Reilly und Sunfrost: Chronik der Sternenkrieger 8 Romane

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6

Magoon stand auf den Karbon-Planken seines Eisseglers. Ein Gurt hielt ihn an Deck, denn ansonsten wäre er an einer derart exponierten Position ohne viel Deckung vom Wind einfach mitgerissen worden.

Der Kapitän des STURMTROTZERs bückte sich, befestigte einen speziell für diesen Zweck gefertigten Metallhaken in einer Schlaufe und sicherte sich auf diese Weise an einem zweiten Seil. Das erste konnte er jetzt lösen. Schwankend stand er da, ging unsicher ein paar Schritte, bis sich das Sicherungsseil spannte. Jetzt erst gewann er an Stabilität.

In der rechten Hand hielt er eine der rohrartigen, gebogenen Gegenstände, die die Schnabel bewehrten Fremden bei sich gehabt hatten, bevor die Vielbeiner sie vertilgt hatten.

Magoon klammerte seine Hand um den Griff der Waffe, der für seine Anatomie viel zu groß war. Der Kapitän des STURMTROTZERS trug nur die eng anliegenden, dünnen Unterhandschuhe. Die Kälte fühlte sich auf die Dauer schneidend an, aber mit den dicken Überhandschuhen war Magoon nicht in der Lage, den Mechanismus an dem rohrähnlichen Gegenstand auszulösen.

Einen Gegenstand, der nichts anders als eine Waffe war.

Magoon hob das Rohr noch ein paar Handbreit, sodass es schräg nach oben in den Nachhimmel zeigte.

Dieser Sturm war besonders lang und heftig. Seit mehreren Sonnenumläufen hatte es nicht mehr ein Unwetter dieser Intensität gegeben. Allenfalls die alten J’arakor erzählten von vergleichbaren Ereignissen.

Verzweifelt kämpften Dutzende von Männern auf den Eisseglern gegen den Wind an, sicherten sich ebenso wie ihr Großkapitän mit Seilen und überprüften die Ankertaue. Wenn ein Eissegler bei diesem Sturm in Bewegung geriet, war er mitsamt seiner Besatzung verloren. Schlimmer noch! Weitere Segler konnte schwer in Mitleidenschaft gezogen und deren Verankerungen im Eis zerstört werden.

Also mussten trotz der widrigen Witterungsbedingungen jemand raus in den Sturm, um dafür zu sorgen, dass sich nichts lockerte und keines der Taue langsam durchscheuerte. Das Material war unter diesen Bedingungen von extremer Kälte und mörderischen Windgeschwindigkeiten einer ausgesprochen starken Belastung ausgesetzt, der es nicht ohne weiteres standhielt. Selbst die harten Karbonfasern konnten durchaus manchmal brechen. Berstende Masten hatten schon so manche Hütte unter sich begraben.

Magoon betätigte nun den Mechanismus der Waffe.

Ein grünlicher Strahl schoss durch die eiskalte, Schnee getränkte Luft und verlor sich schließlich im Grau der dunklen Nachtwolken.

Für einen Augenblick war es hell.

Diese Lichterscheinung ähnelte von der Helligkeit her einem grotesk verfärbten Blitz, nur dass es Magoon gelungen war, seinen Blitz gewissermaßen anzuhalten. Ihn wie in einem Kontinuum gefrorener Zeit erstarren zu lassen.

Er drückte noch immer auf den Auslösemechanismus.

Selbst jenseits der grauen Wolkenschicht war der Strich aus grünem Licht, der in die Unendlichkeit hinaufstrahlte, noch überraschend deutlich zu sehen.

Dann verebbte der Strahl.

Die J’arakor blickten von ihrer Arbeit auf. Kein Sicherungshaken und kein Knoten in den geschmeidigen Algenseilen waren angesichts dessen, was gerade geschehen war, wichtig genug. Sie starrten einfach nur zu ihrem Großkapitän, dessen hoch aufragende Gestalt sich wie ein dunkler Schatten abhob.

„In den Werkzeugen der Schnabelträger steckt viel Macht!“, rief er den J’arakor zu. Seine Worte wurden vom Wind verschluckt. Aber Magoon sprach mit der Stimme. Das war anstrengender, aber unter den Bedingungen dieses Sturms war auch für die Ankerwerfer untereinander gar keine andere Art der Kommunikation möglich.

Magoon war zumindest sicher, dass jeder ihn verstanden hatte. Er konzentrierte sich noch einmal auf das Bild des grünen Stahls, der zum Himmel gezischt war, die Luft und die Wolken wie die Schneide eines Messers geteilt hatte, um sich schließlich irgendwo in der Unendlichkeit zu verlieren.

Auch dieses Bild würde – zusammen mit den Worten, die in der Stimme sprach, direkt die Köpfe der anderen J’arakor erreichen.

Er hatte schließlich einige Erfahrung darin, die Stimme mit Bildern zu kombinieren. Das, was die Augen seinem Gehirn dafür lieferten, waren nicht viel mehr als Rohstoffe. Farben für ein Gemälde, das er anschließend in die Köpfe der anderen J’arakor projizierte.

„Eine große Macht wohnt in den Werkzeugen der Schnabellosen“, verkündete er noch einmal und wog das gebogene Rohr in seiner Hand. „Eine Macht, die uns helfen könnte, Feinde zu vertreiben.“

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.

Sie stammte von Digoon, einem J’arakor, der so alt war, dass niemand genau zu sagen wusste, wann und wo er geboren wurde. Trotz seine Alters beteiligte er sich aber beispielsweise immer noch an den Befestigungsarbeiten an den Eisseglern, auch wenn er inzwischen nicht mehr als Treiber der Vielbeiner unterwegs war, da er für die dabei zu erduldenden Strapazen nun inzwischen wohl definitiv zu alt war.

„Was wird die SEELE ALLER dazu sagen?“

Eine Frage, die offenbar viele im Verbund beschäftigte.

„Vielleicht sollen wir uns nicht nur auf die SEELE ALLER verlassen!“, sagte der Großkapitän. Er senkte die Waffe trat näher an den die Reling heran. Das Seil, das ihn sicherte, erlaubte es ihm, sich der Reling bis auf etwa einen halben Schritt zu nähern, wenn er hoch aufgerichtet war. Er hielt das Rohr auf eine freie, von Schnee inzwischen bedeckte Eisfläche, in der ausnahmsweise kein einziger Anker zu finden war.

Dann feuerte er die Waffe erneut ab.

Zischend fuhr der Strahl in das Eis hinein und ließ es weg schmelzen.

„Ich gebiete über die Kraft der Schnabelträger!“, rief Magoon.

„Das ist Frevel an der SEELE ALLER!“, rief der Alte indessen. Und seine Stimme hatte noch erstaunlich viel Kraft, wie Magoon zu seinem Missfallen feststellen musste.

Doch er vernahm auch Signale der Zustimmung.

Und der Furcht.

7

„Ich habe deine Worte gehört“, sagte Katreen, als Magoon mit halb erfrorenen Händen in seine Hütte zurückkehrte. „Und ich habe die Bilder gesehen, die du uns allen gesandt hast.“

In ihrem Tonfall war ein deutlicher Vorwurf zu hören.

Sie brauchte nicht einmal mit der Stimme zu sprechen, damit er wusste, was in ihren Gedanken vor sich ging.

Magoon wog die Waffe in seiner Hand. Dann schob er sie hinter den Gürtel. Er schlug die Kapuze zurück und legte die Gesichtsmaske ab, die nur die Augen freiließ und die er draußen getragen hatte. Dann setzte er sich wieder ans Feuer. Seine Söhne starrten ihn ebenso fassungslos an wie seine Gefährtin. Es herrschte Schweigen. Sowohl akustisch, als auch in den Gedanken.

„Es ist gegen die Gesetze der SEELE ALLER, was du tust!“, sagt Katreen.

„Nein, ich habe dir erklärt, dass das nicht der Fall ist, Katreen!“

„Dann scheint sich unsere Erinnerung des Überlieferten zu unterscheiden!“

„Du weißt, dass das unmöglich ist, Katreen!“

„So?“

„Seit die SEELE ALLER uns erfüllt, unterscheiden sich unsere Erinnerungen an das Überlieferte nicht mehr von einander. Das weißt du.“

„Willst du mich jetzt am ende noch als die Frevlerin hinstellen? Willst du behaupten, dass ich an der SEELE ALLER zweifle?“ Sie schüttelt energisch den Kopf. „Ich sage nur, was ich denke und empfinde. Und ich höre viele Stimmen, die dasselbe sagen. Aber sie haben Angst, es offen zu äußern. Furcht erfüllt sie, weil sie gesehen haben, was du mit der Waffe des Schnabelträgers getan hast!“

Magoon nickte.

Ein zufriedenes Lächeln stand auf seinem Gesicht. „Ich werde dasselbe auch mit den anderen Gegenständen tun, die die Schnabelträger hier zurückgelassen haben. Nach und nach werde ich ihnen ihre Geheimnisse entreißen und lerne, sie zu benutzen!“

Die Tür der Hütte ging auf.

Eine düstere Schattengestalt stand dort. Das flackernde Licht erhellte nicht, was sich unter der tief ins Gesicht gezogenen Kapuze befand.

Der Mann machte einen Schritt nach vorn, in das Licht des Feuers hinein. Er streckte seine Hände aus, während Magoons ältester Sohn zur Tür eilte und sie so rasch wie möglich schloss. Der Schwall Kaltluft, der jedoch in den Augenblicken zuvor ins Innere der Hütte gelangt war, ließ dennoch alle Anwesenden frösteln.

„Digoon!“, stieß Katreen hervor. Sie benutzte dabei unwillkürlich und ohne darüber nachzudenken die Stimme. Magoon erkannte sofort, was seine Gefährtin bewegte. Sie war erleichtert, dass der hoch respektierte Alte ihre Hütte betreten hatte. Vielleicht würde Digoons Weisheit und Alterserfahrung ihren Gefährten Magoon wieder auf den richtigen Pfad zurückbringen. Nämlich auf den Weg des einfachen, an die Umgebung angepassten Lebenswandels, der ohne irgendwelche technischen Systeme ausgekommen war.

Nicht einmal Zeichen besaßen die J’arakor, um das Überlieferte aufzuzeichnen. Was nicht mehr in den Erinnerungen der Lebenden existiert, existiert gar nicht mehr! hieß es in den Überlieferungen, die die SEELE ALLER für die J’arakor bewahrte.

„Ich muss mit dir sprechen“, sagte Digoon und dabei vermied er es sichtlich, die Stimme zu benutzen. Er blieb auf einer rein akustischen Kommunikationsebene und schwieg.

Auch eine Art sein Missfallen zu äußern!, ging es Magoon durch den Kopf. Aber ich kann nicht nachgeben! Um unseres Verbunds willen nicht – aber auch nicht, wenn ich versuchen will, den J’arakor eine Zukunft zu sichern, die diesem Volk würdig ist!

 

„Und es ist deiner Meinung nach nicht der Würde der J’arakor entsprechend, wenn sie so leben, wie sie es seit vielen Zeitaltern tun?“, fragte Digoon schließlich.

Der Schrecken stand Magoon ins Gesicht geschrieben. Dazu eine gedankliche Frage. Wie weit gehen seine Fähigkeiten? Offenbar viel weiter, als ich ahnte…

Er würde auf der Hut sein müssen. Großkapitäne – und selbst Kapitäne einfacher Eissegler – waren schon aus viel nichtigeren Anlässen getötet worden.

„Darf ich mich in deiner Hütte setzen, Magoon?“, fragte Digoon.

„Natürlich!“

„Immerhin hast du mich nicht dazu aufgefordert, wie es sich gegenüber einem Schiffsältesten geziemt hätte!“

„Dann tue ich es jetzt und bitte um Entschuldigung.“

Mit einem unartikulierten Knurren auf den Lippen setzte sich der alte Mann schließlich und es dauerte eine Weile, bis Digoon endlich eine passende Position eingenommen hatte.

„Du weißt, dass die Überlieferung die J’arakor davor warnt, sich auf die Macht von Maschinen zu verlassen!“, sagte er. „Unser Volk konnte nur überleben, weil wir uns mit der SEELE ALLER verbanden. Nur so bekamen wir die Macht, die man braucht, um die Vielbeiner zu treiben.“

„Das ist mir alles bekannt“, erwiderte Magoon. „Aber ich glaube sei längerem, dass wir uns weiter entwickeln sollten.“

„Du glaubst wohl eher, dass du der jüngste Wegbestimmer der J’arakor werden kannst, der jemals dieses Amt innehatte! Du denkst, dass du die anderen Großkapitäne mit ein paar bunten Strahlen beeindrucken kannst.“ Der alte Mann seufzte. „Die Leichtfertigkeit hat in unser Leben Einzug gehalten und die geistige Tiefe verdrängt. Die Disziplin der Stimme ist immer schlechter geworden und viele von uns vernachlässigen die Verbindung zur SEELE ALLER. Ich beklage das seit langem, aber meine warnenden Rufe verhallen weitgehend ungehört, wie du sehr wohl weißt.“

„Vielleicht, weil sich die Zeit verändert hat!“

„Was hat sich denn verändert? Nichts.“

„Das ist deine Meinung, Digoon. Nimm es nicht als mangelnden Respekt vor dem Alter oder unserer Tradition.“

„Hast du dich deswegen bisher geweigert, die Fremden vollends vom Antlitz dieses Planeten zu tilgen?“

„Ich habe mich nicht geweigert.“

„Du hast sie der SEELE ALLER verschlossen.“

„Das ist nicht wahr. Als ich den Befehl erhielt, habe ich ihn ausgeführt und die Gruppe der fliegenden Schnabelträger von den Vielbeinern zerfleischen lassen. Auf diese Weise konnte ich meine Sammlung von Artefakten vergrößern…“

„Aber es sind weitere von ihnen noch am Leben! Sie harren in ihrem Sternenschiff aus, dessen Außenhülle bis jetzt noch von keinem Vielbeiner durchdrungen wurde!“

„Und es wäre auch gut, wenn das so bliebe!“, erwiderte Magoon. „Denn die Sternenschiffe sind nur in einem äußerlich unbeschädigten Zustand flugfähig.“

„Wer sagt das?“

„Die Überlieferung ebenso wie die Erfahrung“, erklärte Magoon im Brustton der Überzeugung.

Ich werde noch viele Widerstände überwinden müssen!, dachte er. Aber in diesem Augenblick war er mehr denn je überzeugt davon, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Einen Weg, der ihn persönlich in die Position des Wegbestimmers bringen würde. Aber wenn ich diese Position ausfülle, wird sie ihren Namen auch wieder verdienen und nicht nur ein Sklave der SEELE ALLER sein. Ich werde tatsächlich den Weg bestimmen. Allein.

Dieser Gedanke berauschte ihn.

Er war besessen davon, seit er festgestellt hatte, dass es Mittel und Wege ab, sich von der SEELE ALLER zumindest zeitweilig abzuschirmen. Er hatte das inzwischen bis zur Perfektion trainiert. Die Fremden, die versuchten, den Sturm zu überleben, wollte er möglichst lange am Leben lassen, auch wenn im klar war, dass er sich letztlich nicht gegen den Willen der SEELE ALLER wehren konnte.

Magoon wollte etwas wagen, das er sich bisher kaum zu denken getraut hatte. Er beabsichtigte Kontakt zu den Fremden aufzunehmen… Und das, obwohl sie nun wahrlich nicht der Gestalt J’arakor entsprachen. Nur wenn Fremde kommen, die aussehen wir ihr selbst und von denen ihr glaubt, sie seien eure Spiegelbilder aus jener Zeit, in der eure Vorfahren in Sternenschiffen von einem großen Licht zum anderen flogen, dürft ihr sie als Gäste empfangen, so berichtete die Überlieferung, die in der SEELE ALLER gespeichert war und zu der jedes J’arakor-Bewusstsein jederzeit Zugang hatte. Doch ein mahnender Nachsatz fand sich noch in der Überlieferung. Tut dies jedoch nur, wenn die Fremden die SEELE ALLER respektieren!

Bilder gehörten zu dieser Überlieferung.

Sie stellten sich automatisch ein, wenn man an bestimmte Sätze der Überlieferung dachte, die von der SEELE ALLER als besonders bedeutsam angesehen wurde. Es waren Bilder von fremden Sternenschiffen, die eines Tages Arakor erreichen würden. Irgendwann, in ferner Zukunft. Schiffe, die dann auf der Oberfläche von Arakor landeten und denen dann Wesen entstiegen, die den J’arakor glichen.

Einer Wunschvorstellung, die offenbar von den Ahnen in einer unvorstellbar fernen Zeit gehegt wurden, als die Erinnerung an die Sternenschiffe und die Maschinen noch frisch war. Eine Zeit, in der es angeblich die Möglichkeit gegeben hatte, über weite Entfernungen mit einander zu sprechen, ohne die Stimme zu benutzen, deren Gebrauch den J’arakor erst die SEELE ALLER ermöglicht hatte.

„Ich möchte, dass du von deinen blasphemischen Ideen Abstand nimmst!“, sagte Digoon entschlossen. „Und ich weiß im übrigen, dass viele so denken! Die Reaktion der Ankerwerfer mag dich vielleicht etwas getäuscht haben – aber die meisten unter uns sehen nach wie vor die SEELE ALLER als die entscheidende Instanz an. Sie wissen sehr wohl, dass auf diejenigen, die sich von ihr innerlich entfernen, nur Tod und Verderben warten. Heißt es nicht: Selig sind diejenigen, die den Traum von den Sternschiffen vergessen konnten?“

„Du weißt, dass man in der Überlieferung jede nur erdenkliche Meinung vorfinden kann – aber auch das jeweilige Gegenteil!“, gab Magoon zu bedenken.

„Du entehrst die SEELE ALLER!“

„Oh nein, ich sage nur, was doch als Tatsache feststeht!“

Digoon erhob sich wieder.

Der Alte war empört.

Er trat einen Schritt zurück, drehte sich noch einmal kurz um und verzog das Gesicht.

Er ahnt, dass er nicht die Kraft hat, mich zu stoppen!, dachte Magoon. Ein kaltes Lächeln erschien auf seinen Lippen. Wenn du noch etwas gegen mich unternehmen willst, solltest du dich beeilen! Schon bald wirst du nichts mehr tun können, als dich bedingungslos zu unterwerfen!

Kapitel 3: Ein Mönch namens Padraig

Zusammen mit Morton Gorescu, dem leitenden Ingenieur der STERNENKRIEGER und Catherine White, dem ziemlich ehrgeizigen Fähnrich im Techniker-Team der STERNENKRIEGER befand sich Bruder Padraig in Kontrollraum C. Eigentlich war dieser Raum dazu gedacht, die Raketensilos zu kontrollieren. Im Moment wurden hier jedoch Messungen ausgetestet, die von den Sensoren der STERNENKRIEGER gemacht worden waren.

Es ging um die rätselhaften Strahlungsimpulse, die aufgezeichnet worden waren.

Zeitweilig stieß auch die Ortungsoffizierin zu dem Team in Kontrollraum C. Lieutenant Jessica Wu wurde während dieser Zeit von Fähnrich Sara Majevsky vertreten. Diese Strahlung wiese vollkommen irreguläre Eigenschaften auf.

Unter der Federführung von Bruder Padraig wurde hier daran gearbeitet, herauszufinden, was diese Impulse zu bedeuten hatten.

Bislang tappte man allerdings ziemlich im Dunkeln.

„Der Fehler könnte in den Rohdaten liegen“, war Lieutenant Gorescu überzeugt.

„Die Erfassung lief vollkommen regulär ab, Lieutenant!“, widersprach die Ortungsoffizierin dem Leitenden Ingenieur. Jessica Wu hob die Augenbrauen, während sie ihre vorherige Aussage anhand einiger Anzeigen auf verschiedenen Touch Screens noch einmal überprüfte.

Bruder Padraig hingegen schwieg verdächtig lange. Er ging ab und zu hinaus, lief im Maschinentrakt herum und kehrte später zurück, ohne sein Verschwinden in irgendeine Art und Weise zu begründen. Sein Blick war in sich gekehrt.

Catherine White wartete gespannt darauf, was dieser Mann ausbrüten würde. Sie hatte interessiert und vollkommen in den Bann geschlagen an den Lippen des Olvanorer-Mönchs gehangen.

Schließlich kehrte Bruder Padraig zurück. Er fand Gorescu und White in eine erregte Diskussion verwickelt vor, bei der es um Einzelheiten des Messverfahrens ging. Schließlich musste jegliche Fehlerquelle ausgeschlossen werden.

Bruder Padraig setzte sich sofort an das Terminal, über den man Zugang zu den Archiven des Bordrechners bekommen konnte. Seine Finger glitten mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit und Sicherheit über die Sensorfelder. Er öffnete mehrere Menues und hatte schließlich gefunden, wonach er suchte.

Die Unterhaltung zwischen White und Gorescu war in der Zwischenzeit verstummt.

„Ich wusste es!“, meinte Bruder Padraig und schnipste mit den Fingern.

„Entschuldigen Sie, aber ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen, Bruder Padraig!“, stellte Lieutenant Gorescu klar.

Und Catherine White erging es nicht anders. Sie verschränkte die Arme unter der Brust und sah den Olvanorer erwartungsvoll an.

„Sagt Ihnen der Begriff X-Raum etwas?“, fragte er.

„Ein Kontinuum, auf dessen Existenz ein ziemlich unvollkommener Überlichtantrieb beruhte“, erklärte Catherine White.

Bruder Padraig nickte. „Richtig… Allerdings ist das schon lange her.“

„Ich habe im Rahmen einer Vorlesung auf der Ganymed-Akademie davon gehört“, berichtete White. „Es ging um die Geschichte der Überlichttechnik. Und so wie ich mich erinnere, hatte der X-Raum-Antrieb den entscheidenden Nachteil, dass nach und nach Schiffe im Nirwana eines höher dimensionalen Kontinuums verschwanden.“

Bruder Padraig nickte. „Stimmt genau. Ich habe jetzt die aufgezeichneten Werte mit den Archivdaten verglichen. Es könnte sich bei den Anomalien dieser Strahlung um eine fünfdimensionale Komponente handeln.“

„Strahlung aus dem X-Raum?“, fragte Gorescu skeptisch. „Das klingt mir jetzt doch ein bisschen zu phantastisch.“

„Aber fällt Ihnen denn eine andere Erklärung ein?“, fragte Bruder Padraig zurück. „Der X-Raum ist eine der wenigen bekannten Quellen für Fünf-D-Strahlung!“

„Die wir im Übrigen nur sehr unzureichend messen können, wie unsere Probleme mit den Rohwerten aus der Sensoren-Erfassung deutlich zeigen“, merkte Catherine White an.

„Das mag sein. Aber ich denke, wir können festhalten, dass es sich nicht um ein Naturphänomen handelt, sondern um künstlich erzeugte Impulse, die ihren Ursprung auf Snowball haben.“

„Könnte es sich um ein Kommunikationssignal handeln?“, fragte Lieutenant Wu. „Ich meine, wenn Informationsübertragung durch den Sandströmraum möglich ist, wie unser Überlichtfunk beweist, dann ist etwas vergleichbares doch vielleicht auch auf Basis des X-Raums denkbar!“

„In diesem Fall wären die Impulse, die wir aufzeichnen, nichts anderes als eine Art Normalraum-Resonanz des eigentlichen Signals“, meinte Catherine White.

„Leider können wir letzteres mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln wohl kaum empfangen, geschweige denn entschlüsseln“, glaubte Lieutenant Morton Gorescu.

Bruder Padraig zuckte die Schultern. „Immerhin sind wir uns schon mal darüber einig, dass sich auf Snowball ein Sender befindet. Es müsste sich ortungstechnisch noch etwas genauer bestimmen lassen, wo der Ursprung des Signals auf der Planetenoberfläche ist!“

„Das hängt davon ab, wie Sie Oberfläche definieren“, erklärte Jessica Wu, nachdem sie mit ihren schlanken, langen Fingern einige Sensorfelder berührt hatte. „Der Sender liegt wahrscheinlich auf dem Grund des Ozeans, der sich unter dem Eispanzer von Snowball befindet.“

Eine Alarmmeldung erreichte in diesem Augenblick Kontrollraum C.

Die STERNENKRIEGER bereitete sich auf ein Gefecht vor.