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Corona Magazine #353: April 2020

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Sari: Corona Magazine #353
Märgi loetuks
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Neu? Ja, denn bereits 1984 gab es im Marvel-Verlag eine Comicadaption des Dune-Kinofilms, die ebenfalls in Deutschland erschien.

Verabschieden wir uns nunmehr vorerst mit einer alten Harkonnen-Weisheit, während wir auf den Kinofilm und andere Neuheiten aus dem Dune-Universum warten: Wer das Spice kontrolliert, kontrolliert das Universum.

Das fliegende Auge: Futuristische Heli-Action aus den Achtzigern

von Sven Wedekin

Actionfilme, die inhaltlich mehr zu bieten haben als nur eine simple Gut-gegen-Böse-Story und daneben auch eine politisch-gesellschaftskritische Aussage besitzen, sind in unserer heutigen Zeit ja leider, sagen wir mal, eher selten. Und noch viel seltener sind Genreproduktionen, bei denen man damit rechnen kann, dass sie auch Jahrzehnte nach ihrem Erscheinen aktuell bleiben werden.


© ABC / Columbia Pictures

Vor beinahe vierzig Jahren, im Jahr 1982, brachte der britischstämmige Regisseur John Badham (Gegen die Zeit) einen Film in die Kinos, dessen politische Brisanz heute sogar noch offenkundiger ist als damals und der heute, ein wenig zu Unrecht, fast etwas in Vergessenheit geraten ist.

Blue Thunder (deutsch: Das fliegende Auge) handelt von einem gleichnamigen Kampfhelikopter, der vom Militär entwickelt wurde und von der Hubschrauberstaffel der Polizei von Los Angeles unter Realbedingungen getestet werden soll. Für diese Aufgabe wird der im Vietnamkrieg traumatisierte Pilot Frank Murphy (Roy Scheider, Atemlos vor Angst) ausersehen. Dieser hat eigentlich schon genug damit zu tun, den Grünschnabel Lymangood (Daniel Stern, City Slickers), den seine Vorgesetzten ihm als Partner aufgehalst haben, in seinen neuen Job als Pilot einzuarbeiten. Um alles noch schlimmer zu machen, bekommt er es auch noch mit seinen früheren Kriegskameraden Cochrane (Malcolm McDowell, Moon 44) zu tun, mit dem ihn seit damals eine innige und auf Gegenseitigkeit beruhende Feindschaft verbindet. Cochrane war der ursprüngliche Testpilot des Blue Thunder und ist zunächst dagegen, Murphy diesen Platz zu überlassen.

Beim ihrem ersten Testflug probieren Murphy und Lymangood das Abhörsystem des Hubschraubers aus und werden dadurch zufällig Zeugen eines Geheimtreffens von Cochrane und einigen Vertretern der Polizeibehörden. Sie erfahren, dass geplant ist, während der bald stattfindenden Olympischen Spiele in L.A. Unruhen in der Bevölkerung zu provozieren und den Blue Thunder gegen unbewaffnete Zivilisten einzusetzen, um auf diese Weise seine Fähigkeiten zu demonstrieren.

Murphy und Lymangood setzen daraufhin alles daran, die Verschwörer zu enttarnen und ein Blutbad zu verhindern …

Jenseits von Gut und Böse

Die Angst vor einem Staat, der seinen ahnungslosen Bürger im Namen der Sicherheit ausspioniert, ist beileibe nicht neu. Seit der Veröffentlichung von George Orwells klassischer Dystopie 1984 hat sie in den unterschiedlichsten Formen Eingang in die Popkultur gefunden, indem sie in vielen Büchern und Filmen verarbeitet wurde.

Der durch sein Buch zum ersten Alien-Film bekannt gewordenen Skriptautor Dan O'Bannon legte Anfang der Achtzigerjahre seine Version dieses Plotmotivs vor. Er spielt hier das brisante Szenario durch, was wäre, wenn die neusten Waffen- und Überwachungstechniken – die übrigens keine Erfindung der Filmmacher sind, sondern schon damals tatsächlich so existierten – von skrupellosen Politikern und Militärs gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden würden.

Das vor allem in Amerika weitverbreitete Misstrauen gegen den Staat und seine Autoritäten ist in diesem Actionwerk der Nach-Watergate-Ära in jeder Minute offensichtlich. Die Bedrohung kommt in einer für die Menschen auf dem Boden praktisch unsichtbaren Form vom Himmel, die sie in den intimsten Situationen bespitzelt. Es gehört zu den besonderen Kunstgriffen von O'Bannons Drehbuch, dass ausgerechnet ein Vietnamveteran der Held der Geschichte ist. In gewissen Kreisen kursiert ja bis heute die Theorie, dass dieser Krieg für die Amerikaner unter anderen deshalb so katastrophal endete, weil es den Soldaten vor Ort an Unterstützung durch die Politik mangelte – was im Film auch explizit angedeutet wird. Gleichzeitig wurden vietnamesische Zivilisten besonders stark von den Kampfhandlungen durch die Amerikaner in Mitleidenschaft gezogen.

Hier ist es nun einer jener ehemaligen Soldaten, der ein Verbrechen an der US-Zivilbevölkerung durch den Missbrauch eben jener Waffentechnologien, die es während des Krieges noch nicht gab, zu verhindern versucht und dabei ganz auf sich allein gestellt ist, da er nicht weiß, wem er noch trauen kann.

Dieser Frank Murphy wird gewohnt bravourös von Roy Scheider dargestellt. Er porträtiert seine Figur nicht als unfehlbaren Actionhelden, sondern als seelisch angeknacksten Menschen, dem es schwer fällt, Beziehungen zu seinen Mitmenschen einzugehen und der gerade deshalb so sensibel auf die von ihm aufgedeckten Machenschaften reagiert.

Schwindelerregende Action

Natürlich besteht bei einem Film wie diesem immer die Gefahr, dass er sich zu sehr auf die möglichst spektakuläre Zurschaustellung jener Technologien konzentriert, vor deren Missbrauch er eigentlich warnen möchte, und dadurch seine eigene Botschaft untergräbt.


© ABC / Columbia Pictures

Tatsächlich sind die Flugszenen in Das fliegende Auge dermaßen mitreißend und realistisch inszeniert – es wurden praktisch nur echte Hubschrauber und kaum Modelle eingesetzt – dass man als Zuschauer manchmal schon fast wieder vergisst, wie groß die Gefahren sind, vor denen hier gewarnt werden soll. Nicht selten gerät die eigentliche Geschichte dadurch etwas in den Hintergrund, wenn sie von den recht lang geratenen Actionszenen zur Seite gedrückt wird. Für wirklich in die Tiefe gehende Dialoge zur politischen Situation in den USA zum Beispiel lässt sich der Film praktisch keine Zeit, was schade ist, da das Potenzial vorhanden gewesen wäre.

Dafür gibt es handwerklich nicht das Geringste an Badhams Werk auszusetzen. Die bereits angesprochen Verfolgungsjagden hoch über den Dächern von Los Angeles bestechen durch einen schier atemberaubenden Realismus, wie man ihm nur im Zeitalter vor der Erfindung computergenerierter Bilder erreichen konnte. So erinnert Das fliegende Auge in doppelter Hinsicht daran, wie sehr sich das Actionkino in den vergangen drei Dekaden verändert hat. Sowohl in inhaltlicher als auch visueller Hinsicht haben wir es hier mit einem Werk zu tun, welches das Genre des Actionfilms nicht auf seinen kleinsten gemeinsamen Nenner bringt. Er nimmt die Zuschauer ernst, versucht sie zum Nachdenken anzuregen und speist sie nicht mit am Rechner erzeugten Actionszenen ab, die wirken, als kämen sie aus einem Computerspiel.

Was Das fliegende Auge von zeitgleich erschienen Filmen wie Rambo 2, Top Gun oder Firefox unterscheidet, ist, dass er eine unpatriotische, man könnte sogar sagen antipatriotische, Geschichte erzählt, aber trotzdem ein durchaus respektabler Erfolg an den Kinokassen war. Ganz offensichtlich traf der Streifen einen Nerv beim amerikanischen Publikum, was alles andere als selbstverständlich ist. Gerade aus diesem Grund verdient er auch heute noch Aufmerksamkeit, denn heute, in einer Zeit, in der die totale Überwachung der Menschen durch die Regierung wieder ein topaktuelles Thema ist, können solche Filme das Bewusstsein dafür wecken, was passiert, wenn die Sicherheitsbehörden glauben, sich alles erlauben zu können und geltendes Recht brechen dürfen, nur um ihre Macht immer mehr auszuweiten.

Dr. Jekyll & Mr. Hyde (1920) in kolorierter Fassung – muss das sein?

von Reinhard Prahl

Wer kennt sie nicht, die Geschichte des unglückseligen Dr. Henry Jekyll, der seine dunkle Seite ausleben möchte und dank moderner Wissenschaft zum furchterregenden Mr. Edward Hyde wird? Der 1886 entstandene Roman von Schatzinsel-Autor Robert Louis Stevenson gehört zu den berühmtesten und meistverfilmten Stoffen der phantastischen Weltliteratur. Die Verknüpfung von Mad Scientist- und Doppelgängermotiv wurde in über 50 Filmen verarbeitet, unter anderem 2003 im von Kritikern gnadenlos verrissenen Fantasy-Actionfilm Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen oder auch von Jerry Lewis als Der verrückte Professor (1963). Natürlich dürfen auch die berühmten Hammer Studios (The Two Faces of Dr. Jekyll, 1960), Jean Renoir (Das Frühstück im Grünen, Das Testament des Dr. Cordelier, 1959) und Victor Fleming (Arzt und Dämon, 1941) nicht fehlen.

Eine besondere Leidenschaft für die Geschichte hegte der ungarisch-amerikanische Filmproduzent Adolph Zukor, der ihn gleich zweimal verarbeitete. Vor seinem oscarprämierten Meisterwerk mit Fredric March in der Hauptrolle von 1931 adaptierte Zukor den Stoff des Schotten Stevenson bereits 1920 als Stummfilm mit John S. Robertson als Regisseur. Die Hauptrolle besetzte er mit John Barrymore (Die unsichtbare Frau), einem der bekanntesten Filmstars seiner Zeit. In den Nebenrollen waren Charles Willis Lane (Die Stimme aus dem Jenseits, 1929) als Dr. Lanyon, Brandon Hurst (Der Glöckner von Notre Dame, 1923) als Sir Carewe und die Tänzerin und Schauspielerin Martha Mansfield als Millicent Carewe zu sehen, eine Figur, die im Roman keine Erwähnung findet.

 


Diese wohl bekannteste Version aus der Zeit des tonlosen Films liegt nun als kolorierte Fassung auf DVD vor und ist am 20.03.2020 im Vertrieb von Studio Hamburg / Aberle-Media unter dem Label Inter-Pathé erschienen. Zudem wurde der Film restauriert und ist erstmals überhaupt uncut zu sehen. Kolorationen von alten Stummfilmen oder auch Klassikern wie She – Herrscherin einer versunkenen Welt (1935) sind in den letzten Jahren in Mode gekommen, aber nicht immer ist dies unbedingt auch förderlich für die Atmosphäre eines Films; auch hier nicht. Der Film selbst ist für jeden Phantastik-Liebhaber und Stummfilm-Fan ein Muss und wurde bereits in seinem Entstehungsjahr hoch gelobt. Sowohl Barrymores Spiel als auch die düstere Stimmung des 65-minütigen Werks finden bis heute ihre Liebhaber. Genau jene Stimmung geht aber durch die technisch wohl nicht anders machbare, teilweise effektarme Koloration weitestgehend verloren. Während beispielsweise die meisten Szenen um die Schönheit Millicent Carewes noch farblich ansprechend gelangen, erwartet uns in Dr. Jekylls Labor bisweilen ein tristes und verwaschenes Braun. Die nächtlichen Ausflüge Edward Hydes kranken sogar noch merklicher an der unglücklichen Färbung, so dass das ohnehin angegriffene Bild noch mehr zu leiden scheint.

Da ist es gut, dass auf der DVD auch die Schwarz-Weiß-Fassung vorliegt, die man vorbehaltlos in einer – für so einen alten Film – ansprechenden Bildqualität genießen kann. Leider hat sich Aberle ansonsten kaum um Extras bemüht. Als Boni lassen sich lediglich ein Trailer sowie ein Wendecover anführen. Zumindest ein informatives Booklet, wie es bei Veröffentlichungen der Edition Filmmuseum München der Fall ist, wäre denkbar gewesen. Der Preis liegt mit € 9,99 aber in einem vernünftigen Rahmen und wird für den einen oder anderen Fan der Stummfilm-Phantastik ganz sicher ein Kaufargument sein.

Phantastisches Spielen

Sanctum: Der Geheimtipp

von Peter R. Krüger

Wer sich gerne in die Welt der Expertenspiele vorwagen möchte, sich aber nicht sicher ist, weil die Regeln möglicherweise zu komplex sein könnten, ist mit Sanctum sehr gut bedient!


Nun wurde mit dem vorangestellten Satz bereits ein Teil des Fazits vorweggenommen, doch aus gutem Grund: Tatsächlich gibt es interessierte Brettspieler, die sich gerne in ein Fantasyszenario begeben wollen würden, sich aber nicht sicher sind, ob sie bei den Expertenspielen richtig aufgehoben sind.

Sanctum schlägt hier eine Brücke. Es ist bei weitem nicht so komplex wie die üblichen Vertreter von Expertenspielen, aber dennoch vielseitig und spannend zu spielen.

Vor Jahrzehnten wurde das Böse von tapferen Helden besiegt und in einem Jadesarg im Innern der Welt verborgen. Die guten Völker bauten schließlich eine Stadt darüber, welche den Namen Sanctum tragen sollte. Doch lauerte das Böse auf seine Chance, wieder an die Oberfläche zu gelangen und Sanctum zu unterjochen. Nun sind Helden gefragt, um Sanctum zu retten und dem Bösen unter der Stadt den Garaus zu machen.

So viel zur Vorgeschichte des Spiels. Beworben wird Sanctum als »Hack & Slay«-Brettspiel, und schon beim Auspacken möchte man meinen, dass sich die Designer nicht nur bei der grafischen Gestaltung, sondern auch bei den Spielregeln am PC-Klassiker Diablo orientiert haben. Doch halt, es handelt sich keinesfalls um einen Brettspiel-Klon. Sanctum ist ein gänzlich eigenständiges Spiel.

Zu Beginn wählen bis zu vier Spieler eine Spielfigur, die im Lauf des Spiels individuell gesteigert werden kann, soll heißen, dass jede Figur ein sogenanntes Begabungsverzeichnis zur Verfügung hat, aus dem dann mittels der einfach zu lernenden Spielmechanik einzelne Fähigkeiten bzw. Begabungen freigeschaltet und ausgerüstet werden können.

Im Testspiel hatten meine Spielkomplizen Jörg und Nico schon beim Spielaufbau ihre Freude, da bereits das Spielmaterial dazu einlädt, sich die liebevoll gestalteten Grafiken der Karten, Spieletableaus und Spielpläne genauer anzusehen.

Erfreulich war, dass sich die Spielregeln trotz des 24 Seiten starken Regelheftes schnell erklären ließen.

Jeder Spieler hat die Möglichkeit, aus drei Zugvarianten auszuwählen: Bewegen – Kämpfen – Rasten.

Ein paar Worte zu den einzelnen Zügen, und schon konnte das Spiel starten. Wer sich bewegt, den verfolgen Monster. Die Monster können bekämpft werden, woraufhin man auflevelt. Nach Kämpfen kann man im nächsten (oder späteren) Zug rasten und sich dabei ausrüsten.

Im Grunde war es das auch schon an Regeln. Natürlich gibt es dann noch Detailfragen, die lassen sich aber am besten während des Spiels klären.


Der schnelle Spieleinstieg und das Lernen des Spiels während der ersten Züge sprechen definitiv für Sanctum. Dass die Züge dann nach zwei, drei Runden ebenfalls schnell von der Hand gehen, ist ein weiterer Pluspunkt und lässt jeden Spieler schnell seine eigene Strategie finden, um seinen Charakter zu verbessern. Teilweise geschieht dies mit der Beute, die man im Kampf gegen die Gegner erhält, teils erfolgt es aus dem eigenen Begabungsverzeichnis.

Wir sind schnell begeistert vom Spielablauf, stellen aber auch fest, dass das Spielprinzip einerseits simpel, andererseits komplex gestaltet wurde. Simpel, weil man schnell aus drei möglichen Zügen wählt und das Spiel dadurch sehr zügig vorangeht. Komplex, weil jeder Charakter sein eigenes Begabungsverzeichnis besitzt und die erbeuteten Gegenstände aus den Kämpfen zusätzlich eine individuelle Entwicklung der eigenen Spielfigur ermöglichen.

Nico kommt recht bald zu dem Schluss, dass das Spiel Spaß macht, aber weniger komplex ist als die Expertenspiele der letzten Testrunden (was man gleichsam als Lob und als Kritik verstehen darf – je, nachdem, ob man gerne komplexe Spiele spielt).

Jörg hingegen befürchtet, dass man den Bogen zu schnell heraus hat, und stellt Parallelen zu Handygames auf.

Auch das muss nicht schlecht sein, denn wenn man das Spielprinzip schnell erlernt hat, kann man sich auch gerne mit einem der anderen drei Charaktere in den Kampf wagen oder seine Strategie in den folgenden Spielen immer weiter verfeinern.

Kommen wir nun also zum restlichen Fazit:

Sanctum macht Spaß! Für versierte Spieler von Expertenspielen mag Sanctum eher etwas für zwischendurch sein, wobei man auch hier gut und gerne zwei Stunden Spielzeit pro Partie einplanen sollte.

Doch auch Gelegenheitsspieler, Fantasyfans, Brettspielschlachtenbummler und Würfelbegeisterte werden hier auf ihre Kosten kommen.

Auf der Contraseite ist eigentlich nur ein kleiner Fehler im Regelheft zu verbuchen. Da ist eine Erläuterung zu der Spielweise mit weniger als 4 Spielern missverständlich. Das klärt sich aber schnell auf: Die Anzahl der Etappenspielpläne reduziert sich bei weniger Spielern! Der Fehler wurde in der kostenlos downloadbaren Errata behoben. Allerdings sind die beigefügten Klemmtütchen für die Karten sehr empfindlich und reißen schnell. Hier sollte man selbst zeitnah für Ersatz sorgen.

Beide Punkte beeinflussen jedoch nicht den Spielspaß, sobald die erste Partie startet.

Alles in allem bleibt festzustellen, dass Sanctum sehr vieles richtig macht und sich als sehr guter Einstieg in die Welt der Expertenspiele präsentiert.

Abenteuer in den 1980ern: Tales from the Loop – Roleplaying Game

Schweden in den 1980ern. Ein gigantisches Magnetschiff schwebt vorbei, während der Nieselregen gegen deine Fensterscheibe tropft. Du legst eine Kassette in deinen heiligen Walkman und träumst dich mit der Musik fort. Der Lärm zweier Müllroboter, welche die Mülltonnen auf der Straße leeren, unterbricht deine Träumereien. Da klingelt es an der Tür, und dein bester Kumpel kommt ins Zimmer. Auf ins Abenteuer!

von Jens Krohnen

Simon Stalenhag ist ein schwedischer Künstler, der in den vergangenen Jahren für Furore in der Science Fiction-Szene sorgen konnte. Er fertigt digitale Bilder hoher Kunstfertigkeit an, die alltägliche Szenen mit unglaublicher Technologie verbinden. Mittlerweile hat er viele seiner Bilder in bebilderten Romanen zusammengefasst. Aus seiner Feder stammen zum Beispiel The Electric State, Things from the Flood und eben auch Tales from the Loop, das Buch, das für das gleichnamige Rollenspiel vom schwedischen Verlag Fria Ligan Pate stand.

Fria Ligan setzte – ganz modern – auf das Mittel des Crowdfundings, um Tales from the Loop zu finanzieren. Auch die von Free League Publishing und Modiphius Entertainment herausgebrachte englische Variante wurde über die Crowd finanziert. Herausgekommen ist ein lose auf der Mutant: Year Zero-Engine basierendes Rollenspiel mit einem besonderen Flair.


Hintergrund

Tales from the Loop nutzt als Hintergrund unsere Welt, spielt allerdings in den 1980ern. Wer sich erinnern mag: E.T., Ghostbusters oder Die Goonies begeisterten im Kino, Van Halen landete mit Jump einen Megahit, der Siegeszug der VHS-Kassette begann, und für die Teenager der damaligen Zeit war der Walkman der beste Freund. Doch natürlich unterscheidet sich die Welt von Tales from the Loop in einem entscheidenden Detail von der uns bekannten: Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde eine Magnet-Technik entdeckt, mit dessen Hilfe Luftschiffe gebaut wurden, die auf den Magnetbahnen der Erde fliegen können. Diese sogenannte Magnetrin-Technik führte auf diversen Sektoren zu einer schnelleren Fortentwicklung der Technik. So sind zum Beispiel Roboter in den 1980ern des Loop-Universums keine Seltenheit.

In Schweden entstand in den 1960ern ein einzigartiges Forschungszentrum, um die Technik und ihre Möglichkeiten weiter voranzutreiben: Auf einer Inselgruppe nahe Stockholm entstand der sogenannte Loop. Hier versuchen Forscher aus aller Welt ihre – teils verrückten, teils unmöglichen – Ideen in die Tat umzusetzen. Weithin sichtbar sind drei gigantische Kühltürme, die einen riesigen, unterirdischen Teilchenbeschleuniger auf Betriebstemperatur halten. Forschungslabors, Werkstätten und Maschinenparks runden den Loop ab. Neben dem schwedischen Setting liefert Tales from the Loop auch eine amerikanische Kleinstadt mit, in der eine ganz ähnliche Anlage in Betrieb genommen wurde. So können Spieler zwischen zwei unterschiedlichen Settings das Vertrautere wählen.

In Tales from the Loop schlüpfen die Spieler in die Rolle von Kindern. Diese gehen unheimlichen oder merkwürdigen Begebenheiten nach, die rund um den Loop geschehen. Der Kreativität des Spielleiters sind dabei prinzipiell keine Grenzen gesetzt, denn die verrückte Wissenschaft und die Möglichkeiten des Magnetrin-Effektes lassen alle erdenklichen Phantastereien geschehen. Ob Dinosaurier durch ein Zeitportal in unsere Zeit gelangen, Roboter Amok laufen oder Menschen sich plötzlich seltsam abwesend verhalten – all das kann seinen Grund im Loop finden.

Regeln

Wie erwähnt basiert Tales from the Loop auf einer abgespeckten Version der Mutant: Year Zero-Regeln. Das Würfelsystem ist ein einfaches Pool-System: Die Summe aus einem Attribut und einer passenden Fertigkeit ergibt den Pool sechsseitiger Würfel, jede geworfene Sechs zählt als Erfolg. Eine wichtige Prämisse des Spiels ist, dass die Kinder nicht sterben können. Vielleicht werden sie gefangengenommen oder außer Gefecht gesetzt, doch sie können nicht das Zeitliche segnen. Entsprechend sind die Regeln für Schaden und Kampf ebenfalls sehr knapp ausgefallen und laufen letztendlich nur auf verschiedene Zustände hinaus – so kann ein Kind aufgewühlt oder erschöpft sein und dadurch Mali auf seine Proben erhalten.

 

Auch die Charaktererschaffung geht leicht von der Hand. Man wählt einen Archetyp für sein Kind aus – wie zum Beispiel die Leseratte, den Computer-Nerd oder den Sportler – und verteilt anschließend Punkte auf seine vier Attribute. Fertigkeiten werden durch den Archetyp beeinflusst. Anschließend legt man die Beziehungen zu den anderen Kindern und einigen Bezugspersonen fest. Man merkt hier schnell, dass Tales from the Loop ein narratives System sein möchte, dass den Schwerpunkt eher auf die Erzählung als auf die Würfelmechanismen legt.

Mysterien

Die Abenteuer, welche die Kinder in Tales from the Loop erleben, werden als Mysterien bezeichnet. Neben einer umfangreichen Erklärung, wie ein Mysterium aufgebaut sein sollte, zusätzlich zu einigen Abenteueraufhängern, liefert das Grundregelwerk auch gleich vier spielfertige Mysterien mit, die zusammen eine Kampagne rund um eine verrückte Wissenschaftlerin ergeben. Das Spielleiterkapitel gefällt mir ausnehmend gut. Es überspringt zwar die generellen Spielleitertipps, die man an dieser Stelle erwarten könnte; dafür führt es hervorragend in die Mysterien des Loop-Rollenspiels ein, ohne irgendwelche Beschränkungen aufzuerlegen. Die vier mitgelieferten Abenteuer decken ein breites Spektrum unterschiedlicher Möglichkeiten ab. So gibt es Szenarien, die an einen Horrorfilm erinnern, während andere eher klassische Kinder-Detektiv-Geschichten darstellen. Diese Mischung hat definitiv Charme.

Optik

Tales from the Loop ist opulent mit den fantastischen Bildern Simon Stalenhags ausgestattet. Seine Kreationen zieren oftmals großformatig die einzelnen Seiten. Die Qualität der Bebilderung ist großartig: Mit satten Farben sticht sie hervor und sorgt für Atmosphäre auf jeder entsprechenden Seite. Hier und da wurde es mit der Farbsättigung etwas übertrieben. Da gehen schon mal Details in dunkleren Bildbereichen verloren. Aber das fällt kaum ins Gewicht und ist Jammern auf hohem Niveau. (In der PDF-Ausgabe sind die Helligkeitswerte noch etwas besser ausgefallen.)

Charaktere und Kreaturen aus den Mysterien werden oft mit einfachen Bleistiftskizzen dargestellt, die sich jedoch erstaunlich gut in das Gesamtbild einfügen. Das Layout des Bandes ist mit großen Überschriften, klar lesbaren Extrakästen und einem unaufgeregten Blocksatz angenehm übersichtlich gehalten. Technisch gibt es damit praktisch nichts zu meckern.

Kritik

Was soll ich sagen? Tales from the Loop hat mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistert. Das Regelwerk ist simpel und rasch verinnerlicht. Der Hintergrund in seiner Mischung aus 1980ern und technologischer Science Fiction ist einmalig. Die Mysterien des Loops versprechen eine Mischung aus Kinder-Detektiv-Abenteuern und hoch fantastischen Elementen. Wer mit diesen Tropen etwas anfangen kann, der wird auch Tales from the Loop mögen.

Kritik ergibt sich allerdings im Detail. Die Archetypen, die zur Charaktererschaffung zur Auswahl stehen, sind reichlich klischeebeladen. Das muss kein Nachteil sein, ich will es aber nicht unerwähnt lassen. Durch die simple Charaktererschaffung ist auch die spieltechnische Differenzierung zwischen den einzelnen Charakteren eher schwierig. Auch die Fertigkeitenliste sieht einige oft redundante Fertigkeiten vor und hätte eine etwas andere Sortierung vertragen. Doch schmälert das alles bei mir nicht den Wunsch danach, mich in den 1980ern mit größenwahnsinnigen Wissenschaftlern zu messen, die ihre Erfindungen unterschätzt haben.

Fazit: Großartige Bilder, ein unverbrauchtes Setting, simple Regeln und ein hilfreicher Spielleiterbaukasten. Tales from the Loop spricht natürlich einen bestimmten Spielstil an; wer sich jedoch mit dem Gedanken anfreunden kann, Kinder auf der Suche nach der Wahrheit zu spielen, sollte hier unbedingt einen Blick riskieren. Unbedingt.

Tales from the Loop

Grundregelwerk

Simon Stalenhag, Nils Hintze, Tomas Härenstam u. a.

Free League Publishing / Modiphius 2017

ISBN: 978-1910132753

194 S., Hardcover, englisch

Preis: EUR 48,95