Alvine Hoheloh

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Magdalena zog die Augenbrauen hoch und Alvine begann zu erzählen. Von all der Lust, dem vorehelichen Geschmuse, der Hochzeitsnacht, die so vielversprechend begonnen und völlig verdrossen geendet hatte. Sie knetete nervös ihre Finger, während sie über die fortwährenden Versuche sprach, die Traurigkeit und Mutlosigkeit, die sie beide befallen hatte. Dass sie versuchten, darüber zu reden, dass ihr jedoch die Worte im Halse stecken blieben, sobald es … darum ging. Dass ihr Mann sich nicht mehr traute, etwas zu initiieren, aus Angst, sie weiter zu verschrecken. Als sie von ihrem jüngsten Streit berichtete, weinte sie fast, sodass Magdalena, die die ganze Zeit konzentriert zugehört hatte, ihr nun tröstend über den Schopf streichelte.

»Sag mir eines, Kindchen: Begehrst du deinen Mann?«

»Ja«, hauchte Alvine.

»Und was begehrst du an ihm?«

Verstört sah sie Magdalena an, doch die wartete auf Antwort.

»Nun, ich liebe alles an ihm. Er ist klug und empfindsam, belesen und lustig. Und falls Sie darauf abzielen, ich mag auch seinen Körper sehr. Wenn ich ihn heimlich beobachte, fällt es mir besonders auf. Seine Schultern, seine Haut, seine weichen Haare. Seine Augen, oh seine Augen …«, entschuldigend lächelte sie Magdalena an, doch die blieb noch immer still und nickte aufmunternd, dass Alvine ruhig weiterschwärmen sollte. »Sein Geruch, sein Lächeln, ich mag die Sommersprossen, die er auf der Nase bekommt, wenn er im Sommer rudern war, so gern … Ich verstehe deswegen nicht, warum ich über die andere Sache nicht hinweg sehen kann …«

»Welche andere Sache?«

»Nun, ich habe … Schmerzen, wenn wir uns … lieben.«

»Wo du ihn doch so begehrst?«

»Ich weiß es nicht. Ich dachte, es tue nur die ersten Male weh und danach würde ich mich schon daran gewöhnen. Aber …« Sie klappte den Mund zu.

»Aber ihr habt es doch noch gar nicht richtig getan?«, ergänzte Magdalena.

»Ja, das stimmt. Furchtbar, oder?«

Ohne auf die Selbstschmach von Alvine einzugehen, fragte Magdalena: »Wie groß ist sein Schwanz?«

Das Gesicht der Gefragten lief sofort heiß an, aber sie wusste, dass sie sich um die Antwort nicht drücken könnte. Ihre Hände zitterten, während sie damit Länge und Umfang darstellte.

»Oha!«, grinste Magdalena, »und du siehst da kein Problem auftauchen?«

»Bitte?«

»Du hast noch nie mit einem Kerl geschlafen und kriegst dann gleich ein solches Kaliber ab«, sinnierte sie, während Alvine vor Scham am liebsten im Boden versunken wäre, »Kindchen, du bist keinesfalls geübt darin und bekommst gleich so einen ab.«

»Na ich wird ja wohl kaum an den Seiten was abschleifen können«, flüsterte sie, woraufhin Magdalena in schallendes Gelächter verfiel.

»Nein nein, darauf wollte ich auch nicht hinaus. Aber ich habe das Gefühl, du hast so gar keine Ahnung von Schwänzen und dein Liebster scheint sich einer Tatsache auch nicht so bewusst zu sein.«

»Die da wäre?«, fragte Alvine.

Magdalena zwinkerte ihr zu: »Nur die Ruhe, es gibt durchaus Möglichkeiten. Aber ich trage dir herzlich an, meinen Ratschlägen genauestens Folge zu leisten. Ihr seid beide eingefahren in eure Verschrecktheit. Es ist wichtig, diese erst einmal zu überwinden, ehe ihr den Akt erproben könnt.«

»Aber …«

»Ja ja, ich weiß. Du bist ein schrecklich ungeduldiges Frauenzimmer. Also will ich dich eines fragen: Was ist dir wichtiger? Deine Ungeduld oder deine Ehe?«

»Meine Ehe!«, antwortete Alvine, ohne sich über die Frage so richtig bewusst zu werden.

»Dann besteht Hoffnung«, sagte Magdalena und lächelte.

Alvine hatte für die Wirtens Geld dagelassen, falls sie sich doch Schulanzüge kaufen wollten, und Magdalena noch mehr gezahlt als bei ihrem letzten Besuch. Ihr Kopf rauchte und ihr Weg zurück in die Fabrik war lang. Als sie ihre Aufgaben am Abend erledigt hatte, sattelte sie Strumpf und ritt schnurstracks nach Hause. Immer wieder geisterten ihr die Worte Magdalenas durch ihren Kopf: »Es ist kein Wunder, dass du Beklemmungen hast. Frauen werden von allen Seiten dazu erzogen, ihre Wünsche nicht zu äußern. Das erst einmal zu erkennen, ist schon ein Kunststück. – Mach’ dir keine Vorwürfe!«, hatte sie noch nachgesetzt, aber Alvine tat es doch.

Trotzdem ihre Eltern sie in vielen Dingen frei erzogen hatten, war ihr stellenweise auch von ihnen und aus Büchern, von Lehrer*innen und der Gesellschaft eingebläut worden, dass sie zu gefallen hatte und ihren Willen nur äußern durfte, wenn es der Gemeinschaft guttat. Ihre intimsten Gedanken sollten unter Verschluss bleiben. Erging es Männern anders? Sie besuchten Bordelle, schliefen mit sogenannten ehrlosen Mädchen und konnten sich überhaupt erst einmal über ihre Gelüste bewusst werden, bevor sie heirateten. Frauen aus ihrer Klasse bekamen Tipps wie: »Auch, wenn es dir nicht gefällt, es ist deine Pflicht, ihm gutzutun. Also zeige ihm nicht, dass du nicht willst!«, und »Bleib hinterher stillliegen, damit sein Samen seinen Weg findet.«

Alvine erklomm müden Fußes das Schlafzimmer, als Theodor gerade eine frische Hose über seine Beine zog. Ihre Blicke trafen sich, ein flüchtiges Lächeln, dann beeilte er sich, seine Hosenträger über das Hemd zu schieben und griff schon nach der Weste. Erschöpft plumpste Alvine auf die Bettkante, dann sah sie Theodor zu, wie er die Manschettenknöpfe einführte. Völlig gedankenverloren stand er von ihr abgewandt, beide schwiegen und beiden musste es furchtbar wehtun. Langsam zog Alvine ihre Stiefel aus, während er sich seine anzog.

»Es wird spät, warte nicht auf mich«, gab Theodor von sich, streifte sein Jackett über, wischte es glatt und prüfte sodann seine Frisur im Spiegel. Auf einmal streifte ihr Atem seinen Nacken. Deutlich wie schon lange nicht mehr, nahm er ihren Duft wahr.

Sachte berührte sie seinen Rücken. »Lass uns in den Winterurlaub fahren, Theo.« Er wandte sich langsam um. Sie blickte an ihm vorbei Richtung Schminkkommode und fuhr fort: »Nur wir beide. Irgendwo ganz weit weg. Ich will Eislaufen und Pferdeschlittenfahren. Und ich möchte, dass wir allein, nur für uns sind.« Endlich sah sie ihn an, ihre Augen glänzten.

»Willst du das wirklich?«, hauchte er.

»Du nicht?«

»Mehr als alles andere.« Er umarmte sie sanft, sie schmiegte sich an ihn. »Möchtest du, dass ich heute Abend hierbleibe?«, flüsterte er in ihr Haar.

Sie schüttelte verlegen den Kopf und machte sich los. »Nein, du hast sicher viel zu besprechen. Ich habe in der Zeitung gelesen, was gerade wieder los ist, womit sich deine Partei herumschlagen muss. Bitte konzentrier’ dich in Ruhe darauf und dann fahren wir in den Urlaub.«

Theodor lächelte dünn. „So weit ist es? Du liest also in der Zeitung über meine politischen Projekte? Offenbar war ich zu viel unterwegs. Ich weiß nicht einmal, wie deine letzten Wochen verlaufen sind. Das tut mir leid.“ Er küsste ihre Stirn zärtlich, nahm noch einen tiefen Zug vom Duft ihrer Haare und entschwand.

Am Morgen fand sie einen duftenden Rosenstrauß auf ihrem Schminktisch. Wo auch immer er den in der Zwischenzeit aufgetrieben haben musste … Alvine lächelte selig und beugte sich über ihren noch schlafenden Ehemann, zum Dank ein Kuss, ehe sie sich für ihren Tag anzog.

°°°

Anfang Februar brachen sie auf und fuhren mit der Bahn in ein verschlafenes Nest im Herzen des Reiches. Entsprechend den Höhenmetern lag noch so einiges an Schnee, sodass sie von ihren Gastgeber*innen per Schlitten abgeholt wurden. In dem winzigen Hotel waren sie die einzigen Gäst*innen und bezogen ein großzügiges Zimmer mit holzvertäfelten Wänden und separatem Ausgang. Tagsüber unternahmen sie lange Spaziergänge oder Pferdeschlittenfahrten durch die eiskalte Waldlandschaft. Eingemummelt in Wolle, Leder und Pelz hielt jede*r von ihnen einen Zügel des gescheckten Haflingers, der sie durch den Schnee zog.

Theodor legte den anderen Arm um Alvine, sie kuschelte sich an seine Schulter, nur ihre Nasen und Augen guckten aus Schal und Mütze heraus. Die Ruhe schien ihnen unbegreiflich, unter den Kufen knackte der Schnee, Flöckchen verfingen sich in ihren Wimpern. Die Bäume und Wege waren dick eingeschneit, über allem lag eine winterliche Decke, die ihre Gemüter entschleunigte. Wenn sie ordentlich durchgefroren ins Hotel zurückkamen, erwartete sie ein deftiges Abendbrot. Es war für sie die beste Umgebung, um die Sorgen und Gedanken um Krieg, Politik und Lieferengpässe wegzuschieben, sich nur auf sich zu konzentrieren und abends im Bett einander zögerlich anzunähern.

Alvine hatte den neuerlichen Besuch bei Magdalena nicht angesprochen, Theodor nur gebeten, ihr die Kontrolle zu überlassen. Anfangs kuschelten sie gänzlich keusch. Sie reagierte auf seine Erektion bald nicht mehr verschreckt, unter seinen zärtlichen Streicheleinheiten schnurrte sie bald wie eine Katze. Nacht für Nacht entblößten sie sich nur schrittweise voreinander, bis sie wieder nackt bei ihm lag, dauerte es zehn Tage. Endlich säuselte sie ihm ins Ohr: »Schau’ mir nur zu, bitte tu’ gar nichts.«

Zum ersten Mal seit Monaten berührte sie sich selbst und der Anblick ließ ihn erbeben. Anfangs war es ungewöhnlich, es vor ihm zu tun, aber dann heizte sie seine Anwesenheit zusätzlich an. Als es ihr kam, stöhnte er fast genauso laut wie sie. Er setzte an, etwas zu sagen, doch sie hielt ihm zärtlich den Mund zu. Bis sich ihr Atem beruhigt hatte, lagen sie eng umschlungen zusammen, dann bat sie ihn, sich seiner Hose zu entledigen und ihr zu zeigen, wie er es machte. Auch für ihn stellte es eine Vertrauensübung dar.

Ihre glitzernden Augen sprachen von Genuss und er erleichterte sich forsch. Lächelnd und schwer atmend lagen sie beieinander, ehe sie feststellte: »Du packst ja wirklich kräftig zu.«

 

»Aber es gefällt mir auch, wenn du mich nur zärtlich streichelst«, hauchte er und küsste ihre Nasenspitze.

»Das machen wir bald«, flüsterte sie, löschte die Nachttischlampe und legte ihren Kopf auf seine nackte Brust. So schliefen sie ein.

In der Großstadt hatte sich der Winter längst verzogen. Die Luft war mild und feucht, als wäre der Frühling schon im Anmarsch. Als Alvine und Theodor am Abend ins Schlafzimmer kamen und er sie von hinten umarmte, zuckte sie gar nicht zusammen, sondern lehnte sich genießend an ihn. Er küsste ihre Schläfe und schnüffelte an ihren Haaren. »Liebste, ich weiß, du wolltest die Kontrolle haben und das ist mir sehr willkommen. Kann ich dich dennoch um etwas bitten?«

»Oh?«, sie sah ihn verwundert an.

Er kam dicht zu ihr: »Darf ich es noch einmal sehen?«

Sie lachte auf und schubste ihn sachte von sich. Dann entledigte sie sich ihrer Kleider und legte sich aufs Bett. Zaghaft kroch er ihr nach. Diesmal fand sie ihren Rhythmus schneller. Er folgte ihren Fingern mit funkelnden Augen.

In den folgenden Tagen brachen beide früher nach Hause auf, um sich im Schlafzimmer weiter zu erforschen. Bald schon kannten sie die Vorlieben voneinander genug, um sich gegenseitig zu beglücken. Von ihrer Verve gefasst, seufzte sie dutzendfach seinen Namen, während er ihren Körper berührte und verwöhnte. Es waren die einzigen Momente, in denen sie sich gehen ließ und sie von sich selbst überrascht war – sie liebte es, die Kontrolle abzugeben.

Eines Abends saß Alvine auf der Bettkante, er stand davor, um sich für sie seiner Kleider zu entledigen. Sie sah abermals verzückt seine blondbehaarten Leisten an. Einer spontanen Eingebung folgend strich sie über seine Seite und führte ihn näher zu sich. Sie hielt seinen Blick gefangen, als sie seinen harten Phallus küsste. Die bloße Berührung ihrer Lippen ließ ihn erschaudern. Vorsichtig tastete sie sich vor, nahm seine Spitze in den Mund, erforschte ihre Möglichkeiten. Ehe er seinen Höhepunkt erreichen konnte, beschnitt er sie in der absoluten Kontrolle und stieß sie um. Stürmisch zog er ihr nun die Wäsche aus, sie atmete schwer, als er ihre nackte Haut küsste und immer tiefer rutschte. Als sein Mund endlich ihre Vulva berührte, bäumte sie sich vor Schreck auf. Er verlangsamte seine Bewegungen, fuhr sachte mit den Lippen und der Zunge ihre Vulvalippen entlang. Diese zärtliche Art der Penetration entlockte ihr die Ekstase, auf die sie all die Zeit gehofft hatte. Unmöglich, ihr Stöhnen zurückzuhalten. Es wies ihm den richtigen Weg. Als seine Zunge ihre Klitoris umtanzte, explodierte sie. Die Heftigkeit überraschte sie selbst.

Kaum war sie gekommen, fiel ihr angespannter Körper in sich zusammen, Nachbeben durchdrang sie. Theodor wollte sich neben sie legen und sie sich beruhigen lassen, aber sie erhob sich und rutschte an ihm herunter. Zärtlich und behutsam nahm sie sein immer noch hartes Glied in ihre warme Mundhöhle und umspielte es mit ihrer Zunge. Mit aller Macht hielt er sich davon ab, im Rhythmus ihrer Bewegungen zu zittern oder gar zu stoßen. Sein Atem zeigte ihr deutlich, was ihm gefiel. Es dauerte nicht lange, bis sie die ersten salzigen Tropfen schmeckte. Dann kam es auch ihm.

Erleichtert lagen sie schließlich nebeneinander, flüsterten sich süße Nichtigkeiten zu und sie sprach aus, was sie schon lange vor ihm geheim hielt: »Ich habe einen Rat bekommen: Nun, da wir aneinander gewöhnt sind, können wir den Geschlechtsakt versuchen, sobald deine erste Erregung abgeklungen ist. Jetzt zum Beispiel wirst du vermutlich nicht zu groß für mich sein.«

Ihr tiefer Blick sprach Bände, ihm entglitten die Gesichtszüge. Warum hatte er trotz all seiner umtriebigen, vorehelichen Erfahrungen nie auf diese Tatsache geachtet? Er hatte versucht, ihr andere Spielarten nahezubringen, aber sie waren zu früh schon zu eingefahren gewesen, er hätte von Anfang an andere Wege aufzeigen müssen, damit die Situation sich nicht dermaßen hätte zuspitzen können.

Doch sie wollte keine Entschuldigungen von ihm hören, sie wollte endlich ihre Vereinigung. Beide atmeten aufgeregt, während sie die Missionarsstellung bezogen. Sein Eindringen fühlte sich gut an, prall und hart, nur ein leichtes, süßes Ziepen. Ihre Vagina war weich, bereit und heiß. Alvine spürte, wie vorsichtig er sich bewegte, wie sich in ihrer Nässe die schwachen Verkrampfungen lösten. Seine Stöße wurden tiefer und rhythmischer, was das Fieber in ihr nur erhöhte. Überwältigt ging ihr Atem schneller. Ja, das war es. Es machte alles einen Sinn. Es war anders als ihre Art der Masturbation … so viel kraftvoller, dass es ihr durch und durchging. Sie spürte nicht das wohlige Kribbeln, wenn sie ihre Vulva streichelte, aber sie spürte ihn tief und warm in sich und dass ihr Innerstes mit seinen Bewegungen immer heißer wurde. Unbewusst hatte sie damit begonnen, sich mit ihm zu bewegen. Mit ihm zu atmen.

Darum heißt es also … eins sein.

Lange hielt er es nicht aus.

Sie sah ihm an, dass er sich für sie sie zurückhielt, spürte seine zaghafter werdenden Bewegungen und bat ihn: »Quäl dich nicht! Ich will es so gern erleben, dass du dabei in mir bist.« Sie zog sein Gesicht zu ihrem herab und küsste seinen Mund.

Sein folgender Orgasmus schien heftiger und lauter zu sein, als alle vorherigen, der Erguss gewaltig, dass das, was aus ihr heraustropfte, eine ausufernde Pfütze bildete. Niemals hätte sie all das in sich behalten können, auch nicht, wenn sie, wie in dem blöden Buch geraten wurde, stillgehalten hätte …

Theodor rollte erschlagen von ihr herunter. Sie schmiegte sich an ihn und flüsterte in sein Ohr: »Wir sind jetzt endlich Mann und Frau.«

Er lächelte gedankenverloren, eine Weile schwiegen sie.

»Das Laken sollten wir vielleicht fortschaffen, bevor Greta es sieht«, sagte er irgendwann nur betreten.

»Was denn, schämst du dich?«, rief Alvine und richtete sich auf.

Ihr Herz war erfüllt von Euphorie und Befriedigung. Sie sah ihn verliebt an, als er sich auf den Rücken drehte. Seufzend legte sie ihren Kopf auf seinen flachen Bauch, ihre langen Locken lagen offen und bedeckten sie und seine Beine fast komplett. Verträumt liebkoste er ihr Gesicht, ihre Nase, ihre Lippen. Sie schnappte verspielt nach seinem Finger, sodass die Kuppe ihre Zungenspitze berührte. Dann kicherten sie beide. Neue und wiederentdeckte Vertrautheit erfüllte sie. Während er ihre Haare streichelte, tanzte ihr Zeigefinger über seine Brust. Irgendwann sah sie von seinem Bauch auf, stützte ihren Kopf ab und sagte: »Ich liebe dich ganz fürchterlich.«

Es war das erste Mal, dass sie es ihm so deutlich gesagt hatte. Eine Woge des Glücks und der Erleichterung durchfuhr sie. Theodor fasste ihr Gesicht und beugte sich zu ihr, um sie zu küssen. Doch sie entwischte ihm und sprang auf seinen Schoß.

»Ach, wo ich das gerade so sehe …«, rief sie, in Hinblick auf seinen wiedererwachten Phallus, »… das wollte ich auch noch probieren …«

Bevor sie sich vereinten, küsste er sie endlich und lehnte sich dann lächelnd zurück. Die ganze Nacht liebten sie sich, wären am Morgen fast zu spät zur Fabrik oder zur Universität gekommen und fanden am Abend schelmisch grinsend ein frisch bezogenes Bett vor.

In den kommenden Wochen verbrachten sie fast jede freie Minute zusammen. Nur Veranstaltungen ähnlich von Größe und Wichtigkeit wie der alljährliche Frauentag konnten Alvine wirklich von ihrem Mann ablenken. Sie hörte die Reden an und nahm Anregungen für ihr Unternehmen mit, dann ritt sie nach Hause und erzählte Theodor davon, während sie ihn auszog.

Er gewöhnte sich an, ihr hin und wieder Rosen direkt ins Büro zu schicken.

Als sie ihn einmal fragte: »Warum Rosen in allen Farben und keine anderen Blumen?«, deutete er auf eine der Orchideen ihrer Mutter, die ebenfalls die Büroregale schmückten.

Dann auf den Strauß mit dornigen langstieligen Rosen, mit riesigen prachtvollen Köpfen, jeder in einer anderen Farbe und Nuance und erwiderte: »Du bist mehr Rose als Orchidee oder als jede andere Blume.«

Alvine spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde, als er sich über sie beugte und ihr direkt ins Ohr flüsterte: »Du bist stark und schön.«

Obwohl sie allein waren, sprachen sie leise. Solange sie nicht zu Hause in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer waren, behandelten sie ihre Gefühle nur im gedämpften Tonfall, und so vergrub sie ihr Antlitz an seiner Brust und wisperte ein schüchternes Danke.

Monatelang währende unerfüllte Lust lebten sie aus. Kamen sie nach Hause, tollten sie wie übermütige Welpen durch ihre Kissen. Auch einigten sie sich schnell darauf, erst ihre Leidenschaft zu entdecken und völlig auszuleben, ehe sie Kinder kriegen wollten. Deswegen hing bald ein seidenes Säcken mit Qualitätskondomen am Bettgestell, dessen Inhalt regelmäßig nachgefüllt wurde. Alvines Neugierde auf die tausend Möglichkeiten blieb ungebrochen und sie erfuhr den Lohn von Geduld. Unweigerlich schulte Theodor sie in der Liebe, wie er einst von so vielen Frauen unterrichtet worden war – liebevoll und spielerisch. Sie schliefen und aßen wenig, strahlten wie das blühende Leben und steckten um sie herum alle mit ihrer Fröhlichkeit an.

Seine allergische Rhinitis wirkte sich in diesem Jahr nur schwach aus, sodass Alvine immer noch nicht gemerkt hatte, welch nervenaufreibendes Leiden ihr Gatte ihren Kindern eines Tages vermachen würde.

Ihr erster Hochzeitstag stand vor der Tür. Sie verbrachten einen romantischen Urlaub auf Friedgolds Hof, dem Gut ihrer Großeltern. Dort ritten sie aus, manchmal gemäßigt, zumeist aber um die Wette, fuhren Ruderboot in der Sonne, naschten massenweise von Köchin Marthas Käsekuchen mit Erdbeeren und Sahne. Morgens gingen sie zusammen im See schwimmen, sprangen nackt in die Tiefe, ohne sich zuvor an den Temperaturunterschied zu gewöhnen, kühlten so ihre erhitzten Körper von der Nacht. Sie küssten sich unter Wasser, tauchten dabei auf, schwammen durch den Zulauf weit hinaus. Liebten sich auf dem Holzsteg in der Morgensonne. Er zeichnete sie, während sie auf Strumpf ritt, auf einer Bank saß, in der Wanne lag oder nur am Fenster stand, die untergehende Sonne in ihrem Gesicht. Und auch, als sie sich nackt auf dem Bett für ihn rekelte. »Hör auf, so zu zappeln, Alvine. Ich will deine Kurven detailgetreu einfangen.«

Er saß nackt auf der Bettkante, ein Bein angewinkelt, den Block in der linken Hand. Seine Blicke tanzten über ihre Haut. Über ihre kleinen Brüste, die sichtbaren Rippen und Bauchmuskeln, die schmalen Hüften und dünnen Oberschenkel. Äußerlich schien sie so zerbrechlich, ihr Körper bildete einen starken Kontrast zu ihrem Charakter.

»Ich zapple nicht, ich biete mich dar«, schnurrte sie.

»Ist dein Hunger noch immer nicht gestillt?«, lachte er.

»Du doch auch nicht, wie es aussieht.«

»Wie könnte ich, bei so einer Frau.«

Sie lächelte verträumt und lag tatsächlich für ein paar Minuten still, ehe sie leise gestand: »Ich hatte früher gedacht, ich sei dir unzureichend.«

»Inwiefern?«, fragte er, aufs Zeichnen konzentriert.

»Dass du lieber eine Frau mit großen Brüsten und gebärfreudigem Becken gehabt hättest. Dass du solche lieber magst.«

Überrascht sah er auf, legte in einer fließenden Bewegung seinen Block weg und beugte sich über sie. »Es ist wahr, Alvine, ich mag Frauen mit großen Brüsten. Ich mag Frauen mit Kleinen. Ich mag runde Frauen und Schlanke. Blonde und Dunkle. Aber ich liebe Alvine. Alvine, meine Ehefrau.«

Alvine lächelte und gab ihm einen Kuss.

»Und du«, fuhr er fort, »hättest dir auch einen vermögenden Mann nehmen können. Hast aber mich genommen.«

»Ja, den, der mir am besten gefallen hat.«

»Genau wie du mir. Warum soll ich eine andere Frau lieber mögen, wenn ich eine kluge, amüsante Fee haben kann, die meine Liebe erwidert und genauso auf Verrücktheiten aus ist wie ich? Das nur nebenbei: Ich finde deine süßen Kurven über Gebühr anziehend.« Er griff nach dem Zeichenblock und zeigte ihr das fast fertige Bildnis. »Schau, wie schön du bist, Alvine.«

Sie war zu gerührt und erleichtert, als dass sie etwas anderes hätte erwidern können, als noch einmal seine Nasenspitze zu küssen.

Am nächsten Morgen musste Theodor überraschend für einige Tage zu einer militärischen Übungsphase. Schon die Dritte in diesem Jahr. Ihr Urlaub war schlagartig zu Ende.

 

Esther brachte ihr Wickelkind ab und zu mit ins Büro, wenn ihre Mutter es nicht nehmen konnte, und Alvine herzte und streichelte das Kleine so oft wie möglich. Auch wenn andere Arbeiter*innen Besuch von ihren Kindern bekamen, was durchaus nicht unüblich war, blieben sie kaum von einer Umarmung der Chefin verschont. Trafen Theodor und sie bei Hohelohs zu Hause ein und ihre Bruderkinder waren von Neuem zugegen, brachte sie allen Geschenke mit und liebte es, sie auf den Schoß zu nehmen. Schon immer war Alvines Herz für Kinder offen gewesen und sie wusste, dass auch Dorothea den Tag herbeisehnte, an dem aus diesem gut aussehenden Paar endlich ein Enkelkind für sie hervorgehen würde …

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