Unternehmenssanierung, eBook

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4. Kostensenkung in den unterstützenden Prozessen

4.1 IT

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Die IT in einem Unternehmen hat hauptsächlich die Aufgabe die Geschäftsprozesse in einem Unternehmen, ggf. auch mit seinen Kunden und Lieferanten, effizient zu unterstützen und darüber hinaus über ein strukturiertes zur Verfügung stellen der Daten die Transparenz für Managemententscheidungen herzustellen. Mangelnde Kommunikation, fehlender Fokus von Seiten des Top-Managements, mangelndes Verständnis dafür, dass die IT die Geschäftsprozesse lediglich unterstützt, eine unzureichende bzw. veraltete IT-Infrastruktur, Technik-Verliebtheit etc. sind die Ursachen für die vielschichtigen Probleme in der IT und können somit Auswirkungen auf die anderen Bereiche des Unternehmens haben.

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In einer Sanierung muss es im Bereich der IT somit zum einen um die direkt in der IT wirkenden Maßnahmen gehen, darüber hinaus sind jedoch auch die positiven Effekte durch Veränderungen in der IT auf die anderen Bereiche im Unternehmen von großer Bedeutung.

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Für den IT – Bereich ist im Rahmen der Sanierung zu prüfen, ob die Kosten durch Veränderungen in der „Fertigungstiefe“ zu reduzieren sind. Das Vorhalten von Rechenzentren, IT-Infrastruktur, speziellem know how für bestimmte Anwendungen sowie der Support gehören hierbei auf den Prüfstand. Insbesondere dann, wenn eine Anpassung der IT an neue technologische und andere sich verändernde Faktoren angeraten scheint, muss die Fragestellung nach dem „make or buy“ klar beantwortet werden. Die Vorteile liegen hierbei auf der Hand. Ein externer Dienstleister ist aufgrund seiner Spezialisierung, im Hinblick auf das notwendige know how sowie seiner „economies of scale“ in der Lage, den notwendigen Grad der professionellen Betreuung zu entsprechenden Kosten zu gewährleisten. Insbesondere in kleineren und mittelständischen Unternehmen ist die Aufrechterhaltung des know how im Unternehmen aufgrund der hohen Veränderungsgeschwindigkeit in der IT zu vertretbaren Kosten nahezu unmöglich. Die aktuelle IT – Struktur inklusive der Beschreibung der aktuell durchgeführten Aktivitäten gehört auf den Prüfstand mit dem Ziel, einen klaren Maßnahmenplan zur Senkung der IT – Kosten über die Auslagerung von Teilbereichen zu erzielen. Die Analyse sollte auch die im Unternehmen befindliche IT- Hardware mit berücksichtigen – sehr häufig ist eine große Vielfalt an Hardware – Komponenten im Unternehmen im Einsatz der hohe Komplexitätskosten nach sich zieht und Bündelungseffekte mit entsprechend besseren Einkaufskonditionen unmöglich macht.

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Hinsichtlich der Wechselwirkung mit anderen Bereichen im Unternehmen lässt sich immer wieder feststellen, dass – so banal es klingen mag – mangelnde Kommunikation die Hauptursache für Ineffizienzen und das nicht realisieren von nicht genutzten Potenzialen darstellt. Die nicht erfüllten Anforderungen der verschiedenen betrieblichen Bereiche müssen in einem ersten Schritt systematisch erfasst und mit einem entsprechenden Kostensenkungspotenzial versehen werden. Die so entstandene Anforderungsliste sollte dann unter der Berücksichtigung der notwendigen Ressourcen und den dadurch zu realisierenden Vorteilen klassifiziert und abgearbeitet werden. Hierbei haben unklare Beschreibungen dessen, was das gewünschte Ziel der Nutzer ist, zu unterbleiben. Nur so kann eine effiziente und zielgerichtete Unterstützung aus der IT erfolgen. Durch die historisch zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingeführten Programmlösungen sowie die im Laufe der Zeit veränderten Anforderungen kommt es z.B. zu Stillstandzeiten, Programmabbrüchen oder aber zu vielfältigen Mehrfacherfassungen. Immer wieder lassen sich durch eine fokussierte Abarbeitung und eine verbesserte Kommunikation erhebliche Produktivitäts- und Kostenvorteile in verschiedenen Bereichen des Unternehmens realisieren.

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Um Fehlentwicklungen möglichst im Ansatz zu unterbinden, sollte die Zusammenarbeit der IT mit den sonstigen Bereichen im Unternehmen über entsprechende, verbindliche Verabredungen über den Servicegrad (SLA = Service Level Agreement) erfolgen – dies führt allerdings zu keinen sofortigen Einsparungen sondern hat vielmehr einen strukturellen Charakter.

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Desweiteren ist in der IT häufig ein mangelhaftes Projektmanagement in Zusammenhang mit der Herausforderung, bestehende Systeme weiterzuentwickeln und neue Lösungen zu implementieren, erkennbar. In der Sanierung ist es unumgänglich, eine Bestandsaufnahme durchzuführen und eine anschließende Bewertung vorzunehmen. Der Fokus muss auf diejenigen Projekte gelegt werden, die zur Aufrechterhaltung des Betriebes und zur direkten Verbesserung im Leistungserstellungsprozess führen – also eine klare Unterscheidung in „nice to have“ und „need to have“. Vor diesem Hintergrund muss auch der Mut vorhanden sein, bereits begonnene Projekte, die in die erste Kategorie fallen sofort zu beenden um das vorhandene know how und die finanziellen Ressourcen gezielt einzusetzen.

4.2 Finanzen und Controlling

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Die direkten Möglichkeiten im Bereich Finanzen und Controlling durch kostensenkende Maßnahmen zum Erfolg einer Sanierung beizutragen, sind in der Regel sehr eingeschränkt. Allerdings kommt dem Bereich innerhalb der Sanierung eine herausragende Rolle durch das zur Verfügung stellen der notwendigen, erfolgskritischen Informationen als auch die aktive Steuerung der Liquidität zu. Neben der Überschuldung stellt die Zahlungsunfähigkeit ein weiteres Insolvenzkriterium dar. Im Finanzbereich gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die sofort ergriffen werden sollten, um primär die Zahlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten und zu verbessern. Dazu gehört das gesamte, aktive Management des Working capitals in einem Unternehmen. Die wesentlichen Maßnahmen sind:


- Verbesserung der Zahlungsbedingungen (Vorkasse, Zahlungsziele verkürzen, konsequente Verfolgung der Mahnungen, Einsatz von Inkassofirmen, Verkauf von Forderungen (Factoring),
- Reduktion des Umlaufvermögens durch den Abbau von zu hohen Beständen, Reduktion von Puffern, Einführung von Systemen zur optimalen Vorratshaltung, Verlagerung von Roh-, Hilfs-, und Betriebsstoffen in Konsignationsläger,
- Verbindlichkeiten in Absprache mit Lieferanten langsamer bedienen, Vereinbarung von Sonderkonditionen, Teilerlass von Verbindlichkeiten (u.U. mit Besserungsschein),
- Nachverhandeln von Finanzierungskonditionen.

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Dem Controlling kommt innerhalb der Sanierung insbesondere die Aufgabe zu, die verschiedenen initiierten Maßnahmen zu monitoren und in einer integrierten Ertrags-, Liquiditäts- und Bilanzplanung transparent zu machen. Darüber hinaus ist die Transparenz des gesamten Unternehmens in einem entsprechenden Detaillierungsgrad von herausragender Bedeutung. Ohne die notwendigen Steuerungsinformationen besteht die Gefahr, dass Fehlentwicklungen nicht oder aber zu spät identifiziert werden, um entsprechende Gegenmaßnahmen zu entwickeln und zu implementieren.

IV. Reduktion der Unternehmenskomplexität

1. Komplexität in Unternehmen

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In Gesprächen mit Führungskräften von Krisenunternehmen können diese schnell einige Gründe für die wirtschaftliche Schieflage identifizieren. Neben exogenen Faktoren wie Nachfrageverschiebungen oder dem Auftreten von Technologiesprüngen werden regelmäßig auch endogene Gründe wie nicht angepasste Kostenstrukturen oder Fehleinschätzungen bei der Geschäftsentwicklung genannt.

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Die detaillierte Analyse der Krisenursachen bringen dann auch genau diese genannten Faktoren an die Oberfläche. Die Analyse zeigt in der Regel aber auch, dass nicht isolierte Faktoren zu einer schnellen oder schleichenden Ergebniserosion geführt haben, sondern vielmehr eine Überforderung des Managements bei der Beherrschung der Krisentreiber im Inneren des Unternehmens und denen aus seiner relevanten Umwelt sowie ihrer vielfältigen Interdependenzen. Mit anderen Worten: die verbindende Klammer um viele Krisensituationen ist ein ungenügendes Komplexitätsmanagement.

1.1 Formen von Komplexität in der Unternehmenssphäre

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Da Komplexität jedem System immanent ist, ist sie auch für Entscheidungen und Handlungen innerhalb des Systems „Unternehmen“ von zentraler Bedeutung. Um ein Verständnis für die Entstehung und Wirkung von Komplexität im betrieblichen Umfeld zu entwickeln und daraus Mechanismen für den Umgang mit Komplexität ableiten zu können, benötigt der Manager eines Unternehmens eine Erklärungsstruktur, welche sich für das System „Unternehmen“ am einfachsten aus der Systemtheorie ableiten lässt.[31] In der Systemtheorie werden komplexe Systeme (wie Unternehmen) als Kombination von Elementen und ihrer Verknüpfungen beschrieben. Die Komplexität in so einem komplexen System ist abhängig von der Anzahl der Elemente, der Anzahl von Verknüpfungen zwischen den Elementen und der Art dieser Verknüpfung. Eine weitere relevante Komponente für die Steigerung von Komplexität sind die Beziehungen des Systems zu seiner Umwelt. Grundsätzlich ist im Sinne der Systemtheorie alles Umwelt, wovon sich ein System abgrenzt und auch abgrenzen kann. Die Verknüpfungen zu den Systemen der eigenen Systemumwelt erzeugen nun weitere Komplexität, so dass durch Verknüpfungen aller Elemente des eigenen Systems mit beliebig vielen Elemente der Systemumwelt auch ein beliebig großes Maß an Komplexität entstehen kann.[32] Dies führt mithin dazu, dass komplexe Systeme und ihr Gesamtverhalten auch dann nicht vollständig antizipiert und verstanden werden können, wenn vollständige Informationen über die einzelnen Elemente und ihre Interdependenzen vorliegen. Entscheidungen in komplexen Systemen sind demnach immer Entscheidungen unter Unsicherheit und deren Ergebnisse können lediglich mit Eintrittswahrscheinlichkeiten prognostiziert werden.[33]

 

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Diese Entscheidungen unter Unsicherheit in Konstellationen mangelhafter Komplexitätsbeherrschung führen Unternehmen häufig in Krisensituationen, ohne dass das Management in der Lage wäre, die Wechselwirkungen zwischen den Krisenauslösern hinreichend zu beschreiben. Um diesen Schritt zu ermöglichen, muss nun, nachdem erläutert wurde, wie Komplexität beschaffen ist, die oben angesprochene Erklärungsstruktur um die Treiber für den Anstieg von Komplexität im System ergänzt werden:

Abb. 3: Exemplarisches Treibermodell für die Komplexität im Unternehmen


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Die Komplexitätstreiber für die Steigerung der Komplexität liegen zum einen in den Elementen des Unternehmens begründet und erzeugen die endogene Komplexität, zum anderen aber auch in seiner Umwelt, welche die exogene Komplexität begründen, so dass ein Treibermodell für die Komplexitätsbeherrschung diese beiden Bereiche abbilden muss.[34]

1.1.1 Endogene Komplexität

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Im Inneren eines Unternehmens lassen sich verschiedene Treiber identifizieren, welche entscheidenden Einfluss auf den Grad der Gesamtkomplexität und damit auch auf die Krisenanfälligkeit eines Unternehmens haben. Neben einer Reihe von sekundären Treibern können sieben Komplexitätsbereiche als wesentliche Komplexitätstreiber herausgestellt werden:


a) Die strategische Komplexität beruht in der Regel auf dem Wachstum des Unternehmens in neue Geschäfts- oder Produktbereiche sowie neue geographische Märkte. Der Aufbau neuer Business-Units im In- und Ausland erzeugt viele neue Elemente mit neuen Verknüpfungen, welche häufig nicht nach den etablierten Mustern der Unternehmensführung gesteuert werden können. Außerdem werden in der Regel andere Persönlichkeiten für die Führung der neuen Bereiche benötigt. Diese unternehmerischen Entscheidungen erzeugen demnach in der Regel bereits auf der strategischen Ebene eine neue Dimension der Komplexität für die Unternehmensführung.
b) Eine große Hürde für die effiziente innerbetriebliche Leistungserstellung ist häufig die strukturelle Komplexität des Unternehmens. Im Zuge der Ausweitung des eigenen Leistungsprogrammes sowie dem Zukauf oder Aufbau neuer Geschäftseinheiten werden Strukturen ausgebildet, welche nicht notwendigerweise der betriebswirtschaftlichen Rationalität geschuldet sind. So steigt die Komplexität z.B. durch die Weiterführung der Betriebsstätten zugekaufter Einheiten ohne Anpassung des Gesamtsystems sowie den Aufbau von Niederlassungen in jedem Zielmarkt im Rahmen der geographischen Ausweitung des Vertriebssystems.
c) Auch im Aufbau der Organisation liegt ein Komplexitätstreiber in Form der organisationalen Komplexität. Insbesondere organisch gewachsene Organisationen ohne regelmäßige Überprüfung der eigenen Aufbau- und Führungsorganisation bilden häufig ein erhebliches Maß an Komplexität durch Anordnung ihrer Einheiten, hierarchischer Ausrichtung, Distanz der Führungskräfte zu den Entscheidungskompetenzen sowie Grad der Delegation von Verantwortung an Mitarbeiter aus. Je komplexer die Strukturen des Unternehmens sind, desto anspruchsvoller ist auch die Steuerung der Organisation, so dass ebenfalls aus dem Steuerungssystem erhebliche Komplexität resultieren kann. Dies ist insofern paradox, als gerade die Unternehmenssteuerung einen wichtigen Beitrag zur Beherrschung von Komplexität leisten muss.
d) Nicht nur der Aufbau, sondern auch die Abläufe in einem Unternehmen beeinflussen die Komplexität in Form der prozessualen Komplexität. Die Anzahl der Schnittstellen zwischen beteiligten Einheiten innerhalb eines Geschäftsprozesses ist ebenso ein Komplexitätstreiber wie die Qualität der Prozesse in Hinblick auf Effizienz und Effektivität. Auch der Grad der Prozessorientierung der Führung im Unternehmen hat einen entscheidenden Einfluss auf die Gesamtkomplexität im System.
e) Diverse strategische und operative Entscheidungen beeinflussen die Kundenportfolio-Komplexität. Neben dem Aufbau neuer Geschäftsfelder und der Erschließung neuer Märkte haben häufig auch einfache Umsatzsteigerungsprogramme erheblichen Einfluss auf das Kundenportfolio. Es werden neue Kundengruppen aufgenommen und diese mit neuen Serviceleistungen für das Unternehmen gewonnen und an dieses gebunden. Die Aktivitäten für die Aufrechterhaltung der Kundenbeziehungen und die Gestaltung eines kontinuierlich attraktiven Leistungsprogrammes sind häufig ein Treiber für erhebliche Komplexität in den Kundenbeziehungen.
f) Die Sortimentskomplexität ist in der Regel eine Resultante vieler der genannten Faktoren der anderen Komplexitätstreiber. Neue Märkte bringen neue Kunden, welche häufig nur mit neuen Produkten gewonnen werden können. Insbesondere die geographische Ausweitung des Geschäftsbetriebes führt häufig zur Notwendigkeit, neue Produkte oder Produktvarianten zu entwickeln, um den Geschmäckern und Vorschriften der Zielmärkte gerecht zu werden. In technikorientierten Unternehmen wächst die Sortimentskomplexität aber häufig auch aus sich selbst heraus, da ein zumindest subjektiv empfundener Druck entsteht, immer neue Produkte mit neuen Eigenschaften auf den Markt zu bringen.
g) Auch auf der Ebene des einzelnen Erzeugnisses eines Unternehmens gibt es einen Komplexitätstreiber in Form der Produktkomplexität. Durch Anreicherung von Produkten mit immer mehr Eigenschaften und Varianten steigt die Komplexität z.B. in Bezug auf Entwicklung, Fertigung aber auch Erklärungsbedürftigkeit im Vertrieb. Auslöser sind häufig die oben beschriebene Technikverliebtheit sowie der Wunsch, mit einem Produkt alle internationalen Normen und Vorschriften abzudecken. Aber auch ständig wachsende Kundenanforderungen oder der technologische Druck der Branche steigern die Komplexität in diesem Bereich.

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Wie bereits deutlich wird, sind diese Treiber nicht unabhängig voneinander im Unternehmen zu identifizieren. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass alle Komplexitätsbereiche durch die Elemente des Unternehmens (z.B. Unternehmenseinheiten, Führungskräfte, Mitarbeiter, Steuerungssysteme) miteinander interdependent verbunden sind.

Am einfachsten lässt sich dies am Beispiel des Aufbaus einer neuen Geschäftseinheit in einem internationalen Markt darstellen:

Abb. 4: Komplexitätsentwicklung beim Aufbau einer internationalen Niederlassung


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Man sieht in diesem Beispiel, dass eine einzelne strategische Entscheidung die Komplexität im Unternehmen in allen relevanten Komplexitätsbereichen automatisch erhöht. Die Auswirkungen betreffen in diesem Falle also nicht nur den Funktionsbereich „Internationales Geschäft“ sondern sind in allen Funktionseinheiten spürbar. Dieses Beispiel illustriert insbesondere die charakteristische Eigenschaft der Interdependenz innerhalb der Gesamtkomplexität eines Systems. Durch die mannigfaltigen Verbindungen zwischen den Elementen des Systems ändern sowohl die Elemente selbst als auch die Verbindungen zwischen ihnen permanent ihren Charakter. Außerdem wächst mit den Unternehmen in der Regel auch die Menge der Verbindungen zwischen den Elementen.

Und gerade das Erkennen dieser Interdependenzen ist in Krisensituationen von entscheidender Bedeutung für die Analyse der Krisenursachen und die Entwicklung geeigneter Maßnahmen für die Abwendung der Krise.

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Anders als in obigem Beispiel dargestellt, sind die Verbindungen zwischen den Komplexitätsbereichen aber nicht grundsätzlich hierarchisch gestaltet. Zwar kann aus der betrieblichen Praxis eine gewisse Hierarchie zwischen den Komplexitätsbereichen abgeleitet werden, die (wie in Abb. 3 dargestellt) von der strategischen Ebene über Strukturen und Abläufe sowie Kunden und Sortiment bis hinunter zu den Produkten reicht. Allerdings können alle Komplexitätstreiber unabhängig von ihrer Anordnung in diesem Schema aus sich heraus zu einem Anstieg der Gesamtkomplexität führen. Der Aufbau einer Stabsabteilung steigert z.B. die organisationale Komplexität, ohne dass hinter dieser Maßnahme strategische Überlegungen stehen müssen. Und die operative Entscheidung eines Vertriebsmitarbeiters, eine neue Kundengruppe zu gewinnen, muss ebenfalls nicht aus übergeordneten strategischen Zielen resultieren, sondern kann allein dem Wunsch des Mitarbeiters nach persönlicher Ergebnisverbesserung geschuldet sein.

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Dieser nicht hierarchische Charakter der Komplexität lässt erahnen, wie anspruchsvoll es sein kann, ein effektives Komplexitätsmanagement aufzubauen und welche Schwierigkeiten mit der Steuerung des richtigen Maßes an Komplexität verbunden sein können.

1.1.2 Exogene Komplexität

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Neben der endogenen, also aus dem Unternehmen heraus entstehenden Komplexität spielt die exogene Komplexität eine weitere, wichtige Rolle für die Entwicklung der Gesamtkomplexität. Die einzelnen Elemente des Systems „Unternehmen“ bilden Verbindungen zu Elementen aus Umweltsystemen aus und erhöhen damit die Gesamtkomplexität erheblich. Da diese Verbindungen sowohl aus Vorgaben der Betriebsorganisation als auch aus subjektiv wahrgenommenen betrieblichen Notwendigkeiten resultieren ist ihre Menge extrem hoch und nur schwer steuerbar.

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In Abb. 3 sind exemplarisch vier Bereiche selektiert worden, welche über ihre Verknüpfungen mit dem Unternehmen eine entscheidende Rolle für die Komplexitätsentwicklung spielen:


a) Die Beschaffungsmärkte stellen einen entscheidenden Interaktionsbereich für die eigene Leistungserstellung dar. Insbesondere die Verteilung des Beschaffungsvolumens auf viele Zulieferer ohne Berücksichtigung von Bündelungseffekten wirkt als Komplexitätstreiber durch die Vielzahl an Interaktionspartnern und Konditionen. Eine Internationalisierung der Beschaffung führt häufig zu einem weiteren Anstieg der Komplexität durch z.B. fremde Sprachen, Kulturen, Bedingungen und Lieferzeiten. Die Komplexität im Zusammenhang mit den Beschaffungsmärkten lässt sich allerdings relativ gut steuern, da in der Regel wenige Elemente des Unternehmens (Einkaufsabteilung, Finanz- und Rechnungswesen) als Interaktionspartner mit den Beschaffungsmärkten in Frage kommen.
b) Einen weiteren großen Komplexitätstreiber stellen die Abnehmermärkte dar. Neben einer Vielzahl von Interaktionspartnern sind hier z.B. gesetzliche Vorschriften, technologische Entwicklungen, Verschiebungen von Kundenwünschen und Wettbewerbsleistungen zu berücksichtigen. Grundsätzlich interagiert jedes Element des Unternehmens mit den Abnehmermärkten, sei es nun unmittelbar wie der Vertrieb und der Kundenservice als auch mittelbar wie die Buchhaltung bei der Gutschriftenbearbeitung oder die Fertigung bei der Erstellung fehlerfreier Produkte. Daher ist die viel zitierte Kundenorientierung bei allen unternehmerischen Handlungen nicht nur eine Worthülse sondern sogar im Bereich des Umgangs mit Komplexität von zentraler Bedeutung.
c) Die Finanzierungsmärkte als Komplexitätstreiber sind von derart großer Bedeutung, weil hier ein Marktversagen beziehungsweise ein gestörtes Marktverhältnis sehr unmittelbare Folgen für den Bestand des Unternehmens haben kann. Banken als Kapitalgeber werfen in der Regel einen sehr genauen Blick in das Unternehmen und scheuen auch nicht davor zurück, in Krisensituation schnell drastische Maßnahmen zu ergreifen. In diesem Zusammenhang stellen Kreditinstitute sehr hohe Anforderungen an die Informationspflichten des Unternehmens. Eigenkapitalgeber (z.B. Private Equity Gesellschaften) entsenden darüber hinaus Vertreter in das Unternehmen, welche entweder indirekt über Aufsichtsgremien oder sogar direkt in die Führung des Unternehmens eingreifen.
d) Auch die Verbindungen zu den Arbeitsmärkten führen zu einer Steigerung der Gesamtkomplexität. Viele Elemente des Unternehmens in Form der Mitarbeiter sind Teil der Arbeitsmärkte und Abbau sowie Neubesetzungen von Stellen führen zu intensiver Interaktion mit diversen Umweltsystemen wie Gewerkschaften, Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsgerichten oder Personalberatungen. Für zusätzliche Komplexität sorgt die hohe Regelungsdichte durch die Arbeitsgesetzgebung sowie eine Vielzahl von weiteren Vorschriften wie Arbeitsschutz oder Hygienevorschriften. Die Herausforderung in der Komplexität dieses Bereiches liegt in der Abhängigkeit vieler unternehmerischer Entscheidungen von den verbindlichen Regelungen der Arbeitsmärkte beziehungsweise der Intensität der Verhandlungen zur notwendigen Konsensbildung.

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Unabhängig von den beschriebenen Märkten, auf denen ein Unternehmen agiert, stellen grundsätzlich natürlich alle Arten von Gesetzen und Verordnungen einen starken Komplexitätstreiber dar. Neben den beschriebenen arbeitsrechtlichen Vorschriften sind unter anderem z.B. Produkthaftungs-, Umwelt- und steuerrechtliche Vorschriften zu beachten und frühzeitig in die Planung unternehmerischer Entscheidungen einzubeziehen.