Unternehmenssanierung, eBook

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3. Kostensenkung im Kerngeschäft

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Auf Basis der zu Beginn eines jeden Sanierungsprojektes durchzuführenden Analyse des Unternehmens sollte es – zumindest im Groben – dazu führen, eine Meinung darüber zu erhalten, welche Produkte, Sortimente und Absatzmärkte sanierungsfähig- und würdig erscheinen und welche nicht. Es liegt auf der Hand, dass die von verschiedenen Seiten aufgebrachte Energie zielgerichtet zu einer schnellen Verbesserung der Ergebnissituation führen muss, wobei unterschiedliche Bereiche im Unternehmen erhebliche Potenziale aufweisen können.

3.1 Direkter Bereich

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In Abhängigkeit zur Branche und der jeweiligen Situation des Unternehmens können die Potenziale, die sich in einem Sanierungsprozess positiv auf die Liquidität und die Kosten- und Ergebnissituation auswirken, erheblich sein, wobei sich die Geschwindigkeit und die Auswirkungen auf das Ergebnis und die Liquidität erheblich voneinander unterscheiden können.

3.1.1 Beschaffung und Einkauf

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Die Professionalisierung im Bereich des Einkaufs und der Beschaffung ist in den vergangenen 10 Jahren deutlich vorangeschritten. Die Bedeutung des Einkaufs und der sich daraus für eine Sanierung ergebende Hebel ist erheblich und lässt sich aus dem Anteil der bezogenen Waren und Dienstleistungen in Relation zum getätigten Umsatz ermessen. Dies bestimmt damit auch das relative Potenzial für die Verbesserungen von Unternehmensergebnis und Liquidität.

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Je nach Branche kann der Anteil der zugekauften Materialien und Dienstleistungen eine Relation von 40–60 % am Umsatz haben, wobei dieser Anteil auch bedeutend höher sein kann. Die häufig angestellte Schlussfolgerung, dass eine Sanierung ausschließlich über einen sofortigen und entsprechend radikalen Personalabbau zu erreichen ist, scheint somit zweifelhaft. Insbesondere stehen dieser Schlussfolgerung entgegen, dass bei einem Personalabbau zuerst einmal – zum Teil in erheblichem Ausmaß – zusätzliche Kosten in Form eines Sozialplanes sowie eine erhebliche Unruhe und Demotivation im Unternehmen auftreten. Trends zu Outsourcing, zur Verringerung der Wertschöpfungstiefe und der zunehmenden Fokussierung auf die eigenen Stärken dürften weiterhin dazu führen, dass der Anteil der eingekauften Waren und Dienstleistungen in Relation zum Umsatz sogar noch weiter ansteigen dürfte. Eine Verbesserung im Bereich des Einkaufs von Waren und Dienstleistungen wirkt sich über einen Anstieg der Rohmarge oder der Deckungsbeiträge unmittelbar und vollständig auf das Ergebnis des Unternehmens aus.

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Trotz der spürbaren Professionalisierung zeigt sich weiterhin, dass eine explizite Einkaufsfunktion in vielen – gerade in kleineren und mittleren Unternehmen – nicht in der Organisation verankert ist, sondern als Bestandteil der inhaltlichen, betrieblichen Funktion (Produktion, IT, Kundenservice etc.) betrachtet wird. Die Wahrnehmung ist in den Unternehmen häufig von der implizit gemachten Unterstellung getrieben, dass die Preise für die eingekauften Materialen und Dienstleistungen schon „Marktpreise“ sein werden – die Einkaufsabteilung somit einen eher administrierenden Charakter erhält und – im Wege einer selbsterfüllenden Prophezeiung – auch häufig so ausgestaltet ist.

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Für die Probleme im Bereich des Einkaufs in einem Unternehmen lassen sich naturgemäß keine allgemeingültigen Aussagen treffen – die Erfahrungen zeigen jedoch, dass häufig ähnliche Problemstellungen auftreten. Aufgrund der Unternehmenshistorie gibt es recht häufig – in Teilen über Jahrzehnte – gewachsene Beziehungen zu Lieferanten. Das Beharrungsvermögen in den verschiedenen Bereichen eines Unternehmens „Ihren“ bewährten Zulieferer zu behalten und dieses mit der langjährigen guten Zusammenarbeit, der gelieferten Qualität sowie der Liefertreue zu begründen, ist häufig vorzufinden und stark ausgeprägt. Diese ins Feld geführten Gründe haben natürlich eine gewisse Bedeutung und sind somit in jedem Falle ernsthaft zu bewerten. Häufig zeigt sich allerdings auch, dass im Bereich des Einkaufs in der Regel ein nicht unerhebliches Maß an Intransparenz vorzufinden ist und auf dieser Grundlage ein zielgerichtetes Agieren im Unternehmen erheblich eingeschränkt ist. Die Konditionen werden häufig keinem Benchmarking unterzogen, um zu ermessen, ob die Konditionen von dem langjährigen Zulieferer aktuell immer noch den Marktgegebenheiten entsprechen oder nicht.

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Des Weiteren lässt sich – insbesondere in mittelständischen Unternehmen, in Teilen jedoch auch in international tätigen Konzernen – eine Tendenz zur Beschaffung um den eigenen „Kirchturm“ herum feststellen. Dies geht häufig einher mit einer über lange Zeit gewachsenen Lieferantenbeziehung, wobei festzustellen ist, dass die Bewertung dieser Lieferanten in der Regel nicht systematisch erfolgte und nicht in Abgleich zu den sich neu ergebenden Möglichkeiten auf den globalisierten Beschaffungsmärkten gebracht wurden. Es gibt immer wieder Situationen, in denen die Beschaffung von einzelnen Materialien oder aber Waren auf den internationalen Beschaffungsmärkten zu einer erheblichen Reduzierung der Einstandskosten führen. Darüber hinaus ist in den Unternehmen häufig eine Situation vorzufinden, in der die Prozesse der Beschaffung nicht klar geregelt sind und damit ein Wildwuchs und eine in Teilen unermessliche Vielfalt in den beschafften Artikeln vorzufinden ist. Mögliche Vorteile durch die Beschaffung von größeren Mengen zu niedrigeren Preisen werden somit häufig nicht systematisch genutzt – mit entsprechend höherer Materialeinsatzquote im Verhältnis zum Umsatz und entsprechenden negativen Ergebnisauswirkungen.

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Aufgrund der zu erwartenden großen Bedeutung des Einkaufs von Material, Waren und Dienstleistungen ist es in einer Sanierung entscheidend, dass eine ausreichende Transparenz über die eingekauften Waren und Dienstleistungen erlangt wird. Auf Basis dieser Transparenz sind diejenigen Maßnahmen zu gestalten und umzusetzen, die zu einer deutlichen Verbesserung der Ergebnis- und Liquiditätssituation führen. Die Analyse sollte nach Waren- bzw. Warengruppen, Einkaufsstandort sowie Lieferant erfolgen, um die notwendige Transparenz zu erhalten. Dafür kann es notwendig sein die u.U. nicht harmonisierten Waren und Dienstleistungen an verschiedenen Standorten des Unternehmens oder in unterschiedlichen Ländern einheitlich in Warengruppen zu erfassen, um für die weitergehende Analyse keine Vielfalt zu erhalten die faktisch nicht vorhanden ist. Dies ist wichtig um das vorhandene Einkaufsvolumen für die sich anschließenden Verhandlungen mit den Lieferanten richtig einschätzen zu können. Der Einkauf von Waren und Dienstleistungen ist jedoch nicht nur von den gewährten Konditionen abhängig. Darüber hinaus gibt es eine weitere Anzahl von Kriterien, die für die Verhandlung mit existierenden oder aber neuen Lieferanten von großer Bedeutung sind und im Vorwege klar verstanden sein müssen um nicht kontraproduktive Ergebnisse zu erzielen.

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Wesentlich ist, neben den Volumina in den verschiedenen Artikeln und denen damit im Zusammenhang stehenden Preisen, die Überprüfung der notwendigen Funktionen und Spezifikationen, die die Artikel erfüllen müssen. Neben den rein betrieblichen oder aber produktseitigen Spezifikationen, sind unbedingt auch die rechtlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich Produkthaftung, Umweltrisiken etc. zu berücksichtigen. Der mögliche Austausch von existierenden Lieferanten sollte auf mögliche rechtliche Konsequenzen (Nichteinhaltung von vertraglich vereinbarten Mindestabnahmemengen etc.) hin überprüft werden.

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Der eher mittel- bis langfristig wirkende Ansatz einer Wertanalyse[27] des Produktprogrammes und die Überprüfung der Möglichkeiten hinsichtlich von Veränderungen und Vereinfachungen in den Produkten oder gar deren veränderte und überarbeitete Konstruktion können darüber hinaus erhebliche Potenziale entfalten. Da dies jedoch in der Regel ein sehr zeitintensiver Prozess ist, sollte dieser gegebenenfalls wieder in der eintretenden Konsolidierung des Unternehmens aufgegriffen werden, um die notwendige Fokussierung auf die kurzfristig wirkenden operativen Maßnahmen aufrecht zu erhalten.

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Um auf Basis der durchgeführten Analyse die geeigneten Maßnahmen ableiten zu können, ist es im ersten Schritt notwendig, die unterschiedlichen beschafften Waren- bzw. Warengruppen und Dienstleistungen in einer für die Sanierung geeigneten Struktur zu kategorisieren:


- Materialien und Waren mit einem jeweils hohen Einkaufsvolumen, die sich durch eine geringe Komplexität auszeichnen und somit auf dem Lieferantenmarkt ohne größere Herausforderungen auf alternative Anbieter treffen würden (Kategorie A),
- Materialien und Waren mit einem jeweils geringen Einkaufsvolumen und einer geringen Komplexität auf dem Lieferantenmarkt (Kategorie B),
- Materialen und Waren mit einem jeweils geringen Einkaufsvolumen und einer hohen Komplexität auf dem Lieferantenmarkt (Kategorie C),
- Materialen und Waren mit einem jeweils hohen Einkaufsvolumen, die sich durch eine hohe Komplexität auszeichnen und somit von strategischer Bedeutung auf dem Lieferantenmarkt sind (Kategorie A).

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Eine solche Einordnung der verschiedenen von einem Unternehmen beschafften Materialen und Waren ist hilfreich, um den Fokus entweder auf einen schnellen und maßgeblichen wirtschaftlichen Erfolg zu legen oder aber strategisch von großer Bedeutung sind und somit ein besonderes Augenmerk verlangen (Kategorie A). Dies heißt allerdings nicht, dass die Materialen und Waren in den Kategorien B und C zu vernachlässigen sind. Aufgrund der geringeren Komplexität in Kategorie B sind dort unter Umständen mit entsprechenden Maßnahmen auch kurzfristig signifikante Einsparungen für das Unternehmen zu realisieren. Kategorie C erscheint am wenigsten attraktiv, sollte in jedem Fall aber auch mit betrachtet werden, da in diesem Fall mit einer gewissen Abhängigkeit aufgrund der erhöhten Komplexität zu rechnen ist.

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Die Möglichkeiten Einsparungen im Bereich von Material, Waren und Dienstleistungen zu realisieren, sind naturgemäß sehr umfangreich und können sich in Abhängigkeit zur Branche deutlich voneinander unterscheiden. Darüber hinaus sind in einer Sanierung auch nicht alle Maßnahmen gleichermaßen geeignet, da sie sich in der Komplexität der Umsetzung sowie in der Geschwindigkeit teilweise deutlich voneinander unterscheiden.

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Maßnahmen im Bereich der Anpassung der Konditionen erfüllen erfahrungsgemäß die Anforderungen an die Umsetzungsgeschwindigkeit und an die direkte Wirkung auf das Ergebnis und die Liquidität einer Unternehmung. Sie zielen darauf ab, eine direkte, positive Wirkung auf den Einstandspreis zu entfalten. Einfache Preisvergleiche von verschiedenen Lieferanten auf Basis des vorhandenen Volumens, die Neuausschreibung des benötigten Volumens oder aber die Verlagerung der Beschaffung weg vom „Kirchturm“ – Prinzip in Länder mit niedrigeren Kosten können hierbei zu einem erheblichen Erfolg führen. Bei der Verlagerung in sog. „Niedriglohnländer“ ist allerdings zu beachten, dass die benötigte Lieferfähigkeit in Bezug auf Geschwindigkeit und auch Qualität erreicht werden kann, was den Prozess oftmals zeitlich aufwendiger gestaltet bis ein neuer Lieferant gefunden wurde. Die Realität zeigt, dass in der Regel der systematische Vergleich von Einstandspreisen von verschiedenen Anbietern einen Prozess bei existierenden Lieferanten in Gang setzt, der sich bereits vorteilhaft auswirkt. Darüber hinaus sollte ein bloßes nachverhandeln von bestehenden Preisen und auch Zahlungsbedingungen in jedem Fall ins Auge gefasst werden. In der Regel haben existierende Lieferanten ein hohes Interesse, Kunden zu halten und ihnen gegen Zugeständnisse wie der Verlängerung von bestehenden Verträgen zu „helfen“.

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Eine weitere Maßnahme, die in der Krise erhebliche Ergebniswirkung entfalten kann, liegt in der Bündelung von Volumen von bezogenen Materialien, Waren und Dienstleistungen. Auf Basis der durchgeführten Analyse der beschafften Materialen kann eine Bündelung der Mengen aus verschiedenen Standorten und über verschiedene Material- und Warengruppen auf einen Lieferanten erfolgen. Dies macht das Unternehmen für den Lieferanten deutlich attraktiver – mit entsprechenden Auswirkungen auf die gewährten Einstandspreise sowie Zahlungsbedingungen. Die Praxis zeigt immer wieder, dass in diesem Bereich erhebliche Potenziale zu realisieren sind. Historisch gewachsene und über Jahre oder gar Jahrzehnte existierende Lieferantenbeziehungen werden regelmäßig verlängert, ohne dass die unternehmensweite Bündelung der Mengen erfolgt. Die Erfahrungen zeigen auch, dass es häufig möglich ist, die Bündelung von Warengruppen auf bestimmte Lieferanten durchzuführen. Die Anzahl der Lieferanten für die volumenmäßig größten Waren und Materialien kann auf einige wenige reduziert werden. Dies führt zu einem deutlichen Anstieg des Unternehmens in der „Wertschätzung“ der Lieferanten, was wiederum entsprechende Kosteneinsparungen und Liquiditätsvorteile nach sich zieht. Desweiteren ist es aufgrund des höheren Volumens pro Lieferant möglich, die Bestandsmengen im eigenen Unternehmen zu verringern, was zusätzliche Vorteile für die Liquidität durch ein geringeres working capital mit sich bringt.

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Maßnahmen, deren Wirkung eher nicht so signifikanten Einfluss haben oder sich aber erst mit einem gewissen Zeitverzug positiv auf die Ergebnissituation im Unternehmen auswirken, sind durch die Veränderung in der Herstellung der beschafften Güter und deren technischer Spezifikation, in der Anpassung von Prozessen, der stärkeren Integration von Lieferanten oder aber durch das Outsourcing der Produktion von sog. C-Artikeln gegeben. Die Veränderungen in der Spezifikation, Funktion oder aber in dem Produktionsverfahren kann über den Einsatz von anderen Materialen, den Wegfall von überflüssigen Funktionen oder aber von Komponentenfertigung zu entsprechenden Einsparungen führen. Es ist allerdings intuitiv einsehbar, dass die Umsetzung dieser Maßnahmen – nach Umfang der initiierten Veränderungen oder aber in Abhängigkeit zur Branche – mit erheblichen Zeit- und/oder Ressourcenaufwand verbunden sein kann. Unter Umständen müssen für weitergehende Produktveränderungen neue Zertifizierungen oder Produkttests durchgeführt werden und erscheinen somit nicht als geeignet für Unternehmen in einer Sanierungssituation.

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Die Analyse der vorhandenen Prozesse in der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen zeigt häufig zusätzliche Potenziale. Allerdings bedingen Veränderungen in den Prozessen einen relativ hohen Initialaufwand und die Reduktion der Kosten führt erst über den Zeitablauf zu einer Verbesserung des Ergebnisses. Zu diesen prozessgetriebenen Veränderungen in der Beschaffung gehören die Einführung von E-Procurement, von Konsignationslägern der Zulieferer mit großem Volumen sowie die Reduktion der Schnittstellen im Beschaffungsprozess. Desweiteren kann es bei einer Beschaffung von Rohstoffen im Fremdwährungsraum sinnvoll sein, ein entsprechendes Hedging der unterschiedlichen Währungen durchzuführen, um die Unsicherheiten in der Beschaffung durch Wechselkursveränderungen zu reduzieren.

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Wie bereits Eingangs beschrieben, kann der Erfolg der Sanierung in wesentlichen Teilen von den Maßnahmen im Bereich der Beschaffung abhängen. Umso wichtiger ist es, die verabschiedeten Maßnahmen konsequent zu monitoren und bei Abweichungen unverzüglich entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Da das Einkaufsvolumen verschiedener Komponenten über die Jahre in der Regel nicht statisch ist, muss hierbei frühzeitig einer Herausforderung begegnet werden, die sich insbesondere bei Fehlen eines konsistenten Beschaffungscontrollings ergibt. Die möglichen Einsparungspotenziale werden in der Praxis häufig dadurch ermittelt, dass die beschafften Volumen mit den neuen – reduzierten – Preisen multipliziert werden, um die entsprechenden Auswirkungen auf das Ergebnis und die Liquidität ermessen zu können. Hierbei ist es von außerordentlicher Bedeutung, nicht nur die Summe der Kosten zu monitoren, sondern auch die Veränderungen im beschafften Volumen sowie die u.U. eingetretene, strukturelle Veränderung in den beschafften Artikeln. Im anderen Fall besteht die nicht unerhebliche Gefahr, dass aus einer aggregierten Betrachtung Rückschlüsse auf den Erfolg oder Misserfolg gezogen werden, die lediglich durch eine Veränderung im Mix der beschafften Artikel oder aber durch Volumenveränderungen determiniert ist.

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Nachdem die ersten Erfolge im Einkauf erzielt wurden, ist es wichtig, ein „Abgleiten“ in alte Verhaltensmuster zu unterbinden. Hierfür ist es von großer Bedeutung, die bereits angesprochenen Prozessveränderungen und ein valides Controlling zu etablieren, das über ein Nachhalten der Preise, Volumen und Qualitäten eine hinreichende Transparenz bietet. Nur so wird die Grundlage geschaffen, um von einem projektgetriebenen Ansatz zu einem in der Ablauf- und Aufbauorganisation verankerten kontinuierlichen Prozess auch für zukünftig sich bietende Potenziale für das Unternehmen zu nutzen und eine entsprechend nachhaltige Veränderung zu etablieren. Hierfür sollten entsprechende Steuerungskennzahlen im Unternehmen etabliert und mit entsprechenden Zielvereinbarungen verknüpft werden.

3.1.2 Produktion

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Die meisten oder gar alle in einem Unternehmen vorhandenen Funktionsbereiche treffen in der Produktion in irgendeiner Weise aufeinander. Bestellungen von Kunden müssen mit der Beschaffung von Rohmaterialien und zugekauften Teilen in Einklang gebracht werden. Anforderungen hinsichtlich Qualität sowie Liefertreue müssen erfüllt werden, der Ausschuss in der Produktion sollte möglichst niedrig gehalten werden und die innerbetriebliche Logistik muss effizient erfolgen, um die unnötige Bindung von Kapital in einer ausufernden Komplexität zu verhindern. Auch wenn die Kosten in der Produktion selbst unter Umständen aufgrund höherer Kosten im Materialeinkauf oder aber Vertrieb nicht den größten Kostenblock darstellen, muss in der Produktion häufig die Komplexität im Unternehmen gemanagt werden, womit Ihr eine entsprechend hohe Bedeutung für den Sanierungserfolg zukommt. Im Gegensatz zu anderen Bereichen im Unternehmen muss es bei den operativen Sanierungsmaßnahmen in der Produktion darum gehen, trotz der erheblichen Komplexität diejenigen Stellhebel zu identifizieren, die schnell zum Erfolg der Sanierung durch Absenkung der Kosten und/oder Freisetzung von Liquidität beitragen.

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Aufgrund der Komplexität in der Produktion sind die sich daraus ergebenen Ursachen für Ineffizienzen häufig durch Wechselwirkungen geprägt, die sich unter einer Überschrift zusammenfassen lassen: Verschwendung! Die Formen von Verschwendung können sehr unterschiedlich sein, münden jedoch nahezu immer in zu hohen Kosten. Die folgende Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, gibt jedoch einen Hinweis darauf, wie umfangreich die Probleme sind und wie herausfordernd die richtige Wahl der Maßnahmen sein kann, um schnelle Erfolge zu erzielen:


- Mangelnde bzw. unklare Kommunikationsprozesse zwischen Vertrieb bzw. Kundenservice mit der Produktion hinsichtlich der Kundenwüsche mit der Konsequenz von Stillstand, Ausschuss und zusätzlichen Kosten in der Logistik zur Einhaltung der Liefertreue,
- Mängel im Produktionsplanungsprozess, hervorgerufen durch organisatorische und/oder systemseitige Ursachen, mit dem Ergebnis, dass Materialen und/oder Werkzeuge nicht zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sind mit der Folge von erhöhten Kosten,
- um bekannte Mängel im Produktionsplanungsprozess zu umgehen, werden sowohl Werkzeuge als auch Materialien innerhalb des Produktionsprozesses vorgehalten; das gebundene Kapital steigt erheblich an ohne das damit eine kausale Wertschöpfung verknüpft ist – die dafür benötigen zusätzlichen Flächen und der Aufwand für die innerbetriebliche Logistik steigen an,
- unzureichende Planung des Arbeitsanfalls an den Arbeitsplätzen führt zu entsprechendem Leerlauf und Anstieg der Kosten,
- mangelnde Berücksichtigung von Engpässen in bestimmen Fertigungsschritten oder von bestimmen Maschinen mit einem entsprechenden Stillstand in nachfolgenden Fertigungsstufen,
- unzureichende präventive Instandhaltungsmaßnahmen mit der Konsequenz von Maschinenausfällen während der Produktion mit entsprechender Entstehung von Leerkosten,
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In der Praxis lässt sich häufig feststellen, dass über das organische Wachstum bzw. im Zeitablauf eintretende Veränderungen und damit einhergehende Anpassungen im Produktionsprozess nicht konsequent berücksichtigt werden. Im Ergebnis konnten dadurch „Insellösungen“ entstehen, die dann im Anschluss nicht in einem Gesamtzusammenhang bewertet wurden. Häufig führt das Hinterfragen bestehender Strukturen und Prozesse in der Produktion über die Frage „Warum so?“ zu ersten Hinweisen darauf, welche Maßnahmen – auch kurzfristig – zu einer Steigerung der Effizienz führen und damit positive Auswirkungen auf die Stückkosten haben.

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Operative Sanierungsmaßnahmen sollten kurzfristig wirken und somit einen direkten, positiven Einfluss auf Kosten und/oder die Liquidität haben. Zwingende Voraussetzung ist eine entweder vorhandene oder aber bereits zu Beginn des Sanierungsprozesses hergestellte Transparenz, die es ermöglicht, ein Bild über die Kosten in verschiedenen Abteilungen/Bereichen und Fertigungsstufen auf Ebene der unterschiedlichen Produkte zu erlangen. Sofern diese Transparenz nicht vorhanden ist besteht die inhärente Gefahr, dass die entwickelten Maßnahmen zwar die Kosten senken, jedoch nicht fokussiert auf diejenigen Produkte oder aber Bereiche abzielen, in denen die höchsten Potenziale vorhanden sind.

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Aufgrund der vielfältigen und von Betrieb zu Betrieb unterschiedlichen Herausforderungen sollen an dieser Stelle nur exemplarisch häufig auftretende Maßnahmen aufgeführt werden, die eine kurzfristige Wirkung entfalten können:


- die Beseitigung von Engpässen in der Produktion, um die Entstehung von Leerkosten im nachfolgenden Produktionsprozess zu reduzieren. Sofern zusätzliche Investitionen zur Erhöhung der Kapazität notwendig sind, sollte in jedem Fall eine Lösung über eine Fremdvergabe/Zukauf in Betracht gezogen werden. Ziel muss es sein, die Leerkosten soweit wie möglich zu reduzieren,
- sofern Leerkosten (also die unzureichende Nutzung von vorhandenen Produktionskapazitäten) bereits ein Problem darstellen sollten, kann es auch sinnvoll sein, kurzfristig Fremdfertigungsaufträge zu akquirieren, um somit eine Deckung der existierenden Fixkosten zu erlangen und einen Liquiditätszufluss zu erzeugen, Allerdings sollte dies nur in Betracht gezogen werden, wenn die zusätzliche Erhöhung in der Komplexität gering ist.
- Erstellung eines Bewegungsprofils und der tatsächlichen Auslastung pro Arbeitsplatz mit dem Ziel, nicht wertschöpfende Wege und unproduktive Zeiten zu eliminieren. Hierbei bekommt auch die Reihenfolge, in der die unterschiedlichen Tätigkeiten verrichtet werden, eine Bedeutung. Ziel muss es sein, die Produktivität zu erhöhen und somit die Stückkosten zu senken,
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- Rüstzeiten spielen bei Unternehmen – insbesondere in der Kleinserienfertigung – eine erhebliche Rolle. Durch die relativ geringe Auslastung des Maschinenparks ist es von erheblicher Bedeutung, die Rüstzeiten ebenfalls einer Überprüfung zu unterziehen, um auch hier die Kosten zu senken,
- Review der Kommunikationsprozesse in der Produktion mit dem Ziel, durch eine höhere Klarheit über die Kundenwünsche am Anfang des Produktionsprozesses zeit- und kostenaufwendige Korrekturen und Nacharbeiten deutlich zu reduzieren,
- Review des Produktionsplanungsprozesses, um die Durchlaufzeiten zu erhöhen und die u.U. vorhandenen „Pufferläger“ zu reduzieren, um die Kosten zu senken und Liquidität zu schaffen,
- Prüfung der vorhandenen Produktionsmittel und deren Nutzung – bei Identifizierung von nicht betriebsnotwendigen Vermögen sollte dies entsprechend veräußert werden,
- Einführung einer präventiven Instandhaltung der Anlagen, die grundsätzlich außerhalb der normalen Betriebszeiten stattfindet. Stillstandzeiten in der Produktion werden reduziert und die Effizienz in der Instandhaltung gesteigert, da der Zielkonflikt von Produktion und substanzieller Instandhaltung der Anlagen aufgelöst wird.

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Häufig lässt sich feststellen, dass traditionell ein sehr starker Fokus im Bereich der Auslastung der vorhandenen Produktionsmittel liegt. Erfahrungsgemäß ist jedoch auch eine relativ hohe Anzahl von Ressourcen in der innerbetrieblichen Logistik involviert bei der es ausschließlich um die Ver- und Entsorgung von Rohmaterialien, Werkzeugen sowie den produzierten Waren geht. Da es sich in der Wahrnehmung hierbei um Tätigkeiten handelt, in denen keine direkte Wertschöpfung erfolgt wird in diesem Bereich häufig nicht – oder nur rudimentär – geplant, was erhebliche Potenziale brach liegen lässt, insbesondere deswegen, weil diese innerbetriebliche Logistik nicht an den Einsatz von Maschinen geknüpft ist, somit die Hürden für die Optimierung niedrig sind. Sofern ein Unternehmen über mehrere Produktionsstandorte verfügt, besteht über die bereits aufgeführten Maßnahmen hinaus die Möglichkeit, die verschiedenen Standorte auf bestimmte Produkte oder Fertigungsstufen zu fokussieren ohne dass dies automatisch zu zusätzlichen Investitionen führen muss. Bedingt durch die historische Entwicklung eines Unternehmens ist der Spezialisierungsgrad in den unterschiedlichen Standorten häufig nicht sonderlich hoch. Die Produktion erfolgt dort, wo z.B. montiert wird – mit einer entsprechend hohen Fertigungstiefe und innerbetrieblichen Komplexität. Über ein Tauschen von Volumen über verschiedene Betriebe kommt es über das höhere Maß an Spezialisierung zu Losgrößenvorteilen, Rüstzeiten werden verringert und u.U. zu einer höheren Qualität. In jedem Fall werden durch eine geringere Fertigungstiefe am Standort die Kosten der Komplexität reduziert. Durch die gegebene Komplexität ist die Suche nach der einen, heilsbringenden Idee, meist vergebens. Vielmehr muss es in der Produktion darum gehen, diejenigen detaillierten Maßnahmen zu ergreifen, die in Ihrer Gesamtheit auch kurzfristig zu entsprechenden Ergebnisverbesserungen führen. Ein entsprechend detaillierter Plan, in dem die einzelnen Maßnahmen aufgeführt sind und in dem der Grad der Umsetzung entsprechend nachgehalten wird, ist zur Erfolgskontrolle unerlässlich. Strukturelle Veränderungen führen in der Regel zu bedeutenderen Effekten, sind aber keinesfalls kurzfristig umzusetzen und bedingen aufgrund der Komplexität der vorgefundenen Problemstellung meist eine sehr viel intensivere Analyse und in Teilen auch zusätzliche Investitionen, um zur Umsetzung zu gelangen.