Ich hab mal einen Killer gekannt: 4 Action Krimis

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17


Der Mann mit den dunklen Locken zog den Reißverschluss der Maui-Jacke herunter. Es war verdammt warm in der Filiale von Hot & Spicy in der Avenue A. Insgesamt sechs Filialen gab es von dieser Kette mit mexikanischen Fast Food Restaurants auf dem Stadtgebiet von New York City, eine weitere in West New York und zwei in Yonkers.

Der Mann mit der Maui-Jacke schob den Rest seiner Portion Chili con Carne von sich und trank erstmal den Maxi-Becher Coca Cola aus. Aber das verschlimmerte das Brennen in seinem Hals nur.

Er schwitzte erbärmlich.

Ein Mann Mitte dreißig trat auf ihn zu und blieb vor seinem Tisch stehen. Er trug weite Cargo-Hosen und eine gelbe Thermojacke. Außerdem hatte er mindestens dreißig Kilo Übergewicht. Auf der ziemlich tief im Gesicht hängenden Strickmütze stand NO YANQUÍ!

Seine Begrüßung war ziemlich überschwänglich.

„Hola! Que tal, muchacho? Que rica te vez!“

„Lass den Scheiß, Paco. Ich brauche deine Hilfe.“

„Geht dir dreckig, was, Monty?“

„Setz dich, Paco!“

„Bueno, es ist immer dasselbe! Wenn es einem schlecht geht, findet man zurück zu den Wurzeln, Monty! Du kannst machen was du willst, du bleibst doch immer ein Puertoricaner. Auch wenn du nicht mal mehr richtig Spanisch reden kannst und peinlich genau darauf achtest, das ‚r’ nicht zu rollen, damit man nicht gleich merkt, woher du kommst!“

„Paco, ich brauche neue Papiere. Ich habe alles dabei, was du brauchst.“ Monty holte unter seiner Jacke ein dickes Kuvert hervor, das er über den Tisch schob. „Geld ist auch drin. Dein üblicher Satz.“

„Der wurde seit dem letzten Mal etwas erhöht, Monty.“

„Paco, ich dachte, wir sind Freunde!“

„Wie soll ich jemanden meinen Freund nennen, der gar nicht mehr meine Sprache spricht, Muchacho?“

Blitzschnell schoss Montys Hand hervor, packte Paco am Kragen seiner Thermojacke und zog ihn halb über den Tisch.

„War nur ein Scherz!“, zeterte Paco.

„Mach deine dummen Scherze ein anderes Mal, heute ist mir einfach nicht danach, kapiert?“

„Ist ja schon gut! Lass mich jetzt vom Haken!“

Monty ließ Paco los. Dieser fluchte lauthals auf Spanisch, als er merkte, dass er mit dem Ärmel seiner knallgelben Thermojacke im Rest der Chiliportion gelandet war. „So ein Mist, die war neu!“

„Hör zu, du kannst von mir noch mal das Doppelte bekommen, aber erst, wenn du geliefert hast.“

Das schien Paco etwas zu besänftigen.

Er warf einen Blick in das Kuvert. Alles, was ihn interessierte, war das Bündel mit Geldscheinen, das darin auch zu finden war.

„Hey, du weißt, ich bin dein Freund, Monty. Willst du mir nicht sagen, was für einen Bockmist du fabriziert hast? Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, hast du gesagt, die Geschäfte gingen gut und jetzt musst du Hals über Kopf untertauchen. Außerdem ist es doch noch gar nicht so lange her, dass ich den letzten Satz Papiere besorgt habe! Was ist denn mit denen? Sind die nicht in Ordnung gewesen?“

„Dann würde ich mich wohl kaum wieder an dich wenden, Paco.“

„Amigo! Erzähl mir doch ein bisschen!“

„Das geht dich alles nichts an.“

Paco zuckte die Achseln, steckte das Kuvert unter die Thermojacke und erhob sich.

„Adios!“

„Willst du gar nicht wissen, wie du mich erreichen kannst?“

Paco stotterte etwas herum. „Ach, ja, richtig! Wo treffen wir uns?“

Monty nahm eine Serviette, holte einen Kugelschreiber hervor und kritzelte eine Nummer auf das Papier. Anschließend schob er sie zu Paco hinüber. „Das ist die Nummer meines Prepaid-Handys. Alles andere ist viel zu risikoreich. Wenn du fertig bist, rufst du mich einfach an.“

„Okay!“

Paco verließ die HOT & SPICY Filiale.

Er ging zur Ampel und dann über die Straße. Auf der anderen Seite sprach er zwei Kerle in schwarzen Lederjacken an, die dort schon längere Zeit vor einem Schaufenster herumstanden.

Monty wurde schlagartig klar, was hier gespielt wurde.

Ach so einer bist du also!, ging es ihm durch den Kopf. Er langte unter die Jacke. Seine Rechte umfasste den Griff der Automatik, die er dort stecken hatte.

Dann blickte er sich um. Er stand auf und ging in Richtung der Toiletten. Die Hand ließ er die ganze Zeit über an der Waffe.

Eine der Angestellten lief ihm über den Weg.

„Geht es da hinten auch irgendwie hinaus?“, fragte er.

„Ja, aber das ist nur ein Notausgang für den Brandfall. Da können Sie jetzt nicht einfach...“

Monty ließ sie stehen.

Er rannte den Korridor entlang, der zu den Toiletten führte. Dann ging es weiter.

Es roch nach Chili und halb verschmortem Bratfett, das viel zu lange in Gebrauch gewesen war. Gleichgültig ob Tortillas oder Fisch. Alles kam in dasselbe Fett und das gab einen ganz bestimmten Geruch.

Der Hinterausgang mündete in einem ziemlich kleinen und von mindestens acht, meistens aber zehnstöckigen Gebäuden umgebenen Hof, der als Parkplatz für Lieferanten genutzt wurde. Mehrere Vans und Transporter standen dort. Getränkekisten wurden ausgeladen.

Ein Geräusch, das wie ein Niesen klang war kurz hintereinander zweimal zu hören.

Eine Waffe mit Schalldämpfer wurde neben einem der Vans von einem drahtigen, Mann abgefeuert. Das Mündungsfeuer leckte rot aus dem Schalldämpfer heraus.

Monty hatte das Gefühl einen heftigen Schlag gegen die Schulter zu bekommen.

Ein Treffer hatte die Maui-Jacke aufgerissen, sich durch das Futter gefräst und war in der eingearbeiteten, dicken Kevlar-Schicht stecken geblieben. Ein zweiter Schuss schlug etwas tiefer ein, wurde aber ebenfalls von der offenbar speziell für ihn angefertigten Jacke aufgehalten.

Monty taumelte und riss seine eigene Waffe hervor und schoss zweimal.

Eine Kugel schlug in die Vorderscheibe des Van ein. Eine weitere traf einen der Männer, die gerade mit dem Ausladen des Lieferwagens zu tun und mit der Situation eigentlich gar nichts zu tun hatten.

Der Killer hatte sich unterdessen hinter den Van geduckt.

Jetzt tauchte er wieder hervor und feuerte sofort.

Monty stolperte in Richtung des Hintereingangs zurück, wo er Deckung zu finden hoffte, und schoss dabei wild um sich. Dann wurde er am Hals getroffen. Er röchelte, taumelte vorwärts und bekam im nächsten Moment auch noch einen Streifschuss am Kopf. Blut rann ihm in Strömen über die Stirn.

Wie ein gefällter Baum stürzte Monty zu Boden. Er bewegte sich noch, krallte die Hand um seine Waffe.

Der Killer, der neben dem Van gestanden hatte, trat auf ihn zu, zielte noch einmal direkt auf den Kopf und drückte ab.

Mit dem Fuß drehte er den Toten herum, um sich davon zu überzeugen, dass Monty auch wirklich tot war.




18


Wir erreichten Paterson am späten Nachmittag. Mir fiel gleich auf, dass der Porsche nicht mehr in der Einfahrt stand. Wir klingelten an der Tür des luxuriösen Bungalows am Rande der Kleinstadt in New Jersey, aber es öffnete niemand. Über die Sprechanlage bekamen wir auch keinen Kontakt.

„Wir scheinen diese Miss Grath verpasst zu haben“, meinte Milo. Ich drückte gegen die Tür und stellte fest, dass sie sich überraschenderweise öffnen ließ.

Wir traten ein.

Dabei zogen wir die Dienstwaffen.

„Miss Grath!“, rief ich. „Hier ist das FBI!“

Wieder keine Antwort.

Milo nahm sich das Wohnzimmer vor, ich sah in Küche und Bad nach. Anschließend überprüfte ich einen Salonartigen Raum. Aber auch dort war keine Spur von Tasha zu sehen.

Ich öffnete die Kleiderschränke des Schlafzimmers. Mir viel auf, dass dort ziemlich viel Platz war. Und vor allem gab es keinerlei Frauensachen. Dasselbe galt für das Bad. Auch dort waren sämtliche Spuren, die darauf hingedeutet hätten, dass hier zumindest zeitweilig eine Frau gewohnt hatte, verschwunden.

 

Vielleicht hatte Tasha Grath geahnt, dass wir ihr auf der Spur waren. Und jetzt war schlicht und ergreifend die langsam anwachsende Panik übermächtig geworden.

Ein Geräusch ließ mich zusammen zucken. Es kam aus dem ausgebauten Dach des Bungalows.

Eine Treppe führte hinauf. Ich stieg Stufe für Stufe empor, die Pistole vom Typ Sig Sauer P 226 immer im Anschlag.

Oben angekommen stand ein Mann mitten im Raum und starrte mich an.

„Hände hoch, FBI...“

„Nicht schießen!“

Jetzt trat der Mann in den Schein des Tageslichts, das gerade durch eines dieser Fenster herein fiel.

„Mister Resnick!“, stieß ich erstaunt hervor. Ich senkte die Waffe. Seine Körperhaltung entspannte leicht.

„Hallo, Agent Trevellian.“

„Was machen Sie hier?“, fragte ich.

Hinter mir hörte ich Schritte. Milo kam die Treppenstufen hoch und trat neben mich.

„Ich hatte noch ein paar geschäftliche Dinge zu regeln...“

„Ich glaube ein Staatsanwalt spricht in solchen Fällen von einem Einbruch!“, stellte ich fest.

„Moment!“ Resnick hob abwehrend die Hände und griff dann etwas zu abrupt in die Innentasche. Aber Resnick zog glücklicherweise nur ein Kuvert heraus und hielt es mir hin. „Lesen Sie das!“, forderte er mich auf.

Ich nahm das Kuvert, zog das darin dreifach zusammengefaltete Papier heraus und überflog es.

„Wie Sie sich überzeugen können, hat Brandon mir eine Vollmacht für den Fall seines Todes, seines Verschwindens oder seiner Handlungsunfähigkeit gegeben. Damit sollte sichergestellt werden, dass brisante Stories, an denen er arbeitete, in jedem Fall veröffentlicht werden, auch wenn jemand versuchen sollte, dies durch einen Anschlag, eine Entführung oder was man sich in dieser Hinsicht sonst noch ausdenken kann, zu verhindern. Verstehen Sie? Darum verfüge ich auch über einen Haustürschlüssel.“

„Dann waren Sie darüber informiert, dass Brandon Carter sich mit Jack Fabiano treffen wollte?“

„Ja, ich wusste davon. Brandon war schon eine ganze Weile an der Story dran. Oder vielleicht sollte man besser sagen, dieser Fabiano war an ihm dran, denn er wollte unbedingt ein Treffen arrangieren. Ich habe Brandon gewarnt. Auf so etwas sollte er sich nur dann einlassen, wenn er im Vorfeld schon mehr Informationen erhalten hätte. Aber die Aussicht, dass ein Mafia-Killer ihm exklusiv seine Lebensgeschichte überlassen wollte, hat ihn richtig heiß gemacht. Da müssen bei ihm sämtliche Sicherungen durchgebrannt sein. Ich habe ihm ganz klar abgeraten, so faszinierend die Story auf den ersten Blick auch klingen mochte.“

„Warum haben Sie uns das alles nicht schon erzählt, als wir uns zum ersten Mal unterhalten haben?“, fragte ich kühl. „Da haben Sie doch den Ahnungslosen gespielt.“

„Tasha hatte mich darum gebeten.“

„Ach, wirklich?“

„Sie wollte die Chance haben, erst bei Freunden oder Bekannten unterzutauchen. Die Sache mit Fabiano hat ihr auch Angst gemacht. Das war schließlich ein skrupelloser Auftragskiller und was er zu erzählen hatte, dürfte die gesamte Unterwelt an der Ostküste schlecht schlafen lassen. Wenn da ein paar entscheidende Leute auch nur den Verdacht haben, dass Tasha oder ich etwas mitbekommen haben könnten, was nicht für unsere Ohren bestimmt war, dann machen die kurzen Prozess. Das brauche ich jemandem wie Ihnen doch wohl nicht noch genauer zu erläutern, Agent Trevellian.“

Er streckte die Hand aus, um die Vollmacht zurückzubekommen.

Ich schüttelte den Kopf. „Dieses Stück Papier werde ich erstmal kriminaltechnisch von den Kollegen im Labor untersuchen lassen. Vielleicht finden wir ja Anhaltspunkte, die für seine Echtheit sprechen, dann wären Sie zumindest, was Ihren Einbruch in das Haus angeht, aus dem Schneider!“

Resnick verzog das Gesicht.

„Wie fürsorglich, Agent Trevellian!“, spottete er.

Sein Tonfall missfiel mir. Die Tatsache, dass er uns angelogen und Tasha Grath dabei geholfen hatte unterzutauchen auch. Aber vielleicht würde er uns ja jetzt ein Stück weiterhelfen.

„Haben Sie eine Ahnung, wo sich Tasha jetzt befindet?“, fragte Milo.

„Nein.“

„Und wenn, dann würden Sie es uns auch wohl nicht sagen, oder?“, schloss ich.

Resnick hob die Schultern und fuhr sich anschließend mit einer fahrigen Bewegung durch das Gesicht. „Hören Sie, die Frau hat eine Höllenangst!“

„Es geht darum, ein Verbrechen aufzuklären“, gab Milo zu bedenken.

Resnick lachte heiser auf. „Ja, Ihnen geht es vielleicht darum! Aber was hat Tasha davon, wenn Sie ein paar Mörder fangen und sie dafür am Ende bezahlen muss?“

„Ich glaube, Sie haben ein falsches Bild von Tasha“, sagte ich.

Er runzelte die Stirn. „Wovon sprechen Sie bitte?“

„Die Killer, die Brandon Carter auf dem Gewissen haben, wussten, dass er sich mit Jack Fabiano treffen wollte. Außer Fabiano und Carter waren noch Tasha Grath und Sie darüber in Kenntnis gesetzt worden.“

„Das ist korrekt.“

„Unsere Laborkollegen von der Scientific Research Division in der Bronx konnten E-Mail-Dateien rekonstruieren, die von Tasha abgeschickt und anschließend gelöscht worden waren.“

„Wie bitte?“

Eine tiefe Furche erschien jetzt auf Resnicks Stirn.

„Tasha Grath hat Brandon Carter an seine Mörder verraten. Das steht fest. Leider haben wir nur eine Wegwerfadresse auf einem russischen Server, von dem wir bislang nicht herausfinden konnten, wem sie zuzuordnen ist.“

Er fixierte erst mich, dann Milo mit einem Blick, der mir sagte, dass sich in seinem Hirn im Augenblick ein ziemlicher Aufruhr abspielte. Resnick schien seine Gedanken neu zu ordnen. Ich hoffte nur, dass wir davon auch etwas hatten und er sich entschloss, endlich im vollen Umfang zu kooperieren. Vielleicht hatten wir dann eine Chance, Tasha Grath schnell genug auf die Spur zu kommen.

Schnell genug, bevor sie entweder vollkommen untergetaucht war - oder diejenigen, denen sie zugearbeitet hatte, sie als potentiell gefährliche Mitwisserin ebenfalls ausgeschaltet hatten.

„Brandon hat Tasha erst vor ein paar Monaten kennen gelernt“, berichtete Resnick. „Ich verstehe das ehrlich gesagt auch nicht! Jahrelang hat Brandon nichts anbrennen lassen. Bei einem Workaholic wie ihm auch kein Wunder. Für mehr als ein flüchtiges Abenteuer ab und zu hatte der doch auch gar keine Zeit.“

„Aber Tasha Grath scheint ihn ja stark beeindruckt zu haben.“

„Er hat sie in einem Club in Alphabet City kennen gelernt. Ich war dabei. Sie hat sich richtig an ihn heran geschmissen und ich habe ihn noch gewarnt.“

„Gewarnt? Weshalb?“, hakte ich nach.

Resnick zuckte die Schultern. „Sie wirkte auf mich wie eine gierige Prominenten-Maus, die es nur darauf abgesehen hat, sich an einen reichen, berühmten Mann heranzuhängen, um von dessen Glanz zu profitieren. Die hoffen dann alle darauf, dass ihre Fotos in den Medien zu sehen sind und ein Hollywood-Produzent bei ihnen anruft. Oder wenigstens eine Model-Agentur. Tasha ist dann schon ziemlich bald bei Brandon eingezogen und meine anfänglichen Bedenken konnte sie beinahe zerstreuen. Ich hatte den Eindruck, dass sie Brandon wirklich liebte, was auch nicht ganz einfach ist, denn er hatte seine Launen. Und ich glaube, es macht auch nicht jede Frau mit, wenn der Partner einfach mal ein paar Tage verschwunden ist, um irgendeine Inkognito-Sache durchzuführen. Tasha bestand deswegen darauf, in alles einbezogen zu werden.“

„Wie sich herausstellt, war das ein Fehler“, sagte Milo.

Resnick nickte.

„Schade – was Tasha angeht hätte ich mich gerne geirrt. Schließlich habe ich Brandon sein Glück gegönnt.“

„Haben Sie irgendeine Ahnung, wo Tasha jetzt stecken könnte?“, fragte ich.

„Ich habe sie gefragt, wo ich sie erreichen könnte, falls es irgendetwas zu regeln gäbe. Sie hat nur darauf erwidert, dass es besser wäre, wenn ich es nicht wüsste.“

„Was könnte es denn zu regeln geben?“

„Na, Brandons Nachlass natürlich. Was die Verwertung seiner Buch- und Fernsehrechte angeht, bin ich auch über sein Ableben hinaus zuständig. Aber so nahe standen wir uns nun auch nicht, dass ich hoffen kann, dass er mir auch noch sein Vermögen vermacht hat. Doch Tasha wird mit Sicherheit etwas abbekommen, so verliebt wie er in sie wahr.“

„Hat er mit Ihnen darüber gesprochen?“ hakte Milo nach.

Er schüttelte den Kopf. „Nicht direkt. Aber ich weiß, dass er vor einem Monat erst eine Neufassung seines letzten Willens hinterlegt hat. Brandon hatte einen Sohn aus erster Ehe, der heute in Illinois lebt. Außerdem gibt es da noch eine Schwester in Yonkers. Von weiteren Verwandten weiß ich nichts.“

„Was ist mit Tasha? Wissen Sie etwas über Bekannte, Verwandte – irgendjemanden, den sie besser kannte?“

„Nein. Sie tauchte einfach auf, schlang ihre Arme um Brandon, hielt ihn fest und sorgte dafür, dass er keine Augen für andere Frauen mehr hatte. In ihre eigenen Kreise hat sie Brandon nie eingeführt. Moment mal...“

„Raus damit, Mister Resnick. Jedes Detail kann wichtig sein“, forderte ich ihn auf.

Er schnipste mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. „Da war eine Freundin. Sie hat Tasha hier einmal besucht, dabei habe ich sie flüchtig kennen gelernt.“

„Name?“, hakte ich nach.

„Doreen. Mehr weiß ich nicht.“

„Beschreibung?“

„Nicht größer als 1,65 m, schätze ich. Sie hatte langes, brünettes Haar, war stark geschminkt und trug Sachen, die so eng waren, dass sie nichts verbargen.“

„Ein Callgirl?“

„Ich gebe zu, dass das mein erster Gedanke war“, gestand Resnick. „Und da fällt mir noch etwas ein. Als ich gestern hier eintraf, war Tasha gerade dabei, mit dieser Freundin zu telefonieren.“

„Vielleicht hat Tasha sich vergewissert, ob sie auch wirklich willkommen ist, wenn sie für ein paar Tage bei dieser Freundin untertaucht“, vermutete ich.

„Die Nummer und der dazugehörige Anschluss müssten über die Telefongesellschaft herauszubekommen sein!“, meinte Milo.

„Fragen Sie Ihre Kollegen, die den Rechner mitgenommen haben“, schlug Resnick vor. „Brandon stammt aus kleinen Verhältnissen und war deswegen immer sehr sparsam. Weil er viele Ferngespräche führte, lief die Telefonanlage über das Internet. Die Verbindungsdaten müssten also gespeichert sein!“

xxx




19


Das Prasseln des Duschwassers war bis ins Wohnzimmer zu hören. Doreen Stafford hatte gerade ein paar frische Handtücher aus dem Schrank geholt. Eigentlich war ihr Apartment zu klein, als dass darin für zwei Personen Platz genug gewesen wäre. Es bestand nur aus Küche, Bad und einem Wohnschlafzimmer. Nachts wurde die Couch ausgeklappt und in ein Bett verwandelt, auf dem zur Not auch zwei Personen Platz hatten. Davon abgesehen tat man sich aber ganz schön auf die Füße.

Aber Tasha brauchte Hilfe, auch wenn sie nur vage Andeutungen gemacht hatte weshalb und warum.

Es hatte wohl etwa mit der Ermordung von Brandon Carter zu tun, den Tasha als den dicksten Fisch zu bezeichnen beliebte, der ihr je ins Netz gegangen war.

„Es gibt da ein paar geldgeile Verwandte von Brandon, die in mir nur ein Flittchen sehen und mich schlicht und ergreifend vor die Tür gesetzt haben. Deswegen brauchte ich jetzt ein paar Tage ein Dach über dem Kopf“, hatte Tasha gesagt.

„Ich dachte, du hättest deine alte Wohnung in der Avenue A noch.“

„Habe ich letzten Monat gekündigt.“

„Du hast doch gesagt, das wolltest du niemals tun!“

 

„Habe ich aber. Jeder macht Fehler.“

„Meine Güte, dann hast du den dicken Fisch wirklich geliebt?“

Dieser Dialog ging Doreen noch einmal durch den Kopf, als sie in Gedanken versunken stehen blieb.

Das Prasseln des Duschwassers aus dem Bad vermischte sich mit den Geräuschen des plötzlich einsetzenden Regenschauers, dessen dicke Tropfen gegen die Scheiben klopften.

Das Seltsame war, dass Tasha sie am Tag vor Brandon Carters Tod angerufen und nachgefragt hatte, ob sie vielleicht in den nächsten Tagen zu ihr ziehen könnte. Angeblich hätte es Schwierigkeiten zwischen ihr und dem dicken Fisch gegeben.

Hatte sie vielleicht etwas mit dem Tod des Skandalreporters zu tun?

Das Ganze erschien Doreen reichlich verworren. Ihr Gefühl sagte ihr allerdings, dass Tasha ihr gegenüber nicht mit offenen Karten gespielt hatte.

In Doreens Hirn rasten die Gedanken nur so.

Tasha Grath hatte ihre Sporttasche auf der Couch abgestellt. Ihre Sachen lagen daneben. Die Tasche war halb offen.

Doreen trat näher heran und tat etwas, was eigentlich ihren Grundsätzen widersprach. Sie unterzog die Tasche einer kurzen Durchsuchung, wühlte die wenigen Sachen durch, die sich darin befanden. Was sie genau suchte, war ihr gar nicht klar. Irgendeinen Hinweis, der Licht ins Dunkel brachte.

Sie fühlte etwas Hartes, metallisch Kaltes und zog es hervor.

Ein kurzläufiger Revolver.

„Leg das zurück, Doreen!“, sagte plötzlich eine Stimme.

Doreen blickte auf.

Tasha stand hinter der Tür. Sie hatte Doreens Kimono übergezogen. Das Duschwasser lief noch, deswegen hatte Doreen sie nicht bemerkt.

„Tasha, was hat das zu bedeuten?“

„Ich sagte, leg das Ding weg!“

„Erst, wenn du mir erklärst, warum du eine Waffe hast!“

Tasha näherte sich und nahm Doreen den Revolver aus der Hand. Sie legte die Waffe zurück in die Tasche. „Das kannst du dir doch denken. Zur Selbstverteidigung. Ich habe nicht die Zeit dazu, erst jahrelang irgendeinen Kampfsport zu trainieren, bis ich ohne mich zu fürchten durch eine dunkle Straße gehen kann!“ Ihr Lächeln wirkte etwas gezwungen. „Der Wasserhahn an der Dusche klemmt übrigens. Ich kann den Strahl einfach nicht abstellen!“

„Ich weiß, das mache ich schon. Da gibt einen kleinen Trick.“ Sie reichte Tasha die Handtücher. Die junge Frau begann damit, sich die Haare zu trocknen.

Doreen ging auf die Tür zum Bad zu, blieb dann aber stehen und fragte: „Ich möchte, dass du mir die Wahrheit sagst, Tasha.“

Tasha blickte auf. „Ich habe dir die Wahrheit gesagt!“, beharrte sie. Ihre Stimme klang trotzig. Doreen war sich nun sicher, dass sie einen wunden Punkt erwischt hatte.

„Tasha, gleichgültig, was es ist, ich halte zu dir. Aber ich will es wissen!“

„Da gibt es nichts weiter zu wissen. Wenn du deine beste Freundin auf die Straße setzen willst – okay, dann tu das. Ich hatte dich eigentlich anders eingeschätzt und gedacht, dass man sich auf dich verlassen könnte, wenn man mal in Schwierigkeiten ist. Aber da habe ich mich offenbar vertan.“

„So war das nicht gemeint!“

„Ich hoffe, ich kann mich noch anziehen, bevor du mich raus wirfst!“

„Ich sagte, so war das nicht gemeint, Tasha! Aber du musst zugeben, dass es da ein paar Ungereimtheiten in der Story gibt, die du mir erzählt hast. Erst fragst du an, ob du eventuell mal für kurze Zeit bei mir unterkriechen kannst, am nächsten Tag ist dein Freund tot, du tauchst hier mit einer Waffe im Gepäck auf und redest etwas von irgendwelchen Verwandten deines Freundes daher, die dich vor die Tür gesetzt haben! Ich weiß nicht, ob du mich für bescheuert hältst, aber ich habe das Gefühl...“

Doreen stockte.

Sie zögerte, ihre Gedanken wirklich auszusprechen.

„Ja, was denn? Nun sag es schon!“

„Was hast du mit Brandons Tod zu tun?“

„Gar nichts! Er hat sich mit einem Mafia-Killer getroffen, mit dem wohl jemand eine Rechnung offen hatte. Das ist alles. Brandon war zur falschen Zeit am falschen Ort.“

„Sag mir den wahren Grund dafür, weshalb du förmlich geflüchtet bist und nicht mehr in die alte Wohnung zurück kannst!“

Tasha atmete tief durch.

„Doreen, ich will dich nicht in Schwierigkeiten bringen, deswegen ist es besser, ich sage dir nichts darüber. Nachdem ich mich angezogen habe, bin ich weg und du siehst mich nicht wieder.“

„Tasha!“

„Ist schon in Ordnung, Doreen. Vielleicht war es einfach keine gute Idee, dich damit hineinzuziehen. Und jetzt stellst du am besten erstmal das Wasser ab, sonst gibt’s noch eine Überschwemmung!“

Doreen verschwand im Bad.

Tasha löste den Gürtel des Kimonos.

In diesem Augenblick flog die Tür des Apartments zur Seite. Ein Mann in dunkler Lederjacke stürzte herein. Er hielt eine Automatik mit beiden Händen. Ein Schalldämpfer war auf die Waffe aufgeschraubt, deren Mündung in Tashas Richtung zeigte.

Die junge Frau stand wie erstarrt da.

Mit einem Absatz-Kick schloss der Eindringling die Tür und machte anschließend einen Schritt nach vorn.

Das Prasseln des Duschwassers war inzwischen verstummt.

Doreen kam aus dem Bad.

Der Eindringling war für einen kurzen Moment abgelenkt. Er reagierte auf die Bewegung und feuerte. Doreen bekam einen Schuss in den Bauch, der sie wie ein Taschenmesser zusammenklappen ließ.

Diese Sekunde nutzte Tasha. Sie griff zu dem Revolver in der Sporttasche, riss ihn hervor und schoss immer wieder. Die erste Kugel traf den Killer in die Schulter und riss ihn herum. Ein zweiter Schuss pfiff über ihn hinweg, der dritte ging in den Oberschenkel.

Der Mann taumelte rückwärts gegen die Tür, riss seine Waffe hoch, kam aber nicht mehr zum Schuss, denn Tashas vierte und fünfte Kugel durchdrangen seinen Oberkörper. Er rutschte an der Wand hinunter und zog dabei eine blutige Schmierspur hinter sich her.

Regungslos und mit starren, toten Augen blieb er dort sitzen, während Tasha der Puls zum Hals schlug.