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Das Hochland von Caxamarca, der alten Residenzstadt des Inka Atahualpa

Erster Anblick der Südsee von dem Rücken der Andeskette

Wenn man ein volles Jahr lang auf dem Rücken der Anti- oder Andeskette verweilt hat, zwischen 4° nördlicher und 4° südlicher Breite, in den Hochebenen von Neu-Granada, Pastos und Quito, also in den mittleren Höhen von acht- bis zwölftausend Fuß über der Meeresfläche, so freuet man sich, durch das mildere Klima der Chinawälder von Loxa allmählich in die Ebenen des Oberen Amazonenstromes – eine unbekannte Welt, reich an herrlichen Pflanzengestalten – herabzusteigen. Das Städtchen Loxa hat der wirksamsten aller Fieberrinden den Namen gegeben: Quina oder Cascarilla fina de Loxa. Sie ist das köstliche Erzeugnis des Baumes, welchen wir botanisch als Cinchona Condaminea beschrieben haben, während er vorher in der irrigen Voraussetzung, als käme alle China des Handels von einer und derselben Baumart, Cinchona officinalis genannt worden war. Erst gegen die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts wurde die Fieberrinde nach Europa gebracht: entweder, wie Sebastian Badus behauptet, 1632 nach Alcala de Henares, oder 1640 nach Madrid bei der Ankunft der vom Wechselfieber in Lima geheilten Vizekönigin, Gräfin von Chinchon, begleitet von ihrem Leibarzt, Juan del Vego. Die vortrefflichste China von Loxa wächst 2 bis 3 Meilen südöstlich von der Stadt in den Bergen von Uritusinga, Villonaco und Rumisitana auf Glimmerschiefer und Gneiß in den mäßigen Höhen zwischen 5400 und 7200 Fuß: ohngefähr gleich den Höhen des Grimsel-Hospitals und des Großen-Bernhard-Passes. Die eigentlichen Grenzen der dortigen Chinagebüsche sind die Flüßchen Zamora und Cachiyacu.

Man fällt den Baum während der ersten Blütezeit, also im vierten oder siebenten Jahre, je nachdem er aus einem kräftigen Wurzelschößling oder aus Samen entstanden ist. Mit Erstaunen vernahmen wir, daß, zur Zeit meiner Reise, jährlich um Loxa auf königliche Rechnung nur 110 Zentner Fieberrinde von der Cinchona Condaminea durch die Chinasammler (Cascarilleros oder Chinajäger, Cazadores de Quina) eingebracht wurden. Nichts von diesem herrlichen Produkte kam damals in den Handel, sondern der ganze Vorrat wurde über den Südseehafen Payta um das Kap Horn nach Cadix für den Gebrauch des Hofes geschickt. Um diese geringe Zahl von 11 000 spanischen Pfunden abzuliefern, fällte man jährlich acht- bis neunhundert Chinabäume. Die älteren und dickeren Stämme werden immer seltener; aber die Üppigkeit des Wuchses ist so groß, daß die jüngeren jetzt benutzten bei kaum 6 Zoll Durchmesser oft schon 50 bis 60 Fuß Höhe erreichen. Der schöne Baum, mit 5 Zoll langen und 2 Zoll breiten Blättern geschmückt, strebt immer, wo er im wilden Dickicht steht, sich über die Nachbarbäume zu erheben. Das höhere Laub verbreitet, vom Winde schwankend bewegt, einen sonderbaren, in großer Ferne erkennbaren, rötlichen Schimmer. Die mittlere Temperatur in den Gebüschen von Cinchona Condaminea oszilliert zwischen 12½° und 15° Réaumur, das ist ohngefähr die mittlere Jahrestemperatur von Florenz und der Insel Madeira, doch ohne um Loxa je die Extreme der Hitze und Kälte zu erreichen, welche an diesen Orten der gemäßigten Zone beobachtet werden. Die Vergleichungen des Klimas in sehr verschiedenen Breitengraden mit dem Klima der Hochebenen der Tropenzone sind ihrer Natur nach wenig befriedigend.

Um von dem Gebirgsknoten von Loxa herab südsüdöstlich in das heiße Tal des Amazonenstromes zu gelangen, muß man die Paramos von Chulucanas, Guamani und Yamoca übersteigen: Gebirgseinöden, deren wir schon an anderen Orten gedacht haben und die man in den südlicheren Teilen der Andeskette mit dem Namen Puna (Wort der Qquechhuasprache) belegt. Die meisten von ihnen erheben sich über 9500 Fuß; sie sind stürmisch, oft tagelang in dichten Nebel gehüllt, oder von furchtbaren Hagelwettern heimgesucht, aus denen das Wasser nicht bloß zu vielgestalteten, meist durch Rotation abgeplatteten Körnern, sondern auch zu einzeln schwebenden dünnen, Gesicht und Hände verletzenden Platten (papa-cara) zusammengerinnt. Während dieser meteorischen Prozesse habe ich bisweilen das Thermometer bis 7° oder 5° (über dem Gefrierpunkt) herabsinken und die elektrische Spannung des Luftkreises, am Voltaschen Elektrometer gemessen, in wenigen Minuten vom Positiven zum Negativen übergehen sehen. Unter 5° fällt Schnee in großen, weit voneinander entfernten Flocken. Er verschwindet nach wenigen Stunden. Der baumlosen Vegetation der Paramos geben die sparrige Verzweigung kleinblättriger, myrtenartiger Gesträuche, die Größe und Fülle der Blüten, die ewige Frische aller von feuchter Luft getränkten Organe einen eigentümlichen physiognomischen Charakter. Keine Zone der Alpenvegetation in dem gemäßigten oder kalten Erdstriche läßt sich mit der der Paramos in der tropischen Andeskette vergleichen.

Der ernste Eindruck, welchen die Wildnisse der Kordilleren hervorrufen, wird auf eine merkwürdige und unerwartete Weise dadurch vermehrt, daß gerade noch in ihnen bewundernswürdige Reste von der Kunststraße der Inkas, von dem Riesenwerke sich erhalten haben, durch welches auf einer Länge von mehr als 250 geographischen Meilen alle Provinzen des Reichs in Verbindung gesetzt waren. Stellenweise, meist in gleichen Entfernungen, finden sich aus wohlbehauenen Quadersteinen aufgeführte Wohnhäuser, eine Art Karawansereis, Tambos, auch Inca-Pilca (von pircca, die Wand?) genannt. Einige sind festungsartig umgeben, andere zu Bädern mit Zuleitung von warmem Wasser eingerichtet, die größeren für die Familie des Herrschers selbst bestimmt. Ich hatte bereits am Fuß des Vulkans Cotopaxi bei Callo solche wohlerhaltenen Gebäude (Pedro de Cieça nannte sie im 16. Jahrhundert Aposentos de Mulalo) mit Sorgfalt gemessen und gezeichnet. Auf dem Andespaß zwischen Alausi und Loxa, den man den Paramo del Assuay nennt (14568 Fuß über dem Meere, also ein viel besuchter Weg über die Ladera de Cadlud fast in der Höhe des Montblanc), hatten wir in der Hochebene del Pullal große Mühe, unsere schwer belasteten Maultiere durch den sumpfigen Boden durchzuführen, während neben uns in einer Strecke von mehr als einer deutschen Meile unsere Augen ununterbrochen auf die großartigen Reste der 20 Fuß breiten Inkastraße geheftet waren. Es hatte dieselbe einen tiefen Unterbau und war mit wohlbehauenem, schwarzbraunem Trapp-Porphyr gepflastert. Was ich von römischen Kunststraßen in Italien, dem südlichen Frankreich und Spanien gesehen, war nicht imposanter als diese Werke der alten Peruaner; dazu finden sich letztere nach meinen Barometermessungen in der Höhe von 12440 Fuß. Diese Höhe übersteigt demnach den Gipfel des Pic von Teneriffa um mehr als tausend Fuß. Ebenso hoch liegen am Assuay die Trümmer des sogenannten Palastes des Inka Tupac Yupanqui, welche unter dem Namen der Paredones del Inca bekannt sind. Von ihnen führt südlich gegen Cuenca hin die Kunststraße nach der kleinen, aber wohlerhaltenen Festung des Cañar, wahrscheinlich aus derselben Zeit des Tupac Yupanqui oder seines kriegerischen Sohnes Huayna Capac.

Noch herrlichere Trümmer der altperuanischen Kunststraßen haben wir auf dem Wege zwischen Loxa und dem Amazonenstrome bei den Bädern der Inkas auf dem Paramo de Chulucanas unfern Guancabamba und um Ingatambo bei Pomahuaca gesehen. Von diesen Trümmern liegen die letzteren so wenig hoch, daß ich den Niveauunterschied zwischen der Inkastraße bei Pomahuaca und der Inkastraße des Paramo del Assuay größer als 9 100 Fuß gefunden habe. Die Entfernung beträgt in gerader Linie nach astronomischen Breiten genau 46 geographische Meilen, und das Ansteigen der Straße ist 3 500 Fuß mehr als die Höhe des Passes vom Mont Cenis über den Comer See. Von den zwei Systemen gepflasterter, mit platten Steinen belegter, bisweilen sogar mit zementierten Kieseln überzogener (makadamisierter) Kunststraßen gingen die einen durch die weite und dürre Ebene zwischen dem Meeresufer und der Andeskette, die anderen auf dem Rücken der Kordilleren selbst. Meilensteine gaben oft die Entfernungen in gleichen Abständen an. Brücken dreierlei Art, steinerne, hölzerne oder Seilbrücken (Puentes de Hamaca oder de Maroma), führten über Bäche und Abgründe, Wasserleitungen zu den Tambos (Hotellerien) und festen Burgen. Beide Systeme von Kunststraßen waren nach dem Zentralpunkte Cuzco, dem Sitz des großen Reiches (Br. 13° 31‘ südl.), gerichtet; die Höhe dieser Hauptstadt ist nach Pentlands Karte von Bolivia 10 676 Fuß (Pariser Maßes) über dem Meeresspiegel. Da die Peruaner sich keines Fuhrwerkes bedienten, die Kunststraßen nur für Truppenmarsch, Lastträger und Scharen leicht bepackter Lamas bestimmt waren, so findet man sie, bei der großen Steilheit des Gebirges, hier und da durch lange Reihen von Stufen unterbrochen, auf denen Ruheplätze angebracht sind. Francisco Pizarro und Diego Almagro, die sich mit so vielem Vorteil auf ihren weiten Heerzügen der Militärstraßen der Inkas bedienten, fanden für die spanische Reiterei eine besondere Schwierigkeit da, wo Stufen und Treppen die Kunststraße unterbrachen. Das Hindernis war um so größer, als die Spanier sich im Anfang der Konquista bloß der Pferde, nicht der bedächtigen, im Gebirge jeden Fußtritt gleichsam überdenkenden Maultiere bedienten. Erst später kam der Gebrauch der Maultiere in der Reiterei auf.

Sarmiento, der die Inkastraßen noch in ihrer ganzen Erhaltung sah, fragt sich in einer Relacion, die lange in der Bibliothek des Escorial unbenutzt vergraben lag: »wie ein Volk ohne Gebrauch des Eisens in hohen Felsgegenden so prachtvolle Werke (caminos tan grandes y tan sovervios), von Cuzco nach Quito und von Cuzco nach der Küste von Chili, habe vollenden können?« »Kaiser Karl«, setzt er hinzu, »würde mit aller seiner Macht nicht einen Teil dessen schaffen, was das wohleingerichtete Regiment der Inkas über die gehorchenden Volksstämme vermochte.« Hernando Pizarro, der gebildetste der drei Brüder, welcher für seine Untaten in zwanzigjähriger Gefangenschaft zu Medina del Campo büßte und hundertjährig starb im Geruch der Heiligkeit (en olor de Santidad), ruft aus: »in der ganzen Christenheit sind so herrliche Wege nirgends zu sehen als die, welche wir hier bewundern.« Die beiden wichtigen Residenzstädte der Inkas, Cuzco und Quito, sind in gerader Linie (SSO – NNW), ohne die vielen Krümmungen des Weges in Anschlag zu bringen, 225 geographische Meilen voneinander entfernt; mit den Krümmungen rechnen Garcilaso de la Vega und andere Konquistadores 500 leguas. Trotz dieser Länge des Weges ließ Huayna Capac, dessen Vater Quito erobert hatte, nach dem sehr vollgültigen Zeugnis des Lizentiaten Polo de Ondegardo, für die fürstlichen Bauten (Inkawohnungen) in Quito gewisse Baumaterialien aus Cuzco kommen. Ich habe selbst noch an dem ersteren Orte diese Sage unter den Eingebornen verbreitet gefunden.

 

Wo durch Gestaltung des Bodens die Natur dem Menschen großartige Hindernisse zu überwinden darbietet, wächst bei unternehmenden Volksstämmen mit dem Mut auch die Kraft. Unter dem despotischen Zentralisationssysteme der Inkaherrschaft waren Sicherheit und Schnelligkeit der Kommunikation, besonders der Truppenbewegung, ein wichtiges Regierungsbedürfnis. Daher die Anlage von Kunststraßen und von sehr vervollkommneten Posteinrichtungen. Bei Völkern, welche auf den verschiedensten Stufen der Bildung stehn, sieht man die Nationaltätigkeit sich mit besonderer Vorliebe in einzelnen Richtungen bewegen; aber die auffallende Entwickelung solcher vereinzelten Tätigkeiten entscheidet keineswegs über den ganzen Kulturzustand. Ägypter, Griechen, Etrusker und Römer, Chinesen, Japaner und Inder zeigen uns diese Kontraste. Welche Zeit erforderlich gewesen ist, um die peruanischen Kunststraßen zu schaffen, ist schwer zu entscheiden. Die großen Werke im nördlichen Teile des Inkareichs auf dem Hochlande von Quito müssen allerdings in weniger als 30 oder 35 Jahren vollendet worden sein: in der kurzen Epoche, welche zwischen die Besiegung des Herrschers von Quitu und den Tod des Inka Huayna Capac fällt, während über das Alter der südlichen, eigentlich peruanischen Kunststraßen ein tiefes Dunkel herrscht.

Man setzt gewöhnlich die geheimnisvolle Erscheinung von Manco Capac 400 Jahre vor der Landung von Francisco Pizarro auf der Insel Puná (1532), also gegen die Mitte des 12. Jahrhunderts, fast 200 Jahre vor der Gründung der Stadt Mexiko (Tenochtitlan); einige spanische Schriftsteller zählen statt 400 gar 500 bis 550 Jahre. Aber die Reichsgeschichte von Peru kennt nur 13 regierende Fürsten aus der Inkadynastie, welche, wie Prescott sehr richtig bemerkt, nicht eine lange Periode von 400 oder 550 Jahren ausfüllen können. Quetzalcoatl, Botschica und Manco Capac sind die drei mythischen Gestalten, an welche sich die Anfänge der Kultur unter den Azteken, Muyscas (eigentlicher Chibchas) und Peruanern knüpfen. Quetzalcoatl, bärtig, schwarz gekleidet, Großpriester von Tula, später ein Büßender auf einem Berge bei Tlaxapuchicalco, kommt von der Küste von Panuco, also von der östlichen Küste von Anahuac, auf das mexikanische Hochland. Botschica, oder vielmehr der bärtige, lang gekleidete Gottesbote Nemterequeteba (ein Buddha der Muyscas), gelangt aus den Grassteppen östlich von der Andeskette auf die Hochebene von Bogota. Vor Manco Capac herrschte schon Kultur an dem malerischen Gestade des Sees von Titicaca. Die feste Burg von Cuzco auf dem Hügel Sacsahuaman war den älteren Gebäuden von Tiahuanaco nachgebildet. Ebenso ahmten die Azteken den Pyramidenbau der Tolteken, diese den der Olmeken (Hulmeken) nach, und allmählich aufsteigend, gelangt man auf historischem Boden in Mexiko bis in das 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Die toltekische Treppenpyramide von Cholula soll nach Siguenza die Form der hulmekischen Treppenpyramide von Teotihuacan wiederholen. So dringt man durch jegliche Zivilisationsschicht immer in eine frühere ein, und da das Bewußtsein der Völker in beiden Kontinenten ungleichzeitig erwacht ist, liegt das phantastische Reich der Mythen bei jeglichem Volke immer unmittelbar vor dem historischen Wissen.

Trotz der großen Bewunderung, welche die ersten Konquistadores den Kunststraßen und Wasserleitungen der Peruaner gezollt haben, sind die einen und die anderen nicht bloß nicht unterhalten, sondern mutwillig zerstört worden; schneller noch, Unfruchtbarkeit durch Wassermangel erzeugend, in dem Litoral, um schön behauene Steine zu neuen Bauen anzuwenden, als auf dem Rücken der Andeskette oder in den tiefen spaltartigen Gebirgstälern, von welchen diese Kette durchschnitten wird. Wir waren gezwungen, in den langen Tagereisen von den Syenitfelsen von Zaulaca bis zu dem versteinerungsreichen Tale von San Felipe (am Fuß des eisigen Paramo de Yamoca) den Rio de Guancabamba, welcher sich in den Amazonenstrom ergießt, wegen seiner vielen Krümmungen 27mal zu durchwaten: während wir hier abermals an einer uns nahen, steilen Felswand immerfort die Reste der hochaufgemauerten, geradlinigen Kunststraße der Inkas mit ihren Tambos sahen. Der kleine kaum 120 bis 140 Fuß breite Gießbach war so reißend, daß unsere schwer beladenen Maultiere oft Gefahr liefen, in der Furt fortgerissen zu werden. Sie trugen unsre Manuskripte, unsre getrockneten Pflanzen, alles, was wir seit einem Jahre gesammelt hatten. Man harret dann am jenseitigen Ufer mit unbehaglicher Spannung, bis der lange Zug von 18 bis 20 Lasttieren der Gefahr entgangen ist.

Derselbe Rio de Guancabamba wird in seinem unteren Laufe, da wo er viele Wasserfälle hat, auf eine recht sonderbare Weise zur Korrespondenz mit der Südseeküste benutzt. Um die wenigen Briefe, welche von Truxillo aus für die Provinz Jaen de Bracamoros bestimmt sind, schneller zu befördern, bedient man sich eines schwimmenden Postboten. Man nennt ihn im Lande el correo que nada. In zwei Tagen schwimmt der Postbote (gewöhnlich ein junger Indianer) von Pomahuaca bis Tomependa, erst auf dem Rio de Chamaya (so heißt der untere Teil des Rio de Guancabamba) und dann auf dem Amazonenstrome. Er legt die wenigen Briefe, die ihm anvertraut werden, sorgfältig in ein weites baumwollenes Tuch, das er turbanartig sich um den Kopf wickelt. Bei den Wasserfällen verläßt er den Fluß und umgeht sie durch das nahe Gebüsch. Damit er von dem langen Schwimmen weniger ermüde, umfaßt er oft mit einem Arm einen Bolzen von leichtem Holze (Ceiba, Palo de balsa) aus der Familie der Bombazeen. Auch wird der Schwimmende bisweilen von einem Freunde als Gesellschafter begleitet. Für den Proviant brauchen beide nicht zu sorgen, da sie in den zerstreuten, reichlich mit Fruchtbäumen umgebenen Hütten der schönen Huertas de Pucara und Cavico überall gastliche Aufnahme finden.

Der Fluß ist glücklicherweise frei von Krokodilen; sie werden auch in dem oberen Laufe des Amazonenstroms erst unterhalb der Katarakte von Mayasi angetroffen. Das träge Untier liebt die ruhigeren Wasser. Nach meiner Messung hat der Rio de Chamaya von der Furt (Paso) de Pucara bis zu seiner Einmündung in den Amazonenstrom unter dem Dorfe Choros, in der kleinen Entfernung von 13 geographischen Meilen, nicht weniger als 1668 Fuß Gefälle. Der Gouverneur der Provinz Jaen de Bracamoros hat mich versichert, daß auf dieser sonderbaren Wasserpost selten Briefe benetzt oder verloren werden. Ich habe in der Tat selbst bald nach meiner Rückkunft aus Mexiko in Paris auf dem eben beschriebenen Wege Briefe aus Tomependa erhalten. Viele wilde Indianerstämme, die an den Ufern des Oberen Amazonenflusses wohnen, machen ihre Reisen auf ähnliche Weise, gesellig stromabwärts schwimmend. Ich hatte Gelegenheit so 30 bis 40 Köpfe (Männer, Weiber und Kinder) aus dem Stamme der Xibaros im Flußbette bei ihrer Ankunft in Tomependa zu sehen. Der Correo que nada kehrt zu Lande zurück auf dem beschwerlichen Wege des Paramo del Paredon.

Wenn man sich dem heißen Klima des Amazonenbeckens nähert, wird man durch eine anmutige, zum Teil sehr üppige Vegetation erfreut. Schönere Zitrusbäume, meist Apfelsinen (Citrus Aurantium Risso), in geringerer Zahl bittere Pomeranzen (C. vulgaris Risso), hatten wir nie vorher, selbst nicht auf den Kanarischen Inseln oder in dem heißen Litoral von Cumana und Caracas, gesehen als in den Huertas de Pucara. Mit vielen tausend goldenen Früchten beladen, erreichen sie dort eine Höhe von 60 Fuß. Sie hatten, statt der abgerundeten Krone, fast lorbeerartig anstrebende Zweige. Unweit davon, gegen die Fort von Cavico hin, wurden wir durch einen sehr unerwarteten Anblick überrascht. Wir sahen ein Gebüsch von kleinen, kaum 18 Fuß hohen Bäumen, scheinbar nicht mit grünen, sondern mit ganz rosenroten Blättern. Es war eine neue Spezies des Geschlechts Bougainvillea, das Jussieu der Vater zuerst nach einem brasilianischen Exemplare des Commersonschen Herbariums bestimmt hatte. Die Bäume waren fast ganz ohne wirkliche Blätter; was wir für diese in der Ferne gehalten, waren dichtgedrängte, hell rosenrote Brakteen (Blüten- oder Deckblätter). Der Anblick war an Reinheit und Frische der Färbung ganz verschieden von dem, welchen mehrere unserer Waldbäume im Herbst so anmutig darbieten. Aus der südafrikanischen Familie der Proteazeen steigt hier von den kalten Höhen des Paramo de Yamoca in die heiße Ebene von Chamaya eine einzige Art herab, Rhopala ferruginea. Die feingefiederte Porlieria hygrometrica (aus den Zygophylleen), welche durch Schließen der Blättchen eine baldige Wetterveränderung, besonders den nahen Regen, mehr als alle Mimosazeen verkündigt, haben wir hier oft aufgefunden. Sie hat uns selten getäuscht.

In Chamaya fanden wir Flöße (balsas) in Bereitschaft, die uns bis Tomependa führen sollten, um dort (was für die Geographie von Südamerika wegen einer alten Beobachtung von La Condamine von einiger Wichtigkeit war) den Längen-Unterschied zwischen Quito und der Mündung des Chinchipe zu bestimmen. Wir schliefen wie gewöhnlich unter freiem Himmel an dem Sandufer (Playa de Guayanchi), am Zusammenfluß des Rio de Chamaya mit dem Amazonenstrome. Am nächsten Tage schifften wir diesen herab bis an die Katarakte und Stromenge (Pongo; in der Qquechhua-Sprache puncu, Tür oder Tor) von Rentema, wo Felsen von grobkörnigem Sandstein (Konglomerat) sich turmartig erheben und einen Felsdamm durch den Strom bilden. Ich maß eine Standlinie am flachen und sandigen Ufer und fand bei Tomependa den weiter östlich so mächtigen Amazonenfluß nur etwas über 1300 Fuß breit. In der berühmten Stromenge des Pongo von Manseritsche zwischen Santiago und San Borja, einer Gebirgsspalte, die an einigen Punkten wegen der überhangenden Felsen und des Laubdachs nur schwach erleuchtet ist und in der alles Treibholz, eine Unzahl von Baumstämmen zerschellt und verschwindet, ist die Breite nur 150 Fuß. Die Felsen, welche alle jene Pongos bilden, sind im Lauf der Jahrhunderte vielen Veränderungen unterworfen. So war der Pongo de Rentema, dessen ich oben erwähnte, durch hohe Flut ein Jahr vor meiner Reise teilweise zertrümmert worden; ja unter den Anwohnern des Amazonenflusses hat sich durch Tradition eine lebhafte Erinnerung von dem Einsturz der damals sehr hohen Felsmassen des ganzen Pongo im Anfange des 18. Jahrhunderts erhalten. Der Lauf des Flusses wurde durch jenen Einsturz und die dadurch erfolgte Abdämmung plötzlich gehemmt, und in dem unterhalb des Pongo de Rentema liegenden Dorfe Puyaya sahen die Einwohner mit Schrecken das weite Flußbette wasserleer. Nach wenigen Stunden brach der Strom wieder durch. Man glaubt nicht, daß Erdstöße die Ursach dieser merkwürdigen Erscheinung gewesen sind. Im ganzen arbeitet der gewaltige Strom unablässig, sein Bette zu verbessern, und von der Kraft, welche er auszuüben vermag, kann man sich schon dadurch eine Vorstellung machen, daß man ihn, trotz seiner Breite, bisweilen in 20 bis 30 Stunden über 25 Fuß anschwellen sieht.

Wir blieben 17 Tage in dem heißen Tale des Oberen Marañon oder Amazonenflusses. Um aus diesem an die Küste der Südsee zu gelangen, erklimmt man die Andeskette da, wo sie nach meinen magnetischen Inklinationsbeobachtungen zwischen Micuipampa und Caxamarca (Br. 6° 57‘ südl., Länge 80° 56‘) von dem magnetischen Äquator durchschnitten wird. Man erreicht, noch mehr ansteigend, die berühmten Silbergruben von Chota und beginnt von da an über das alte Caxamarca, wo vor jetzt 316 Jahren das blutigste Drama der spanischen Konquista spielte, über Aroma und Gangamarca mit einiger Unterbrechung in die peruanische Niederung herabzusteigen. Die größten Höhen sind hier, wie fast überall in der Andeskette und in den mexikanischen Gebirgen, durch turmartige Ausbrüche von Porphyr und Trachyt malerisch bezeichnet, die ersteren vorzugsweise in mächtige Säulen gespalten. Solche Massen geben teilweise dem Gebirgsrücken ein bald klippenartiges, bald domförmiges Ansehen. Sie haben hier eine Kalksteinformation durchbrochen, welche diesseits und jenseits des Äquators im Neuen Kontinent eine ungeheure Ausdehnung gewinnt und nach Leopolds von Buch großartigen Untersuchungen zur Kreideformation gehört. Zwischen Guambos und Montan, zwölftausend Fuß über dem Meere, fanden wir pelagische Muschelversteinerungen (Ammoniten von 14 Zoll Durchmesser, dem großen Pecten alatus, Austerschalen, Seeigel, Isocardien und Exogyra polygona). Eine Cidaris-Art, nach Leopold von Buch nicht zu unterscheiden von einer, die Brongniart in der alten Kreide bei der Perte du Rhône gefunden, haben wir zugleich bei Tomependa im Becken des Amazonenflusses und bei Micuipampa, in einem Höhen-Unterschiede von nicht weniger als 9900 Fuß, gesammelt. Ebenso erhebt sich in der Amuichschen Kette des kaukasischen Dagestan die Kreide von den Ufern des Sulak, kaum 500 Fuß über dem Meere, bis auf den Tschunum, auf volle 9000 Fuß Höhe, während auf dem 13090 Fuß hohen Gipfel des Schagdagh sich Ostrea diluviana Goldf. und dieselben Kreideschichten wiederfinden. Abichs treffliche kaukasische Beobachtungen bestätigen demnach auf das glänzendste Leopolds von Buch geognostische Ansichten über die alpinische Verbreitung der Kreide.

 

Von dem einsamen, mit Lamaherden umgebenen Meierhofe Montan stiegen wir weiter nach Süden an dem östlichen Abhange der Kordillere hinan, und gelangten in eine Hochebene, in welcher uns der Silberberg Gualgayoc, der Hauptsitz der weitberufenen Gruben von Chota, bei einbrechender Nacht einen wunderbaren Anblick gewährte. Der Cerro de Gualgayoc, durch ein tiefes, kluftartiges Tal (quebrada) vom Kalkberge Cormolatsche getrennt, ist eine isolierte Hornsteinklippe, von zahllosen, oft zusammenscharenden Silbergängen durchsetzt, gegen Norden und Westen tief, fast senkrecht, abgestürzt. Die höchsten Gruben liegen 1445 Fuß über der Sohle des Stollens, Socabon de Espinachi. Der Umriß des Berges ist durch unzählige turm- und pyramidenähnliche Spitzen und Zacken unterbrochen. Auch führt sein Gipfel den Namen Las Puntas. Diese Lagerstätte kontrastiert auf das entschiedenste mit dem »sanften Äußeren«, das der Bergmann im allgemeinen den metallreichen Gegenden zuzuschreiben pflegt. »Unser Berg«, sagte ein reicher Grubenbesitzer, mit dem wir anfuhren, »steht da, als wäre er ein Zauberschloß, como si fuese un Castillo encantado.« Der Gualgayoc erinnert einigermaßen an einen Dolomitkegel, noch mehr aber an den gespaltenen Bergrücken des Monserrate in Katalonien, den ich ebenfalls besucht und den später mein Bruder so anmutig beschrieben hat. Der Silberberg Gualgayoc ist nicht bloß bis zu seiner größten Höhe von vielen hundert, nach allen Seiten angesetzten Stollen durchlöchert, selbst die Masse des kieselartigen Gesteins bietet natürliche Spaltöffnungen dar, durch welche das in dieser Gebirgshöhe sehr dunkelblaue Himmelsgewölbe dem am Fuß des Berges stehenden Beobachter sichtbar wird. Das Volk nennt diese Öffnungen Fenster, las ventanillas de Gualgayoc; an den Trachytmauern des Vulkans von Pichincha zeigte man uns ähnliche Fenster unter gleicher Benennung als ventanillas de Pichincha. Die Sonderbarkeit eines solchen Anblicks wird noch durch viele kleine Stollhäuser und Menschenwohnungen vermehrt, die an dem Abhange des festungsartigen Berges da nesterartig hangen, wo eine kleine Bodenfläche es irgend erlaubt hat. Die Bergleute tragen die Erze auf steilen, gefährlichen Fußpfaden in Körben zu den Amalgamationsplätzen herab.

Der Wert des Silbers, welches die Gruben in den ersten 30 Jahren geliefert haben (von 1771 bis 1802), beträgt wahrscheinlich weit über 32 Millionen Piaster. Trotz der Festigkeit des quarzigen Gesteins haben die Peruaner schon vor der Ankunft der Spanier (wie alte Stollen und Abteufen erweisen) am Cerro de la Lin und am Chupiquiyacu auf reichen silberhaltigen Bleiglanz, und im Curimayo (wo auch natürlicher Schwefel in Quarzgestein wie im brasilianischen Itacolumit gefunden wird) auf Gold gearbeitet. Wir bewohnten, den Gruben nahe, die kleine Bergstadt Micuipampa, welche 11 140 Fuß hoch über dem Meere liegt und wo, wenngleich nur 6° 43‘ vom Äquator entfernt, in jeder Wohnung einen großen Teil des Jahres hindurch das Wasser nächtlich gefriert. In dieser vegetationslosen Einöde leben drei- bis viertausend Menschen, denen alle Lebensmittel aus den warmen Tälern zugeführt werden, da sie selbst nur Kohlarten und vortrefflichen Salat erzielen. Wie in jeder peruanischen Bergstadt, treibt Langeweile in diesen hohen Einöden die reichere und deshalb nicht gebildetere Menschenklasse zu sehr gefahrvollem Karten- und Würfelspiel. Schnell gewonnener Reichtum wird noch schneller eingebüßt. Alles erinnert hier an den Kriegsmann aus Pizarros Heere, der nach der Tempelplünderung in Cuzco klagte, in einer Nacht »ein großes Stück von der Sonne« (ein Goldblech) im Spiel verloren zu haben. Das Thermometer zeigte mir in Micuipampa, um 8 Uhr Morgens erst l°, um Mittag 7° Réaumur. Zwischen dem dünnen Ichhu-Grase (vielleicht unsere Stipa eriostachya) fanden wir eine schöne Calceolaria (C. sibthorpioides), die wir nicht auf solcher Berghöhe erwartet hätten.

Nahe bei der Bergstadt Micuipampa, in einer Hochebene, die man Llanos oder Pampa de Navar nennt, hat man in einer Ausdehnung von mehr als ¼ Quadratmeile unmittelbar unter dem Rasen, wie mit den Wurzeln des Alpengrases verwachsen, in nur 3 bis 4 Lachter Tiefe, ungeheure Massen von reichem Rotgüldenerz und drahtförmigem Gediegen-Silher (in remolinos, clavos und vetas manteadas) gewonnen. Eine andre Hochebene, westlich vom Purgatorio, nahe an der Quebrada de Chiquera, heißt Choropampa, das Muschelfeld (churu in der Qquechhua-Sprache: Muscheln, besonders kleine eßbare Muscheln, hostion, mexillon). Der Name deutet auf Versteinerungen der Kreideformation, welche sich dort in solcher Menge finden, daß sie früh die Aufmerksamkeit der Eingeborenen auf sich gezogen haben. Dort ist gewonnen worden nahe an der Oberfläche der Erde ein Schatz von Gediegen-Gold, mit Silberfäden reichlichst umsponnen. Ein solches Vorkommen bezeugt die Unabhängigkeit vieler aus dem Inneren der Erde auf Spalten und Gängen ausgebrochener Erze von der Natur des Nebengesteins, von dem relativen Alter der durchbrochenen Formationen. Das Gestein im Cerro de Gualgayoc und in Fuentestiana ist sehr wasserreich, aber in dem Purgatorio herrscht eine absolute Trockenheit. Dort fand ich zu meinem Erstaunen, trotz der Höhe der Erdschichten über dem Meere, die Grubentemperatur 15,8° Réaum., während in der nahen Mina de Guadalupe die Grubenwasser gegen 9° zeigten. Da im Freien das Thermometer nur bis 4½° stieg, so wird von dem nackt und schwer arbeitenden Grubenvolke die unterirdische Wärme im Purgatorio erstickend genannt.

Der enge Weg von Micuipampa nach der alten Inkastadt Caxamarca ist selbst für die Maultiere schwierig. Der Name der Stadt war ursprünglich Cassamarca oder Kazamarca, d. i. die Froststadt; marca in der Bedeutung einer Ortschaft gehört dem nördlichen Dialekt, Chinchaysuyo oder Chinchasuyu, an, während das Wort in der allgemeinen Qquechhuasprache: Stockwerk des Hauses, auch Schützer und Bürge bedeutet. Der Weg führte uns fünf bis sechs Stunden lang durch eine Reihe von Paramos, in denen man fast ununterbrochen der Wut der Stürme und jenem scharfkantigen Hagel, welcher dem Rücken der Andes so eigentümlich ist, ausgesetzt bleibt. Die Höhe des Weges erhält sich meist zwischen neun- und zehntausend Fuß. Es hat mir derselbe zu einer magnetischen Beobachtung von allgemeinem Interesse Veranlassung gegeben: zu der Bestimmung des Punktes, wo die Nord-Inklination der Nadel in die Süd-Inklination übergeht, wo also der magnetische Äquator von dem Reisenden durchschnitten wird.