Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane

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Gegen Mittag des nächsten Tages bereiteten wir im Präsidium alles vor, um Farkas eine Falle zu stellen. Wir waren dabei sowohl auf die Mithilfe von Ede Gerighauser, als auch auf die Unterstützung von Subotitsch angewiesen. Beide ließen sich das natürlich durch ein Entgegenkommen der Staatsanwaltschaft honorieren.

Kronzeugenregelung nennt man das.

Und man kann davon halten, was man will.

Wenn dadurch jemand wie Farkas aus dem Verkehr gezogen wurde, konnte man das allerdings rechtfertigen.

Gerighauser schlug vor, dass er Farkas auf seinem speziellen Prepaid Handy kontaktierte, um ihm zu berichten, dass der Anschlag auf Subotitsch fehlgeschlagen war und Subotitsch sich jetzt mit Farkas persönlich treffen wollte, um die Sache zu bereinigen.

Als Treffpunkt wurde die konspirative Wohnung in Berlin vorgeschlagen.

Farkas ging darauf ein.

Es blieb ihm auch keine andere Wahl.

Das Treffen wurde für den späten Nachmittag verabredet und dabei waren wir auf die Hilfe von Tom Subotitsch angewiesen.







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Wir fuhren mit einem Dutzend Kommissaren los. Die Wohnung lag in einem Wohnblock, der eher zur unteren Kategorie gehörte. Es gab keine Sicherheitsvorkehrungen. Weder Kameras noch private Security Guards sorgten für den Schutz vor Kriminellen. Die Hälfte der Wohnungen des zwölfstöckigen Gebäudes standen leer.

Für uns war das ein Vorteil. Das Treffen zwischen Subotitsch und Farkas musste eingehend dokumentiert werden. Minikameras und Mikrofone mussten in der Wohnung installiert und über Kontrollmonitore in einer leer stehenden Nachbarwohnung aus überwacht werden.

Wir warteten dort auf unseren Einsatz. Schließlich mussten wir unter Umständen sehr schnell eingreifen, wenn Subotitsch in Gefahr geriet.

Farkas war pünktlich. Zusammen mit einem Gefolge von vier Mann tauchte er auf. Einer wurde abgestellt, um den Eingang zu sichern, die anderen betraten mit ihm zusammen die Wohnung. Sie durchsuchten zunächst einmal alles, fanden aber nichts Verdächtiges.

Einer durchsuchte Subotitsch nach Waffen und Mikrofonen. Aber letztere waren nicht an seinem Körper installiert.

„Sie sehen, dass ich davongekommen bin, Herr Farkas“, sagte Subotitsch. „Ich hoffe, Ede hat Ihnen die Dringlichkeit der Sache klar gemacht.“

„Das hat er. Keine Sorge“, knurrte Farkas zwischen den Zähnen hindurch. Er steckte sich eine Zigarre in den Mund. „Jetzt erzählen Sie mir nicht, Sie wollen das Geschäft, das Sie bisher mit Ihren Kollegen Rademacher und Maybaum durchgezogen haben, jetzt im Alleingang weiter betreiben wollen?“

Er hob die Augenbrauen. „Warum nicht? Was wollen Sie dagegen tun? Noch einmal versuchen mich umbringen zu lassen?“

„Sie sind ein Narr, Subotitsch! Die Beweismittel sind längst in meiner Hand.“

„Meinen Sie die Aufzeichnungen, die Christine Wistanow gestohlen hat? Es gibt Kopien. Und zusätzlich kommen jetzt noch die Morde an meinen Kollegen hinzu. Und das nehme ich persönlich!“

„Seien Sie froh, dass Sie noch am Leben sind!“, zischte Farkas.

„Warum haben Sie sich nicht mit uns an den Tisch gesetzt, wenn Sie der Meinung waren, dass unsere Provision zu hoch ist?“, fragte Subotitsch. „Warum mussten Sie einen Killer wie Reza Tannous auf uns ansetzen?“

„Weil ich keine Lust mehr hatte, solche Blutsauger weiter mit dem zu ernähren, was ich mit meiner Hände Arbeit erwirtschaftet habe!“ Farkas schnippste mit den Fingern. „Nehmt ihn mit und macht mit ihm eine Spazierfahrt. Es gibt sicherlich irgendwo im Umland Berlins einen Tümpel oder eine Müllhalde, wo man diese erbärmliche Witzfigur eines Bullen leicht verschwinden lassen kann...“

In diesem Augenblick kam das Signal zum Zugriff.

Diesmal war es Kommissar Fred LaRocca, der es gab, da diese Aktion unter seiner Einsatzleitung stand.

Wir stürmten aus unseren Verstecken, traten die Tür ein und waren wenig später im Inneren der Wohnung.

Die Bodyguards ergaben sich sofort.

Farkas wirkte im ersten Moment orientierungslos.

„Herr Farkas! Sie sind verhaftet“, stellte Rudi fest. „Wegen Anstiftung zum Mord in mindestens zwei Fällen sowie einem Versuch.“ Rudi klärte ihn anschließend über seine Rechte auf, aber Farkas hörte gar nicht zu.

„Wer weiß? Vielleicht kommt ja noch der eine oder andere Fall dazu“, meinte ich. „Es gibt da zum Beispiel einen Händler von illegalen Waffen namens Kurt Heinrichs, der unter mysteriösen Umständen tot aufgefunden wurde... Und wer weiß, was wir noch über die Schießerei herausfinden, die vor ein paar Jahren im ‚Abraxas’ für Angst und Schrecken sorgte...“







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Der Prozess gegen Farkas machte Schlagzeilen. Auch die besten Anwälte bewahrten ihn nicht vor einer Verurteilung, die darauf hinauslief, dass er für viele Jahre weggesperrt wurde. Da Gerighauser nun auch umfassend zur Ermordung seiner Eltern und seiner Schwester aussagte, konnten im Anschluss auch Lionel ‚der King’ Bentz und seine Getreuen festgenommen und vor Gericht gestellt werden. Ein Schlag, von dem sich die ‚Killer Bandoleros’ wohl nicht mehr erholen würden.

„Das sind die Augenblicke, in denen ich an die Gerechtigkeit unserer Justiz glaube“, sagte Rudi dazu in unserem Dienstzimmer.

Ich nippte an meinem Kaffee.

„Dafür sind Gerighauser und Subotitsch relativ glimpflich davongekommen.“

 

„So läuft das eben“, meinte Rudi. „Ein Sieg für das Recht ist es allemal!“

ENDE







Der Legionär



Thriller von Alfred Bekker







ERSTER TEIL



1993

"Haben Sie schon mal jemanden getötet?"

Der Mann, der mich das fragte, hatte mir zuvor gesagt, dass er einen Job für mich hätte. Es musste ein ziemlich mieser Job sein. Also genau von der Sorte, die man Leuten wie mir für gewöhnlich anbietet. Aber daran war ich gewöhnt und es wunderte mich schon lange nicht mehr. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass der Job so mies war.

Ich saß in dem preiswerten und etwas heruntergekommenen Cafe vor meinem Frühstück und sah den blassen, grauhaarigen Mann mit der dicken Brille an, als wäre er ein Außerirdischer. Sein Gesicht blieb völlig unbewegt. Er setzte sich zu mir, ohne dass ich ihn dazu aufgefordert hätte. "Was ist?", fragte er kühl. "Hat Sie meine Frage derart aus der Fassung gebracht?"

"Nein."

"Das hätte mich bei einem ehemaligen Fremdenlegionär auch gewundert."

Ich hob die Augenbrauen. "Ach, ja?"

Er musterte mich kritisch. "Sie sehen nicht gut aus. Etwas heruntergekommen, würde ich sagen."

"Was geht Sie das an?"

"Sie haben mir meine Frage noch nicht beantwortet."

"Woher wissen Sie, dass ich bei der Legion war? Woher wissen Sie überhaupt, dass ich hier sitze und frühstücke?"

Er lächelte. Es war ein stilles, kaltes Lächeln.

Und dann sah er mich mit einem undeutbaren Blick durch die flaschendicken Gläser an, die er auf der Nase trug.

"Ich weiß es eben", sagte er. "Ich weiß alles über Sie. Ich weiß Ihren Namen. Den, der in Ihrem Pass steht. Und ich weiß auch den, mit dem Sie geboren wurden. Gegenwärtig leben Sie in der Wohnung einer gewissen Tina Jörgensen. Hübsches Mädchen. Die Kleine ist Serviererin, nicht wahr? Fast ein bisschen über Ihrem Niveau."

Ich kniff die Augen zusammen. Der Bissen, den ich gerade im Mund hatte, blieb mir um ein Haar im Hals stecken. Ich entschied, das der Spaß jetzt vorbei war.

"Wer sind Sie?", fragte ich.

"Stellen Sie mir so eine Frage nie wieder", erklärte der Graue schnell. "Es hat einfach keinen Sinn. Ich werde nicht antworten." Ich sah auf seine Lippen. Sie bewegten sich kaum. Er hätte Bauchredner werden sollen!, dachte ich. Talent hätte er jedenfalls gehabt. Ich trank meinen Kaffee aus, nahm die Papierserviette und wischte mir den Mund ab.

"Was wollen Sie?"

Er antwortete mir nicht direkt. Das schien so zu seinen Eigenarten zu hören, soviel hatte ich schon mitgekriegt.

"Ich hatte Sie gefragt, ob Sie schon einmal jemanden getötet haben."

"Sie wissen doch sonst alles von mir. Warum nicht auch das?"

"Sie sollten mir vertrauen."

"Ach, wirklich?"

"Sie haben die Chance, eine Menge Geld zu verdienen oder dazustehen wie ein Idiot", erwiderte er mir. "Die Wahl liegt ganz bei Ihnen.“

Ich atmete tief durch und beschloss, das Spiel erst einmal mitzuspielen. Es war einfach zu interessant, um es nicht zu tun. Wie ein Idiot stand ich nämlich jetzt schon da. Wer sich von einer Serviererin aushalten lässt, ist bestenfalls ein Idiot, vermutlich etwas viel Schlimmeres. Oder die Serviererin ist eine Idiotin. Kommt ganz auf den Standpunkt an. Jedenfalls war ich abgebrannt genug, um die Ohren zu spitzen.

"Okay", sagte ich also. "Ich habe bereits einen Menschen getötet. Zufrieden?"

Sein Gesicht blieb regungslos.

"Ich nehme an, es hat Ihnen nicht allzuviel ausgemacht."

"Es war im Tschad. Gewissermaßen Notwehr."

"Bei der Sache, die ich mit Ihnen vorhabe, geht es gewissermaßen auch um Notwehr."

"Ach..."

"Haben Sie eine Waffe?"

"Brauchen Sie einen Killer? Ich bin keiner."

Er war nicht der erste, der mir so ein Angebot machte. Bis jetzt hatte ich solche Sachen immer abgelehnt. Manchmal fragte ich mich, warum eigentlich. Es gibt Leute, die leben ganz gut davon, obwohl die Billiglohn-Konkurrenz aus dem ehemaligen Ostblock in dieser Branche angeblich schon die Preise verdorben haben soll. Und so mancher, der sich darauf eingelassen hatte, fand sich am Ende selbst als Fischfutter in irgendeinem Kanal wieder. "Ich nehme an, unsere Unterhaltung ist damit zu Ende", meinte ich. "Ich bin kein Killer." Ich grinste. "Nehmen Sie sich einen Profi. Schnell, effektiv und neuerdings auch recht erschwinglich, sofern Sie keine besonderen Ansprüche stellen."

Er schüttelte den Kopf.

"Die Sache von der ich spreche, ist was ganz anderes", behauptete er. Aber das wirkte auf mich wenig überzeugend.

Ich lachte heiser. "Was soll schon anders daran sein? Soviel habe ich begriffen: Am Ende ist jemand tot." Ich schüttelte den Kopf. "Das ist nichts für mich!"

"Aber Sie könnten es!"

"Ich habe das Töten gelernt. Leider so ziemlich das einzige, was ich gut kann." Ich zuckte die Schultern und verzog das Gesicht zu einem sehr dünnen Lächeln. "Im Zivilleben nicht sehr gefragt, würde ich sagen."

"Haben Sie eine Ahnung!"

"Aber Sie wissen Bescheid, ja?"

Er lächelte seltsam. Ganz kurz nur. Es war das erste Mal, dass so etwas wie eine Regung auf seinem Gesicht erschien.

"Für jeden ist es irgendwann das erste Mal, oder irre ich mich?"

Ich fragte kühl zurück: "Halten Sie mich für so verkommen?"

"Ja." Er war sich seiner Sache sehr sicher und schien nicht den geringsten Zweifel daran zu haben, dass ich genau der richtige Mann für ihn war.

"Tut mir leid", sagte ich. "Ich schätze, Sie müssen sich jemand anderen suchen, um die Schweinerei auszuführen, die Sie durchziehen wollen." Seine blassblauen Augen musterten mich kühl. Er dachte nicht im Traum daran, mich von der Angel zu lassen. So einfach nicht.

"Sie sind ziemlich abgebrannt, nicht wahr?", stellte er fest. "Finanziell meine ich."

"Um das Frühstück hier zu bezahlen reicht es gerade noch!", gab ich gallig zurück. Ich fragte mich, woher er soviel über mich wusste. Er war wirklich gut informiert, das musste der Neid ihm lassen. Er griff in die Innentasche seines dunkelblauen Jacketts und nahm einen offenbar vorbereiteten Umschlag hervor. Dann schob er ihn mir über den Tisch.

"Bitte, nehmen Sie es."

"Was ist das?", fragte ich.

"Das sind fünftausend Mark."

Die Sache wurde immer verrückter.

"Wofür?", fragte ich. "Glauben Sie, Sie können sich für fünftausend Mark einen Killer kaufen? Ich glaube, bei Ihnen tickt es nicht richtig!"

"Das bekommen Sie dafür, dass Sie sich etwas durch den Kopf gehen lassen."

"Wäre das erste Mal, dass mich jemand fürs Denken bezahlt!"

"Dann strengen Sie sich mal schön an und stellen Sie sich eine halbe Million vor."

"D-Mark oder Lire?"

"Schweizer Franken."

Ich brauchte eine Sekunde, um das zu verdauen. Dann fragte ich: "Und dafür soll ich einen Mann umbringen?"

"Einen, der es verdient hat."

"Fragt sich nur, ob er das auch so sieht."

"Wer?"

"Der Mann."

Der Graue erhob sich. "Überlegen Sie es sich einfach. Ich werde wieder Kontakt mit Ihnen aufnehmen."

Er wollte gehen.

Ich rief: "Warten Sie!"

Er blieb stehen, kam zwei Schritte zurück. "Was ist noch?"

"Es ist eine wirklich große Sache, nicht wahr?"

"Das wissen Sie selber. Bei dem Preis."

"Warum nehmen Sie keinen Profi?"

"Ich will Sie!"

"Und warum keinen aus der Szene? Einen Erfahrenen. Wenn ich Sie wäre, würde ich das tun. Das Risiko ist doch viel geringer. Ich meine, ich bin sozusagen Anfänger. Ich könnte es verbocken."

"Das glaube ich nicht."

"Eine Antwort auf meine Frage ist das aber trotzdem nicht."

"Gewöhnen Sie sich die Fragerei ab. Hat man Ihnen das bei der Legion nicht beigebracht?"

Damit drehte er sich um und war weg. Ich stand ebenfalls auf und ging zum Fenster. In der Hand hielt ich noch den Umschlag mit den fünftausend Mäusen. Draußen sah ich den Kerl indessen in ein Taxi steigen.

Ich muss mir ins Ohr kneifen, dachte ich. Ich kniff. Aber geträumt hatte ich nicht.







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Später, in Tinas Wohnung, saß ich eine ganze Weile einfach da und dachte über diesen grauen Mann mit der dicken Brille nach. Aber so sehr ich meine Gehirnzellen auch anstrengte, es war ziemlich aussichtslos, dass ich darauf kam, wer er war. Ein Gangsterboss? Der Abgesandte eines Bosses? Der Abgesandte eines Abgesandten?

 

Nein, dachte ich. Die Sache war größer. Vorausgesetzt, er hatte es wirklich ernst gemeint, was er da von einer halben Million Franken gesagt hatte. Aber er schien es ernst zu meinen. Ich fühlte unwillkürlich an die Brust, wo ich den verdammten Umschlag mit den fünftausend Mäusen trug. Meine Gedanken bewegten sich im Kreis. Und im Zentrum dieses verfluchten Kreises war die halbe Million. Hier wollte nicht irgendein mittelschwerer Drogenbaron die Konkurrenz beseitigen. Also kam der Graue wahrscheinlich auch aus einem ganz anderen Milieu. Ich hatte es schon von Anfang an vermutet.

Instinktiv, sozusagen. Der Graue hatte etwas sehr Korrektes.

Etwas Beamtenhaftes, sozusagen. Und vielleicht war er das ja auch. Ein Beamter. Ein Geheimdienstler, der jemanden brauchte, der ihm die heißen Kartoffeln aus dem Feuer holte.

Und warum ich? Die Frage hämmerte mindestens zum fünfhundertsten Mal in meinem Schädel. Warum ich und nicht ein ausgekochter Spitzenprofi? Der Graue musste noch Gesichtspunkte in seiner Rechnung haben, die ich nicht kannte.

Ich fühlte wieder den Umschlag.

Die fünftausend Mäuse verpflichten dich zu nichts, dachte ich. Also nimm sie und brauch' sie auf. Nachgedacht hast du ja. Damit ist dein Teil des Jobs erledigt. Dachte ich.

Ich hätte mir gewünscht, dass die Sache so einfach gewesen wäre, aber natürlich wusste ich, dass dem nicht so war. Es hing ganz davon ab, mit wem ich es da zu tun hatte.

Vielleicht würden sie mir ebenfalls einen Todesengel vorbeischicken, wenn meine Antwort endgültig negativ ausfiel. Das konnte niemand ausschließen. Und die andere Sache waren die fünfhunderttausend Franken. Das war schon was. Damit konnte man neu anfangen. Andererseits musste derjenige, der diesen Job machte, das sicher auch. Aber ich hätte nichts dagegen gehabt. Nichts gegen die halbe Million und nichts gegen das Neu-Anfangen. Wäre mir auch ziemlich egal gewesen wo. Australien oder Südamerika, es hätte alles keine Rolle gespielt.

Später, als Tina nach Hause kam, saß ich noch immer ziemlich gedankenverloren da.

"Was ist denn mit dir los?", fragte Tina.

"Nichts."

"Ach komm schon, irgendetwas ist los. Das sehe ich dir doch an."

Wir waren immerhin schon lange genug zusammen, um uns gegenseitig solche Dinge an den Nasenspitzen ablesen zu können. Tina war Anfang zwanzig und ziemlich hübsch, wie ich fand. Ihre schulterlangen Haare hatte sie immer irgendwie zusammengesteckt, das gab ihr etwas Praktisches, Patentes.

Und genau so war sie auch. Sie wusste immer, was zu tun war.

Ihre Augen waren grün-grau.

Ein Paar Augen, das mir etwas bedeutete.

"So geht das nicht weiter mit dir", meinte sie. "Du hängst den ganzen Tag nur 'rum."

Ich atmete erst einmal tief durch und sagte gar nichts.

Meine Gedanken waren noch immer meilenweit entfernt. Ich überlegte, was ich mit dem Angebot machen sollte, das der graue Mann mir gemacht hatte. Eine halbe Million... Mir ging das einfach nicht aus dem Kopf. Jeder Mensch hat seinen Preis, ich bin überzeugt davon. Und vielleicht war das meiner. Ich dachte an die Abfindung, die ich vom französischen Staat für meine Dienste in der Legion bekommen hatte. Fast verbraucht. Irgendwie hatte ich nie eine besonders glückliche Hand gehabt, was Geld anging. Wie lange es wohl dauern würde, eine halbe Million Franken durchzubringen? Aber das war schon eine Summe, die selbst mich eine Weile über Wasser halten würde. Vermutlich sogar mehr als das.

"Was hältst du von etwas ganz Bürgerlichem?", meinte Tina.

"Häh?", machte ich. Ich schaute sie an, sie schaute zurück.

Ihre grauen Augen musterten mich. "Wovon sprichst du?", fragte ich.

"Von Arbeit. Einem Job. Ich meine damit allerdings nicht diese zwielichtigen Angelegenheiten, die du Geschäfte nennst."

"Lassen wir das Thema", winkte ich ab.

"Lassen wir das Thema", machte sie mich nach. "Das sagst du jedes Mal." Sie verschränkte die Arme unter ihrer Brust.

"Nächsten Monat wird die Miete steigen."

Ich hob die Augenbrauen.

"Davon hast du mir ja noch gar nichts erzählt."

"Na, dann erzähle ich es dir eben jetzt." Sie seufzte. "Ich erzähle es dir deshalb, weil ich finde, dass du langsam auch etwas beitragen könntest. Wir wohnen hier schließlich zusammen. Und soviel verdiene ich auch nicht, dass ich damit Bäume ausreißen könnte."

"Na gut", sagte ich. "Wie viel brauchst du?"

"So war das nicht gemeint."

Es war schon ziemlich lange her, dass sie mich um Geld gefragt hatte. Sie hasste so etwas, das wusste ich. Also war es wirklich dringend.

"Okay", sagte ich. "Tausend?"

"Hör mal..."

"Zweitausend?"

Ich langte in die Jackettinnentasche, holte zwei Scheine aus dem Umschlag und legte sie auf den Tisch. "Es ist in Ordnung", meinte ich dazu. "Das Geld steht dir zu." Sie starrte auf die beiden Tausender, als hätte sie noch nie so einen Schein gesehen. Dann schaute sie mich auf dieselbe Weise an.

"Woher hast du das?", fragte sie.

"Ist doch gleichgültig, oder?"

"Ich will's aber wissen."

"Frage ich dich vielleicht, woher dein Geld kommt?"

"Das ist kein Geheimnis."

"Ich frage dich aber nicht. Also frag' du mich auch nicht!"

Das war vielleicht ein bisschen schroff. Schroffer, als ich beabsichtigt hatte. Aber was hätte ich tun sollen? Ihr sagen, dass es sich um die Anzahlung für einen Mordauftrag handelte? Dann wäre es mit ziemlicher Sicherheit aus zwischen uns gewesen. Dafür hätte sie kein Verständnis gehabt.

Sollte sie also ruhig denken, dass ich irgendeine kleine Gaunerei durchgezogen hatte. Das war besser als die Wahrheit.

Sie nahm schließlich das Geld und steckte es weg. Dann lächelte sie ein wenig verlegen, aber auf ihre ganz besondere, unnachahmliche Weise. Vermutlich war es dieses Lächeln, wofür ich sie liebte. Ich erwiderte es.