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III. Stakeholder-Management als zentrale Aufgabe in einer Restrukturierung

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Als Stakeholder werden i.d.R. alle Parteien bezeichnet, die auf Handlungen eines Unternehmens Einfluss haben oder die durch die Handlungen beeinflusst werden.[8] Diese auch als Bezugsgruppen bezeichneten Akteure sind im Wesentlichen Eigentümer, Kreditgeber, das Management, Arbeitnehmer(-vertreter), Kunden, Lieferanten und Kreditversicherer. Daneben gibt es weitere Stakeholder wie z.B. Debt-Investoren oder Politiker, die innerhalb einer Restrukturierung auch eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen können.[9] All diese verschiedenen Akteure verfolgen eigene (oft divergierende) Interessen, welche in einen gesunden Einklang gebracht werden müssen. In einer Krisensituation, in der für einige Stakeholder „Alles“ auf dem Spiel stehen kann, ist es besonders wichtig, sich über die relevanten Gruppen, deren Interessen sowie potenzielle Konfliktherde Klarheit zu verschaffen. Denn alle Stakeholder müssen einen Beitrag für das Gelingen der Restrukturierung leisten, und dies sind sie nur gewillt zu tun, wenn auch ihre Interessen, zumindest in einem ihrer Machtposition entsprechendem Maße, gewahrt bleiben.

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Ein vom Management ohne Berücksichtigung dieser verschiedenen Gruppen erstelltes operatives und finanzwirtschaftliches Restrukturierungskonzept birgt ein hohes Risiko des Scheiterns und das bereits in einem sehr frühen Stadium. Primärer Fokus der auf Unternehmensseite involvierten Manager und Restrukturierungsberater muss daher sein, die einzelnen Stakeholder und deren Interessen – sowohl in Richtung des Unternehmens als auch untereinander – frühzeitig zu identifizieren, zu verstehen und mögliche Handlungsalternativen zu definieren sowie verschiedene Szenarien abzuwägen.[10]



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Im Folgenden sind die wesentlichen Grundfragestellungen des Stakeholder-Managements in der Unternehmenskrise zusammengefasst. Dieses Kapitel beantwortet daher die folgenden Fragestellungen:


- Wer sind die wesentlichen Stakeholder-Gruppen des sich in der Krise befindlichen Unternehmens und was sind ihre jeweiligen Interessen? (Abschnitt 1)
- Welche Konflikte können sich aufgrund divergierender Interessenslagen der Stakeholder während einer Restrukturierung auftun? (Abschnitt 2)
- Welche Fallstricke ergeben sich häufig während der Restrukturierung durch mangelhaftes Stakeholder-Management und wie kann man diese vermeiden bzw. adressieren (Goldstandards bzw. Best Practices)? (Abschnitt 3)

1. Wesentliche Stakeholder eines Unternehmens und ihre Partikular-Interessen

1.1 Eigenkapitalgeber

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Eigenkapitalgeber sind von einer Unternehmenskrise in doppelter Hinsicht betroffen: Zum einen ist das von ihnen eingesetzte Kapital oft wertlos (d.h. zumindest aktuell nicht veräußerbar) geworden. Zum anderen kann dieser Wertverlust eine Verschiebung der Eigentümerverhältnisse des Unternehmens hin zu Kreditgebern verursachen. Eigenkapitalgeber können in die drei Typen Private Equity-Investor, Familienunternehmen und Konzern klassifiziert werden, die aufgrund unterschiedlicher Partikularinteressen im Folgenden separat betrachtet werden.[12]

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Private Equity-Investoren sind primär daran interessiert, den Unternehmenswert innerhalb der Halteperiode (i.d.R. 3–7 Jahre) zu maximieren, um die größtmögliche Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis zu erreichen. Es ist für sie von daher entscheidend, wann innerhalb ihres Investitionszeitraums die Krise einsetzt. Steht ein Exit kurz bevor und ist dadurch die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich zusätzliche Investitionen für Restrukturierungsprogramme vor dem Verkauf nicht mehr amortisieren, werden diese oft verschoben bzw. als Wertsteigerungs-Potenziale an künftige Eigentümer weitergegeben. In sehr kritischen Situationen kann auch versucht werden, nur die erfolgversprechenden Einheiten aus dem Unternehmen herauszulösen und Kreditgebern alles andere zu überlassen.

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Bei Familienunternehmern wäre ein solches Szenario deutlich schwerer vorstellbar, da ihre emotionale Einbindung ungleich höher ist. Der langfristige Fortbestand des Unternehmens ist meist ihre oberste Priorität. Da oft auch Folgegenerationen im Unternehmen involviert sind, wird versucht, möglichst geringe Kontrollverluste durch eine Restrukturierung zu erleiden. Daher werden häufig hohe Risiken eingegangen, um eine fremdkapitalgesteuerte Restrukturierung zu vermeiden.

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Bei Konzernen steht das Überleben des Konzerns als Ganzes im Zentrum des Interesses. Man versucht einerseits zu verhindern, dass sich die Krise einer Tochtergesellschaft auf andere Teile ausweitet, möchte aber andererseits die Verbundvorteile sichern. Das Ausmaß der Bemühungen um eine erfolgreiche Restrukturierung der Tochtergesellschaft hängt dabei von ihrer Relevanz für den Gesamterfolg ab (z.B. von der Größe oder Kompetenzen). Im Fall der Entscheidung für eine Restrukturierung können aus anderen Konzernteilen Mittel und Restrukturierungs-Know-how bereitgestellt werden, die eine erfolgreiche Transformation begünstigen. Wurde gegen eine Restrukturierung entschieden, kann es entweder zu einem Verkauf oder zur Abwicklung der Tochtergesellschaft kommen. Bei Abwicklung muss allerdings die Ausgleichspflicht im Vertragskonzern beachtet werden (Quasi-Zwang zur Sanierung).[13]

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Zusammengefasst werden Eigenkapitalgeber die Restrukturierung dann unterstützen, wenn der Wert des Eigenkapitals wiederhergestellt werden kann. Dabei wird versucht, Maßnahmen der Kreditgeber, die den Wert des Eigenkapitals verwässern (z.B. Debt-Equity Swaps oder eine Kapitalerhöhung) möglichst zu vermeiden.

1.2 Kreditgeber

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Kreditgeber sind meist die entscheidenden Stakeholder in der Krise, da sie über Kreditlinien und Kreditauflagen („Covenants“) den Fortbestand des Unternehmens wesentlich beeinflussen. Ihr Hauptinteresse liegt darin, einen Großteil der gewährten Kredite inkl. rückständiger Zinszahlungen zu sichern. Die Entscheidung, ob Kreditgeber eine Restrukturierung unterstützen, hängt im Wesentlichen davon ab, ob das Restrukturierungspotenzial als größer wahrgenommen wird als die Verwertung der hinterlegten Sicherheiten.

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In einer Liquiditätskrise ist der Einfluss der Kreditgeber am größten, da kurzfristig frisches Geld benötigt wird und normalerweise kein außenstehender Dritter Liquidität zur Verfügung stellt. An die Gewährung weiterer Kredite werden jedoch Forderungen geknüpft, welche die Risikoposition der Kreditgeber verbessern sollen, z.B. über eine Ausweitung der Sicherheiten und Reportingpflichten.

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Die Banken sind oft die wesentlichen Finanzierer der Unternehmung und werden in Krisenfällen oft zum wirtschaftlichen Eigentümer. Im Restrukturierungsfall verfügen sie über eine Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten: Sie können stillhalten (Standstill, Waiver, Stundung), sanieren (Bereitstellung von Liquidität, Kapitalmaßnahmen,) oder aus dem Engagement aussteigen (M&A, Rückführung der Kredite, Forderungsverkauf). Welche Handlungsalternative gewählt wird, hängt vor allem von der Höhe des Engagements ab. Je größer dieses ist, desto eher sind sie bereit, eine aktive Rolle in einem Restrukturierungsprogramm zu übernehmen.[14] Bei unwesentlicheren Positionen, verkaufen Kreditgeber tendenziell eher (z.B. an Distressed-Debt-Investoren) oder nehmen eine passive Rolle während des Restrukturierungsprozesses ein (Delay & Pray).[15]

1.3 Management

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Das Management wird von den Eigentümern eingesetzt, um ihre Interessen in der operativen Leitungsfunktion so zu vertreten, dass sich das Unternehmen möglichst positiv entwickelt. Die Unternehmensleitung ist daher in ihrem Handeln den Eigentümern gegenüber verpflichtet. Wie in der Prinzipal-Agenten-Theorie beschrieben, verfolgt das Management jedoch auch eigene Ziele und Interessen, die sich nicht immer mit denen der Eigentümer decken (z.B. Gehalts- und Machtansprüche, Minimierung der persönlichen Risiken).

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Vor allem in Krisensituationen kann dieser Umstand zu Tage treten, wenn die Entscheidungen des aktuellen Managements als Grund der Krise angesehen werden. Meist rücken dann für Manager der Erhalt der Führungsrolle und die Wahrung der persönlichen Reputation in den Vordergrund. Spätestens dann decken sich die Interessen von Management und Eigentümern nicht mehr. Solche Situationen können theoretisch sogar dazu führen, dass die Unternehmensleitung aktiv versucht, weitere negative Entwicklungen vor den Eigentümern zu verbergen, um evtl. zeitnahe persönliche Konsequenzen zu vermeiden. Zudem ändert sich innerhalb der Restrukturierungssituation häufig das persönliche Haftungsrisiko des Managements, da andere rechtliche Rahmenbedingungen greifen (z.B. Insolvenzantragspflichten).[16]

 

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Genau dann, wenn ein Unternehmen ein starkes und schnell agierendes Managementteam benötigen würde, kommt es bei krisenunerfahrenen Managern aufgrund der zuvor genannten Gründe häufig zu zurückhaltendem, risikoaversem Verhalten, was zur weiteren Verschlechterung der Lage führt und von anderen Stakeholdern als mangelnde Führungskompetenz interpretiert werden kann.[17]

1.4 Arbeitnehmer(-vertreter)

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Arbeitnehmer sind gegenüber der Unternehmensleitung weisungsgebunden und rücken aufgrund der mit ihnen einhergehenden Personalkosten schnell in den Fokus einer Unternehmensrestrukturierung. Ihr Hauptinteresse gilt dem Erhalt des Arbeitsplatzes und damit der Sicherung ihrer Existenzgrundlage. Arbeitnehmervertretungen wie Betriebsräte und Gewerkschaften vereinen die Interessen aller Arbeitnehmer, genießen ihr Vertrauen und treten somit als starker Verhandlungspartner im Sanierungsprozess auf. Allerdings muss hierbei erwähnt werden, dass eine Restrukturierung auch meist für Arbeitnehmervertreter eine unbekannte Situation darstellt, die neue Herausforderungen und Inhalte mit sich bringt. Für den Erfolg einer Restrukturierung ist es absolut notwendig, Betriebsräte so früh wie möglich einzubinden, den betriebswirtschaftlichen Ernst der Lage zu kommunizieren und somit den Grundstein für die Akzeptanz bevorstehender Veränderungen zu legen. Die Betriebsräte müssen ihrerseits wiederum der Belegschaft die Unternehmenssituation und notwendige Veränderungen zielgruppengerecht vermitteln. Die Einbindung und das Verständnis der Belegschaft für die Situation ist auch deshalb so wichtig, da das abschließende Restrukturierungsergebnis sehr häufig auch stark von finanziellen Zugeständnissen und Einschnitten im Personalbereich abhängig ist.

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Eine nicht zu unterschätzende Herausforderung im Zuge von Personalmaßnahmen ist oft der Balanceakt zwischen Arbeitsplatzabbau gem. Sozialplan einerseits und andererseits das langfristige Halten leistungsfähiger Mitarbeiter, die für die künftige Produktivität nach der Restrukturierung wichtig sind.[18]

1.5 Lieferanten und Kreditversicherer

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Lieferanten gehören neben Banken zu den wichtigsten Stakeholdern innerhalb der Restrukturierung – durch die Lieferung der Waren und Dienstleistungen gewährleisten sie die Funktionsfähigkeit des Betriebs. Insbesondere in der Krise ist ein reibungsfreier Warenverkehr entscheidend. Da Lieferungen i.d.R. nicht sofort beglichen, sondern Zahlungsziele vereinbart werden, sind Lieferanten auch Kreditgeber. Über die Gewährung von längeren Zahlungszielen, Forderungsverzicht, verbesserte Konditionen und die kontinuierliche Warenbelieferung können Lieferanten einen wichtigen Beitrag für eine erfolgreiche Restrukturierung leisten. Ob sie dies gewillt sind zu tun, hängt davon ab, ob das eingegangene Kreditrisiko als geringer eingeschätzt wird als der potenzielle Verlust ihres Abnehmers.[19]

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Da Lieferanten meist eine recht heterogene Stakeholder-Gruppe mit vielen (unterschiedlich großen) Teilnehmern sind, besteht auf Lieferantenseite wenig Einsicht in das Gesamtgeflecht der Lieferkette. Hier kommen Kreditversicherer ins Spiel, die Transparenz über die Lieferantenstruktur und die gewährten Kreditlinien aller Lieferanten erhalten. Die Versicherer wissen, inwiefern die Linien ausgenutzt werden und müssen bei Zahlungsstörungen informiert werden, was auf die Liquidität des belieferten Unternehmens schließen lässt. Anhand der hierdurch ermittelten Bonität passen Kreditversicherer die Limite dem veränderten Risiko an und stellen Lieferanten so vor die Entscheidung, ob und inwieweit die Belieferung zu den bisherigen Konditionen beibehalten werden soll oder nicht. Daher ist es entscheidend, Kreditversicherer frühzeitig in die Restrukturierung einzubinden, um zu gewährleisten, dass die Kreditlinien möglichst großzügig ausfallen.[20]

1.6 Kunden

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Obwohl Kunden meistens nicht direkt in der Restrukturierung involviert sind, kommt auch ihnen als Einkommensquelle eine wichtige Rolle zu. Sie können durch Loyalität einerseits oder Abwanderung andererseits die Wahrscheinlichkeit eines ggf. benötigten Insolvenzverfahrens maßgeblich beeinflussen. Ob Kunden abwandern, hängt zum einen von der Verfügbarkeit von Alternativangeboten ab, welche im B2C-Umfeld in der Regel deutlich höher ist als im B2B-Bereich. Zum anderen auch von den gegebenen Rahmenbedingungen, welche gerade im B2B einen schnellen Lieferantenwechsel oft verhindern können (z.B. langjährige Verträge, gemeinsam entwickeltes Know-how, Wettbewerbsklauseln). Inwiefern Kunden bereit sind, auch einen Sanierungsbeitrag zu leisten, hängt mit der Ausprägung der Lieferanten-Abhängigkeit zusammen. Bei hoher Abhängigkeit (z.B. spezialisierte Produkte mit Single Sourcing, langwieriger Aufbau eines neuen Lieferanten), können Kunden beispielsweise über verkürzte Zahlungsziele, veränderte Preise, Lieferbedingungen oder vorgezogene Abnahmen zu einer besseren Liquiditätssituation beim Lieferanten sorgen.

1.7 Öffentlichkeit/Politik

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Die Öffentlichkeit als Stakeholder in Restrukturierungssituationen ist ein weitgefasster Begriff und kann je nach Unternehmensgröße Einfluss auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene haben. Negative Auswirkungen auf die jeweilige Region – wie z.B. Anstieg der Arbeitslosigkeit, Verlust von Steuereinnahmen, Negativschlagzeilen etc. – wollen sowohl Bürger als auch Politiker vermeiden. Allerdings sitzen diese meist nicht mit am Verhandlungstisch, da sie weder Eigen- noch Kreditgeber sind. Im speziellen Fall, wenn Länder oder der Bund selbst Aktionäre oder Bürgen sind, sowie in Fällen, in denen Fördermittel, in der Regel mit Auflagen gewährt wurden, kommt der zeitnahen und zielgerichteten Kommunikation eine noch größere Bedeutung zu. Die Einbindung der Presse sollte i.d.R. erst nach erfolgreicher Restrukturierung erfolgen, da sonst meist negative Stimmung in der Belegschaft durch die, oft wenig konstruktive, Berichterstattung erzeugt wird.

2. Stakeholder-Konflikte in einer Restrukturierung

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Die Stakeholder in einer Restrukturierung haben unterschiedliche Ziele und Interessen, woraus sich diverse Konflikte ergeben (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Stakeholder-Interessen und -Konflikte in der Restrukturierung


[Bild vergrößern]

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Auch wenn die Konflikte und Machtverhältnisse von der individuellen Sanierungssituation abhängen und sich auch im Verlauf einer Restrukturierung dynamisch verändern können, wird im Folgenden auf typische Konfliktkonstellationen eingegangen.[21]

2.1 Spannungsfeld Management – Eigenkapitalgeber (Eigentümer)

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Wie oben bereits dargelegt, spitzt sich das Prinzipal-Agenten Dilemma zwischen Management und Eigentümern während einer Sanierung zu. Die Unternehmensleitung versucht, persönliche Haftungsrisiken zu minimieren und Arbeitsplatz sowie Reputation zu retten, was häufig zu einer Status-Quo-Bewahrung und veränderungsresistentem Verhalten führt („Schockstarre“). Demgegenüber möchten die Eigentümer ihr Lebenswerk und ihr investiertes Kapital bewahren, ohne jedoch zu viel Kontrolle an Kreditgeber abzugeben. Gerade in Familienunternehmen sollen auch für Folgegenerationen relevante Positionen und Mitspracherechte erhalten bleiben. Daher ist die Risikobereitschaft bei Eigentümern deutlich stärker ausgeprägt – für sie ist mehr „at stake“.

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Erschwerend kommt hinzu, dass das Management, welches bisher den Eigentümern ggü. (relativ) weisungsgebunden agiert hat, in der Sanierung stärker verschiedene Stakeholderinteressen austarieren und auch von den Eigentümern einen Sanierungsbeitrag einfordern muss. Daher bietet es sich oftmals an, einen neutralen Restrukturierungsexperten wie einen Chief Restructuring Officer einzubinden.

2.2 Spannungsfeld Management – Arbeitnehmer(-vertreter)

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Das Spannungsfeld zwischen Management und Arbeitnehmer(-vertretern) ist oft das herausforderndste während einer Restrukturierung. Meist sind Sanierungen mit tiefgreifenden strukturellen Personalmaßnahmen verbunden (z.B. Werksschließungen, Freistellungen, Lohnverzicht), da hierdurch oft signifikante Kosteneinsparungen erzielt werden und die kurzfristige Liquidität (oft) deutlich verbessert wird. Arbeitnehmer tragen dementsprechend einen hohen Beitrag zur Sanierung bei – im Gegenzug fordern sie allerdings auch Arbeitsplatzgarantien ein bzw. Ausgleichszahlungen oder Transfergesellschaften bei Entlassungen. Dies wird in aller Regel durch Betriebsräte oder Gewerkschaften verhandelt, weshalb dieser Stakeholder-Gruppe in einer Sanierung eine sehr große Bedeutung zukommt. Wie gut diese Konflikte gelöst werden können, hängt auch stark vom Vorkrisenverhältnis zwischen Management und Arbeitnehmern ab. Ist das Vertrauensverhältnis bereits vorbelastet, wird es für das Management ohne externe Unterstützung fast unmöglich, die Verunsicherung in der Belegschaft zu vermeiden und die Transformation erfolgreich umzusetzen.

2.3 Spannungsfeld Eigenkapitalgeber – Kreditgeber

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Das Ausmaß der Konflikte zwischen Eigentümern und Kreditgebern ist stark davon abhängig, inwieweit die Kredite durch das zu sanierende Unternehmen besichert worden sind. Falls die hinterlegten Sicherheiten relativ hoch sind, haben die Kreditgeber ein geringeres Interesse, im Rahmen einer Restrukturierung viel Zugeständnisse zu machen. Sie haben dann anders als die Eigentümer im Falle einer Abwicklung wenig zu verlieren. Nicht oder schlecht besicherte Kreditgeber hingegen, haben i.d.R. auch ein hohes Interesse an einer gelungenen Transformation, so dass sie die Chance auf Rückzahlung ihrer offenen Kreditforderungen erhalten können.

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In der Praxis ist es zumal oft der Fall, dass Kreditgeber als zusätzliche Sicherheit für die Gewährung von weiteren Krediten Unternehmensanteile von den Eigentümern verlangen, so dass Eigentümer nach dem wirtschaftlichen Kontrollverlust auch juristisch enteignet würden. In diesem Zusammenhang hat sich die doppelnützige Treuhand als Instrument zur außergerichtlichen Einigung etabliert.[22]

2.4 Spannungsfeld Kreditversicherer – Kreditgeber

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In Sanierungssituationen stehen häufig Banken im Zentrum der Aufmerksamkeit, Kreditversicherer hingegen werden oft zu spät eingeschaltet. Denn zum einen leisten die Versicherer über die Aufrechterhaltung der Kreditlinien für die Lieferanten einen wesentlichen Beitrag für den Fortbestand des operativen Geschäfts, zum anderen erhalten sie als Erste Informationen bzgl. eines veränderten Zahlungsverhaltens des Unternehmens an seine Lieferanten und können von daher ggf. sogar früher Indikationen einer Unternehmenskrise erkennen als Banken.

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Banken tragen das Risiko, dass sie im Falle einer Insolvenz hohe Abschreibungen auf gewährte Kredite vollziehen müssen, daher haben sie i.d.R. ein hohes Interesse an der erfolgreichen Sanierung. Versicherer haben hingegen keine engen Verbindungen zum Krisenunternehmen – für sie wäre es mit relativ geringen Risiken verbunden, sich frühzeitig aus dem Engagement zurückzuziehen, indem Kreditlinien reduziert oder gestrichen werden. Dies wäre für die Sanierungsfähigkeit des Krisenunternehmens allerdings fatal, da die Warenbelieferung damit de facto unbesichert erfolgen müsste. Andererseits ist es auch für Versicherer von Vorteil, den Banken entgegenzukommen, da mit zusätzlichen Krediten häufig Lieferverbindlichkeiten bezahlt werden und damit das Exposure der Versicherer sinkt. In der Praxis garantieren die Versicherer daher häufig die Aufrechterhaltung der Linien im Gegenzug dafür, dass die Kreditgeber frisches Kapital für die Restrukturierung zur Verfügung stellen.