Unternehmenssanierung, eBook

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VI. Zusammenfassung

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Eine Unternehmenskrise ist ein dynamischer Prozess. Die Existenz des Unternehmens wird zunehmend gefährdet. Unternehmen müssen Risiken in Kauf nehmen, um Chancen zu ergreifen. Daher befinden sie sich auch in guten Zeiten in einer latenten Krisensituation. Manifeste Unternehmenskrisen können vermieden bzw. ihr Verlauf positiv beeinflusst werden, sofern diese frühzeitig erkannt werden und der Unternehmensleitung somit ausreichend Handlungsspielraum verbleibt, um die notwendigen Maßnahmen zur Krisenabwehr einzuleiten. Die Krise verläuft positiv, wenn die Bestandsgefährdung abgewendet wird. Bei einem negativen Prozessverlauf endet sie in der Liquidation des Unternehmens. Der Krisenprozess kann dabei aus zwei Perspektiven betrachtet werden: Erstens, aus der (subjektiven) Wahrnehmungsperspektive, in der die Phasen potenzielle, latente, akute bzw. manifeste Krise unterschieden werden und zweitens aus der (objektiven) finanz- und erfolgswirtschaftlichen Perspektive, in der die Phasen strategische, operative bzw. Erfolgs- und Liquiditäts- bzw. Finanz-Krise unterschieden werden.

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Es wurde deutlich, dass die Entstehung von Krisen sehr komplex ist. Vielfältige Ursachen aus unterschiedlichen internen und externen Unternehmensbereichen wirken häufig zusammen und führen zu einer Krise. Krisen sind in aller Regel multikausal und multilokal. In der Krisenursachenforschung wurde versucht, die Vielzahl von Einzelursachen durch die Zusammenfassung zu Krisentypen greifbar zu machen.

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Die unterschiedlichen Ursachen bedingen sich gegenseitig und führen zu mehrstufigen Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Die Erforschung von einzelnen Krisenursachen oder eine reine Aufzählung von Krisenursachen berücksichtigen diese Ursache-Wirkungs-Beziehungen nicht. Zur Krisenerkennung sind deshalb spezielle Krisenerkennungsinstrumente notwendig.

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Hinsichtlich der Erkennung von Risiken sind zwei Vorgehensweisen gleichzeitig erforderlich: Der Bottom-up-Ansatz und der Top-down-Ansatz.

Beim Bottom-up-Ansatz werden einzelne Risiken des Unternehmens identifiziert, sukzessive gruppiert und zu einem Gesamtunternehmensrisiko aggregiert. Hierbei wird zwischen operativen und strategischen Bottom-up-Ansätzen unterschieden. Operative Ansätze nutzen überwiegend harte, quantitative Informationen und betrachten im Vergleich zur strategischen Krisenfrüherkennung einen kurz- bis mittelfristigen Zeithorizont. Strategische Ansätze zur Krisenfrüherkennung basieren auf dem Konzept der schwachen Signale. Mit diesen sollen langfristige Krisenfaktoren des Unternehmens identifiziert werden. Es wurde deutlich, dass sich operative und strategische Ansätze ergänzen, indem die operativen Ansätze zur Überwachung von kurzfristigen Risiken genutzt und strategische Ansätze zur Erkennung von langfristigen Existenzrisiken eingesetzt werden. Die Bottom-up-Ansätze müssen also sowohl operative als auch strategische Risiken berücksichtigen. Doch ist damit noch nicht gewährleistet, dass sämtliche Risiken des Unternehmens erfasst werden, weil es kein objektives Bottom-Up-Verfahren gibt, die einzelnen Risiken zu einem objektiven Gesamtrisiko zusammenzuführen.

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Der Bottom-up-Ansatz ist deswegen unbedingt durch den Top-down-Ansatz zu ergänzen. Bei einem Top-down-Ansatz wird eine Gesamtunternehmensperspektive eingenommen und das Gesamtrisiko des Unternehmens wird aus dem Jahresabschluss ermittelt, da er ein idealer „Sammler“ aller Risiken und Chancen des Unternehmens ist.

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In diesem Beitrag wurden klassische und moderne Verfahren der Jahresabschlussanalyse unterschieden. Die klassischen Verfahren erfüllen, ebenso wie die Bottom-up-Ansätze, nicht die Anforderungen an ein objektives, ganzheitliches Urteil. Moderne Verfahren der Jahresabschlussanalyse sind Bilanzratingsysteme, mit Hilfe derer die (Bilanz-)Bonität von Unternehmen auf der Grundlage einer großen statistischen Datenbasis an Jahresabschlüssen gesunder und kranker Unternehmen mit Hilfe von mathematisch-statistischen Verfahren beurteilt wird. Zu den modernen Verfahren der Jahresabschlussanalyse zählen u.a. die Multivariate Diskriminanzanalyse, die Logistische Regression und die Künstliche Neuronale Netzanalyse. Als praktisches Bsp. für ein auf einem künstlichen neuronalen Netz basierendes Bilanzratingsystem wurde das Baetge-Bilanz-Rating vorgestellt. Anhand des Baetge-Bilanz-Rating konnte gezeigt werden, dass moderne Verfahren der Jahresabschlussanalyse Unternehmenskrisen frühzeitig und treffsicher anzeigen. RiskCalc, das zweite in diesem Beitrag vorgestellte Bsp. für ein Bilanzratingsystem wurde mit Hilfe der logistischen Regression entwickelt. Es ist eine Weiterentwicklung des Baetge-Bilanz-Ratings.

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Das Baetge-Bilanz-Rating und RiskCalc erlauben nicht nur, das Bestandsrisiko eines Unternehmens als Ganzes in einem Top-down-Ansatz zu ermitteln, sondern beide Verfahren geben durch die fragengeleitete Ursachenanalyse und die individuelle Sensitivitätsanalyse auch Hinweise auf die möglichen Krisenursachen und liefern somit Ansatzpunkte für eine Unternehmenssanierung.

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Einem Anwender ist prinzipiell zu empfehlen, zur Früherkennung von Unternehmenskrisen auf die modernen Verfahren der Jahresabschlussanalyse zurückzugreifen, indem ein solches System erworben wird. Wenn ein solches Instrument zur Jahresabschlussanalyse nicht zur Verfügung steht, kann auf die klassische Analyse des Jahresabschlusses zurückgriffen werden, um ein Gesamturteil über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu bilden. Die klassische Jahresabschlussanalyse garantiert allerdings kein objektives, neutrales sowie ganzheitliches Urteil.

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Ferner wurde der Einfluss der Unternehmenskultur auf die Unternehmenskrise betrachtet. Hierbei wurde deutlich, dass eine Verschlechterung der Unternehmenskultur und der Zielerreichungsgrade der Unternehmenskulturfunktionen die Unternehmenskrise verschärfen kann. In diesem Beitrag wurde auch klargestellt, dass eine Krise auch konstruktive Auswirkungen haben kann. Ein Unternehmen, das eine Krise erfolgreich abwendet, geht im Regelfall gestärkt aus dem Krisenprozess hervor. Die erfolgreiche Krisenabwendung steht und fällt mit der frühzeitigen Krisenerkennung. Nur wenn die Krise frühzeitig erkannt wird, kann das Unternehmen rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen. Dies unterstreicht die Bedeutung der hier beschriebenen Ansätze zur Krisenfrüherkennung.

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Bestimmte qualitative und zukunftsgerichtete Informationen, sogenannte Negativmerkmale, werden durch eine Jahresabschlussanalyse nicht erfasst. Sie müssen zusätzlich zu dem Urteil durch das Bilanzratingsystem identifiziert und gemanagt werden. Negativmerkmale werden durch die Bottom-up-Ansätze erfasst. Bottom-up-Ansätze und Top-down-Ansätze ergänzen sich somit, indem Top-down die Aggregation des Gesamtunternehmensrisikos objektiviert und plausibilisiert und Bottom-up die Überwachung der Negativmerkmale abdeckt wird. Zur Erkennung von Unternehmenskrisen ist also zu empfehlen, „das eine (Bottom-up-Ansatz) zu tun ohne das andere (Top-down-Ansatz) zu lassen“.

3. Kapitel Unternehmenssanierung als Management-Aufgabe

Literatur:

Baur/Kantowsky/Schulte (Hrsg.) Stakeholder Management in der Restrukturierung, 2. Aufl. 2015; Brühl/Göpfert (Hrsg.) Unternehmensrestrukturierung, 2. Aufl. 2014, S. 195-222; Bous Die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren konzerngebundener Kapitalgesellschaften, 2001; Conner Managing at the Speed of Change, 1993; Freeman Strategic management: A stakeholder approach, 2010; IDW IDW S 6 Standard – Anforderungen an Sanierungskonzepte, 2018; Knecht/Hommel/Wohlenberg (Hrsg.) Handbuch Unternehmensrestrukturierung, 2. Aufl. 2018; Reifert (Hrsg.) Finanzielle Restrukturierung, 2011; Slatter/Lovett/Barlow Leading corporate turnaround: How leaders fix troubled companies, 2011; Slatter/Lovett Corporate Recovery: Managing Companies in Distress, 1999.

I. Einleitung



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Eine Unternehmenssanierung bzw. -restrukturierung beginnt mit einer komplexen Ausgangssituation, auf die das verantwortliche Managementteam meist nicht vorbereitet ist. Die wenigsten Unternehmenslenker machen während ihres Berufslebens die Erfahrung einer existenzgefährdenden Krise mit anschließender Restrukturierung.

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Die folgenden Kapitel behandeln zunächst die nötigen Erfolgsfaktoren zur Bewältigung einer Krise und gehen dabei auch auf Methoden des Projektmanagements sowie die Funktion des Chief Restructuring Officer (CRO) ein. So wird z.B. auch der Unterschied zwischen einem klassischen Project Management Office (PMO) und des aktiv inhaltsgetriebenen Execution Management Office (EMO) verdeutlicht.

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Mit einer Kernaufgabe der Sanierung – dem Stakeholder-Management – befasst sich der zweite Teil. Hier werden nicht nur die einzelnen Stakeholder mit ihren jeweiligen Partikularinteressen, sondern auch typische Spannungsfelder zwischen unterschiedlichen Stakeholder-Gruppen dargestellt. Abgerundet wird dieser Abschnitt mit der Vorstellung eines Ansatzes zum Stakeholder-Mapping sowie praxisrelevanten Goldstandards und auch potenziellen Fallstricken des Stakeholder-Managements.

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Von Unternehmen, die sich noch nicht in einer Ertrags- oder Liquiditätskrise, aber sehr wohl in einer strategischen Krise befinden, handelt das letzte Kapitel. Dort wird das Konzept des Pro-Active Turnaround (PAT) vorgestellt, welches sich durch seine proaktive Natur, seinen holistischen Ansatz sowie seine spezielle Ausrichtung auf das Stakeholder-Management auszeichnet. Die praktische Anwendung dieses innovativen Konzeptes wird abschließend anhand eines Unternehmens aus dem Bereich der Mineralölindustrie praxisnah beschrieben.

II. Erfolgsfaktoren bei Unternehmenskrisen

1. Besonderheiten einer Krisensituation

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Ein in die Krise geratenes Unternehmen stellt für das Management eine sehr komplexe Herausforderung dar, nicht zuletzt, weil sich die Anforderungen an die Unternehmensleitung schlagartig erhöhen. Die meisten Manager allerdings erleben in ihrer Karriere keine echte Unternehmenskrise. Wenn es denn doch dazu kommt, trifft es sie häufig unvorbereitet. Während sich der gefühlte Mikrokosmos eines florierenden Unternehmens primär aus Lieferanten, Mitarbeitern und Kunden zusammensetzt, erwarten in einer Krise deutlich mehr Parteien Informationen und Kommunikation. Kreditversicherer und Finanzierungspartner erwarten Transparenz in den Finanzkennzahlen, Betriebsräte und Gewerkschaften erwarten, in die Bekämpfung der Krise einbezogen zu werden, Eigentümer involvieren sich stärker und das, mit Fortschreiten der Krise, immer häufiger.

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Je nach Krisenstatus kommt es nicht selten dazu, dass Lieferanten ihre Zahlungsbedingungen verschärfen, Kreditversicherer die Limite kürzen und Lieferanten die Belieferung reduzieren oder gänzlich einstellen. Sollte das Unternehmen im Medieninteresse stehen oder die Produkte Teil einer erweiterten Wertschöpfungskette sein, haben auch Kunden einen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Krise. Ziehen diese aus Risikoaspekten größere Aufträge zurück, verschlechtert sich die Situation für das Unternehmen rapide. Die Mitarbeiter im Unternehmen sind auf Grund der sichtbaren Zeichen für eine Unternehmenskrise verunsichert. Wettbewerber haben in solchen Situationen ein leichtes Spiel. Sie machen Abwerbe-Angebote, in deren Folge häufig Leistungsträger das Unternehmen verlassen.

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Um adäquat gegensteuern zu können, müssen zuerst die Ursachen einer Krise schnell analysiert und transparent aufbereitet werden.[2] Nicht selten zeigen sich dabei im kaufmännischen Berichtswesen erhebliche Defizite. Während in guten Zeiten häufig der Blick auf Umsatz und Monatsergebnis als ausreichend angesehen wird, mangelt es beispielsweise in Controlling-Berichten meist an Transparenz über die in einer Krise wichtigen Key Performance Indicators (KPI). Eine auf relevanten Erfolgsgrößen basierende Ursachenanalyse vermittelt ein Bild davon, wie weit das Unternehmen bereits in der Krise steckt. Handelt es sich noch um eine Erfolgskrise oder befindet sich das Unternehmen bereits in einer Liquiditätskrise.[3]

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Eine Erfolgskrise ist durch anhaltende Verluste geprägt, die das Eigenkapital des Unternehmens aufzehren und zur (bilanziellen) Überschuldung führen können. Ursachen für eine Erfolgskrise können eine ungünstige Kostenstruktur, dauerhafter Preisverfall oder auch eine gescheiterte Krisenbewältigung in den vorangegangenen Stadien der Produkt- oder Absatzkrise sein. In der Liquiditätskrise hingegen nimmt die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit zu; fällige Zahlungsverpflichtungen können nur bedingt und wenn, dann nur mit Verzögerungen beglichen werden. Als Folge verschlechtern sich die Beziehungen zu Lieferanten, zu Kreditversicherern und Banken. Ursachen der Liquiditätskrise sind neben dem Verschleppen der Erfolgskrise z.B. unzureichendes Working-Capital-Management, ein unausgewogener Mix aus Eigen- und Fremdkapital oder auch eine falsche Investitionspolitik in der Vergangenheit.[4]

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Wenn nahezu alle Stakeholder die Unternehmensleitung zur Wahrung ihrer Partikularinteressen unter Druck setzen, hängt es maßgeblich von Erfahrung und Persönlichkeit des betroffenen Managers ab, wie stark sich die Prioritäten in der Krise verschieben. Im Normalzustand liegt der Fokus auf strategischer Ausrichtung und dem operativen Geschäft, in einer Krise hingegen dominieren der Blick auf Liquidität und die Kommunikation mit den Stakeholdern. Wenn nicht gegengesteuert wird, leidet das operative Geschäft und die negative Entwicklung beschleunigt sich.

2. Erfolgsfaktoren bei der Bewältigung einer Krise

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Krisensituationen sind gekennzeichnet durch Informationsasymmetrie zwischen den beteiligten Parteien. Die Unternehmensleitung hat vollen Zugriff auf alle Daten, Systeme und Reports aus dem Unternehmen und weiß früher als andere Beteiligte, wie es um das Unternehmen steht. Finanzierungspartner erhalten ihre Informationen meist verdichtet und deutlich später.

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Wie bereits im ersten Abschnitt ausgeführt, ist davon auszugehen, dass das Standard-Reporting in guten Zeiten aufgesetzt wurde und häufig nicht die für eine frühzeitige Krisenerkennung notwendigen Informationen enthält. Beiräte und Aufsichtsräte haben eine besondere Stellung im Unternehmen und daher tendenziell weit mehr Zugriff auf Informationen als andere Stakeholder. Der Aufsichtsrat hat sehr weitreichende Einsichts- und Auskunftsrechte, die gesetzlich vorgeschrieben sind.[5] Dennoch erfahren auch sie im Vergleich zur Unternehmensleitung eher zeitverzögert von Schwierigkeiten im Unternehmen und müssen dann reagieren.

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Drei Faktoren sind wesentlich für die erfolgreiche Bewältigung einer Unternehmenskrise:


1. Unverzügliche Erstellung eines Restrukturierungskonzeptes
2. Schnelle Umsetzung der notwendigen Restrukturierungsmaßnahmen
3. Klare, offene und regelmäßige Kommunikation mit den Stakeholdern

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Hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es sich nicht nur um eine temporäre, durch einige operative Maßnahmen abzustellende Schwächephase handelt, sondern die Ursachen für die negative Unternehmensentwicklung fundamentaler Natur sind, hat die schnelle Erstellung eines umfassenden, holistischen Restrukturierungskonzeptes oberste Priorität. Dabei gilt es, auf Basis einer schonungslosen Analyse der Krisenursachen, für das Unternehmen ein Leitbild im sanierten Zustand zu entwickeln und Maßnahmen abzuleiten, die ergriffen werden müssen, um es in den Zielzustand zu versetzen. Häufig wird dazu auf dem IDW S 6 Standard aufgesetzt, in dem die Anforderungen an Sanierungskonzepte dargestellt werden.[6]

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Zur Umsetzung des Konzeptes müssen die definierten und im Restrukturierungskonzept dargestellten operativen und finanziellen Maßnahmen implementiert sowie deren Umsetzungsstand kontinuierlich überwacht werden. Dies geschieht am besten über eine eigens zu diesem Zweck aufgesetzte Projektorganisation, die je nach Ausprägung als Programm Management Office (PMO) eine erweiterte Controlling- und Berichtsfunktion innehält oder aber als Turnaround Management Office (TMO) nicht nur Berichte über den Implementierungsfortschritt erstellt, sondern aktiv die Implementierung begleitet und treibt. Festzuhalten ist, dass ein inhaltsgetriebenes TMO, das die Projektteams bei der Implementierung aktiv unterstützt, den Restrukturierungserfolg weit besser absichert als ein eher ex-post orientiertes PMO.

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Der Kern eines Restrukturierungskonzeptes ist der Ausgleich der einzelnen Stakeholder-Interessen mit dem Ziel, jede Partei einen Beitrag zur Rettung des Unternehmens leisten zu lassen. Da aber Stakeholder gerade in einer Krisensituation sehr unterschiedliche Interessen haben, ist die Konsensfindung in diesem heterogenen Umfeld die Königsdisziplin in einer erfolgreichen Restrukturierung. Das Fundament jeder Verhandlung um Sanierungsbeiträge durch das Management sind Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Zahlen und Transparenz über die Auswirkungen zu treffender Entscheidungen seitens der Stakeholder. Die Unternehmensleitung sollte daher frühzeitig in Diskussionen mit den einzelnen Stakeholdern einsteigen, um über eine transparente Situationsanalyse verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und im Dialog ein Verständnis über die Partikularinteressen und Handlungsoptionen der teilweise im Konflikt zueinanderstehenden Stakeholdergruppen zu bekommen. Dabei wird sich die, in der Regel wenig krisenerprobte, Unternehmensleitung plötzlich mit Sonderabteilungen der Banken (Workout-Banker) und Kreditversicherern auseinandersetzen müssen. Auf Grund der unternehmensseitig häufig gering ausgeprägten Restrukturierungserfahrung herrscht schnell ein Ungleichgewicht zwischen den Parteien.[7]

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Meist sind Unternehmensleitung und Manager in der ersten Führungsebene mit der neuen Situation überfordert. Zudem ist das Vertrauen zwischen den Stakeholdern, aber auch aller Stakeholder zum Management durch die Situation beeinträchtigt, gerade auch weil das existierende Management für die mangelnde Transparenz und die schwache Kommunikation in der Vergangenheit verantwortlich gemacht wird. In diesen Fällen ist es oft sinnvoll, die Geschäftsleitung durch einen externen Chief Restructuring Officer (CRO) zu ergänzen, der als neutraler Makler zwischen den Stakeholder-Interessen im Sinne einer erfolgreichen Sanierung des Unternehmens agiert, ohne dass er für die Vergangenheit verantwortlich gemacht werden kann.

3. Bedeutung eines CRO bei der Restrukturierung

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Der Restrukturierungsprozess in einem Unternehmen in der Krise erfordert spezifisches Fachwissen, spezielle Kompetenzen und zusätzliche Kapazität für die gestiegene Anforderung einer vollumfassenden Berichterstattung über Situation der Finanzen und Fortschritt bei der Maßnahmenimplementierung. Diese Spezifika sprechen für den Einsatz eines spezialisierten „Krisenmanagers“ für den sich auch im deutschsprachigen Raum mittlerweile der Begriff des „Chief Restructuring Officer“ oder kurz „CRO“ etabliert hat. Dabei bezeichnet der Begriff gemeinhin eine temporäre (Organ-) Verantwortlichkeit, die von einem auf Restrukturierungen spezialisierten Interimsmanager übernommen wird, in dessen Funktion sämtliche Aufgaben gebündelt sind, die ein gesamtheitliches Krisenmanagement umfassen – von der Realisierung der strukturellen und operativen Maßnahmen, über die kontinuierliche Kommunikation mit den Stakeholdern bis hin zur Verhandlung einer Refinanzierung.

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Ein CRO kann als beratende Kraft für die Unternehmensleitung tätig sein oder in einer Organfunktion eingesetzt werden. Bei letzterem kommt dem Restrukturierungsspezialisten ein maßgeblicher Einfluss auf die Gestaltung der Restrukturierung zu, während er in beratender Tätigkeit an die Unternehmensleitung berichtet. In einer Organfunktion kann der CRO mit einer größeren Einflussnahme und Unabhängigkeit den Prozess eigenverantwortlich vorantreiben. In der Praxis wird oftmals mit externer Unterstützung ein Restrukturierungskonzept erstellt, das Maßnahmen zur Kostensenkung aber auch zur strategischen Neuausrichtung umfasst und den Stakeholdern als Entscheidungsgrundlage für die nächsten Schritte dient. Häufig machen Finanzierungspartner die Einsetzung eines CRO zur Voraussetzung für eine weitere (finanzielle) Begleitung in der Restrukturierungsphase.

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Eine der wesentlichen Aufgaben des CRO ist die aktive Kommunikation mit allen Stakeholdern über den Stand der Restrukturierung aber auch zur Verhandlung der individuellen Sanierungsbeiträge. Dabei ist die Tätigkeit des CRO im Sinne einer schnellen und nachhaltigen Sanierung des Unternehmens klar umsetzungsgetrieben. Während sich die Unternehmensleitung weiter um das operative Tagesgeschäft kümmert, konzentriert sich der CRO vollumfänglich auf den Erfolg der Restrukturierung, indem er das Restrukturierungskonzept umsetzt und die dort vorgesehenen Stakeholderbeiträge einfordert.

 

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In vielen Fällen gehört die Simulation von Insolvenzszenarien ebenfalls zum Aufgabengebiet des CRO, der kein Jurist mit insolvenzrechtlicher Spezialisierung sein muss, aber doch in der Regel mit dem aktuellen Stand und den wesentlichen Anforderungen des Insolvenzrechts vertraut sein sollte. In Zusammenarbeit mit den rechtlichen Beratern des Unternehmens ist er damit in der Lage, sachgerechte Handlungsstrategien zu entwickeln. Auch wenn die Restrukturierung nicht im Rahmen einer Insolvenz geführt wird, ist die genaue Kenntnis der wirtschaftlichen Stellung der jeweiligen Stakeholder in einer potenziellen Insolvenz wesentlich. Nur so können die Verhandlungen für einen Ausgleich der Interessen aller Stakeholder vor einer potenziellen Insolvenz effektiv geführt werden.

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Führungskräfte, die intensiv in ihr jeweiliges Tagesgeschäft eingebunden sind, finden in der Regel nicht die Zeit, spezifische insolvenzrechtliche Entwicklungen zu verfolgen. Gerade auch deswegen bringt der Einsatz eines entsprechend versierten Fachmanns einen evidenten Nutzen für die Führung des Unternehmens in der Krise.