Waypoint FiftyNine

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Er wusste genau, dass Cornelius das nicht kannte. Diese blöde, eingebildete, minderbegabte, steinreiche Stinkmorchel!

Alfredo hatte schon immer alles von seinen Eltern in seinen Plastikhintern geschoben bekommen. Er wusste nicht, wie anstrengend es war, wenn Mami und Papi nicht die Studiengebühren für einen zahlten, sie nicht für das neuste Raumschiff hinhielten und sie nicht für sämtliche Partys die Kosten übernahmen.

»Ich war zuerst hier! Verschwinde!« Cornelius machte noch einen Schritt auf ihn zu.

»Ach, Smithy, ernsthaft?« Alfredo zog nachdrücklich am Slytherin-Wappen. Die Wollfäden spannten sich, einige rissen.

Alle anderen rückten näher, sodass der Kreis sich eng um Cornelius zusammenzog.

»Meine Sensoren melden eine enorm hohe Gewaltbereitschaft in den hormonellen Ausdünstungen dieser Männer«, piepste Susi Cornelius verschreckt ins Ohr.

»Danke, Susi, du bist sehr hilfreich.« Cornelius wappnete sich innerlich für einen Angriff. Alfredos Leute waren gut bezahlte Grobiane. Wenn ihr Anführer es befahl, würden sie sofort auf ihn losgehen.

»Gib mir die Maden und das alles wird gar nicht so schlimm«, verlangte Alfredo.

»Dir verwöhntem Arsch gebe ich überhaupt nichts! Buddle deine eigenen Maden aus!«

Alfredo seufzte. »Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.« Er rupfte das Slytherin-Wappen von der Socke. »Nehmt ihm die Maden ab.«

Noch bevor Cornelius was sagen oder überhaupt denken konnte, bekam er einen Schlag auf die Nase, der von seinem billigen Visier kaum abgebremst wurde. Er hatte nicht einmal Zeit die entstandenen Schmerzen richtig zu fühlen, da folgte auch schon ein Schlag in den Magen und er landete auf dem Boden, mit dem zerbrochenen Visier im Dreck.

Er rollte sich ächzend auf den Rücken und versuchte, sowohl die Schmerzen als auch das Blut, das aus seiner Nase floss, zu ignorieren. Geistesgegenwärtig hob er die Laserpistole und drückte ab.

Nichts passierte.

Er versuchte es noch einmal.

Wieder nichts.

»Der Energiespeicher ist seit drei Erdenmonaten leer und steht auf dem Einkaufszettel«, piepste Susi.

Das durfte doch nicht wahr sein. Wenn er es nur irgendwie zu seinem Raumschiff schaffen könnte …

In Ermangelung einer besseren Idee warf Cornelius die Pistole dem nächstbesten von Alfredos Männern entgegen.

Die Waffe flog einen kläglichen Bogen und prallte mit einem nutzlosen Plong! an dessen doppelt verstärkten Schutzanzug ab.

»Au.« Der Grobian trat Cornelius in die Magengegend des gar nicht verstärkten Schutzanzugs. »Gib schon her, du Witzfigur.« Er zog am Träger der Umhängetasche.

Cornelius umklammerte seine Tasche und drückte sie fest an sich. Er wollte die Maden nicht hergeben. Alfredo durfte nicht gewinnen. Nicht schon wieder … das konnte einfach nicht sein!

Alfredo wedelte mit der Socke. »Ach Smithy, das ist doch jetzt erbärmlich.« Er rollte mit den Augen.

Der Mann zerrte weiter an der Tasche, aber so schnell würde Cornelius nicht klein beigeben. Er brauchte das Geld. Alfredo nicht. Verzweifelt trat er um sich.

»Jetzt macht schon, Leute«, rief Alfredo.

»Lass los! Hey!« Als Cornelius ihn mit einem Tritt in die Seite traf, grunzte der Kerl und riss dafür mit einem Ruck an der Tasche.

»Wieso stehen alle anderen nur rum und gucken zu?«

»Es ist feige, wenn alle auf einen einschlagen, Boss«, kommentierte jemand.

»Feige? Ernsthaft jetzt?« Alfredo warf die Socke in den Dreck. »Dann mach ich’s eben selbst.«

Cornelius umklammerte die Tasche fester. Er war nicht den ganzen Weg hierher geflogen, um sich jetzt alles wegnehmen zu lassen.

»Weg da, du unfähiger Idiot!« Alfredo schubste den Typen weg und packte Cornelius am Kragen. »Guck dich an mit deinem lumpigen, zersplitterten Visier, Smithy. Wo hast du den her, vom Weltraumflohmarkt? Ist der nicht eigentlich für Kinder?« Er riss ihm den kaputten Helm runter. »So ist das doch gleich viel besser. Lass dich ansehen. Bist auch nicht schöner geworden über die Jahre. Kein Wunder, dass sich Heidi-Katharina damals lieber mir zugewandt hat.«

»Immerhin bin ich nicht aus Plastik! Nicht so wie du.« Cornelius dachte nicht daran, den Griff um die Tasche zu lockern. Alfredo konnte ihn mit alten Geschichten provozieren wie er wollte, obwohl er zugeben musste, dass er verletzt war. Er wollte nicht über Heidi-Katharina und ihre verräterischen Handlungen nachdenken.

»Glaub mir, darauf stehen die Mädels. Besonders deine Heidi.« Alfredo grinste. »Deshalb ist sie mir nachgelaufen und nicht dir Hackfresse.« Alfredo packte die Tasche und zerrte daran. Mit einem lauten Ratsch riss der Gurt, doch Cornelius klammerte sich immer noch an ihr fest.

»Du hast dich doch überhaupt nie für sie interessiert!« Deshalb war es ja so erniedrigend gewesen. »Außerdem lenkst du vom Thema ab!«

Alfredo lachte auf. »Überhaupt nicht. Wir sind genau beim Thema, Smithy! Bei deinem alten Thema. Es ist genau wie damals: Du willst etwas und ich …« Alfredo verpasste Cornelius einen Schlag direkt auf die geschwollene Nase, woraufhin dieser ein schmerzhaftes Aufschreien unterdrücken musste, und Alfredo ihm die Tasche aus den Händen zog. Er richtete sich auf und hielt sie triumphierend vor sein grinsendes Gesicht. »… nehme es dir weg.«

»He, Alfredo – guck mal.« In diesem Moment öffnete Susi eine kleine Klappe.

»Was?«

Alfredo war abgelenkt, das war die Gelegenheit!

Susi spritzte einen harten Strahl mit abgestandenem Duschwasser direkt auf Alfredo, der davon regelrecht umgepustet wurde. Plötzlich duftete es nach lieblicher Sandelholzseife.

Cornelius sprang auf. Ein Schwall Blut lief ihm über das Gesicht, doch darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen.

Er schnappte sich seine Tasche und rannte auf die Washington zu, solange Alfredos Leute noch in Schockstarre waren. »Susi! Starte den Antrieb!«

»Oh heiliges Maschinenöl, schneller, Cornelius!« Die Düsen begannen zu surren.

»DU ELENDIGES, KLEINES INSEKT!«, brüllte Alfredo von hinten. Er versuchte aufzustehen, aber mit seinem glatten Schutzanzug rutschte er immer wieder im seifigen Schlamm aus. Seine Leute wollten ihm offensichtlich helfen, doch sie fielen selbst hin.

Cornelius sprang durch die Luke ins Innere seines Raumschiffes. »Verriegeln! Schnell!« Er legte seine Tasche im Gehen in die vorgesehene Kiste und ließ sich hinters Steuer fallen. »Starten! Starten!«

Sie hoben ab. Die Washington schlingerte etwas, aber Hauptsache sie waren erstmal vom Boden weg.

»Oh Cornelius, das ist alles so aufregend, ich hab Prozessorenstottern«, plapperte Susi nervös.

»Das schlimmste steht uns noch bevor.« Sie waren der Attacke am Boden zwar entkommen, doch sie mussten so schnell wie möglich von hier verschwinden, wenn sie nicht wollten, dass die Brad Pitt sie einholte und enterte.

»Habe ich das richtig gemacht? Ich darf keine Menschen verletzen, das ist gegen meine Programmierung, aber der Wassertank musste einfach ganz dringend entleert werden. Das geht doch in Ordnung, oder? Leider haben wir nun außer Kühlwasser nur noch ein wenig Trinkwasser an Bord.«

»Das hast du super gemacht«, lobte Cornelius sie. »Sobald wir im Waypoint FiftyNine sind, können wir das Wasser wieder nachfüllen. Dahin müssen wir jetzt aber erstmal kommen. Du fliegst zu vorsichtig. Gib mir das Steuer!«

Susi beruhigte sich durch sein Lob und schaltete den Autopiloten aus.

Cornelius hielt auf den Weltraum zu und betätigte nebenbei das Navigationsgerät. Er war erst wenige Male im Waypoint FiftyNine gewesen und war sich nicht sicher, ob er von hier aus hinfinden würde. »Haben wir noch genügend Energie, um Lichtgeschwindigkeit zu erreichen?«

»Schon. Aber laut meinen Berechnungen würden wir die Raumstation gerade so erreichen. Der alte Energiekern wäre dann endgültig aufgebraucht.«

»Ich kenne ein paar Schrotthändler, die immer im Waypoint abhängen. Die können uns sicher einen günstigen Kern besorgen. Bereite alles für den Sprung vor.« Sie mussten es nur noch aus der Atmosphäre des Planeten schaffen.

»Wissen Alfredos Unholde eigentlich, dass wir zum Waypoint Fiftynine unterwegs sind?«, fragte Susi.

»Ich hoffe nicht.« Vermutlich aber schon. »Sende außerdem eine Nachricht an Crandall, dass ich die Maden habe.«

»Erledigt.«

»Danke, Susi.« Cornelius beschleunigte. Er warf durch den Monitor einen Blick nach hinten, doch bis jetzt folgte die Brad Pitt ihnen nicht. Vielleicht hatte er ja ausnahmsweise mal Glück. »Wie weit ist die Lichtgeschwindigkeit?«

»Aufbau liegt bei 66,14 %.«

Das dauerte zu lange. Inzwischen passierten sie bereits einen von R108s Monden. Bald würde die Brad Pitt ihnen auf den Fersen sein. Cornelius beschleunigte nochmal.

»Wir nähern uns dem Sprung. Bist du angeschnallt?«

»Ach, richtig.« Hastig schnallte er sich an. »Jetzt bin ich bereit!«

»Sprung in drei … zwei … eins … Festhalten.«

Cornelius wurde in den Sitz gedrückt. Er klammerte sich an den Armlehnen seines Pilotensitzes fest und kniff die Augen zusammen. Ihm wurde beim Reisen in Lichtgeschwindigkeit immer schlecht.

Die Washington fiel mit einem Ruck wieder in Normalgeschwindigkeit zurück. Von hieraus war es nicht mehr weit bis zum Waypoint FiftyNine.

»Du kannst dich jetzt wieder abschnallen, mein lieber Cornelius«, informierte ihn Susi. »Übrigens: Du blutest das Cockpit voll. Das ist ein bisschen eklig.«

Das ganze Blut hatte er fast vergessen. Cornelius schaltete den Autopiloten ein und ging nach hinten, um etwas zu suchen, das die Blutung stoppen konnte.

 

»Haben wir noch Feuchttücher? Was macht man, wenn die Nase gebrochen ist?«

»In einem Medical Center einchecken, um sie wieder richten zu lassen. Da dies recht kostenintensiv ist, schlage ich Kühlen vor.« Sie war kurz still. »Wer ist Heidi-Katharina?«

»Jemand, den ich früher kannte.« Er nahm ein Kühlpad aus dem Gefrierschrank und griff nach einem Geschirrtuch, um das Blut abzufangen. Dann ließ er sich wieder auf dem Pilotensitz nieder.

»Wie lange ist früher her?«, fragte sie eifersüchtig. »Wenn du eine andere KI in deinem Leben hast, von der du mir nichts erzählen wolltest …«

»Wovon redest du denn? Wie soll ich mir denn noch eine andere KI leisten können? Du weißt doch am allerbesten, wie meine finanzielle Situation aussieht!« Das war ja jetzt wirklich nicht wahr. »Sie war jemand, die ich im Studium kennengelernt hatte.«

»Cornelius, ich muss dich das jetzt fragen und ich möchte eine klare Antwort von dir: Ist Heidi-Katharina eine Erotik-Androidin? Ist sie deine Erotik-Androidin?«

»Sag mal, spinnst du?« Wer zum Geier hatte beschlossen, KIs beizubringen, was Eifersucht war?

»Du beantwortest meine Frage nicht. Oh Cornelius, wie konntest du mir das nur antun?«

»Was genau ist eigentlich dein Problem? Sie war meine Freundin auf der Uni, bis Alfredo kam und sie sich von mir getrennt hat. Beantwortet das deine Frage?« Vor lauter Aufregung begann seine Nase noch viel stärker zu bluten.

Susi war eine Weile still. »Ich verstehe.«

»Schön für dich.«

Cornelius verriegelte das Schott. »Dieses Mal sagst du es mir aber, wenn jemand einfach so einbricht!«

»Er hat gedroht, mich kaputt zu schießen, wenn ich was sage!«, entrüstete Susi sich.

»Ja, ja.« Er straffte die Schultern, wobei die Artefakte in seinem Mantel leicht gegeneinander klirrten. »Wir brauchen einen Code für solche Fälle.«

»Einen Code? Was denn für einen?«

»Irgendwas halt.« Cornelius ging die Rampe hinunter und hielt auf die Sicherheitsschleuse zu. »Lass dir was einfallen.«

»Das mit dem Kühlschrank hast du ja auch nicht verstanden«, fauchte sie beleidigt. »Das ist nicht so einfach mit dir, Cornelius. Du lässt dich zu leicht von mumifizierten Überresten jeglicher Art ablenken. Denk nur an die Meerschweinskelette auf Planet PPX

»Das waren keine mumifizierten Überreste! Das war ein erstklassig erhaltener Schädel! Weißt du eigentlich, was das auf dem Schwarzmarkt einbringen kann?« Er trat in die Schleuse.

Susi räusperte sich in seinem Voice Plug, obwohl sie gar keine Kehle hatte, die belegt sein konnte. »Cornelius, denkst du wirklich, dass du dich nicht zumindest etwas waschen solltest, bevor du da jetzt reingehst? Und was hast du da in deinem Mantel?«

»Mit welchem Wasser denn? Das hast du alles Alfredo ins Gesicht gespritzt.« Das Schott der Sicherheitsschleuse schloss sich hinter ihm.

»Mit dem Wasser, das du erst einmal in mich hättest nachtanken sollen, bevor du in diese Bar gehst. Und denk an den Energiekern, Cornelius!«, entgegnete sie pikiert. »Ich bin völlig leer! So geht das nicht! Und meine Sensoren sind immer noch verdreckt.«

»Siehst du hier irgendwo ein Ersatzteillager? Wo zum Teufel hätte ich denn unterwegs einen Energiekern herbekommen sollen? Und außerdem haben wir gar kein Geld, um …« Er wurde vom Aufleuchten eines Displays unterbrochen.

»Willkommen«, ertönte eine Computerstimme. »Mein Name ist Security-Jack. Haben Sie irgendwelche Waffen abzugeben?«

»Äh … ja. Halt, nein. Nein, habe ich nicht.« Seine Laserkanone hatte er auf R108 im Kampf gegen Alfredos Männer verloren.

»Sind Sie sich sicher?«, fragte Security-Jack weiter.

»Ja, total sicher.«

»Scan wird durchgeführt.«

Leuchtend blaue Strahlen wanderten an Cornelius, der die Arme zur Seite ausgestreckt hatte, hinauf und hinunter. »Legen Sie bitte den Klappspaten in die vorgesehene Klappe«, wies die Sicherheits-KI ihn an.

»Wieso?«

»Weil es sich um eine potentielle Waffe handelt.«

»Das ist ein Spaten!«

»Wieso bei Galaktikas Schaltkreisen hast du den Spaten dabei?«, fragte Susi fassungslos.

»Ich hab vergessen, ihn auszupacken.« Dazu war nicht wirklich Zeit gewesen, nachdem sie von R108 geflohen waren.

»Legen Sie bitte den Spaten in die Klappe!«, verlangte Security-Jack, dieses Mal ein wenig energischer. »Die Hälfte unserer Gäste könnte sie damit erschlagen.«

»Ja, ja. Hetz mich nicht!« Cornelius kramte in seiner Umhängetasche und zog den Klappspaten hervor. »Können wir dann weiter?«

»Nicht so schnell!«, hielt Security-Jack ihn auf. »Was sind das für organische Materialien in Ihrer Tasche?«

»Hä? Meinst du meine Knochensammlung?« Cornelius öffnete eine Seite seines Mantels, und zeigte das Rückgrat, das er auf R108 ausgebuddelt hatte und in eine der extra eingenähten Schlaufen in seinem Mantel gesteckt hatte. Auch in den restlichen Schlaufen und Taschen in der Mantelinnenseite steckten allerlei Knochen, versteinerte Vogeleier und andere Artefakte.

»Handelt es sich dabei ausschließlich nur um Knochen?«, fragte Security-Jack.

»Nur Knochen«, bestätigte Cornelius. Die Maden ließ er besser unerwähnt. »Weißt du, ich bin Archäologe.«

»Aha.« Security-Jack klang unbeeindruckt.

»Ich verstehe wirklich nicht, weshalb du diesen Krempel mit in die Bar schleppen musst«, murmelte Susi.

»Zum Verkaufen natürlich!«, raunte er seiner KI leise zu. Langsam aber sicher wurde Cornelius ungeduldig. »Darf ich dann bitte weiter?«

Security-Jack schwieg eine Weile.

Cornelius trat von einem Fuß auf den anderen.

»Genehmigung erteilt.«

Endlich ging das Schott auf der anderen Seite der Schleuse auf und Cornelius konnte weiter gehen.

»Hat Crandall schon geantwortet? Kommt er?«, fragte Cornelius.

»Nein, aber der Termin ist in exakt vier Minuten, im Torpedorohr II. Wir kommen gerade rechtzeitig.«

»Ah, dann passt das ja.« Er lief den äußeren Ringkorridor der Raumstation entlang und erreichte schon bald die Torpedorohrbar. Dort stieg er in Rohr II und ließ sich auf die Bank sinken. Schönen Ausblick hatte man hier. Immerhin das.

Crandall war nicht da. Natürlich nicht. Immer kam dieser elendige Ultrareiche zu spät. So war das halt mit ihm. Wenn man das Geld hat, muss man nicht pünktlich sein.

Cornelius hatte kein Geld, deshalb war er ja pünktlich. Er bestellte trotzdem bei einer vorbeilaufenden Bedienung etwas zu trinken. Da er kaum noch Wasser an Bord hatte, war er kurz vor dem Verdursten.

Bald darauf kam auch schon die Bedienung zurück.

»Einmal gekühlten Orangensaft für den Herrn im staubigen Mantel.« Sie setzte das Glas vor ihm ab.

»Danke.« Er kannte Sora noch von seinem letzten Besuch in der Weltraumkneipe und war ganz froh, dass sie und nicht ihre übellaunige Schwester Mora sein Getränk brachte.

Cornelius warf einen Blick auf seine Uhr. Schon eine Minute zu spät. Eine Frechheit war das.

Er trank seinen Orangensaft.

Crandall kam nicht.

Er bestellte ein zweites Glas.

Dieser nichtsnutzige Ultrareiche war immer noch nicht da.

Dann bestellte er ein drittes Glas.

»Verzeihung, haben Sie Crandall hier zufällig irgendwo gesehen?«, fragte er Sora, als sie ihm sein drittes Getränk brachte. »Wir waren eigentlich vor einer Stunde verabredet.«

»Er war schon seit ein paar Wochen nicht hier«, entgegete sie. »Er kommt immer sehr unregelmäßig. Wir vermuten, um illegale Geschäfte abzuwickeln. Aber wir haben ihn noch nicht dabei erwischt. Das würde Bick Mack nicht dulden.« Sie sah ihn vielsagend an.

Cornelius ließ gespielt entsetzt das Glas wieder sinken. »Also damit habe ich nichts zu tun. Mein Geschäft ist seriös!«

In seinem Voice Plug lachte Susi lauthals auf.

»Ruhe!«, wies er sie an. »Gut, da lässt sich dann wohl nichts machen. Falls er kommt, könnten Sie ihm dann sagen, dass ich schon warte?«

Sora guckte ihn mitleidig an, dann nickte sie und ging weiter.

Irgendwann bestellte Cornelius einen vierten Orangensaft.

»Cornelius, ich muss dich darauf hinweisen, dass du dich mit diesem überteuerten Orangensaft erstens in den Ruin treibst und zweitens dein Magen völlig übersäuert«, teilte ihm Susi mit.

»Danke, du bist sehr hilfreich.« Aber leider hatte sie recht.

Cornelius stand auf, ging zum Klo, versuchte sich, das Blut ein wenig besser aus dem Gesicht zu wischen, und ging zurück zum Tisch.

Crandall war immer noch nicht da. Langsam könnte er aber wirklich mal auftauchen.

»Ich glaube, du wurdest versetzt«, stellte Susi fest.

»Nein, das glaube ich nicht. Er verspätet sich bestimmt nur.«

»Cornelius Napoleon Smith, so naiv kannst du doch nicht sein. Dieser Crandall glaubt, du wärst nicht dazu in der Lage, diesen Auftrag zu erfüllen. Deshalb hat er auch Alfredo zusätzlich beauftragt. Der denkt bestimmt, du wärst tot.«

»Hätte ich ihm dann eine Nachricht geschickt? Nein. Der kommt bestimmt noch.« Cornelius schlenderte mit seinem Orangensaft durch den Ringkorridor, dann über einen Steg zum Zentrum der Raumstation. Er passierte das Schott zur Bar.

»So wie du aussiehst, brauchst du etwas stärkeres als dieses Säftchen.« Der Barkeeper Virginio lehnte sich ihm gegenüber an den Tresen. »Wie wäre es mit einem Fifty-Niner?«

»Äh, nein danke.« Cornelius schüttelte den Kopf. Das konnte er sich bestimmt gar nicht leisten.

»Dann vielleicht ein nasses Handtuch, um das Blut abzuwischen?« Virginio zeigte auf die gebrochene Nase.

»Ich hab’s dir ja gesagt!«, zischelte Susi leise.

»Ich hab mich doch grade erst auf dem Klo gewaschen«, fauchte Cornelius zurück. »Besser wird’s nicht mehr!«

»Redest du mit mir?« Virginio runzelte die Stirn.

»Nein, meine KI geht mir auf die Nerven.«

»Verstehe.« Jetzt guckte er ihn auch mitleidig an. Das lief ja super.

»Wenn ich dich so nerve, kannst du dein Leben ja in Zukunft von Heidi-Katharina organisieren lassen«, rief Susi empört.

»Tolle Idee. Vielleicht rufe ich sie an. Falls Alfredo nicht hier auftaucht und ich die Geschichte überlebe.«

Susi sagte nichts mehr. Jetzt war sie wirklich beleidigt.

»Kann man irgendwas für dich tun?«, fragte Virginio.

»Sofern du keinen superreichen Idioten herzaubern kannst, der mir diese blöden Maden abkauft, leider nein.« Cornelius ließ den Kopf sinken.

»Ich kann dir aber einen Cocktail mixen.«

Und womit sollte Cornelius den Drink bezahlen? Wie sollte er einen neuen Energiekern besorgen? Mit welchem Geld sollte er Wasser tanken? Wovon sollte er sich denn um Himmels Willen ernähren? Die Kasse war leer. Er würde verhungern.

Vielleicht sollte er sich hier nach potentiellen Kunden umsehen. Ein kurzer Blick zeigte allerdings, dass der einzige, den er sich getraut hätte anzusprechen, ein äußerst unseriös wirkender Kerl war, der mit dem Kopf auf einem der Tische schlief und nicht so aussah, als könnte er bezahlen.

»Möchtest du zufällig ein Rückgrat kaufen?«, fragte er daher Virginio und öffnete seinen Mantel ein Stück, sodass die Knochen in seiner Schlaufe zu sehen waren.

»Ähm, nein. Gerade nicht.« Virginio entfernte sich.

Natürlich nicht. Seit er in dieser verfluchten Bar war, lief einfach gar nichts mehr nach Plan. Crandall tauchte nicht auf, seine andere Ware konnte er auch nicht loswerden, gar nichts funktionierte!

Dabei war alles einigermaßen in Ordnung gewesen, als er R108 verlassen hatte. Er hatte zusätzlich zu seinem gelungenen Auftrag auch noch ein vollständiges Rückgrat gefunden und außerdem hatte er es endlich, nach vielen Jahren geschafft, Alfredo eins auszuwischen! Dieser arrogante Schnösel hatte es verdient gehabt! Endlich hatte er sich für die jahrelange Schikane rächen können!

Alfredo so im Matsch liegen zu sehen, war das allerbeste Gefühl auf der ganzen Welt gewesen. Soll er Heidi-Katharina doch behalten, Cornelius war das jetzt egal. Er hatte gewonnen und das konnte ihm keiner nehmen!

»Hey, Virginio!«, rief er dem Barkeeper zu. »Ich würde jetzt doch gerne so einen FiftyNiner probieren.«

Fortsetzung folgt in der Story:

Von Maden und Halunken in Spelunken.