZVersWiss 1981, 637, 638.

[7]

BGH NJW 1988, 2803 zu § 13 Abs. 1 S. 2 AKB; vgl. auch Berliner Kommentar-VVG/Hübsch 1999 § 74 Rn. 15.

[8]

Abrufbar unter: www.gdv.de/wp-content/uploads/2011/11/09_DandO_1105.pdf (Stand: Mai 2011; letzter Abruf 3.8.2012).

[9]

Allerdings variieren die Ausgestaltungen in den Einzelheiten teilweise erheblich, weshalb immer zu beachten ist, dass die „Musterbedingungen“ des Gesamtverbandes (AVB/AVG) keineswegs auf jede D&O-Versicherung übertragbar sind.

[10]

Grundlegend BGH VersR 1951, 76.

[11]

Hümmerich/Reufels Gestaltung von Arbeitsverträgen § 2 Rn. 788: „Schutz des Privatvermögens des Geschäftsführers lediglich als Reflex“.

[12]

OLG München VersR 2005, 540.

[13]

Bereits RGZ 70, 257, 259; grundlegend BGHZ 15, 155, 158.

[14]

Vgl. die kritische Darstellung bei Ihlas/Stute Beilage zu PHi 4/2003, 18.

[15]

BGHZ 135, 244 – ARAG.

[16]

BT-Drucks. 16/13433, 11: „Die D&O-Versicherungen dienen nicht nur dem Schutz des Vermögens der Gesellschaft“.

[17]

DB 2002, 399.

[18]

BFH BStBl II 1996, 545; vgl. dazu auch die Darstellungen bei Schüppen/Sanna ZIP 2002, 550.

[19]

BGH 14.4.2016, IV ZR 304/13 = BB 2016, 1359.

[20]

OLG Düsseldorf VersR 2013, 1522.

[21]

GroßKomm. AktG/Hopt/Roth § 93 Rn. 97.

[22]

Seit der bekannten „Trihotel“-Entscheidung hat der BGH (BGHZ 173, 246 ff.) – systematisch zutreffend – jeder Durchgriffshaftung des Gläubigers auf die Gesellschafterebene eine Absage erteilt und ordnet seitdem auch die Existenzvernichtungshaftung ausschließlich dem Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter über § 826 BGB zu. In diesen Fällen wurde bis zu der Zeit vor der Trihotel-Entscheidung ein Durchgriff auf die Gesellschafterebene ausnahmsweise zugelassen; vgl. dazu insbesondere BGHZ 149, 10 – Bremer Vulkan.

[23]

Michalski/Haas/Ziemons § 43 Rn. 4; Fleck ZHR 1985, 387, 395; GroßKomm-AktG/Hopt § 93 Rn. 12.

[24]

GroßKomm-AktG/Hopt § 93 Rn. 16.

[25]

Ihlas verweist auf Studien (Towers Perrin/Ihlas & Köberich D&O-Studie 2007), wonach der Anteil an Innenansprüchen bei 62 % liegt; vgl. dazu MK-VVG/Ihlas Band II Teil 2 Kap. 1, D&O-Versicherung Rn. 424 sowie Ihlas Directors & Officers Liability, S. 304 f. und 488 f.

[26]

Paradigmatisch sind die Fälle der kapitalmarktrechtlichen Außenhaftung wegen fehlerhafter Ad Hoc-Mitteilungen, vgl. dazu BGH ZIP 2005, 1270 – EM TV; ZIP 2007, 682 – Comroad I; ZIP 2007, 680 – Comroad II; ZIP 2007, 326 – Comroad III; ZIP 2007, 1564 – Comroad IV; ZIP 2007, 1564 – Comroad V; ZIP 2008, 410 – Comroad VI; ZIP 2008, 410 – Comroad VII; ZIP 2008, 829 – Comroad VIII; ein weiteres prominentes Beispiel bildet auch der Fall Kirch/Deutsche Bank und Breuer, BGH NJW 2006, 1098.

[27]

BGH ZIP 2005, 1270 – EM TV.

[28]

Hopt weist auf die mögliche – jedoch schon als exotisch anmutende – Ausnahme hin, dass eine Haftung des Organmitglieds nur gegenüber Dritten begründet wird, weil das Organmitglied bei zweifelhafter Rechtslage einer für die Gesellschaft günstigen Rechtsauffassung folgt, die sich dann als unrichtig herausstellt und deshalb zu einer Eigenhaftung führt, ohne dass damit gleichzeitig eine Pflichtverletzung im Innenverhältnis einhergeht, vgl. dazu GroßKomm-AktG/Hopt § 93 Rn. 516.

[29]

Bastuck Enthaftung des Managements, 1986, S. 121; KölnKomm-AktG/Mertens § 94 Rn. 81; Thümmel Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 307; Kreuzer/Schlechtriem Die Haftung der Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften, 1991, S. 74; GroßKomm-AktG/Hopt § 93 Rn. 517.

[30]

Die Musterbedingungen des GDV sehen in Ziffer 1.1 der AVB AVG zunächst nur eine Versicherung der Außenhaftung vor und erweitern die Versicherung in Ziffer 1.3 auf die Innenhaftung, soweit die Ansprüche von der Hauptversammlung initiiert und von der Gesellschaft gerichtlich geltend gemacht werden. Diese, maßgeblich von Ihlas begründete, sog. modifizierte Innendeckung soll dem Risiko eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen Gesellschaft und versichertem Organmitglied begegnen, vgl. dazu insbesondere Ihlas/Stute Beilage zu PHi 4/2003, 1 ff. In den marktüblichen D&O-Versicherungen wird allerdings abweichend von den Musterbedingungen des GDV die Innenhaftung regelmäßig unmittelbar als Gegenstand der Versicherung definiert.

1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 3. Kapitel Versicherungsrechtliche Rahmenbedingungen › III. Deckungsrechtliche Fragen im Rahmen der Durchführung von „Internal Investigations“

III. Deckungsrechtliche Fragen im Rahmen der Durchführung von „Internal Investigations“

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Soweit interne Untersuchungen durchgeführt werden, stellt sich zunächst die Frage, ob der Versicherer bereits über die Einleitung solcher Untersuchungen zu informieren ist. Denn es ist ja denkbar, dass die Ergebnisse solcher Überprüfungen dazu führen, dass Missstände aufgedeckt werden, für die ein Unternehmensleiter verantwortlich sein kann.

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Dabei ist in Erinnerung zu rufen, dass der Unternehmensleiter grundsätzlich dafür verantwortlich ist, für eine Organisation Sorge zu tragen, die eine Leitung des Unternehmens unter Beachtung der gesetzlichen und behördlichen Vorgaben sicherstellt.[1] Im Rahmen von „Internal Investigations“ werden nun häufig Feststellungen getroffen, die deutlich machen, dass möglicherweise eine Verletzung dieser Organisationspflicht vorgelegen hat. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass auch bei einer ordnungsgemäßen Organisation Missstände in einem Unternehmen bestehen und es darf auch nicht verkannt werden, dass „Ausreißer“ letztlich von keinem Unternehmensleiter zu verhindern sind und auch eine noch so perfekt gestaltete Organisation nicht jeden Missstand verhindern kann. Der Unternehmensleiter haftet also keineswegs per se für sämtliche Gesetzesverletzungen, die sich in seinem Unternehmen ereignen. Denn er muss sich das Fehlverhalten seiner Mitarbeiter nicht nach § 278 BGB[2] zurechnen lassen und auch eine Zurechnung des Fehlverhaltens anderer Organmitglieder[3] findet nicht statt.

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Doch ist festzuhalten, dass es in der Folge von sogenannten „Internal Investigations“ dazu kommen kann, dass ein Unternehmensleiter für etwaig aufgedeckte Gesetzesverletzungen verantwortlich gemacht wird. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Rechtsprechung es bei der Aktiengesellschaft sogar als Pflicht des Aufsichtsrates ansieht, dass der Vorstand auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird, wenn dafür hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sind.[4] Diese Pflicht folgert der BGH aus der dem Aufsichtsrat obliegenden Überwachungspflicht.[5] Folglich wird man konstatieren müssen, dass die Durchführung von „Internal Investigations“ häufig dazu führen kann, dass es in der Folge auch zu einem Versicherungsfall unter der D&O-Versicherung kommen kann. Dies muss keineswegs unmittelbar im Anschluss an die Untersuchungen geschehen. Häufig muss der Sachverhalt im Anschluss weiter aufgeklärt werden. Es kann also weitere Zeit vergehen, bis es zu einer Inanspruchnahme eines Organmitgliedes kommt. Dies wirft zwangsläufig die Frage auf, ob und wie der Versicherer in solche Prozesse einzubinden ist.