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4. Stundung

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Die Stundung von Forderungen kann in den Fällen hilfreich sein, in denen das Krisenunternehmen sich in vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten befindet und glaubhaft machen kann, dass es zu einem späteren Zeitpunkt die Schuld begleichen wird. Dazu vereinbaren Gläubiger und Schuldner, die Fälligkeit der Forderung gegen das Krisenunternehmen über den Zeitpunkt hinauszuschieben, der sich sonst aus Vereinbarung oder Gesetz ergeben würde. Eine Stundung kann bereits bei Vertragsschluss vereinbart werden oder im Wege einer nachträglichen Vertragsänderung (§ 311 Abs. 1 BGB). Für die Stundung ist grundsätzlich keine bestimmte Form vorgeschrieben. Grundsätzlich genügt eine mündliche Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner. Aus Nachweisgründen ist indes die Schriftform zu empfehlen. Ist der zu Grunde liegende Vertrag formbedürftig, so erstreckt sich die Formbedürftigkeit entsprechend auf die Stundungsvereinbarung, z.B. bei Grundstückskaufverträgen (§ 311b BGB). Die Stundung ist ein Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners und hemmt als solches die Verjährung (§ 205 BGB). Abhängig vom Einzelfall kann die nachträgliche Stundungsvereinbarung als Anerkenntnis des Schuldners ausgelegt werden, wodurch die Verjährung erneut beginnt (§ 212 BGB).

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Als Restrukturierungsmaßnahme eignet sich die Stundung, um einen Liquiditätsengpass zu überbrücken. Eine Überschuldung des Krisenunternehmens kann durch eine Stundung nicht beseitigt werden. Eine Stundung ist eine sehr einfache Maßnahme. Bei Lieferanten besteht indes das Risiko, dass diese bei einer Stundungsanfrage mit einem Lieferstopp reagieren oder nur noch gegen Vorkasse liefern. Stundungen lassen sich deshalb grundsätzlich eher mit Kreditinstituten oder anderen Darlehensgläubigern vereinbaren. So kann zwischen dem Krisenunternehmen und dem Kreditinstitut vereinbart werden, Zins- und/oder Tilgungsraten zu stunden. Für Kreditinstitute besteht indes keine Rechtspflicht, Zins- oder Tilgungsraten im Krisenfall zu stunden (vgl. Rn. 58).

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Steuerforderungen können ganz oder teilweise durch Finanzbehörden gestundet werden, wenn die Einziehung der Steuerforderung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint (§ 222 AO). Die Stundung von Steuerforderungen soll in der Regel nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Die einfachste Form der Stundung von Steuerforderungen ist die Überbrückungsstundung aus sachlichen Gründen, die in Betracht kommt, wenn die Möglichkeit absehbar ist, die Steuerforderung des Finanzamtes mit künftigen Steuererstattungsansprüchen zu verrechnen. Diese sogenannte technische Stundung wird in der Regel zinslos gewährt. Dem gegenüber können Steuerforderungen auch aus persönlichen Gründen gegen Zinsen gestundet werden, um eine vorübergehende finanzielle Notlage zu überbrücken. Die sogenannte echte Stundung setzt voraus, dass der Steuerschuldner stundungsbedürftig und stundungswürdig ist. Die Stundungsbedürftigkeit ist gegeben, wenn die sofortige Einziehung der Steuerschuld für den Steuerschuldner eine erhebliche Härte bedeuten würde, die etwa dann vorliegt, wenn die sofortige Zahlung die wirtschaftliche Existenz des Steuerschuldners bedrohen würde. Der Steuerschuldner ist stundungswürdig, wenn er die finanzielle Notlage nicht selbst herbeigeführt hat. Der Stundungsantrag sollte deshalb zum einen belegen, dass der Steuerschuldner sich in einer vorübergehenden finanziellen Krise befindet, die aber in absehbarer Zeit abgewendet wird. Zum anderen sollte der Stundungsantrag die externen Ursachen der finanziellen Notlage belegen, z.B. Umwelteinflüsse (Hochwasser, Ölpest etc.), konjunkturelle oder branchenbedingte Gründe. Für die Dauer der gewährten Stundung von Steuerforderungen werden Stundungszinsen erhoben in Höhe von 0,5 % pro Monat (§§ 234, 238 AO). In vielen Fällen ziehen Kreditinstitute Stillhaltevereinbarungen einer Stundung vor. Mit der Stillhaltevereinbarung erklärt der Kreditgeber lediglich, dass er seine Forderungen befristet nicht einfordern wird. Für die Lösung des akuten Problems ist dies aber ausreichend.

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Wird der Stundungsantrag abgelehnt, bleibt der Versuch, mit der zuständigen Vollstreckungsstelle eine Ratenzahlung in Verbindung mit einem Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO) zu vereinbaren. Die Vollstreckungsstelle wird in diesem Fall keine weiteren Vollstreckungsmaßnahmen (z.B. Kontenpfändung) ergreifen, so dass die betreffende Steuerforderung praktisch gestundet wird. In diesem Fall sind statt der Stundungszinsen indes Säumniszuschläge von 1,0 % pro Monat zu leisten (§ 240 AO), die nach Zahlung der letzten Raten auf Antrag zur Hälfte erlassen werden können (Abschn. 178 Nr. 5d AEAO).

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Die durch den Arbeitgeber abzuführende Lohnsteuer sowie auch die Umsatzsteuerzahllast werden von den Finanzämtern grundsätzlich nicht gestundet und sind unabhängig von der finanziellen Lage des Unternehmens an das zuständige Finanzamt abzuführen.

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Auswirkungen der Stundung auf die Handelsbilanz beschränken sich grundsätzlich auf geänderte Bilanzvermerke und Angaben im Anhang im Hinblick auf die Restlaufzeiten der Verbindlichkeiten (§§ 268 Abs. 5 S. 1, 285 Nr. 1 lit. a) HGB).

5. Novation

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Die Novation von Schuldverhältnissen kommt, ergänzend zur Stundung, als Sanierungsmaßnahme in Betracht, wenn bei dem Krisenunternehmen ein vorübergehender Liquiditätsengpass zu überbrücken ist. Anders als bei der Stundung, bei der ein bestehendes Vertragsverhältnis geändert wird, erlischt das alte Vertragsverhältnis bei der Novation vollständig und wird vereinbarungsgemäß inhaltlich durch ein neues Vertragsverhältnis ersetzt (§ 311 Abs. 1 BGB). Auf diesem Wege können zum Beispiel kurzfristig fällige Lieferantenkredite in mittel- oder langfristig fällige Darlehen umgewandelt werden.

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In der Handelsbilanz führt die Novation von Verbindlichkeiten grundsätzlich (nur) zu einer Umgliederung innerhalb der Bilanzposten der Verbindlichkeiten (§ 266 Abs. 3 HGB), etwa vom Posten „Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen“ zum Posten „Sonstige Verbindlichkeiten“, sowie zu geänderten Bilanzvermerken und Angaben im Anhang im Hinblick auf die Restlaufzeiten der Verbindlichkeiten (§§ 268 Abs. 5 S. 1, 285 Nr. 1 lit. a) HGB).

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Unverzinsliche und niedrig verzinsliche Darlehen, deren Laufzeit am Bilanzstichtag mehr als 12 Monate beträgt, sind mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG), so dass bei der Gesellschaft ein steuerpflichtiger Abzinsungsgewinn entsteht. In den Folgejahren ist die Verbindlichkeit wieder schrittweise aufwandswirksam bis zum Erreichen des Rückzahlungsbetrages zu erhöhen.

6. Forderungsverzicht

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Ein in der Unternehmenskrise bewährtes Instrument ist der Erlass von Forderungen. Durch Vertrag erlischt das Schuldverhältnis, wenn der Gläubiger dem Schuldner die Schuld erlässt (§ 397 Abs. 1 BGB). In Höhe der erlassenen Schuld mindert sich das Fremdkapital auf der Passivseite der Bilanz bzw. im Überschuldungsstatus des Krisenunternehmens und das Eigenkapital erhöht sich insoweit. Neben diesem positiven Eigenkapitaleffekt wird das Krisenunternehmen von Zins- und Tilgungsleistungen entlastet, soweit diese für die erlassene Schuld zu leisten waren. Der Forderungsverzicht führt damit auch zu einem positiven Liquiditätseffekt.

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Verzichtet der Gesellschafter des Krisenunternehmens auf Forderungen gegen dieses Unternehmen, hängt die Art und Weise, wie dieser Gesellschafterbeitrag handelsrechtlich zu vereinnahmen ist, vom Gesellschafterwillen sowie von der Werthaltigkeit der Forderung ab. Der Forderungsverzicht durch einen Gesellschafter ist zwar grundsätzlich geeignet, um den Forderungsverzicht als „andere Zuzahlung, die Gesellschafter in das Eigenkapital leisten“ gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB erfolgsneutral in die Kapitalrücklage einzustellen. Dazu muss der entsprechende Wille des Gesellschafters zur Leistung in das Eigenkapital erkennbar sein,[36] wozu ein entsprechender Gesellschafterbeschluss zu fassen und zu dokumentieren ist. Fehlt eine solche Willenserklärung des Gesellschafters, ist eine Dotierung der Kapitalrücklage nicht zulässig. Stattdessen ist die Leistung des Gesellschafters in diesem Fall erfolgswirksam als außerordentlicher Ertrag in der Gewinn- und Verlustrechnung auszuweisen.

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Eine Sachkapitalerhöhung, bei der das Nennkapital der Gesellschaft durch Sacheinlage der Forderung erhöht wird, ist in Sanierungsfällen aufgrund der fraglichen Werthaltigkeit der Forderung nicht ohne Weiteres zu empfehlen. Zwingend sollte hierfür eine gut dokumentierte Bewertung erfolgen, die überdies i.d.R. auch vom Handelsregister gefordert wird. Stellt sich nach Eintragung der Sachkapitalerhöhung in das Handelsregister heraus, dass die eingelegte Forderung überbewertet ist, führt die Sacheinlage zur verschuldensunabhängigen Differenzhaftung des Gesellschafters (§§ 56 Abs. 2, 9 Nr. 1 GmbHG; §§ 188 Abs. 2, 36a Abs. 2 AktG). Gleichwohl ist der sog. Debt-Equity-Swap, bei dem Darlehensverbindlichkeiten grundsätzlich im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung in Eigenkapital umgewandelt werden, eine in der Praxis nicht unübliche „moderne“ Restrukturierungsmaßnahme für Krisenunternehmen (vgl. im Einzelnen Rn. 29 ff.).

 

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Wird der Forderungsverzicht durch einen Dritten ohne gesellschaftsrechtliche Beziehung zum Krisenunternehmen erklärt, etwa um auf diese Weise einen andernfalls drohenden höheren Schaden abzuwenden, handelt es sich um einen Sanierungszuschuss, der aufgrund der fehlenden Ursächlichkeit des Gesellschaftsverhältnisses von der Kapitalgesellschaft erfolgswirksam als außerordentlicher Ertrag zu erfassen ist.

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Im Hinblick auf weitere Folgen des Forderungsverzichts, wird unterschieden zwischen einem unbedingten und einem bedingten Forderungsverzicht. An den unbedingten Forderungsverzicht knüpfen grundsätzlich keine weiteren, über die zuvor beschriebenen hinausgehenden Rechtsfolgen an. Für die beteiligten Parteien ist der unbedingte Forderungsverzicht endgültig. Bei dem bedingten Forderungsverzicht, bei der der Forderungsverzicht mit einer bedingten Besserungsvereinbarung verbunden wird, besteht für den Gläubiger die Chance, dass seine Forderung nach Ende der Unternehmenskrise wieder auflebt. Der Gläubiger verzichtet in diesem Fall auf seine Forderung mit der Maßgabe, dass sie zunächst erlischt, aber in der Folgezeit insoweit wieder auflebt, wie sie aus einem künftigen Jahresüberschuss oder aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners übersteigenden Vermögen oder aus einem Liquidationsüberschuss getilgt werden kann. Notwendiger Bestandteil der Besserungsvereinbarung ist grundsätzlich auch die Verpflichtung der Gesellschafter, bis zum Eintritt des Besserungsfalls keine Gewinnausschüttungen zu beschließen. Im Besserungsfall ist das zuvor durch den Forderungsverzicht gebildete Eigenkapital handelsrechtlich wieder in Fremdkapital umzuwandeln. Wurde der Forderungsverzicht zuvor erfolgsneutral als Einlage in die Kapitalrücklage behandelt, ist im Besserungsfall ebenfalls erfolgsneutral insoweit eine Entnahme aus der Kapitalrücklage zu tätigen und als Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter auszuweisen. Wurde der Forderungsverzicht zuvor erfolgswirksam als außerordentlicher Ertrag erfasst, ist im Besserungsfall das Aufleben der Verbindlichkeit ebenfalls erfolgswirksam und insoweit als außerordentlicher Aufwand zu erfassen.

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Für die AG gilt in Bezug auf Rechte aus Besserungsscheinen, dass in dem Anhang der AG Angaben zu machen sind über die Rechte aus Besserungsscheinen und ähnliche Rechte unter Angabe der Art und Zahl der jeweiligen Rechte sowie der im Geschäftsjahr neu entstandenen Rechte (§ 160 Abs. 1 Nr. 6 AktG). Hintergrund der Berichterstattungspflicht ist die Information der Aktionäre, die im Besserungsfall auf Gewinn verzichten müssen.

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In der Bilanz des Gesellschafters, der auf die Forderung gegen das Krisenunternehmen verzichtet, ist die Forderung auszubuchen und die Beteiligung in Höhe des werthaltigen Teils aufzustocken. In Höhe des nicht werthaltigen Teils der Forderung entsteht betrieblicher Aufwand. Werden Zahlungen auf einen Besserungsschein geleistet, sind diese zunächst mit dem aufgestockten Teil der Beteiligung zu verrechnen und darüber hinaus als betrieblicher Ertrag zu erfassen. Bei Dritten ohne gesellschaftsrechtliche Beziehung zum Krisenunternehmen führt der Forderungsverzicht in voller Höhe zu betrieblichem Aufwand während nachfolgende Zahlungen als betrieblicher Ertrag zu erfassen sind.

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In steuerlicher Hinsicht ist der Forderungsverzicht durch den Gesellschafter in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung als erfolgsneutrale verdeckte Einlage zu werten.[37] In Höhe des nicht werthaltigen Teils entsteht bei dem Krisenunternehmen ein Sanierungsgewinn, der nach § 3a Abs. 1 S. 1 EStG grundsätzlich steuerfrei ist.[38] Entsprechendes gilt für den Forderungsverzicht gegen Besserungsschein, was im Umkehrschluss aus § 3c Abs. 4 S. 3 EStG folgt. Die Steuerbefreiung nach § 3a EStG wirkt gem. § 7b Abs. 1 GewStG auch für die Gewerbesteuer. Damit entfällt die aufwendige Abstimmung mit den Städten und Gemeinden. Die Steuerbefreiung gilt gem. § 8 Abs. 1 KStG gleichfalls für die Körperschaftsteuer. Zu beachten ist, dass Verluste in Höhe des Sanierungsertrags abzüglich der steuerlich nicht mehr abzugsfähigen Sanierungskosten in vorgegebener Reihenfolge untergehen (§ 3a Abs. 3 EStG).

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Auf Ebene des Gesellschafters führt der Forderungsverzicht einer privaten Forderung nach Auffassung des FG Münster zu steuerlichen Verlusten, die bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind, da ein Verzicht auf eine Darlehensforderung einen endgültigen Ausfall der Forderung zur Folge hat, womit sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen entsprechend mindert.[39] Das FG Münster folgt mit seinem nicht rechtskräftigen Urteil der Argumentation des BFH in seinem Urteil vom 24.10.2017.[40] Nach diesem Urteil ist der endgültige Ausfall privater Darlehensforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG zu berücksichtigen. Bei Gesellschaftern, die zu weniger als 10 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt sind, wird die Verrechnung von Verlusten durch § 20 Abs. 6 EStG auf andere Einkünfte aus Kapitalvermögen eingeschränkt; es besteht die Möglichkeit des Verlustvortrags und der Verrechnung in Folgejahren. Bei Gesellschaftern, die zu mindestens 10 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt sind, entfällt gem. § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG die Verlustverrechnungsbeschränkung. Das heißt, dass aus dem Darlehensverhältnis resultierende Verluste aus Kapitalvermögen mit Einkünften aus anderen tarifbesteuerten Einkunftsarten ausgeglichen werden dürfen; zudem dürfen sie auch nach § 10d EStG im Rahmen des Verlustvor- oder -rücktrages abgezogen werden. Wird die Beteiligung im Betriebsvermögen gehalten, erhöhen sich die Anschaffungskosten nachträglich um den werthaltigen Teil der Forderung (§ 6 Abs. 6 S. 2 EStG). Die Abschreibung in Höhe der Differenz zwischen Nennwert und werthaltigem Teil der Forderung führt grundsätzlich zu steuerlichen Betriebsausgaben. Bei der Einkommensteuer unterliegenden Personen ist umstritten, ob das Teilabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG anzuwenden ist. Ist der verzichtende Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft, ist der Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen, sofern der Gesellschafter unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 25 % am Nennkapital beteiligt ist (§ 8b Abs. 3 S. 4 ff. KStG). Dies gilt indes nicht, falls der Gesellschafter nachweisen kann, dass auch ein fremder Dritter das Darlehen unter sonst gleichen Umständen gewährt oder noch nicht zurückgefordert hätte.

7. Rangrücktrittserklärung

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Ein in der Praxis gängiges Instrument zur Vermeidung einer Überschuldung ist die Rangrücktrittserklärung, durch die die Verbindlichkeit des Krisenunternehmens zwar nicht erlischt, aber im Überschuldungsstatus nicht anzusetzen ist. Die Rangrücktrittserklärung kommt durch gegenseitigen Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner zustande (§ 311 Abs. 1 BGB), der mit Begründung der Forderung oder auch nachträglich geschlossen werden kann. Im Fall der nachträglichen Erklärung des Rangrücktritts dürfte die Rangrücktrittserklärung rechtlich als Schuldabänderungsvertrag einzuordnen sein.[41]

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Durch Art. 9 MoMiG und die dort verankerte Ergänzung von § 19 InsO wurde die Anwendung von Rangrücktrittserklärungen im Hinblick auf den Streit um die erforderliche Tiefe des Rangrücktritts und das Urteil des BGH vom 8.1.2001 (einfacher Rangrücktritt versus qualifizierter Rangrücktritt) relativiert.[42] Die Frage, ob eine Gesellschafterforderung im Überschuldungsstatus der Gesellschaft zu passivieren ist, hat sich aufgrund einer Ergänzung von § 19 Abs. 2 InsO wesentlich vereinfacht. Der neue S. 2 dieser Vorschrift lautet:

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„Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gem. § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1–5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach S. 1 zu berücksichtigen.“

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Der BGH führt dazu im Urteil vom 15.3.2015 (IX ZR 133/14) aus, dass ein einfacher Rangrücktritt, wonach ein Gläubiger mit seiner Forderung hinter die Forderungen aller anderen Gläubiger zurücktritt, eine Überschuldungssituation nicht verhindert. Etwas anderes gilt hingegen bei Vereinbarung eines qualifizierten Rangrücktritts, wenn also die gegen eine Gesellschaft gerichtete Rückzahlungsforderung für die Dauer der Krise der Gesellschaft nur zugleich mit den Einlagerückgewähransprüchen der Gesellschafter getilgt werden darf, dieser Rangrücktritt unbefristet ist und auch etwaige Sicherheiten erfasst. Dann wird das Darlehen wie Eigenkapital behandelt und die Verpflichtung zur Darlehensrückzahlung bleibt im Überschuldungsstatus der Gesellschaft außer Betracht. Der BGH führt dazu ferner in zeitlicher Hinsicht aus, dass sich die Regelung einer Rangrücktrittsvereinbarung auf den Zeitraum vor und nach Insolvenzeröffnung erstrecken muss.

Der BGH stellt weiterhin in personeller Hinsicht fest, dass nicht zwischen Rückzahlungsansprüchen eines Gesellschafters und eines Dritten unterschieden werde. Im Einklang mit der bisherigen herrschenden Meinung seien die maßgeblichen insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 19 Abs. 2 S. 2, 39 Abs. 2 InsO) über ihren Wortlaut hinaus auch auf einen Rangrücktritt mit einem außenstehenden Dritten anwendbar. Dies betreffe zum Beispiel auch Mezzanine-Finanzierungen, durch die Kapital regelmäßig ohne besondere Sicherung gewährt, dafür aber das erhöhte Risiko durch einen entsprechenden Zins vergütet werde.

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Zum Zwecke der Sanierung eines Unternehmens ist zu empfehlen, zusätzlich zu der Rangrücktrittserklärung ausdrücklich zu vereinbaren, unter welchen Voraussetzungen, d.h. aus welchen freien Mitteln, die im Rang zurückgetretene Forderung bedient werden soll, so dass nicht nur der Überschuldungsstatus entlastet, sondern auch das Risiko der Illiquidität verringert wird.

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Im Insolvenzfall bewirkt die Rangrücktrittserklärung lediglich, dass die Forderungen nachrangiger Gläubiger nur zur Tabelle anzumelden sind, soweit das Insolvenzgericht diese dazu besonders auffordert (§ 174 Abs. 3 InsO). Die Forderungen nachrangiger Gläubiger werden im Rang erst nach den Forderungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 1–5 InsO berücksichtigt (§ 39 Abs. 2 InsO).

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In der Handelsbilanz, wie auch in der Steuerbilanz, hat eine Rangrücktrittserklärung, durch die vor allem der Ausweis einer Überschuldung im Überschuldungsstatus vermieden werden soll, grundsätzlich keinen Einfluss auf die Existenz der Verbindlichkeit, so dass diese also grundsätzlich nicht gewinnerhöhend aufzulösen ist. Gleichwohl stellt sich die Frage, in welchen Fällen § 5 Abs. 2a EStG anzuwenden ist. Nach dieser Vorschrift sind Verpflichtungen, die von Beginn an nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, erst dann als Verbindlichkeiten oder Rückstellungen anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. In dem BMF-Schreiben vom 8.9.2006[43] wird dazu ausgeführt, dass eine Verbindlichkeit zu passivieren ist, wenn sie rechtlich entstanden und wirtschaftlich verursacht ist. Anderes gilt, wenn mit einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu rechnen ist und die rechtlich bestehende Verpflichtung keine wirtschaftliche Belastung mehr darstellt.[44] Die Vereinbarung eines einfachen oder qualifizierten Rangrücktritts hat keinen Einfluss auf die Passivierung der Verbindlichkeit, da die Verbindlichkeit nicht erlischt. § 5 Abs. 2a EStG greift, sofern zwischen dem Ansatz der Verbindlichkeit und Gewinnen und Einnahmen eine Abhängigkeit im Zahlungsjahr besteht. Bei einem Rangrücktritt, bei dem die Verbindlichkeit nur dann zurückzuzahlen ist, wenn der Schuldner dazu aus künftigen Gewinnen, aus einem Liquidationsüberschuss oder aus einem anderen – freien – Vermögen künftig in der Lage ist, besteht die erforderliche Abhängigkeit zwischen Verbindlichkeit und Einnahmen oder Gewinnen nicht, so dass § 5 Abs. 2a EStG nicht anzuwenden ist. Maßgebend ist die Bezugnahme auf die Möglichkeit einer Tilgung aus sonstigem freien Vermögen.

 
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