Reilly und Sunfrost: Chronik der Sternenkrieger 8 Romane

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

2

Wenig später betrat Reilly den Raum den Captains, der darüber hinaus auch noch als Konferenzraum für die Offiziere herhalten musste.

Ein noch recht junger Mann saß am Konferenztisch, der die Mitte des Raums ausfüllte. Er machte keinerlei Anstalten, Haltung anzunehmen, was Reilly im Übrigen auch nur mäßig wunderte. Schließlich war Triffler bisher nicht Teil einer militärischen Hierarchie gewesen.

Das wird er noch lernen!, dachte Reilly. Fragt sich nur, ob jemand, der Firmengeheimnisse verraten hat, charakterlich die Anforderungen erfüllt, um Crew-Mitglied eines Space Army Corps Schiffs zu werden.

„Ich bin Commander Reilly, der Captain der STERNENKRIEGER.“

„Moss Triffler, ich…“

„Mein Erster Offizier hat mich bereits umfassend ins Bild gesetzt. Sie möchten die Stelle des zweiten Shuttle Piloten besetzen.“

„Ja.“

„Ja, Sir, heißt das.“

„Ja, Sir! Wissen Sie, ich habe es nicht so mit diesem militärischen Kram, aber man sagte mir, dass ich ein paar Lehrgänge im Laufe der Zeit zu absolvieren hätte.“

„Allerdings!“

„Man sagte mir, dass ich dann eine ganz normale Space Army Corps Karriere machen könnte!“

„Dazu kann ich nichts sagen, Triffler. Ich bin schließlich keine wandelnde Dienstordnung, aber wenn Sie die Personalverwaltung dahingehend informiert hat, wird das wohl stimmen.“ Reilly atmete tief durch. Wie groß muss der Mangel an guten Piloten sein, wenn man schon Leute wie Triffler anwirbt!

„Na, wie stehen denn die Aktien für mich?“, fragte Triffler auf seine recht respektlose Art und Weise. „Ihr Stellvertreter – ich glaube I.O. nennen Sie das hier – hat mir gesagt, dass nur noch Ihre Zustimmung fehlen würde, dann wäre alles klar.“

Reilly überlegte einen Augenblick. Er ließ sich in einen der Schalensessel nieder. Es war wichtig, bei einer derart heiklen Mission wie der Operation Scout für alle drei an Bord befindliche Beiboote erstklassige Piloten zur Verfügung zu haben. Und wenn es im Moment nur die Möglichkeit gab, Triffler zu engagieren oder jemanden, der auch nur annähernd die nötige fachliche Qualifikation mitbrachte, dann lag die Entscheidung tatsächlich auf der Hand.

„Mein I.O. hat erwähnt, weswegen man Sie bei Far Galaxy rausgeschmissen hat.“

„Ich war unschuldig.“

„Schade.“

„Schade? Was soll das heißen?“

„Ich hatte gedacht, Sie hätten aus der Sache gelernt, denn dann hätte ich mir vorstellen können, Ihnen noch eine zweite Chance zu geben. Dass Piloten knapp sind dürfte sich ja wohl auch bis zu Ihnen herumgesprochen haben!“

Moss Triffler atmete tief durch. Er beugte sich vor und nahm eine etwas weniger lässige Haltung ein.

„So war das nicht gemeint, Mister Reilly!“

„Für Sie Commander Reilly oder einfach Captain.“

„Captain!“

Der besondere Nachdruck, mit dem er diese Funktionsbezeichnung aussprach, hatte schon fast etwas Trotziges.

„Ich will von Ihnen keine Story hören, mit der Sie sich zu rechtfertigen versuchen oder sich als das Opfer ungünstiger Umstände darstellen!“

„Aber das war ich!“

„Ich möchte einfach nur sicher sein, dass Sie nicht auf die Idee kommen, die Dateien mit unseren strategischen Daten an unsere Feinde zu versenden. Das ist alles. Ansonsten interessiert mich Ihre Vergangenheit nicht.“

Moos Triffler fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Die Geste wirkte fahrig. Er schien sich darauf eingestellt zu haben, dass er sich für seine Vergangenheit zu rechtfertigen hatte. Genau davon wollte Commander Reilly nun aber überhaupt nichts wissen. Sein Blick wirkte angestrengt. Er schien darüber nachzudenken, wie er sich auf diese neue Situation einstellen sollte.

„Okay, ich habe einen Fehler gemacht und für den werde ich bis zum Ende meiner Tage bezahlen – und zwar im ureigensten Sinn des Worts, denn Far Galaxy hat einen astronomisch hohen Schaden eingeklagt. Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass ich keine Fehler mehr mache, aber Sie können sicher sein, dass mir nicht derselbe noch einmal unterlaufen wird.“

„Etwas in der Art wollte ich hören“, bekannte Reilly.

„Heißt das, ich kann hier anfangen?“

„Ja. Wir brechen in wenigen Stunden auf, sobald unser L.I. die Strecke Mond-Spacedock 13 hinter sich gebracht hat.“

„So schnell?“

„Packen Sie Ihre persönlichen Sachen und finden Sie sich in zwei Stunden spätestens an Bord ein. Wegtreten.“

Moss Triffler schluckte und verließ ohne ein weiteres Wort zu sagen den Raum.

Ich bin mal gespannt, ob er sich in zwei Stunden wirklich an Bord einfindet!, dachte Reilly. Aber darauf lasse ich es ankommen!

3

Moss Triffler meldete sich bereits nach einer Stunde an Bord der STERNENKRIEGER. Er bekam die Landefähre L-2 zugewiesen. Ty Jacques, der Pilot der L-1, bekam vom Ersten Offizier die Aufgabe übertragen, den Neuling in die Abläufe an Bord sowie in die technischen Besonderheiten der Beiboote an Bord der STERNENKRIEGER einzuweisen. Für ein Flugmanöver blieb keine Zeit mehr. Stattdessen musste der Simulator herhalten.

Nachdem auch Lieutenant Gorescu endlich vom Mond zurückgekehrt war, startete die STERNENKRIEGER. Ein Großteil der anderen Schiffe, die an der Operation Scout teilnehmen sollten, war längst auf dem Beschleunigungsflug zum Erreichen der Eintrittsgeschwindigkeit in den Sandströmraum.

Die STERNENKRIEGER nahm zunächst Kurs auf Sedna. Die Verzögerung, die dadurch entstand, war aber noch im Rahmen der Toleranz, die bei dieser Mission festgelegt worden war.

Willard Reilly fand inzwischen heraus, dass Admiral Raimondo persönlich die Genehmigung dafür erteilt hatte, dass Dr. Miles Rollins trotz des Bereitschaftsstatus nach Sedna hatte fliegen dürfen.

Es muss einen Grund dafür geben!, dachte der Captain der STERNENKRIEGER. Reilly nahm sich vor, Dr. Miles Rollins danach zu fragen, sobald er an Bord zurückkehrte.

Der Flug nach Sedna war ein Routinemanöver, das den Fähnrichen an Bord Gelegenheit bot, ihr Können unter Beweis zu stellen. Schließlich mussten sie eventuell auch im Ernstfall die eigentlichen Brückenoffiziere ersetzen, wenn Not am Mann war. Und das konnte in einer Einsatzsituation schnell geschehen.

So ließ Reilly das Ruder von Fähnrich Abdul Rajiv besetzen, während Fähnrich Sara Majevsky Ortung und Kommunikation übernahm.

Ähnlich wie Fähnrich Ukasi hatten beide gut zwei Jahre als Fähnriche an Bord der STERNENKRIEGER verbracht, was bedeutete, dass ihre Beförderungen zu Lieutenants unmittelbar bevorstanden. Persönlich gönnte Reilly allen Dreien den Aufstieg in der Space Army Corps Hierarchie. Allerdings bedeutete dies vermutlich, dass er sie als Crew-Mitglieder verlor.

Reilly berief umgehend eine Konferenz der Offiziere ein, um sie über die bevorstehende Operation Scout zu informieren.

Abgesehen von den Brückenoffizieren nahmen daran noch Lieutenant Gorescu und Bruder Padraig teil. Bei letzterem handelte es sich um einen Olvanorer-Mönch, der an Bord den Status eines Beraters hatte, der zwar formell außerhalb der Space Army Corps Hierarchie stand, aber die Privilegien eines Offiziers genoss.

Nachdem Reilly den Offizieren einen Überblick über die Ziele, der vor ihnen stehenden Mission gab, bekam Bruder Padraig das Wort. Commander Reilly hatte Padraig die notwendigen Daten bereits im Vorfeld zur Verfügung gestellt, sodass der Olvanorer sich eingehend damit hatte befassen können. „Das Operationsgebiet, das uns von Admiral Raimondo zugewiesen wurde, wird durch eine Reihe von Sternen des G-Typs gekennzeichnet, bei denen anzunehmen ist, dass sie Planetensysteme gebildet und vielleicht sogar Leben hervorgebracht haben. Allerdings wissen wir wenig Genaues. Wir Olvanorer unterhalten in diesem Gebiet leider derzeit keinerlei Forschungsstationen. Allerdings wissen wir durch Berichte, die unseren Brüdern auf Paranda IX zugänglich wurden, dass es in dieser Region eine raumfahrende Spezies gibt, die sich dort erst vor wenigen Jahrzehnten ansiedelte – vermutlich in einem System, dessen Katalogbezeichnung Triple Sun 2244 lautet. Wie der Name schon sagt, handelt es sich um ein Dreifachsystem und diese doch sehr markante Angabe taucht auch in den Berichten auf…“

„Sie nehmen an, dass es sich um eine Spezies handelt, die vor den Qriid auf der Flucht ist – so wie die arachnoiden Wsssarrr?“, hakte Reilly nach.

„Der Schluss liegt nahe. Diese Wesen ähneln geflügelten Affen und werden Xabo genannt.“

„Woher wissen Sie das alles?“, wunderte sich Commander Reilly. „In den offiziellen Datenfiles ist darüber nichts zu finden – auch nicht in der Datenbank, die uns Ihr Orden zur Verfügung stellte!“

Bruder Padraig lächelte verhalten.

„Diese Datenbank enthält keine Angaben über laufende Forschungsmissionen, was den Grund hat, dass diese geschützt bleiben sollen. Sie wissen, dass der Orden sich unter anderem auch zu politischer Neutralität verpflichtet hat und nicht als verlängerter Arm eines Staates oder einer Regierung aufzutreten bereit ist.“

Steht allein die Tatsache, dass sich ein Berater wie Bruder Padraig an Bord eines Kriegsschiffs der Humanen Welten befindet nicht im Widerspruch zu dieser Verpflichtung?, fragte sich Commander Reilly. Er hatte allerdings keinerlei Neigung diese Dinge mit Bruder Padraig auszudiskutieren. Zumindest nicht jetzt.

„Die Mission auf Paranda IX ist also noch nicht abgeschlossen“, stellte Reilly fest.

„So ist es. Die Xabo besuchen ab und zu das Paranda-System, um mit dessen Einwohnern Handel zu treiben. Wenn Sie mir erlauben würden, einen Rechnerzugang zu öffnen, Sir…“

 

„Aber bitte, Bruder Padraig! Nur zu!“

Auf dem schlichten Konferenztisch, in den ein Touchscreen eingelassen war, erschien zunächst das Emblem des Space Army Corps und anschließend das Rechnermenue.

Bruder Padraigs Finger glitten in beeindruckendem Tempo über die Sensorfelder. Er aktivierte die Bildaufzeichnung, von der er gesprochen hatte und die offenbar aus den geheimen Datenspeichern des Klosters Saint Arran stammten, zu denen er scheinbar Zugang besaß.

Die halbe Wand in Reillys Rücken verwandelte sich in einen Bildschirm von bestechender Qualität.

Die Baracken eines Olvanorer-Forschungscamps waren zu sehen. Die Welt, auf der die Aufnahmen gemacht worden waren, wirkte erdähnlich.

Mehrere stark an Gorillas erinnernde Wesen, die allerdings aufrecht gingen und farbenfrohe Kleidung trugen, standen einem Olvanorer-Mönch in graubrauner Kutte gegenüber, der offenbar mit ihnen kommunizierte.

Auf dem Rücken ragten bei den Xabo lederhäutige Flügel aus besonderen Öffnungen heraus, die ihre Kleidung dafür ließ. An den Enden dieser Flügel waren kleine, vierfingrige Hände zu sehen, die sehr viel feiner waren als die gorillaähnlichen, sechsfingrigen Pranken, die an den Enden der überaus kräftigen und fast bis zum Boden reichenden Arme wuchsen. „Ob die Xabo tatsächlich flugfähig sind, darüber liegen keinerlei Erkenntnisse vor“, erklärte Bruder Padraig. „Allerdings spricht das Gewicht eines ausgewachsenen Xabo eher dagegen, denn um diese Massen in die Lüfte zu heben, müssten sie schon auf einer Welt mit sehr viel atmosphärischem Auftrieb leben.“

Die Videosequenz wurde laufen gelassen. Der Xabo unterhielt sich in einer Sprache mit dem Olvanorer, die von einer großen Zahl velarisierter Konsonanten durchsetzt war, die extrem akzentuierten Schnalzlauten ähnelten.

Der Olvanorer benutzte keinen Translator, sondern war offenbar in der Lage, sich mit den Xabo in deren Idiom zu verständigen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in dem uns zugewiesenen Sektor auf Xabo treffen ist recht groß“, meinte Bruder Padraig.

„Das sollte kein Problem sein. Schließlich sind ihre Feinde auch die unseren.“

„Das mag sein. Allerdings ist uns nichts weiter über die kulturelle Prägung der Xabo bekannt. Nur ein Detail ihrer Berichte könnte für uns von Interesse sein. Die Xabo glauben, dass in dem Raumsektor, in dem sie sich niedergelassen haben, vor Äonen eine ungeheuer weit entwickelte Rasse gelebt hat, deren technische Errungenschaften ihnen vielleicht im Kampf gegen die Qriid weiterhelfen könnten. Offenbar sind sie bereits auf Artefakte dieser Unbekannten gestoßen. Jetzt suchen sie jeden Asteroiden nach weiteren Hinweisen ab.“

Thorbjörn Soldo meldete sich zu Wort. „Es bleibt also letztlich dabei, dass wir in einen nahezu unbekannten Raumsektor fliegen – von diesen wenigen Details, die Sie uns vortrugen einmal abgesehen, Bruder Padraig.“

„Das trifft zu. Aber falls es uns gelingen sollte, zu den Xabo einen positiven Kontakt aufzunehmen, dann können wir durch sie vielleicht an wertvolle Informationen über das Qriid-Imperium gelangen“, erklärte Bruder Padraig.

Commander Reilly musste schmunzeln. Der Dienst an Bord der STERNENKRIEGER hat Sie bereits nachhaltig verdorben, Padraig! Sie denken schon wie ein Militär!, dachte er bei sich.

4

Dr. Miles Rollins meldete sich auf der STERNENKRIEGER und kündigte an, dass ein Shuttle des Far Galaxy Konzerns ihn an Bord bringen würde.

Das Shuttle startete rechtzeitig von Sedna aus und nahm von dort aus Kurs in Richtung der Oortschen Wolke an der Peripherie des Sonnensystems.

Es flog damit der STERNENKRIEGER nicht entgegen, sondern entfernte sich paradoxerweise.

Dennoch bedeutete diese Maßnahme eine erhebliche Zeitersparnis für die Crew des Leichten Kreuzers. Die STERNENKRIEGER erreichte Sedna mit einer Geschwindigkeit von 0,3 LG. Das Shuttle hatte Stunden zuvor seinen Beschleunigungsvorgang begonnen. Beide Schiffe näherten sich auf einem Parallelkurs an und hatten zum Zeitpunkt des Rendezvous eine annähert gleiche Geschwindigkeit, sodass ein Andockmanöver möglich war. Die STERNENKRIEGER brauchte auf diese Weise nicht noch einmal abzubremsen, bevor sie ihren Schiffsarzt an Bord nahm.

„Dr. Rollins ist an Bord!“, meldete Jessica Wu auf der Brücke der STERNENKRIEGER.

Soldo führte während des Rendezvousmanövers das Kommando auf der Brücke und Fähnrich Rajiv durfte seine Fähigkeiten als zukünftiger Ruderoffizier unter Beweis stellen – auch wenn Lieutenant Ramirez seine Aktionen kritisch verfolgte und ihm die ganze Zeit über buchstäblich auf die Finger sah.

Doch es gab bis auf minimale Korrekturen nichts an Rajivs Steuerkünsten auszusetzen.

„Dr. Rollins soll sich sofort im Raum des Captains melden“, sagte Soldo an die Kommunikationsoffizierin gewandt.

„Aye, aye, Sir!“, bestätigte Jessica Wu.

„Fähnrich Rajiv?“

„Ja, Sir?“

„Schalten Sie auf maximale Beschleunigung. Wir wollen möglichst bald in den Sandströmraum eintauchen!“

„Aye, aye!“

Wenig später rumortete der Boden unter den Füßen der Brückenoffiziere. Sie konnten die Vibrationen der leistungsstarken Ionentriebwerke spüren, die sich in der Warmlaufphase immer besonders stark zeigten.

„Wir werden die letzten bei New Hope sein“, kündigte Waffenoffizier Chip Barus an.

Soldo zuckte die Schultern.

„Heißt es nicht, dass die Letzten die Ersten sein werden?“

5

Dr. Miles Rollins erschien im Raum des Captains. Ein verlegenes Lächeln stand im Gesicht des Arztes, der offenbar bereits erwartet hatte, nicht gerade freudig willkommen geheißen zu werden.

„Ich hoffe, Ihr Vortrag ist beim Publikum auf Interesse gestoßen, Dr. Rollins“, begann Commander Reilly das Gespräch. Der Schiffsarzt hob die Augenbrauen.

„Sir, es tut mir leid, wenn es durch den Umstand, dass ich auf Sedna weilte, irgendwelche Schwierigkeiten entstanden sein sollten.“

„Schwierigkeiten? Wir waren im Bereitschaftsstatus, Dr. Rollins. Das bedeutet, kein Besatzungsmitglied darf sich so weit entfernen, dass es nicht innerhalb von sechs Stunden an Bord sein kann!“

„Das ist mir bekannt, Captain. Aber wie Sie den Unterlagen entnehmen können, hat Raimondo die Sache abgesegnet.“

„Ja, das habe ich gesehen“, bestätigt Reilly. „Und jetzt verraten Sie mir bitte, wieso Raimondo Ihnen die Genehmigung gegeben hat? Schließlich wusste der Admiral besser als jeder andere, dass wir in Kürze aufbrechen würden!“

„Es gibt nicht viele, die sich mit extraterrestrischer Medizin beschäftigt haben“, erklärte Miles Rollins. „Ich bin einer der wenigen. Schon im Studium hat mich dieses Gebiet fasziniert, nur leider ist es bislang weder ein eigenständiger Bereich der Medizin, noch fließen massenhaft Forschungsgelder in die wenigen Projekte, die mit dem Bereich zu tun haben.“

„Das mag bedauerlich sein, ich begreife ehrlich gesagt den Zusammenhang noch nicht, Doktor.“

„Admiral Raimondo hat mich dazu ermutigt, weiterhin auf diesem Gebiet tätig zu sein. Als Schiffsarzt eines Raumschiffs besitze ich ja auch einiges an praktischer Erfahrung auf diesem Gebiet. Und an der Far Galaxy Akademie ist man inzwischen auf mich aufmerksam geworden. Um Ihre Frage klipp und klar zu beantworten: Admiral Raimondo glaubt wohl, dass es mittelfristig gesehen für das Space Army Corps sehr wichtig ist, Spezialisten in Exomedizin und Exobiologie auszubilden.“

„Und Sie denken, dass er deswegen ein Auge zugedrückt hat.“

„Ich kann es mir nicht anders denken.“

Reilly atmete tief durch und lehnte sich in seinem Schalensitz etwas zurück. „Es ist gut möglich, dass Sie Recht haben, Dr. Rollins.“

„Es freut mich, dass auch Sie Verständnis aufbringen für…“

Reilly unterbrach sein Gegenüber. „Sie werden sich früher oder später entscheiden müssen, Doktor. Für Ihren Dienst im Space Army Corps oder die Forschung.“

„Sie irren sich. Die wollten auf der Far Galaxy Akademie lediglich den Vortag eines Praktikers haben, der bereits Patienten aus zwei Dutzend verschiedenen Spezies verarztet hat. Das ist alles.“

„Wenn Sie das sagen, Doktor.“

„Hören Sie, ich werde den I.O. oder Sie beim nächsten Mal nicht umgehen. Das ist es doch, was Sie ärgert, oder?“

„Nun…“

„Und außerdem kann ich meine Krankenschwester ja nach und nach als Aushilfsärztin ausbilden!“ Dr. Rollins grinste. „Ich meine, wenn es noch mal sehr eilig sein sollte…“

Reillys Gesichtszüge entspannten sich etwas.

Simone Nikolaidev eine Ärztin?, überlegte er. Das Zeug dazu hätte sie sicherlich. Aber wahrscheinlich ist der Zug bald für sie abgefahren und sie wird dann den Mumm nicht mehr aufbringen, noch einmal von vorn anzufangen und zu studieren.

„Wegtreten, Doktor.“

„Aye, aye, Captain!“

6

„Sie sind gut geworden, Fähnrich White!“, stellte Lieutenant Morton Gorescu, der Erste Leitende Ingenieur der STERNENKRIEGER fest. Sämtliche Kalibrierungen und Systemüberprüfungen, die vor dem Start des Leichten Kreuzers von Spacedock 1 notwendig gewesen waren, hatte Catherine White durchgeführt.

Nur deshalb hatte Gorescu noch bis zum letzten Augenblick auf dem Mond bleiben können, was ihm aus gewissen Gründen sehr wichtig gewesen war.

Die etwas zur Fülligkeit neigende junge Frau diente von Beginn an auf der STERNENKRIEGER. Gut zwei Jahre waren das jetzt und der Zeitpunkt, da man sie zum Lieutenant befördern würde, war eigentlich absehbar.

Gorescu blickte noch einmal kurz über die Anzeigen und Displays in Kontrollraum A. Das Ionentriebwerk schaltete sich jetzt, nach Erreichen von 0,4 LG automatisch ab. Gleichzeitig begannen die Anzeigen und Kontrollen aufzublinken, die zur Überwachung des Sandströmaggregats dienten.

Der Ruderoffizier hatte die entsprechenden Schaltungen vorgenommen. Alles was dem Leitenden Ingenieur und seiner Techniker-Crew noch blieb, war die Funktionen des Sandströmantriebs auf Fehler zu überwachen.

„Man wird Sie bald befördern, Lieutenant White“, kündigte Gorescu an. „Wahrscheinlich werden Sie sich das Schiff aussuchen können. Ich werde Ihnen jedenfalls eine hervorragende dienstliche Beurteilung schreiben, bevor ich gehe…“

„Bevor Sie gehen?“, fragte Catherine White etwas verwirrt.

Offenbar hatte Gorescu etwas mehr über seine Lippen gelassen, als er eigentlich gewollt hatte. Er zuckte die Schultern, während nun der Sandströmantrieb in die Hauptphase sprang. Die angezeigte Geschwindigkeit betrug bereits 30 LG. Die STERNENKRIEGER befand sich im Sandströmraum.

„Eigentlich sollte außer dem Captain niemand wissen“, erklärte Gorescu nach einer längeren Pause, in der der Leitende Ingenieur gedankenverloren die Kontrollen angestarrt hatte, ohne dabei auch nur einen einzigen Messwert wahrzunehmen.

Als ob er durch die Konsolen einfach hindurch sieht!, war Whites Gedanke dabei gewesen.

Eine Falte erschien auf ihrer Stirn, während die junge Frau ihre Augenbrauen zusammenzog.

„Wovon sprechen Sie, Lieutenant?“

„Wie Ihnen sicher auch schon aufgefallen ist, habe ich immer dann, wenn die STERNENKRIEGER ins Sol-System zurückkehrte, dafür gesorgt, dass ich jede freie Zeit auf dem Mond verbrachte.“

„Das ist nicht verwunderlich. Schließlich lebt Ihre Familie dort.“

„Ja.“ Gorescus Stimme klang tonlos und ganz anders, als Catherine White es ansonsten von Morton Gorescu gewohnt war.

Der Blick war leer.

Er biss sich auf die Lippen.

„Sie sind mir keinerlei Erklärung schuldig, Lieutenant“, meldete sich schließlich Fähnrich White zu Wort, nachdem die Pause des Schweigens ihr zu lang und erdrückend geworden war.

Aber Gorescu schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, ich möchte es Ihnen gerne sagen. Sie waren taktvoll und haben nie eine Frage gestellt, wenn es darum ging, Aufgaben zu übernehmen, die eigentlich ich zu erledigen gehabt hätte. Wie auch immer. Meine Tochter ist schwer erkrankt. Die Ärzte haben eine sehr seltene Stoffwechselerkrankung diagnostiziert, deren lateinische Bezeichnung ich Ihnen ersparen möchte. Jedenfalls ist dieses Syndrom sehr selten, weswegen auch in der Vergangenheit kaum Medikamente oder Therapien dagegen entwickelt worden sind.“ Er seufzte hörbar, ehe er schließlich fort fuhr: „Die Krankheit gilt als unheilbar. Unsere letzte Hoffnung sind die Ärzte auf Genet…“

 

„Der medizinische Standard dort steht in dem Ruf, der beste innerhalb der gesamten Humanen Welten zu sein!“

„Ja. Weil sie dort Methoden anwenden, die die Bundesgesetze eigentlich verbieten. Nur deswegen ist man auf Genet so weit gekommen wie sonst nirgends innerhalb der Humanen Welten! Allerdings sind die Behandlungen dort sehr teuer!“

„Dann verstehe ich nicht, weshalb Sie beabsichtigen, den Dienst zu quittieren!“

Gorescu lächelte matt.

„Erstens ist es nicht sicher, dass die Therapie auf Genet auch wirklich anschlägt. Und da möchte ich nicht irgendwo im fernen Weltall sein, wenn meine Tochter stirbt. Das würde ich mir niemals verzeihen.“

„Und zweitens?“

„Zweitens habe ich ein sehr gutes Angebot von einem Triebwerkshersteller in Luna North. Liegt in der Nähe des lunaren Nordpols.“

„Klingt nicht nach einem sehr gemütlichen Ort!“

„Seit die Immobilienpreise auf dem Mars explodiert sind und der Hohe Rat die Leichten Kreuzer der Scout-Klasse im Dutzend bestellt, gilt Luna North als Boomtown der Raumfahrtindustrie. Jemand, der was von Triebwerken versteht, kommt da gut unter!“

Catherine White schluckte. Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte und hatte angesichts des Schicksalsschlages, von dem Morton Gorescu heimgesucht worden war, über ein paar passende Worte nachgedacht. Aber sie hatte das Gefühl, in diesem Moment nur in irgendein Fettnäpfen treten zu können und daher schwieg sie.

„Wie auch immer, Fähnrich! Demnächst wird auf der STERNENKRIEGER eine Position als Leitender Ingenieur im Rang eines Lieutenant frei!“