Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht

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1. Rechtmäßig erlangte Erkenntnisse aus dem Aufsichtsverfahren

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Erkenntnisse, die im Aufsichtsverfahren rechtmäßig erlangt worden sind, können unter den Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 161 Abs. 3 StPO im Bußgeldverfahren als Beweismittel verwendet werden. Übertragen auf das Bußgeldverfahren bedeutet das: Die durch Maßnahmen zur Abwehr marktschädigenden Verhaltens im Aufsichtsverfahren erlangten Daten dürfen im Bußgeldverfahren nur dann ohne Einwilligung des Betroffenen zu Beweiszwecken verwendet werden, wenn die Datenerhebung nach den Voraussetzungen der im Bußgeldverfahren anwendbaren Vorschriften der Strafprozessordnung durch eine entsprechende Maßnahme zulässig gewesen wäre.[33]

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Der BGH leitet aus der Vorschrift den Gedanken des hypothetischen Ersatzeingriffs als generellen Maßstab für die Verwendung von personenbezogenen Informationen zu Zwecken des Straf- bzw. Bußgeldverfahrens ab, die nicht auf strafprozessualer Grundlage erlangt worden sind.[34] Bei der Prüfung, ob die Daten- bzw. Beweiserhebung auf Grundlage von Maßnahmen nach der StPO möglich gewesen wäre, soll es lediglich auf deren materiell-rechtliche Voraussetzungen ankommen (sog. materiell-rechtliche Umwidmung). Formelle Voraussetzungen der Eingriffsmaßnahme, wie die Wahrung des Richtervorbehalts gem. § 105 Abs. 1 StPO im Kontext einer Wohnraumdurchsuchung, sind bei der Umwidmung grundsätzlich ohne Bedeutung.[35] Liegen die Voraussetzungen des § 161 Abs. 3 StPO nicht vor, können die im Aufsichtsverfahren erlangten Daten nicht als Beweismittel („zu Beweiszwecken“, § 161 Abs. 3 StPO), gleichwohl aber als Ermittlungsansatz (sog. Spurenansatz) im Bußgeldverfahren genutzt werden,[36] um sonstige Beweismittel zu sichern.

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Vielfach werden die im Aufsichtsverfahren erhobenen Erkenntnisse auch im Bußgeldverfahren als Beweismittel verwertbar sein. Ein Beispiel für die beschränkende Wirkung der Verwendungsregelung des § 161 Abs. 3 StPO findet sich im Zusammenhang mit der Verfolgung von Insiderhandel und Marktmanipulation. Erhebt die BaFin im Aufsichtsverfahren nach § 7 Abs. 1 WpHG Telekommunikationsdaten, dürfen diese für die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit im Bußgeldverfahren nicht verwertet werden. Denn gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 161 Abs. 3 StPO wäre es nach § 100g Abs. 1 StPO (Erhebung von Verkehrsdaten) nicht zulässig, Telekommunikationsdaten zum Zwecke der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit zu erheben.

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Vertiefung

Absehbar könnte sich die Frage nach der Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus verdeckten Testkäufen (sog. Mystery Shopping) stellen. Mit dieser zum 1.7.2021 durch das FISG in § 4 Abs. 1a FinDAG geschaffenen Befugnis kann die BaFin im Aufsichtsverfahren Finanzprodukte unter Pseudonym erwerben und Finanzdienstleistungen in Anspruch nehmen, ohne hierbei den dahinterstehenden Überprüfungszweck offenlegen zu müssen. Der Gesetzgeber verspricht sich von dieser Erweiterung der Ermittlungsmöglichkeiten eine „Versachlichung“ der Informationsgewinnung, die bislang oft durch widersprüchliche Darstellungen von Seiten der Anbieter einerseits und den Verbrauchern andererseits geprägt gewesen sein soll.[37] Die verdeckten Testkäufe wird die BaFin voraussichtlich nicht durch eigene Mitarbeiter, sondern durch von ihr beauftragte Dritte (Personen und Einrichtungen) durchführen.[38] Offenbart der verdeckte Testkauf etwa Verstöße in Bezug auf die Einhaltung der in §§ 63 ff. WpHG umgesetzten Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten für WpDUs (insb. Fehler in der Anlageberatung oder Vermögensverwaltung und diesbezüglicher Offenlegungs- oder Dokumentationspflichten), wird die BaFin solche Erkenntnisse möglicherweise als Grundlage für eine Bebußung für den konkreten Einzelfall als auch als Anhaltspunkt für „systemisches Organisationsversagen“ verwenden.

Der Testkauf erfolgt im Ausgangspunkt aus präventiven Gründen. Ob durch den Testkauf erlangte Unterlagen oder Dokumente sodann im Bußgeldverfahren als Beweismittel verwertbar sind, richtet sich nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 161 Abs. 3 StPO. Dabei ist zu berücksichtigen, dass strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen im Grundsatz offen geführt werden. Heimliche bzw. verdeckte Ermittlungsmaßnahmen bilden im Strafverfahren schon wegen ihres im Einzelfall erheblichen Grundrechtseingriffs die Ausnahme und sind daher typischerweise erhöhten Eingriffsvoraussetzungen unterworfen.[39] Heimliche Ermittlungsmaßnahmen, die wie die Telekommunikations- und Wohnraumüberwachung gem. §§ 100a ff. StPO oder der Einsatz eines verdeckten Ermittlers nach § 110a StPO bereits tatbestandlich die Aufklärung schwerer Straftaten voraussetzen, können im Bußgeldverfahren von vornherein keine „sinngemäße“ Anwendung i.S.d. § 46 Abs. 1 OWiG finden.[40] Daraus folgt aber nicht, dass heimliche bzw. verdeckte Ermittlungsmaßnahmen im Bußgeldverfahren per se unzulässig wären.[41] So ergibt sich die Befugnis zu verdeckten Testkäufen im repressiven Bereich grundsätzlich aus der Generalklausel der § 163 Abs. 1 bzw. § 161 Abs. 1 StPO („Ermittlungen jeder Art“),[42] die über § 46 Abs. 1 OWiG im Bußgeldverfahren Anwendung findet. Der präventive Testkauf gem. § 4 Abs. 1a FinDAG ist damit als eine „entsprechende Maßnahme“ i.S.d. § 161 Abs. 3 StPO einzuordnen. Weiter ist zu prüfen, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Befugnisnorm (hier des § 161 Abs. 1 StPO) im Zeitpunkt des Testkaufs vorgelegen hätten.[43] Fehlt es hieran, etwa weil zu diesem Zeitpunkt überhaupt kein Anfangsverdacht einer Ordnungswidrigkeit vorlag oder weil die Verhältnismäßigkeit eines solchen verdeckten Vorgehens zur Aufklärung einer Ordnungswidrigkeit nicht gewahrt gewesen wäre, dürfen unmittelbar aus dem Testkauf erlangte Erkenntnisse im Bußgeldverfahren gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 161 Abs. 3 StPO nicht als Beweismittel verwertet werden. Praxisgerecht dürfte es ohnedies sein, von der Verfolgung jedenfalls solcher Ordnungswidrigkeiten abzusehen, die unmittelbar mit den durch den verdeckten Testkauf erlangten Dokumenten zu beweisen wären. Die Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse als Ermittlungs- bzw. Spurenansatz für weitere Ermittlungen (insb. für ein „systemisches Versagen“) stellt sich demgegenüber in strafprozessualer Hinsicht als weniger problematisch dar.

2. Rechtswidrig erlangte Erkenntnisse aus dem Aufsichtsverfahren

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Wurden im Aufsichtsverfahren Erkenntnisse in rechtswidriger Weise erhoben, findet die Verwendungsregelung des § 161 Abs. 3 StPO keine Anwendung.[44] Vielmehr ist nach den allgemeinen Regeln über die Verwertbarkeit von rechtswidrig erlangten Beweismitteln zu entscheiden.[45]

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Beispiel

Der Verpflichtete erlangt wegen der Stärke des gegen ihn gerichteten Tatverdachts bereits im Aufsichtsverfahren die Stellung eines Betroffenen. Gleichwohl belehrt ihn die BaFin nicht über sein Schweigerecht gem. § 6 Abs. 15 S. 1 WpHG. In der Folge erteilt der Verpflichtete Auskunft nach einem Auskunfts- und Vorlageersuchen gem. § 6 Abs. 3 WpHG. Die Auskunft des Verpflichteten ist im Bußgeldverfahren (nach Verwertungswiderspruch) unverwertbar.[46] Der Verstoß gegen die Schweigerechtsbelehrung wiegt so schwer, dass dieser zur Unverwertbarkeit der erlangten Aussage im Bußgeldverfahren führt. Beweisverwertungsverbote sind ungeachtet eines späteren Verwertungswiderspruchs von Amts wegen im Ermittlungsverfahren zu berücksichtigen.[47]

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Allerdings werden unverwertbare Beweismittel in der Regel als Ermittlungs- bzw. Spurenansatz im Bußgeldverfahren verwendet werden können.[48]

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Beispiel

Die im obigen Beispiel unverwertbaren Angaben des Betroffenen können als Spurenansatz für weitere Ermittlungen verwendet werden, um andere belastende und rechtmäßig erhobene Beweismittel zu ermitteln.

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Etwaige Belehrungsfehler im Aufsichtsverfahren können – entsprechend der Rechtsprechung im Strafverfahren[49] – im Bußgeldverfahren geheilt werden. Voraussetzung ist eine qualifizierte Belehrung. Qualifiziert ist die Belehrung, wenn dem Betroffenen zusätzlich zur Belehrung gem. § 136 Abs. 1 S. 2 StPO verdeutlicht wird, dass seine vorherige Aussage im Aufsichtsverfahren aufgrund des Belehrungsverstoßes nicht verwertet werden kann.[50]

Der verteidigte Betroffene muss der Verwertung eines Beweismittels in relevanten Fällen (z.B. beim Verstoß gegen die Schweigerechtsbelehrung) in der Hauptverhandlung (vgl. § 257 StPO) widersprechen (sog. Verwertungswiderspruch).[51]

B. Aufgaben der BaFin im Ermittlungsverfahren

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Sobald im aufsichtsrechtlichen Verfahren zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Begehung einer Ordnungswidrigkeit vorliegen (Anfangsverdacht), kann der Vorgang im Bereich Wertpapieraufsicht/Asset-Management dem Referat WA 17 zugeschrieben werden. Je nach Fallkonstellation wird es das jeweilige Fachreferat indes bei einer aufsichtsrechtlichen „Ermahnung“ gegenüber dem Verpflichteten belassen können, ohne das Verfahren an das Bußgeldreferat abzugeben.

I. Verfahrenseinleitung

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Obgleich ein Anfangsverdacht von den Fachreferaten der BaFin[52] bejaht und der Vorgang dem Bußgeldreferat zugeschrieben wurde, wird nicht zwangsläufig ein Bußgeldverfahren gegen den Verpflichteten einzuleiten sein. Im Unterschied zum Strafverfahren schafft die in das pflichtgemäße Ermessen gem. § 47 Abs. 1 S. 1 OWiG der BaFin gestellte Verfolgungskompetenz eine Verfolgungserlaubnis, keinen Verfolgungszwang.[53]

 

1. Absehen von der Verfahrenseinleitung

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Als Ausfluss des im Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Opportunitätsgrundsatzes kann die BaFin von der Einleitung des Verfahrens aus Zweckmäßigkeitserwägungen absehen oder nach Verfahrenseinleitung jederzeit einstellen, § 47 Abs. 1 S. 2 OWiG. Die Gründe dafür können unterschiedlicher Natur sein. Die Nichteinleitung des Bußgeldverfahrens bzw. dessen Einstellung gem. § 47 Abs. 1 S. 2 OWiG kann aus deliktsbezogenen, generalpräventiven und spezialpräventiven Gründen sachgerecht sein.[54] Zumeist wird eine Zusammenschau mehrerer Gründe für eine Einstellung sprechen.[55] Eine Auswahl möglicher Erwägungen:


- Kein schwerwiegender Erstverstoß
- Keine Wiederholungsgefahr, insbesondere bei bevorstehenden oder bereits durchgeführtem Delisting nach Verletzung von Emittentenpflichten
- Verspätete Mitteilungspflichten werden nach Tatvollendung zeitnah nachgeholt
-
- Unklare Sachlage, sodass der erforderliche Ermittlungsaufwand nicht im Verhältnis zur Sanktionserwartung stünde
-

2. Einheitliches oder selbstständiges Verfahren

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Auch juristischen Personen und Personenvereinigungen können im Bußgeldverfahren als Nebenfolge einer Ordnungswidrigkeit Rechtsnachteile erleiden. Im Bußgeldverfahren der BaFin droht betroffenen Gesellschaften in erster Linie die Verhängung einer Verbandsgeldbuße[58] gem. § 30 OWiG.[59] Die Verhängung der Verbandsgeldbuße kann in zwei Verfahrensweisen vorgenommen werden. Die BaFin hat eine Wahlmöglichkeit:[60]


- Ahndung im einheitlichen Verfahren, d.h. die Verbandsgeldbuße gegen die Gesellschaft wird im Bußgeldverfahren gegen den Täter der Anknüpfungstat in einem einheitlichen Bußgeldbescheid verhängt, § 30 Abs. 1 OWiG.
- Ahndung im selbstständigen Verfahren, d.h. die Verbandsgeldbuße wird gegen die Gesellschaft als Nebenbeteiligte verhängt, § 30 Abs. 4 OWiG, ohne dass zusätzlich der Täter der Anknüpfungstat bebußt wird.

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Das selbstständige Verfahren ist nachrangig, d.h. es darf nur dann durchgeführt werden, wenn das Verfahren gegen den Vertreter der Gesellschaft nicht eingeleitet, von einer Ahndung abgesehen oder das Verfahren eingestellt worden ist (§ 30 Abs. 4 S. 1 OWiG). Unzulässig wäre daher die Verfolgung von Betroffenen und betroffener Gesellschaft in getrennten Verfahren.[61] Wurde also zunächst nur gegen das Organ der betroffenen Gesellschaft ein Bußgeldverfahren geführt und wurde das Verfahren mit rechtskräftigem Bußgeldbescheid abgeschlossen, ist die nachträgliche Verhängung der Verbandsgeldbuße ausgeschlossen.[62]

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Das Bußgeldverfahren wird nicht „gegen“ die Gesellschaft geführt. Diese bleibt im selbstständigen Verfahren prozessual vielmehr der Verfahrensstellung einer Nebenbeteiligten angenähert,[63] obwohl kein Verfahren gegen einen Betroffenen als „Hauptbeteiligten“ geführt wird. Die Bezeichnung „Nebenbeteiligte“ ist aus diesem Grund unpräzise, weshalb in der Rechtsprechung nach § 30 OWiG sanktionierte Unternehmen im selbstständigen Verfahren gleichwohl als Betroffene[64] oder als Nebenbetroffene[65] bezeichnet werden. Auch die BaFin erfasst in ihren WpHG-Bußgeldleitlinien alle an den Zuwiderhandlungen beteiligte Personen (auch Unternehmen) begrifflich als „Betroffene“[66]. In anderen Veröffentlichungen verwendet sie zum Teil den Begriff der „betroffenen Gesellschaft“.[67] In prozessualer Hinsicht ist die fehlerhafte Bezeichnung folgenlos: Nach OLG Hamm führt die terminologisch ungenaue Bezeichnung der juristischen Person als „Betroffene“ nicht zur Unwirksamkeit des Bußgeldbescheids.[68]

Dass juristische Personen und Personenvereinigungen im Gesetz als Nebenbeteiligte bezeichnet werden (vgl. § 66 Abs. 1 N. 1 2. Var. OWiG), liegt zum einen daran, dass Unternehmen nach bisherigem Verständnis nicht Täter oder Teilnehmer von Ordnungswidrigkeiten sein können. Zum anderen dürfte dies mit der Grundannahme des Gesetzgebers zusammenhängen, nach der die Verbandsgeldbuße in der Regel im einheitlichen Verfahren verhängt werden soll, in dem Unternehmen lediglich (neben-)beteiligt (vgl. § 444 Abs. 1 StPO; § 470 StPO) werden.[69]

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In der Bußgeldpraxis der BaFin hat sich indes die gegenteilige Übung herausgebildet. Das ihr eingeräumte Entschließungs- und Auswahlermessen übt sie dahin aus, vorrangig das selbstständige Verfahren zu betreiben und Ermittlungen gegen das Leitungsorgan entweder schon nicht einzuleiten oder einzustellen.[70] Erwägungsgründe der BaFin dafür sind, dass sich die kapitalmarktrechtlichen Handlungsgebote ohnehin primär an die Gesellschaften als Verpflichtete richteten.[71] Auch habe der Gesetzgeber das Höchstmaß der Bußgeldandrohung im Kontext der Ad-hoc-Publizität vorrangig an vermögenden Normadressaten ausgerichtet, zu denen börsennotierte Gesellschaften regelmäßig gehörten.[72]

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Das einheitliche Verfahren und damit die Verfolgung auch der Leitungsorgane der Gesellschaft wählt die BaFin nur ausnahmsweise.[73] Die Ahndung handelnder Personen soll etwa dann opportun sein, wenn sie Pflichten wiederholt oder vorsätzlich verletzt haben oder wenn die Taten einen erheblichen Unrechtsgehalt aufweisen, das über das Ausmaß gewöhnlicher Regelverstöße hinausgeht.[74]

3. Einleitungsvermerk

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Das Ermittlungsverfahren wird durch einen förmlichen Einleitungsvermerk eingeleitet.[75] Dieser hat lediglich deklaratorische Bedeutung.[76] Anders als im Steuerstraf- und ordnungswidrigkeitenrecht (vgl. § 410 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 397 Abs. 2 AO) ist der förmliche Einleitungsvermerk im Kapitalmarktordnungswidrigkeitenrecht nicht gesetzlich vorgeschrieben.

4. Keine Pflicht zur Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung

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Die BaFin trifft keine Pflicht, den Betroffenen über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens in Kenntnis zu setzen. Aus behördlicher Sicht hat die (frühzeitige) Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung den Vorteil, dass mit ihr die Verfolgungsverjährung der zu ermittelnden Ordnungswidrigkeit gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen wird.[77] Deshalb wird in der Regel mit dem Einleitungsvermerk zugleich die Anhörung des Betroffenen verfügt.[78] Demgegenüber verbietet sich die Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung aus ermittlungstaktischen Gründen, wenn die Vornahme offener, aber unangekündigter Ermittlungsmaßnahmen (z.B. Durchsuchung von Geschäftsräumen) zu weiterem Erkenntnisgewinn führen könnten.

II. Einzelne Verfahrenshandlungen

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Im Vor- bzw. Ermittlungsverfahren ermittelt die BaFin eigenständig den bußgeldrelevanten Sachverhalt. Soweit nichts anderes bestimmt ist, hat sie dieselben Eingriffsbefugnisse wie die Staatsanwaltschaft, § 46 Abs. 2 OWiG.

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Die BaFin kann sich bei ihrer Ermittlung gem. § 53 Abs. 1 OWiG durch die Polizei unterstützen lassen. Zweckmäßig ist dies bei Durchsuchungen von Wohn- oder Geschäftsräumen (§§ 102 ff. StPO) oder – fernab von EMA-Anfragen – in Fällen der Überprüfung von Geschäftsadressen betroffener Unternehmen und ihrer Tochtergesellschaften. Sonstige Ermittlungshandlungen (z.B. die Einholung von Registerauszügen, Beauftragung von Sachverständigen) erfolgen durch die zuständigen Mitarbeiter des Bußgeldreferats der BaFin in eigener Zuständigkeit. Insbesondere die Vernehmung von Zeugen wird durch die Fallbearbeiter der BaFin vorgenommen, die wegen ihrer Sachkunde im Bereich des Kapitalmarktrechts eine sachgerechte Vernehmung sicherstellen können.

1. Anhörung des Betroffenen

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Bevor der Bußgeldbescheid erlassen werden darf, soll dem Betroffenen Gelegenheit gegeben werden, sich zu den Beschuldigungen zu äußern, § 55 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 163a Abs. 1 StPO. Anders als im Strafverfahren (vgl. § 163a Abs. 1 StPO) ist es in dem auf beschleunigte Abwicklung ausgerichteten Bußgeldverfahren nicht notwendig, dass der Betroffene stets förmlich vernommen wird.[79] Vielmehr genügt es, dem Betroffenen durch Übersendung eines Anhörungsbogens die Gelegenheit zur schriftlichen Äußerungen zu geben.[80] Die Anhörung ist entbehrlich, wenn das Verfahren eingestellt wird (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 163a Abs. 1 S. 1 StPO) oder der Betroffene lediglich verwarnt werden soll.[81] Die Verwarnung gem. § 56 OWiG scheidet im Kapitalmarktordnungswidrigkeitenrecht aber faktisch aus.[82]

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Die BaFin wird die Anhörung des Betroffenen bzw. der Nebenbeteiligten in der Regel schriftlich zu Beginn des Ermittlungsverfahrens zeitgleich mit Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung vornehmen.[83]

a) Hinweise (Tatvorwurf und Bußgeldvorschrift)

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Im Anhörungsschreiben muss die BaFin dem Betroffenen gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 163a Abs. 3 S. 2, 136 Abs. 1 S. 1 StPO eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird und welche Bußgeldvorschrift in Betracht kommt. Der verdachtsbegründende Sachverhalt und die bußgeldrechtliche Würdigung sollten getrennt dargestellt werden. Empfehlenswert ist es, bei der Vielzahl der Blankettordnungswidrigkeiten neben der Sanktionsvorschrift zusätzlich auch die Ge- bzw. Verbotsvorschrift im Anhörungsschreiben zu zitieren (z.B. §§ 120 Abs. 12 Nr. 1 lit. e i.V.m. § 107 Abs. 5 S. 1 WpHG).[84]

b) Belehrungspflichten

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Die BaFin hat unterschiedliche Belehrungspflichten zu beachten.