Höllenteufel

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Die beiden Polizisten blickten sofort auf den Toten, um he­rauszufinden, was Schwarz‘ Aufmerksamkeit auf sich gezo­gen hatte. Sarah erkannte gleich, was er meinte.

„Da ist ein Stich rechts neben der Wirbelsäule“, sagte sie. „Und ich wage zu behaupten, dass dies der erste ist. Der Tote hat nicht vergessen, für den nächsten Take die Kamera ein­zu­schalten. Unmittelbar nach der letzten Aufnahme hat sich die junge Frau den Dolch gegriffen, der neben ihr in dem Al­tar steckte und ihn damit von hinten angegriffen. Er hat sich ver­letzt herumgedreht und dann wurden ihm die zahl­rei­chen Stiche von vorne beigebracht. Ist die Wunde tief?“

Schwarz nahm wieder sein Besteck zur Hand.

„Allein an der Breite kann ich sehen, dass sie die komplette Klinge versenkt hat. Und da sind auch die beiden Abdrücke der Kugeln“, sagte er vorab. Vorsichtig schob er den Mess­stab in die Wunde.

„Ja, sogar ein bisschen tiefer, als die Klinge lang ist. Da hat sie mit großer Wut zugestochen. Und das weiche Gewebe unter dem Rippenbogen hat nachgegeben, so dass sie die Klinge, nachdem das Heft am Körper aufsetzte, noch ein Stück weiter hineintreiben konnte. Richtung und Winkel nach hat sie da schon die Lunge perforiert.“

„Tapferes Mädchen“, entfuhr es Sarah.

„Ja, eine so schmächtige junge Frau, die sogar noch unter Drogen stand, muss schon einen ziemlich starken Willen auf­gebracht haben, um einen ausgewachsenen Mann zu über­wältigen. Aber klar: Als ihr Peiniger nach dem ersten Stich in den Rücken noch stand und sich herumgedreht hat, wird sie in Panik auf ihn eingestochen haben. Deswegen auch die hohe Anzahl der Stiche.“

„Wie dem auch sei“, sagte Thomas, „was die Ereignisse von letzter Nacht angeht, sehen wir schon deutlich klarer. Aller­dings nicht, was die Identifizierung angeht. Was sagten Sie? Einheimischer?“

„Womöglich der Inhaber der Hütte?“, warf Sarah ein. „Liegt doch sehr nah. Schließlich war das keine herunter­gekom­me­ne Ruine, sondern ein funktionelles Blockhaus in einem gu­ten Zustand. Und wer sonst könnte so etwas über einen längeren Zeitraum und ohne die Gefahr, überrascht zu wer­den, nutzen, als der Besitzer oder Pächter?“

„Wer das ist, werden die Kollegen vielleicht schon heraus­ge­funden haben“, meinte Thomas und zog sich die über­langen Gummihandschuhe aus. „Vielen Dank, Herr Doktor, Sie haben uns mal wieder sehr geholfen!“

Der Rechtsmediziner lächelte.

„Ist mir immer wieder eine Freude!“

Und? Konnten Sie etwas von dem Mädchen erfahren?“, fragte Thomas Bierman Melanie Escher.

Die Mitarbeiterin des Jugendamts sah übermüdet aus. Ihre Augen waren leicht gerötet, das Haar unfrisiert und sie trug auch noch dieselbe Kleidung wie tags zuvor. Es war klar, dass sie seit dem Zusammentreffen mit ihrer jungen Schutz­befoh­lenen dieser nicht von der Seite gewichen war. Ein zwei­­tes Essenstablett auf dem Besuchertisch und die darauf befindlichen Packungen von Automatensüßigkeiten bestä­tig­ten ebenfalls diesen Ein­druck. Langsam wandte sie den bei­den Polizisten das Gesicht zu, und bevor sie etwas sagen konnte, schob Sarah ein Guten Morgen, Frau Escher. Wie geht es denn der Kleinen und wie geht es Ihnen zwischen. Sie wollte keinesfalls auf derselben Stufe der Sozialkompe­tenz wahr­genommen werden, wie ihr zuweilen ruppiger Part­ner. So konnte sie der Sozialarbeiterin auch ein müdes Lächeln ent­locken.

„Guten Morgen, Frau Hansen, Herr Bierman. Lassen Sie uns kurz auf den Flur gehen“, schlug sie vor.

Thomas und Sarah folgten ihr durch die Tür, die sie offen­ließen, damit die Patientin sie noch sehen konnte.

„Ihr geht es physisch gut“, knüpfte Escher an die Frage an. „Die Unterkühlung ist schad­los über­standen. Blutdruck, Blut­werte et cetera sind allesamt in einem ordentlichen Bereich. Aber, um auf Ihre Eingangs­fra­ge zurückzukommen, gesprochen hat sie bisher nicht. Die Psy­chi­aterin hat einige vorsichtige Versuche mit ihr ge­macht. Zeichnungen, Pikto­gramme, Fotografien und so. Auf Bilder von kleinen Tieren hat sie mit ver­haltenem Lächeln reagiert, auf ein Foto von einem Christ­baum mit leuchtenden Augen. Wir dürfen also anneh­men, dass sie im christlich geprägten Umfeld aufge­wachsen ist. Auf Bilder von Men­schen hat sie nicht wahr­nehmbar rea­giert, sondern ist in der Lethargie ver­harrt, die Sie ja kennen.“

Sarah wies auf das Tablett, das noch auf dem Rollschrank neben dem Mädchen stand.

„Hat sie gegessen? Und auf welche Art und Weise, ich meine, ihren Umgang mit Besteck und so weiter.“

Melanie Escher nickte langsam und nachdenklich, bevor sie antwortete.

„Ihr ist der Umgang mit Messer, Gabel und Löffel vertraut. Sie benutzt das Besteck europäisch, nicht wie ein Ame­ri­ka­ner. Sie hat auch Butter, Streichwurst, Käse und das Ei ganz normal zu sich genommen, so wie Sie und ich das auch tun.

„Schön, dass sie die Nahrung nicht verweigert“, stellte Sa­rah diesen Aspekt in den Vordergrund. „Das hätte auch anders sein können!“

„Ja, das ist im Moment das Wichtigste“, bestätigte die So­zial­arbeiterin und fuhr dem rothaarigen Mädchen mit der Hand über den Kopf.

„Hat sich die Psychiaterin schon dazu geäußert, wie wir an das Mädchen herankommen?“, fragte Thomas, dem die Fortschritte in dem Fall wichtiger zu sein schienen.

Escher schüttelte den Kopf.

„Sie hat nichts Konkretes gesagt. Dass sie Zeit brauche, mehr nicht.“

„Können wir denn irgendetwas besorgen? Ein Stofftier viel­leicht?“, wollte Sarah wissen und die Betreuerin nickte dank­bar.

„Ja, das bringt uns zwar nicht unbedingt weiter, aber erhöht möglicherweise ihr Wohlbefinden. Und es ist gut, wenn sie et­­was Vertrautes in ihrer Nähe hat, sollten wir sie in den näch­­s­ten Tagen aus diesem Umfeld herausnehmen. Ich weiß nicht, wie lange sie noch hierbleiben soll, medizinische Grün­de, außer ihres psychischen Zustandes, liegen jedenfalls kei­ne mehr vor.“

„Dann gehen wir doch mal ein Stofftier kaufen.“

Sarah stupste ihren Partner in die Seite.

„Ein großes!“, bat Frau Escher. „Was zum Kuscheln!“

„Okay.“

In diesem Moment kam ein junger Mann im Pflegeroutfit den Gang entlang. Gutgelaunt warf er dem Trio ein Guten Morgen zu, betrat das Krankenzimmer, schnappte sich das Ta­blett vom Gästetisch und brachte es aus dem Zimmer, um kurz darauf wieder zu erscheinen um sich laut pfeifend das zweite Tablett vom Rollschrank zu nehmen. Sarah und Frau Escher bemerkten sofort die Reaktion des Mädchens, die den Pfleger mit offenem Mund anstarrte und mit großen Augen seinen Bewegungen folgte. Und als er wenige Sekunden spä­ter mit einer Flasche Apfelsaft und einem Eis am Stiel zurück in den Raum kam, immer noch die leicht melancholische Melodie pfeifend, nahm auch Thomas wahr, dass sich das Verhalten der Rothaarigen geändert hatte. Ihr Mund war jetzt geschlossen und mit einem Lächeln auf dem Gesicht summte sie ganz leise die Melodie mit! Der Pfleger stellte das Getränk auf den Rollschrank und reichte dem Mädchen das Eis. Er summte nun ebenfalls, grinste die junge Patientin an und machte sich daran, das Zimmer zu ver­lassen.

„Stopp“, hielt ihn Thomas auf und er wählte Lautstärke und Tonfall so, dass es nicht aggressiv herüberkam. Er trat in den Raum.

„Bleiben Sie bitte noch kurz“, bat er den jungen Mann. „Sin­gen Sie weiter. Mit Text, wenn möglich.“

Gleichzeitig klopfte er mit der flachen Hand auf das Fuß­en­de des Bettes. Der Pfleger verstand sofort, wandte sich dem Mädchen zu, lächelte es an und begann, den Blick­kontakt zu ihr herzustellen. Als sie zurücklächelte, setzte er sich auf das Bett und stimmte das Lied erneut an, dies­mal sang er in einer den anderen Anwesenden unbekannten Spra­che. Das Mäd­chen wiegte den Kopf im Rhythmus und auf einmal sang es ganz leise mit! Niemand wagte, diesen fast innigen, aber fragil wirkenden Moment zu stören, und so sangen die bei­den drei Strophen, bis sie gemeinsam auf ei­nem langen Ton verblieben und das Lied beendeten. Der Pfle­ger fragte das Mädchen etwas in der fremden Sprache, doch sie reagierte nicht darauf. Stattdessen kehrte sie ihre Aufmerksamkeit zurück auf ihr Inneres und drehte den Kopf zur Seite.

Thomas wandte sich dem Pfleger zu.

„Verraten Sie mir, was das für ein Lied war und welche Spra­che Sie mit ihr versucht haben zu sprechen?“, flüsterte er dem jungen Mann zu.

„Das ist ein rumänisches Kinderlied. In der Heimat meiner Eltern kennt das jedes Kind“

„Rumänien“, echote Sarah, die mit Melanie Escher ebenfalls das Zimmer betreten hatte. „Die Kleine kommt also aus Ru­mä­nien.“

Die beiden Polizisten, der Pfleger und die Sozialarbeiterin be­trachteten die Patientin, die die Augen geschlossen hatte und leise, kaum wahrnehmbar die Melodie summte.

„Sie sagten, die Heimat Ihrer Eltern“, brach Thomas das Schwei­­­gen. „Sie sind hier geboren?“

„Ja, aber da zu Hause immer Rumänisch gesprochen wurde und meine Verwandtschaft dort lebt, kann ich es ganz gut“, beantwortete der junge Mann gleich die Frage, die Thomas impliziert hatte.

„Sehr gut!“, meinte Thomas. „Dann werden wir nachher mit Ihrer Stationsleitung sprechen. Wir brauchen Sie jetzt, um eine Beziehung zu dem Mädchen aufzubauen. Machen Sie das über Musik, über Kinderbücher oder auf was auch im­mer sie reagiert. Es wird ständig jemand dabei sein, Frau Escher oder die Psychiaterin oder ein Kollege von uns. Wenn sie etwas sagen sollte, oder auf etwas, das Sie sagen, auffällig reagiert, notieren Sie das und teilen es uns mit. Herr?“

Der Mann deutete auf sein Namensschild.

„Dumitru“, sagte er. „Sie können mich aber gerne Li­viu nennen.“

„In Ordnung, Liviu“, nahm Thomas den Vorschlag an. „Ha­ben Sie noch rumänische Kinderbücher? Märchen­bücher vielleicht? Oder kennen Sie weitere Kinderlieder?“

 

Der Pfleger überlegte kurz.

„Ja, ich glaube, ich habe eine Kiste mit Kindersachen zu Hau­se stehen. Da dürfte das ein oder andere Buch ebenfalls da­bei ­sein. Meine Frau ist der Meinung, dass, wenn wir mal Kinder haben, sie von ihren rumänischen Wurzeln et­was mit­be­kommen sollten.“

„Können Sie Ihre Frau bitte anrufen?“, übernahm Sarah von ihrem Partner. „Oder ist sie berufstätig? Es wäre schön, wenn wir zeitnah Sachen haben, mit denen Sie arbeiten können.“

„Sie hat noch Resturlaub. Ich rufe sie gleich an!“

„Ich danke Ihnen!“

Der Pfleger lächelte dem rothaarigen Mädchen ein letztes Mal zu und verließ den Raum.

„Jetzt haben wir den ersten Ansatz in diesem merkwürdigen Fall“, stellte Sarah fest. „Zumindest, was die Identifizierung dieser jungen Dame angeht. Wir werden umgehend mit der rumänischen Botschaft Kontakt aufnehmen.“

Sie sah zu dem Mädchen hinüber, das immer noch seinen Blick auf die Tür geheftet hatte, durch die Liviu gerade ent­schwunden war. Ganz offensichtlich hatte die Musik tatsäch­lich eine Art Verbindung geschaffen.

„Konnten Sie schon ermitteln, was der Kleinen zugestoßen ist? Wessen sie Zeuge wurde?“, fragte Melanie Escher Sarah.

„Wir dürfen Ihnen leider keine Details mitteilen“, antwor­tete die­se. „Aber wir können bestätigen, dass sie Dinge er­lebt hat, die sie definitiv traumatisiert haben dürften. Kein sexu­eller Missbrauch, aber sie hat mehrfach Todesangst durch­­­litten.“

„Mein Gott! Das ist ja schrecklich!“

Escher war das Entsetzen ins Gesicht geschrieben.

„Wurden ihr körperliche Schmerzen zugefügt, die keine Spuren hinterlassen haben?“, fragte sie.

Sarah schüttelte den Kopf.

„Nein, die Misshandlungen waren vorwiegend psychischer Natur.“

Bevor Escher weitere Fragen stellen konnte, öffnete sich die Tür und Liviu betrat wieder den Raum.

„Meine Frau sucht ein paar Sachen zusammen und kommt sofort her“, berichtete er und als er die kleine Patientin an­strahlte, zeigte sich auch in deren Augen ein verhaltenes Leu­ch­ten.

Thomas stand auf.

„Dann werden wir uns jetzt verabschieden. Wir bleiben auf jeden Fall in Kontakt!“

Er und Sarah schüttelten den Anwesenden die Hände und verließen das Krankenzimmer.

Kapitel VII

So, da wären wir“, begrüßte Thomas die Kollegen Hans Pfefferle, Nico Berner und Karen Polocek. Er und die ihm nach­folgende Sarah setzten sich ebenfalls an den Be­sprech­ungs­tisch und legten ihre Materialien vor sich.

„Kommt Gröber noch?“, fragte Sarah und Hans Pfefferle zog ein übertriebenes unzufriedenes Gesicht.

„Ja, und wir sollen warten, bis er da ist“, sagte er.

„Na gut“, quittierte Thomas die Information, blickte auf die Kaffeebecher der anderen und wandte sich an Sarah.

„Auch einen Kaffee?“, fragte er und stand bereits auf.

„Gerne, mit Milch und Zucker“, lautete ihre Antwort.

Nickend verließ ihr Partner den Raum. Noch bevor sich bei den Zurückgebliebenen ein Gespräch entwickeln konnte, flog die Tür auf und der Ressortleiter Gröber betrat den Be­sprech­ungsraum.

„Wo ist Bierman?“, blaffte er in die Runde, ohne sich zu be­mühen, die Anwesenden zu begrüßen.

„Kaffee holen“, brummte Pfefferle wortkarg.

Es legte sich Schweigen über den Raum, da keiner Lust ver­spürte, während der Anwesenheit Gröbers eine Unterhal­tung zu beginnen, geschweige denn mit ihm selbst in Kon­takt zu tre­ten. Kurz darauf kam Thomas zurück und stellte zur Überraschung aller einen Kaffeebecher vor seinen Chef, ei­nen vor Sarah und setzte sich schließlich mit seinem Ge­tränk an sei­nen Platz.

„Ja, äh, danke“, brachte Gröber mit verwirrtem Gesichtsaus­druck hervor, hatte er sicherlich als Letzter mit einer solchen Geste gerechnet. Sarah wusste über die Beziehung zwischen ihrem Partner und Gröber nur zu gut Bescheid. Während Tho­mas von dem Choleriker und Opportunisten Gröber nichts hielt, hatte selbiger bisher nichts gegen den unkon­ven­tionellen, mitunter insubordi­nanten Bierman unternom­men, weil dieser so brillante Er­geb­nisse ablieferte. Jedoch ver­suchte normalerweise keiner der beiden, seine Abnei­gung gegenüber dem anderen zu ver­bergen.

„Nun, da wir alle da sind“, ein strafender Blick in Thomas‘ Rich­tung wurde von allen als bemitleidenswerter Versuch erkannt, seine eigene Verspätung zu relativieren, „können wir ja anfangen. Berner, was haben Sie?“

„Unsere Recherche hat ergeben, dass die Hütte, in der das Mäd­chen aller Wahrscheinlichkeit nach gefangengehalten wur­­de und ihren Peiniger attackiert hat, einem gewissen Dr. Bernd Vogelsang gehört. Er ist pensionierter Psychiater, wohn­­­­haft in Sankt Peter. Wir haben versucht ihn aufzu­su­chen, aber niemanden angetroffen.“

„Dann ist das unser Toter aus dem Wald?“, unterbrach Grö­ber.

Karen Polocek und Nico Berner schüttelten beide den Kopf.

„Wir haben daraufhin Nachbarn angesprochen, die uns be­richteten, dass Dr. Vogelsang und seine Frau den Winter in Süd­­spanien verbringen, wo sie eine Wohnung haben. Eine Nachbarin, die nach dem Haus schaut, hat uns eine Telefon­nummer gegeben. Wir haben auf den AB gesprochen. Helen wird den Rückruf, wenn er erfolgt, zu uns ins Besprech­ungs­zimmer durchstellen.“

„Mhmmm“, quittierte Gröber den diesmal von Hans Pfef­ferle vorgetragenen Bericht. „Was hat die Vermissten­daten­bank ergeben?“

Karen Polocek sah kurz auf das Blatt Papier vor ihr.

„Bisher nichts. Auch wenn unsere junge Dame über ein äu­ßerst markantes Äußeres verfügt, konnte ich bisher nichts, aber auch rein gar nichts herausfinden.“

„Die Stellen der Nachbarländer haben Sie kontaktiert?“, frag­te Gröber.

„Natürlich. Falls sich da etwas ergibt, rufen die Kollegen zurück.“

Diesmal nickte Gröber nur, bevor er sich an Sarah wandte.

„Und mit dem Mädchen? Sind Sie da weitergekommen?“

Sarah, die in ihren Notizen geblättert hatte, legte die Papiere zusammen, schlug zweimal leicht mit der Kante auf dem Tisch auf und legte sie beiseite.

„Nein, Herr Gröber“, wählte sie einen sehr förmlichen Ton. „Sie hat immer noch kein Wort gesprochen. Und konnte uns somit bisher nicht weiterhelfen. Das Einzige, was wir wissen ist, dass sie aus Rumänien kommt. Die offiziellen Stellen werden wir gleich kontaktieren. “

„Und was hat unsere Rechtsmedizin bisher zustande­ ge­bracht?“ Gröbers Ton war fast gelangweilt.

„Wir konnten ziemlich schlüssig nachstellen, was in der Hüt­­te zwischen dem Mann und dem Mädchen passiert ist. Tiefe der Wunden, Stichkanal, all das lässt keinen anderen Schluss zu, als was wir ohnehin schon vermutetet hatten. Die Ergebnisse der DNA-Analyse sind nur noch Formsache.“

„In Ordnung“, fasste Gröber zusammen. „Dann ist der Fall als solches ja damit abgeschlossen. Gilt lediglich, den Toten zu identifizieren und die genaue Herkunft des Mädchens zu klären. Machen Sie weiter, ich erwarte, dass Sie die nächsten Tage damit fertig werden.“

Der Ressortleiter erhob sich, doch das Klingeln des Telefons veranlasste ihn, sich wieder hinzusetzen. In Erwartung des Rückrufes aus Spanien nahm Nico Berner den Hörer ab.

„Berner, Kriminalpolizei Freiburg“, meldete er sich und schal­­tete nach den ersten Worten des Anrufers auf laut.

„…und da wollte ich mich natürlich sogleich bei Ihnen mel­den“, vernahmen die Ermittler aus dem Lautsprecher.

„Das ist nett, dass Sie so zeitnah zurückrufen! Es geht um Ih­re Jagdhütte im Schwarzwald. Wird die von jemandem mit Ihrer Erlaubnis benutzt?“

Dr. Vogelsang zögerte einen Moment und es schien offen­sichtlich, dass er den Grund erfahren wollte, warum sich die Polizei dafür interessiere. Letztendlich antwortete er aber doch di­rekt auf die Frage.

„Ja, immer wenn wir in Spanien sind, überlasse ich die Hütte einem Bekannten. Er ist sehr zuverlässig und ich weiß die Hütte in guten Händen.“

„Wie heißt denn dieser Bekannte?“, fragte Berner.

Wieder schien Dr. Vogelsang zu überlegen, ob er die Ant­wort so ohne Weiteres geben sollte. Schließlich rang er sich dazu durch.

„Sein Name ist Werner.“

„Wie lautet denn sein Nachname und die genaue Adresse?“

An diesem Punkt war Dr. Vogelsangs Kooperationsbereit­schaft offensichtlich zu Ende.

„Das kann ich Ihnen nicht sagen.“

„Das heißt, Sie kennen weder seinen Nachnamen noch wis­sen Sie, wo er wohnt?“, hakte Berner fast ungeduldig nach.

Dr. Vogelsang wich der Antwort durch Schweigen aus.

„Herr Dr. Vogelsang, wir ermitteln in einem Kapital­ver­bre­chen und der Mann, der Ihre Hütte bewohnt oder ver­sorgt oder wie auch immer, ist für unsere Ermittlun­gen von großer Wichtigkeit!“

„Sehen Sie“, erklärte der Anrufer, „es handelt sich dabei um einen ehemaligen Patienten, deswegen kann ich Ihnen beim besten Willen nicht weiterhelfen.“

Thomas platzte fast der Kragen, als er sich in das Ge­spräch einschaltete.

„Hier spricht Kriminalhauptkommissar Bierman, Herr Vo­gel­sang, Sie haben in diesem Fall kein ethisches oder ju­ris­tisches Problem. Wir fragen nach diesem Mann schließlich nicht im Zusammenhang Ih­­­rer Therapeut-Patient-Bezie­hung, sondern weil er Ihre Jagd­­­­­hütte benutzt. Sie hätten nicht einmal erwähnen müssen, dass er Ihr Patient war. Und wenn Sie trotz alle­dem im­mer noch moralische Bedenken haben, lassen Sie es sich ge­sagt sein, dass dieser Patient aller Voraussicht nach tot ist. Ge­tö­tet in Ihrer Hütte! Und jetzt sa­gen Sie uns verdammt nochmal, wie er heißt.“

Die deutliche Ansage zeigte Wirkung.

„Tot? In meiner Hütte? Um Gottes Willen! Wie ist denn das passiert?“

„Nennen Sie uns doch bitte den Namen des Mannes“, insis­tierte Thomas.

„Sein Name ist Werner Bruckwald, er wohnt in Buchen­bach“, brachte der Psychiater hervor.

„Sehr gut! Danke!“ Thomas lehnte sich nach diesem Aus­bruch zurück. Nico Berner übernahm wieder die Ge­sprächs­­führ­ung.

„Können Sie uns seine Kontaktdaten geben? Und eine kurze Personenbeschreibung?“, fragte er den Pensionär. Als dieser nach Durchgabe der Anschrift anfing, Werner Bruckwald zu beschreiben, war allen im Raum schnell klar, dass die Wahr­scheinlichkeit, dass es sich bei ihm um den Toten aus der Hüt­te handelte, sehr groß war.

„In Ordnung, Herr Vogelsang“, sagte Nico Berner in der Hoff­nung, die momentane Redseligkeit des Psychiaters aus­nützen zu können, „Was können Sie uns noch über Herrn Bruckwald sagen?“

Zur Überraschung aller gab der Arzt tatsächlich weitere De­tails preis.

„Ich habe ihn vor, ach, wahrscheinlich dreißig Jahren ken­nen­gelernt. Da war er ein junger Mann. Er hat mich in der Pra­xis aufgesucht und war bei mir sicher fünfzehn Jahre in Behandlung. Mit Unterbrechungen.“

„Gab es einen Grund, warum er nicht mehr zu Ihnen kam?“, hakte Berner ein.

„Ja, er hatte eine Frau kennengelernt. Die beiden haben ge­heiratet und dadurch hat sich sein Zustand bemerkens­wert verbessert. Nach angemessener Zeit hat mich das Paar mal eingeladen, man hat sich dann und wann getroffen. Und seit, lassen Sie mich nachdenken, sechs Jahren nutzt er gelegent­lich meine Hütte, wenn wir in Malaga sind.“

„Was war denn der Grund für seine Besuche als Patient?“, fragte Berner vorsichtig, doch diesmal schwieg Dr. Vogel­sang. Die Pause nutzte Sarah, um sich in das Gespräch ein­zuschalten.

„Mein Name ist Hansen, ich bin ein Kollege von Herrn Ber­ner. Herr Dr. Vogelsang, ich verstehe, dass Sie gemäß Gesetz an die ärztliche Schweigepflicht auch über den Tod hinaus ge­bun­den sind. Lassen Sie mich trotzdem einige Schüsse ins Blaue machen. Zum Einen hatte Herr Bruckwald überbor­den­­­de Machtfantasien, die er als Jugendlicher zum Beispiel in der Form ausgelebt hat, dass er Tiere getötet hat.“

Sehr zögerlich und wohl auch erstaunt klang ein jaaaa aus dem Lautsprecher.

„Gehe ich recht in der Annahme, dass er auch einen Hang zu Sadismus gehabt hat, der sich darin zeigte, dass er Tiere nicht nur getötet, sondern auch außerordentlich gequält hat?“

„Da liegen Sie richtig“, antwortete Dr. Vogelsang.

„Ich denke, auch Mitschüler wurden Opfer dieser Verhal­tens­­­auf­fälligkeiten?“

„Auch das trifft zu.“

„War zu diesem Zeitpunkt schon ein Hang zum Okkul­tis­mus zu erkennen? War er auf der Suche nach Got­tes­er­fah­rungen?“

 

„Frau Hansen, sind Sie eine Kollegin?“, fragte der Arzt jetzt. „Sie beschreiben meinen Patienten sehr gut. Woher nehmen Sie dieses Wissen?“

Ein wenig geschmeichelt und mit leicht geröteten Wangen schilderte Sarah nach einem Blickkontakt der Rückversiche­rung mit ihrem Partner, wie sie Werner Bruckwald inmitten der okkulten Artefakte aufgefunden hatten.

„Mein Gott“, gab der Psychiater entsetzt zurück. „Ich hätte niemals gedacht, dass so etwas passieren könnte. Er hatte so gute Fortschritte gemacht. Die Beziehung war gesund und hat ihn stabilisiert. Es stand ein Kinderwunsch im Raum. Mit ei­ner derartigen Dekompensation konnte wahrlich niemand rech­­nen!“

„Wissen Sie, ob er immer noch mit seiner Frau zusammen ist oder besser war? In diesem Fall müssten wir sie vom mög­lichen Tod Ihres Mannes unterrichten und sie um die Iden­tifizierung bitten.“

„Ich habe sie beide bei der Schlüsselübergabe noch gesehen. Das war Anfang November. Sie wirkten auf mich ausge­gli­chen, es gab keinerlei Anzeichen von Spannungen“, berich­tete Dr. Vogelsang. Es war Thomas, der die nächste Frage stell­­­te.

„Was hat Bruckwald beruflich gemacht? War seine Frau ebenfalls berufstätig?“

„Bruckwald selbst war Sachbearbeiter in einer Spedition. Er hatte ursprünglich eine Lehre zum Tierpräparator angefan­gen, wurde aber noch im ersten Lehrjahr rausgeworfen. Den Grund habe ich nie erfahren, aber Sie können sich genauso wie ich denken, was ausschlaggebend war.“

Thomas lächelte schnaubend.

„Wenn man jemand mit dieser Veranlagung zum Tier­prä­parator ausbildet, ist das, als wenn man einen Junkie in einen LKW mit Heroin setzt. Danach hat er eine kaufmän­nische Lehre gemacht, vermute ich.“

„So ist es. Von der Firma ist er auch übernommen worden und hat dort immer noch gearbeitet. Seine Frau ist übrigens Grundschullehrerin.“

Nico Berner blickte fragend in die Runde, alle schüttelten den Kopf.

„Herr Dr. Vogelsang, vielen Dank für Ihre Hilfsbereitschaft! Sie haben uns sehr geholfen!“, leitete er das Ende des Te­lefonats ein.

„Gerne! Wenn Sie noch Fragen haben, können Sie sich gerne an mich wenden. Eins noch!“, fiel dem Arzt in letzter Sekun­de etwas ein. „Darf ich mit Frau Bruckwald sprechen? Sie ist ja schon so etwas wie eine Bekannte.“

„Bitte tun Sie das nicht, bevor wir sie besucht haben“, bat Berner.

„In Ordnung, ich verstehe! Dann auf Wiederhören!“

Ohne eine Antwort abzuwarten, legte Dr. Vogelsang auf. Abermals erhob sich Gröber, blickte in die Runde und ließ sich doch tatsächlich zu einem Lob hinreißen.

„Meine Damen, meine Herren, gute Arbeit“, sagte er und verließ das Besprechungszimmer.

„Okay“, unterbrach Thomas Bierman das erstaunte Schwei­gen. „Sarah und ich werden Frau Bruckwald besuchen. Und morgen Vormittag neun Uhr sehen wir uns wieder hier.“

Er packte die Unterlagen, Sarah die ihren und gemeinsam traten sie auf den Flur.

„Das war sehr gut, da drinnen“, lobte Thomas seine Part­nerin, als sie den Flur in Richtung ihres Büros gingen.

„Danke“, antwortete Sarah. „Deine Intervention war aber auch nicht schlecht. Genau der richtige Ton zum richtigen Zeitpunkt.“

„Ich hatte es schon mal erwähnt“, zwinkerte Thomas mit dem Auge. „Wir sind ein gutes Team!“

Stefan Wellners Motivation war schon auf einem sehr niedrigen Level, als er sich die Winterstiefel über seine Ther­mosocken stülpte und die Verschlüsse zuzog. Nachdem er auch seinen dicken Mantel und die Handschuhe ange­zogen und die Tür geöffnet hatte, sank sie auf ein nicht mehr wahr­nehmbares Maß! Nicht nur, dass es so dicht schneite, dass er das Stallungsgebäude rechter Hand kaum sehen konn­te. Ein bissig kalter Wind sorgte dafür, dass die Flocken nicht senk­recht zu Boden fielen, sondern ihm ins Gesicht wehten. Schlecht gelaunt stapfte er durch den Schnee zu den Stal­lungen, die als Garage dienten, und musste, dort ange­kom­men, erst einmal mit dem Fuß einen Freiraum schaffen, bevor er die in eines der Tore eingelassenen Tür nach außen öffnen konnte. Drinnen schüttelte er als erstes den Schnee von Kopf und Schultern, tastete nach dem Licht­schalter und trat zu dem G-Klasse Mercedes. Aus dem alten Schrank hin­ter dem Fahrzeug holte er einen grauen Leichen­sack und leg­te ihn in den Kofferraum des Wagens. Er hatte zwar noch keine Nachricht, dass er die rothaarige Rumänin abholen konnte, aber musste ja vorbereitet sein – und das war schließ­lich auch der Grund, warum er bei diesen Wit­terungs­ver­hältnissen überhaupt die wohlige Wärme des Ka­chelofens verlassen hatte. Morgen würde er ir­gend­wohin fah­ren, seine Mobiltelefone einschalten und nach­sehen, ob je­mand eine Nachricht gesprochen oder ge­textet hatte. Und wenn Werner Bruckwald Bescheid gab, dass er mit dem Mädchen fertig sei, musste er es abholen und ent­sorgen. Stefan Wellner schloss die Heckklappe des Merce­des, nahm sich aus einer Reihe an die Wand gelehnter Werk­zeuge eine Schaufel sowie einen Spaten und machte sich da­ran, die Garage zu ver­lassen. Am Tor kehrte er jedoch um und nahm sich eine Spitzhacke, schließlich war zu erwarten, dass die ersten Zentimeter des Bodens gefroren waren. Als wenn es nicht schon an­stren­gend genug gewesen wäre, durch den tiefen Schnee zu stap­fen, waren die langstieligen Werkzeuge zu­sätzlich hinder­lich. Nicht zuletzt die Spitz­hacke, die außer ihrer Unhand­lichkeit zusätzlich ein beacht­liches Gewicht mitbrachte, er­schwerte den Weg durch den rückwärtigen Park. An einer Stelle angekommen, die ihm ge­eignet er­schien, weil er wuss­te, dass hier das Erdreich, sofern nicht ge­froren, recht locker war, legte er den Spaten und die Hacke ab, um zunächst mit der Schaufel eine einen Meter sechzig mal vierzig Zentimeter große Fläche vom Schnee zu befreien. Gott sei Dank war die Rothaarige recht klein. Als er im Anschluss mit dem Spa­ten in den Boden stechen woll­te, konn­te er ein lautes Fluchen nicht unterdrücken. Hatte er ge­hofft, dass unter dem Schnee der Boden vielleicht noch weich geblieben war, musste er feststellen, dass die Erde hart wie Stein war. Er erinnerte sich, dass es Wochen zuvor erst ge­regnet hatte, bevor ein eisiger Wind die Temperaturen über zwei Tage hinweg in den Keller geblasen hatte. Erst dann war der Schnee gefallen, obwohl es eigentlich schon zu kalt dafür gewesen war. Mit Wut im Bauch nahm er die Hacke auf und hieb sie mit der spitzen Seite in den Boden vor sich. Nach einigen Schlä­gen hatte er so viel Erdreich gelockert, dass er ein paar Schau­feln zur Seite räumen konnte. Glücklicherweise konnte er, nachdem er etwa dreißig Zenti­meter tief war, auf die Hacke verzichten und mit dem Spaten allein weiterarbeiten. Wie tief sollte er gehen? Die Anwei­sung hatte stets gelautet, dass sich mindestens ein Meter Erdreich über dem Körper befinden musste, und bisher hatte er sich daran auch ge­halten. Warum jetzt nachlässig wer­den, fragte er sich und muss­te feststellen, dass ihm die körper­liche Arbeit bei dem Schnee­treiben sogar guttat! Und da er bei der relativ stu­pi­den Tätigkeit seinen Gedanken nach­gehen konnte – sie dreh­ten sich hauptsäch­lich um die junge Thai – war er selbst überrascht, wie schnell das Grab ein Meter fünfzig tief war. Beim Blick in das Erdloch musste er un­willkürlich an das erste Mal denken. Es war ganz in den An­fängen, als seine Auftraggeber mit kleinen Privatveran­stal­tungen in dem Schlöss­­chen anfingen. Bei diesen Partys floss damals schon Cham­pagner im Überfluss, Kaviar und Koks gab es per Flat­rate. Und natürlich war die Auswahl an Mäd­chen sehr an­sehnlich. Für jeden Geschmack war etwas da­bei gewesen. Schüch­tern unterwürfig, Dominas in Latex und Leder, Schul­mäd­chen… Einer der betuchten Herren hatte ei­ne Sieb­zehn­jährige bei brutalen SM-Spielchen mehr oder we­ni­ger aus Versehen erwürgt. Die polnische Schön­heit hat­te Wellner be­graben müssen. So wie heute war es im Win­ter gewesen, es hatte ebenfalls geschneit, wenn auch nicht so stark wie im Mo­ment. Das Gefühl von damals kam ihm wie­der hoch, als er die spärlich bekleidete junge Frau behutsam in das Grab gelegt hatte und sich tatsächlich Gedanken ge­macht hatte, dass es doch so furchtbar kalt für sie sein muss­te. Er hatte sicherlich eine Viertel­stunde am Rand des Grabes gestanden und beobachtet, wie sich eine lichte Schnee­decke über die Lippen und Augen gelegt hatte, bis er es fertig­brachte, den Körper mit Erde zuzuschütten. Er hatte es als sehr intimen Moment wahrgenommen, allein mit dem toten Mädchen, das äußerlich unversehrt und so wunder­schön war! Gro­teskerweise hatte er in jener Nacht ein wei­teres Grab aus­heben müssen, und zwar für den Ver­ursacher der Tra­gödie. Der Mann war, nachdem er realisiert hatte, was pas­siert war, förmlich ausgerastet, wollte die Po­lizei ver­stän­digen und sich seiner Verantwortung stellen. Ob­wohl da­mals schon die Sicherheitsbestimmungen hoch waren – die Herren wurden alle mit verbundenen Augen und ohne Han­dy auf das Schloss gebracht – war man kein Risiko einge­gangen. Und so kam es, dass Wellner noch­mals ein Loch gra­ben und einen Leichnam unter die Erde hatte bringen müs­sen. Außer bei diesem Mann war es für ihn nie leicht ge­wesen, jemanden auf diese Weise ver­schwin­den zu lassen. Aber die Mischung aus Trauer, Mitge­fühl, Für­sorge, die er für die junge Polin empfunden hatte, war einzig­artig ge­blieben. Jetzt riss ihn sein knurrender Ma­gen und eine durch die Sohlen seiner Stiefel nach oben kriechende Käl­te aus den Gedanken. Er beließ die Schaufel auf dem klei­nen Hügel auf­geworfener Erde, nahm Spitz­hacke und Spa­ten an sich und besah sich sein Werk noch­mals. Dann brachte er das Werk­zeug zurück in die Garage, schloss alles ab und freute sich auf eine heiße Dusche.

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