Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa



1



Die Wegbeschreibung des Glatzkopfs war immerhin einigermaßen präzise. Präzise genug, so hoffte ich, um dieses Haus zu finden. Und wenn ich Glück hatte, dann fand ich dort Krylenko. Ich fuhr also zurück und fand schließlich auch das Kruzifix. Es war durch einen überhängenden Baum zu zwei Dritteln verdeckt. Dann quälte ich den BMW über den weichen Waldboden und sah, dass ich offenbar nicht der Erste war, der diesen Weg genommen hatte. Ich stieg kurz aus. Abdrücke mehrerer Reifen waren unterscheidbar. Einige davon schienen mir frisch. Vielleicht war ich also auf der richtigen Spur.

Ich folgte dem Weg, den der Glatzkopf mir beschrieben hatte. Unterwegs hatte ich zwischendurch schon den Verdacht, mich hoffnungslos verfahren zu haben, aber dann sah ich irgendwann zwischen all den dichten Unterholz einen Schornstein herausragen.

Ich fuhr den Wagen ein Stück zurück und fuhr ihn seitwärts ins Gebüsch, so dass man ihn nicht sofort sehen konnte. Dann stieg ich aus, nahm die Automatik heraus und entsicherte sie. Ich musste auf der Hut sein. Wenn Krylenko und sein Anhang, sich hier tatsächlich aufhielten, würde die Schnurrbart-Gang das Feuer sofort auf alles eröffnen, was sich bewegte und auch nur entfernt wie ein Killer aussah.

Der Wind blies kräftig durch die Kronen der Bäume und ließ sie hin und her wogen. Der Wind war mein Verbündeter, denn er sorgte dafür, dass der Krach, den ich machte, nicht so sehr auffiel. Hoffte ich jedenfalls.

Ich arbeitete mich Stück für Stück durch das Unterholz und schlug dabei einen kleinen Bogen.

Schließlich kam ich an eine kleine Lichtung, in deren Mitte das Haus lag. Es war wirklich hübsch. Hätte mir gefallen. Mochte der Architekt, der sich das aufgebaut hatte, auch eine Schraube locker haben, von seinem Fach verstand er etwas. Die Substanz des alten Heuerhauses war noch zu erkennen, aber er hatte etwas Neues daraus gemacht.

Ich packte die Automatik beidhändig und entsicherte sie.

Dann sah ich den blauen Mercedes. Oder besser: Sein Hinterteil. Der größte Teil des Wagens war hinter einem Stapel von Holzscheiten verborgen. Einen Kamin gab es hier also auch.

Eigentlich hatte ich erwartet, langsam auf einen der Schnurrbart-Gorillas zu treffen. Aber ich sah keinen von ihnen. Vielleicht fühlten sie sich so sicher, auf einen Wachtposten verzichten zu können, obwohl ich mir das kaum vorstellen konnte. Diese Leute hatten versucht mich umzubringen. Sie hatten den grauen Harry umgebracht und Erikson.

Sie wussten also, dass jemand auf Krylenko angesetzt war und wenn der graue Mann wirklich außer mir noch weitere Killer angeheuert hatte, dann dann wussten sie vermutlich auch das oder konnten es sich denken. Nein, anzunehmen, dass sie sich sicher wähnten, war absurd. Mir war nicht wirklich klar, mit wem ich es zu tun hatte. Aber Stümper waren es sicher nicht.

Ich schlich mich seitwärts ins Gebüsch und umrundete das Haus halb, so dass ich zur Vorderfront kam. Ein Weg endete dort. Die Reifenspuren verrieten mir, dass von dort der Mercedes gekommen war.

Und dann sah ich den Posten, den ich erwartet hatte.

Er lag mit dem Gesicht im Dreck. Es war der Ältere von den beiden Schnurrbärten. Er lag in einer seltsam verrenkten Körperhaltung da und blutete aus dem Kopf und dem Rücken. Er war tot.

Es war wie ein Schlag vor den Kopf.

Ich war zu spät gekommen.

An der Hauswand sah ich die Einschläge von mindestens zwei Dutzend Projektilen. Wahrscheinlich hatte jemand eine MPi-Salve verfeuert, um den Wächter niederzustrecken.

Wer auch immer mein Ersatzmann war, er musste gut sein.

Mochte der Teufel wissen, wie es ihm gelungen war, herauszufinden, in welchem Loch Krylenko sich verkriechen wollte.

Plötzlich ging die Tür auf. Ich sah einen hochgewachsenen Mann mit kurzgeschorenen roten Haaren, der mit schnellen Schritten die Stufen der kleinen Holztreppe hinabzusteigen begann. Nach der zweiten Stufe sah er mich. Mit einer blitzartigen Bewegung riss er den Arm hoch und ich sah die zierliche MPi in seiner Linken. Ich ließ ihn jedoch nicht zum Schuss kommen. Eine Kugel traf ihn mitten durch den Hals, die andere steckte irgendwo im Oberkörper. Er wurde nach hinten gerissen und rutschte die Treppe hinunter. Als er unten angekommen war, rührte er sich nicht mehr.

Im Haus hörte ich ein Geräusch. Schritte vielleicht. Etwas wurde umgestoßen und fiel hin. Dann ein Scheppern. Ich setzte einem kleinen Spurt an und war wenige Sekunden später an der Haustür. Drinnen herrschte eine Art Halbdunkel, an das ich mich erst gewöhnen musste. Ich sah eine Bewegung, dann einen Mündungsblitz und schnellte zurück. Ein Schuss krachte dicht an mir vorbei und ließ den hölzernen Türrahmen splittern. Jemand rannte davon. Ich wagte einen zweiten Blick und sah niemanden mehr. Mit der Automatik im Anschlag tastete ich mich vor und hörte dann wenig später, wie eine Tür geöffnet wurde. Der zweite Killer rannte nach draußen und versuchte davonzukommen. Ich durchquerte einen Flur und ein weitläufiges Wohnzimmer mit Kamin, das aussah, als hätte eine Horde Vandalen dort gewütet.

Als ich durch das Fenster blickte, sah ich eine Gestalt davonlaufen. Es war ein Mann, vielleicht fünfundzwanzig und eher zierlich gebaut. Er drehte sich herum, sah mich am Fenster und riss seine Waffe hoch - eine automatische Pistole.

Die Fensterscheibe zersprang. Ich feuerte zurück und erwischte ihn am Arm. Und zwar an dem, mit er seine Waffe hielt. Ich konnte ihn fluchen und schreien hören. Er rannte weiter, direkt ins Unterholz hinein. Er musste denken, dass ich einer von Khalils Leuten war, damit beauftragt, Krylenko sicher ans Ziel zu bringen, wo immer das auch sein mochte.

Er hatte also Grund zur Panik, denn er brauchte nicht viel nachzudenken, um sich ausrechnen zu können, dass sein Leben keinen Pfifferling mehr wert war, wenn er denen in die Hände fiel. Ich folgte ihm durch die Hintertür. Ich sah, wie er sich mühsam durch das Gestrüpp ruderte. Zweimal feuerte er noch in meine Richtung, aber das war kaum mehr als ungezieltes Geballere. Ich hatte ihn so am Arm erwischt, dass er ihm nicht mehr richtig gehorchte.

"Stehenbleiben!", rief ich.

Er blieb aber nicht stehen, sondern duckte sich statt dessen. Ich feuerte einmal in seine Richtung, ohne ihn zu treffen. Gleichzeitig spukte in meinem Hirn die Frage herum, was ich eigentlich mit ihm anfangen sollte, wenn ich ihn hatte. Er gehörte zu Harrys Leuten, während diejenigen, die ich für Tinas Ermordung verantwortlich machte, auf der anderen Seite zu finden waren. Was konnte es mir also nützen, ihn auszuquetschen? Ich hatte es bei Erikson versucht und dieser Killer wusste vermutlich viel weniger.

Wahrscheinlich nicht mehr als ich.

Aber wenn ich ihn am Leben ließ, hatte ich nicht nur Khalils Leute und die Polizei auf den Fersen, sondern auch noch diejenigen, in deren Auftrag ich eigentlich Krylenko hatte umbringen sollen.

Stattdessen streckte ich jetzt seine Mörder nieder.

Es war reine Ironie.

Ich entschied, dass es besser war, wenn der Kerl hier und jetzt ein Ende fand und hetzte ihm hinterher. Ich holte schnell auf. Die Verletzung schien ihm zu schaffen zu machen, was niemanden wundern konnte.

Dann sah ich ihn hinter einem Hang verschwinden. Ein Wagen wurde angelassen, der offenbar dort auf ihn gewartet hatte und raste mit aufheulendem Motor davon. Als ich oben auf dem Hang anlangte, sah ich gerade noch einen Mazda die Schotterpiste entlangrasen. Ohne Kennzeichen.

Ich ging zurück zu dem Waldhaus, um mich ein bisschen umzusehen. Den toten Krylenko fand ich im Schlafzimmer, zusammen mit einem seiner Wachhunde. Es war der, den ich als Fahrer des blauen Mercedes gesehen hatte. Beide waren förmlich durchsiebt worden. Unter Krylenkos zerfetztem Oberhemd schimmerte eine kugelsichere Weste hindurch, aber auch die hatte ihm nichts genutzt. Mindestens zwei Schüsse hatten ihm Kopf und Hals zertrümmert.

Den dritten Bewacher fand ich dann in der kleinen Küche.

Er musste wohl am Fenster gestanden haben, als ihn ein Kopfschuss getroffen hatte.

Die beiden Leichen im Schlafzimmer hatte ich nicht angerührt und das hatte vor allem hygienische Gründe. Sie waren derart zersiebt worden, dass sie über und über mit Blut besudelt waren. Bei dem Kerl in der Küche war es nicht so schlimm. Sein Oberkörper zum Beispiel hatte überhaupt nichts mitbekommen. Ich schlug sein Jackett zur Seite und nahm ihm einen Ausweis, einen Führerschein und eine Brieftasche heraus.

Er war Libanese, sein Führerschein hingegen war in Frankreich ausgestellt worden, aber auf denselben Namen.

Ich ließ die Dokumente in meine Jackentasche gleiten und erhob mich wieder. Und plötzlich spürte ich, dass sich jemand hinter mir befand.

 

Es war ein Gefühl, als würde sich mir eine kalte Hand auf die Schulter legen. In der Rechten hielt ich noch immer die Automatik und ich spielte sogar für einen Sekundenbruchteil mit dem Gedanken, die Waffe herumzureißen und abzufeuern. Es war mein Glück, dass ich das gar nicht erst versuchte.

"Bewegen Sie sich nicht!", sagte eine Stimme hinter mir. "Bleiben Sie, wo sie sind, drehen Sie sich nicht um und heben Sie langsam die Hände!"







2



Ich wandte den Kopf ein wenig zur Seite und sah aus den Augenwinkeln heraus gerade noch einen schlanken Frauenarm und eine zierliche, langfingerige Hand mit lackierten Fingernägeln.

Diese Hand umfasste allerdings den Griff einer Waffe und deshalb zog ich es vor, ihr zu gehorchen.

"Was nun?", fragte ich, als meine Hände schließlich oben waren.

"Pistole fallenlassen!"

"Ich sollte sie vorher sichern."

"Tun Sie, was ich sage!"

"Manchmal löst sich ein Schuss, wenn..."

"Nun machen Sie schon, verdammt nochmal, oder ich durchsiebe Sie!"

"Auf Ihre Verantwortung."

Ich ließ die Automatik fallen. Es machte ziemlich viel Krach, als das Ding auf den Kachelboden plumpste. Aber es löste sich kein Schuss.

"Wer sind Sie?", fragte sie. Sie rollte das R und hatte einen starken Akzent. Aber sie sprach sehr korrekt. Viel korrekter, als jemand, der Deutsch als Muttersprache gelernt hat. In ihrer Stimme war ein leichtes Zittern. In ihrer Hand auch, was mich beunruhigte. Die kleine israelische MPi mit der sie da herumwedelte, konnte auch dann noch großen Schaden anrichten, wenn sie von jemandem bedient wurde, der nichts vom Schießen verstand. Ein Blinder konnte damit einen Menschen treffen, vorausgesetzt, er betätigte lange genug den Abzug.

Ich drehte mich herum.

Ich machte es einfach, obwohl Sie es mir verboten hatte.

"Ich habe Sie etwas gefragt!", zischte sie.

"Mein Ausweis ist in der linken Jackett-Innentasche."

"Verkaufen Sie mich nicht für dumm!"

"Würde ich nie wagen. Nicht, solange Sie das Ding in der Hand halten. Aber Sie werden mir doch ohnehin nichts glauben, was sie nicht schwarz auf weiß sehen."

Sie atmete tief durch.

Wenigstens in einem war ich ihr voraus. Ich wusste nämlich, wer sie war: Krylenkos Tochter.

Ich sagte ihr den Namen, der gegenwärtig in meinem Pass stand und den ich bald schon abzulegen gedachte. Der Name sagte ihr natürlich nichts. "Ich mache Ihnen einen Vorschlag", sagte ich dann. "Legen Sie das Ding da weg, dann können wir uns wesentlich angenehmer unterhalten."

"Könnte Ihnen so passen!"

"So eine Waffe kann leicht mal losgehen."

"Das ist schon das zweite Mal, dass Sie mich darauf hinweisen!"

"Sie sollten mir vertrauen."

Sie zog ihre dünnen Augenbrauen in die Höhe.

"Ach, wirklich? Und warum?"

"Weil ich einen der Leute erschossen habe, die Ihren Vater auf dem Gewissen haben."

Sie schien unschlüssig. Ich nutzte das für einen Schritt nach vorn, aber sie hob gleich wieder die Waffe um zwei Zoll und packte den Griff der MPi mit beiden Händen. "Schön ruhig...", murmelte sie.

"Wie haben Sie es geschafft, das zu überleben?", fragte ich sie ungerührt. Einerseits interessierte es mich. Andererseits dachte ich, dass es gut wäre, sie etwas zu fragen. Irgend etwas. Damit ihr Kopf etwas Beschäftigung hatte.

"Diese Kerle waren Profis, die drei Wachhunde, die Ihren Vater hier her begleitet haben wahrscheinlich auch, aber die sind jetzt tot. Warum leben Sie?"

"Ich hörte sie kommen", murmelte sie. "Die Schüsse... Es ging alles so schnell. Ich war im Obergeschoss und habe mich in einem Kleiderschrank versteckt."

"Und dann?"

"Ich hatte Glück, das war alles."

"Haben die Kerle nicht überall nachgesehen?"

"Ich sagte doch, ich hatte Glück."

"Und dann sind Sie heruntergekommen und rausgelaufen. Draußen haben Sie dem toten Gorilla die MPi abgenommen."

"Sie haben ihn erschossen?"

"Ja", nickte ich.

"Und der andere? Ich dachte, es waren zwei."

"Es waren sogar drei. Einer wartete im Wagen. Nummer zwei ist davongelaufen. Ich habe ihn am Arm erwischt."

Ihre Augen wurden schmal.

"Dann gehören Sie auch zu Khalils Leuten!"

"Sie denken schnell!"

Sie kaute auf ihrer Lippe herum. Tränen liefen ihr über das Gesicht. "Warum sind Sie nicht hier gewesen, als es noch etwas genützt hätte?", murmelte sie tonlos.

"Ich war eben zu spät."

Diesmal sagte ich sogar die Wahrheit.

"Und warum haben Sie dem Toten dort die Papiere abgenommen?"

"Alle Achtung! Sie passen auf!"

"Ich habe Augen im Kopf."

"Ich wollte nicht, dass jemand anderes die Papiere nimmt. Irgendwann wird ja mal jemand hier auftauchen und dann wird bald die Polizei kommen und alles untersuchen."

Sie nickte. Was ich sagte, schien in ihren Ohren plausibel zu klingen. Mit Erleichterung sah ich, wie sie die MPi dann endlich sinken ließ.

"Ich werde mich jetzt bücken, um meine Knarre wieder einzustecken", kündigte ich ihr an. "Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen!"

Sie schüttelte den Kopf.

"Habe ich nicht."

Na wunderbar! Sie schien vernünftig zu werden. Aber sie hatte innerhalb der letzten Stunde ja auch einiges mitgemacht - und wessen Verstand wäre da nicht kurzfristig in Urlaub gegangen?

Ich nahm also die Kanone auf und versuchte mich dabei so zu bewegen, dass ich die junge Frau nicht unnötig nervös machte. Als ich dann wieder aufblickte stand sie fast apathisch da. Die Maschinenpistole hatte sie auf der Küchenanrichte abgelegt. Ihre Hand befand sich allerdings noch ganz in der Nähe des Griffs.

Ich hätte sie gerne das eine oder andere gefragt, aber im Moment war wohl nicht der richtige Zeitpunkt. Sie schien nachzudenken. Dann rollten ihr wieder ein paar Tränen über die Wangen. Ihr dezentes Make-up war nur noch eine Art Aquarell. Ich gab ihr ein Taschentuch und sie nahm es stumm.

Dann ging ich an ihr vorbei. Hinaus in den Flur und dann ins Wohnzimmer.

Ich sah mich etwas um. Hinter einem umgestürzten und von einer MPi-Garbe durchlöcherten Sessel fand ich das Telefon.

Der Hörer hing nicht in der Gabel, aber das Freizeichen verhieß, das das Ding noch funktionierte.

Ich drückte auf die Wiederholungstaste und der Apparat wählte selbstständig die zuletzt gewählte Nummer.

Es war die syrische Botschaft in Bonn.







3



Ich bemerkte sie erst gar nicht. Sie stand plötzlich in der Tür und beobachtete mich.

"Wie heißen Sie?", fragte ich, ohne mich dabei vollständig herumzudrehen.

"Ich dachte, Sie wüssten, wer ich bin."

"Ich weiß nur, dass Sie Krylenkos Tochter sind!"

Sie nickte.

"Ich heiße Jelena."

"Sie sprechen gut Deutsch."

"Ich war lange im Außenhandel tätig."

"Und was machen Sie im Augenblick?"

"Weiß noch nicht..."

"Wollten Sie mit ihrem Vater nach Syrien?"

Sie stutzte und schaute etwas verwundert drein. Dann kaute sie auf ihren vollen Lippen herum. "Nein", sagte sie dann. "Ich habe nur für ihn hier die Dinge vorbereitet. Weil ich mich hier auskenne. Und weil mein Vater mir vertraut hat."

"Wie viel hätte man ihm in Syrien für seine Fähigkeiten gezahlt?"

"Viel. Sehr viel."

Ich nickte leicht.

Vielleicht war es ganz gut, dass er nicht mehr lebte. Aber es konnte genauso gut sein, dass es nicht das geringste bedeutete, ob Krylenko Syrien erreichte oder nicht. Es gab zu viele Krylenkos und Harrys Killer konnten unmöglich alle abfangen, bevor sie ihre Bestimmungsorte erreichten. Von vielen würden sie nicht einmal wissen.

"Was wissen Sie über die Leute, die Ihren Vater umgebracht haben?", fragte ich sie. "Wer könnte die geschickt haben.“

"CIA."

"Warum sind Sie sich so sicher?"

"Ich bin nicht sicher. Könnte auch der Mossad sein. Oder wer auch immer. Jemand, der nicht wollte, dass mein Vater ans Ziel kam. Außerdem - was spielt es für eine Rolle?"

"Vielleicht sind Sie in Gefahr. Ich bin es jedenfalls. Ich stehe jetzt auf ihrer Liste, schließlich habe ich einen von ihnen umgebracht."

Sie zuckte die Achseln. Sie schien wirklich ratlos.

Vielleicht konnte ich doch noch etwas aus ihr herausbekommen, was mir dabei helfen konnte, am Leben zu bleiben.

"Es war weder die CIA noch der Mossad", eröffnete ich ihr, denn meiner Ansicht nach hatten der graue Mann, der sich Harry genannt hatte, und der blonde Erikson weder der einen noch der anderen Organisation angehört.

"Aber - wer hat sie dann geschickt?"

"Ich weiß es nicht. Ich dachte, Sie wüssten etwas."

Sie schüttelte den Kopf.

"Nein", murmelte sie tonlos.

"Gehört Ihnen dieses Haus hier?"

"Nein."

 

"Haben Sie es gemietet?"

"Nein, aber warum fragen Sie mich das alles?"

"Wenn dies hier ein Versteck sein sollte, dann wundert es mich, dass es bei Ihren Feinden offenbar gut bekannt war."

Sie zuckte mit den Schultern.

"Die Kerle müssen uns schon am Flughafen aufgelauert haben und uns dann gefolgt sein."

"Das halte ich für ausgeschlossen."

"Warum?"

"Weil ich Ihnen gefolgt bin."

Das schien sie zu erstaunen. Sie atmete tief durch und überlegte eine Weile schweigend. Dann meinte sie plötzlich: "Also gut", sagte sie. "Dieses Haus gehört über ein paar Strohmänner der russischen Regierung. "

"Ein KGB-Quartier?"

"Ja." Sie nickte. "Ich habe ganz gute Beziehungen und..."

Sie sprach nicht weiter, aber ich verstand, was sie meinte.

"Ist der KGB nicht inzwischen längst zerschlagen worden?"

"Man hat es versucht, aber wohl eher halbherzig", meinte sie. "Seit dem Ende der Sowjetunion hat diese Organisation fünf-oder sechsmal den Namen geändert, aber sie existiert immer noch. Vor allem die Auslandsabteilungen sind noch sehr gut in Schuss."

"Vielleicht hat einer Ihrer feinen Freunde Ihren Vater verraten", vermutete ich. "Oder was haben Sie für eine Erklärung, Jelena?"

"Ich habe keine." Sie zuckte die Achseln. Der Gedanke schien ihr nicht zu gefallen, aber sie würde sich damit auseinandersetzen müssen, ganz gleich, ob es ihr nun passte oder nicht. Aber das war ihre Sache.