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Kapitel 2 Generation Y & Z: Ist Konzentration eigentlich noch möglich?

»Each generation seems to lament the characteristics of the generations that follow. Today, however, with a student population unique in traits that impact teaching and learning, differences between teacher and learner generations must be recognized, analyzed, and addressed if faculty in higher education are to meet the needs of students.« (Black, 2010, S. 92)

Betrachten wir in Zeiten der allgegenwärtigen Bologna-Reformen ein Bild, das eine Vorlesung an der Universität Bologna in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhundert festhält |Abb. 10|.


|Abb. 10| Henricus de Alemannia vor seinen Schülern, Bologna, zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts. (Fotografische Reproduktion)

Manche Zuhörer haben Bücher, manche nicht. Manche verfolgen den Text im Buch, manche etwas anderes. Manche unterhalten sich, während sie dem Vortrag lauschen, und zwei lauschen schlafend ihren Träumen. Da die Erfindung der digitalen Technologien zeitlich noch weit entfernt liegt, würde man die Ursachen für das nur teilweise aufmerksame Auditorium wohl nicht in neuen Technologien suchen. Auch ist auffallend – wenn man die begleitenden Texte seiner Zeit liest –, dass Vertreter der lehrenden Generationen ähnlich über die lernenden Generationen lamentieren wie die heutigen: unaufmerksam und unkonzentriert, uninteressiert und oberflächlich, unvorbereitet und mit anderen Dingen beschäftigt. Ist die ganze Diskussion also ein alter Hut?

Ja und nein. Ja, denn wie das obige Bild demonstriert, tritt das Phänomen Unkonzentriertheit in Lehrveranstaltungen schon erheblich früh auf und ist wohlbekannt. Nein, da sich die Kennzahlen und Fertigkeiten digital geprägter Gehirne, wie Aufmerksamkeitsspanne und Kapazität des Arbeitsgedächtnisses, heute zunehmend schneller ändern, um an eine digital geprägte Umwelt besser adaptiert zu sein (Kap. 1). Wenn man sich jetzt auf der anderen Seite die didaktische Konzeption von Lehrveranstaltungen ansieht, scheinen diese Aspekte weniger berücksichtigt zu werden.

Was glauben Sie: Wie lang ist die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne von Schülern oder Studierenden heute? Nach gängiger Überzeugung liegt sie zwischen 10 und 15 Minuten. Diese Überzeugung wird auch durch eine Vielzahl didaktischer Literatur verstärkt. Hierfür fanden Wilson und Korn (2007) in einer Literaturstudie jedoch keinerlei wissenschaftliche Evidenz, die diese Ansicht bestärken könnte (Kap. 2.2). Es ist nur ein Beispiel dafür, dass mitunter lieb gewonnene Annahmen und Überzeugungen bei der didaktischen Planung oft nicht hinreichend hinterfragt werden. In diesem Sinne soll nun der Blick auf die veränderte Konzentrationsfähigkeit digital Lernender gerichtet werden: Ist Konzentration eigentlich noch möglich?

2.1X, Y, Z: Generationen als Kollektive mit partiellen Gemeinsamkeiten

Oft liest man von der Net- oder iGeneration, von der Generation X, Y oder Z, den sogenannten Baby Boomern oder Silencern, den Digital Natives oder Digital Immigrants. (vgl. Prensky, 2010; 2001a; 2001b) Doch wer ist damit gemeint? Was kann man Sinnvolles aus den zahlreichen Verallgemeinerungen für die Planung von Lehrveranstaltungen ableiten? Und was davon ist wie wissenschaftlich belegt?

Vorab noch zwei Anmerkungen zum Pauschalurteil und zum Generationenbegriff:

Das Pauschalurteil

In seinem Aufsatz Kollektiv und Pauschalurteil (2010) führt Klaus P. Hansen aus:

»Bei der Erfassung von Kollektiven, also Gruppen von Menschen oder sonstigen Gegenständen, sind Pauschalurteile nicht nur angemessene, sondern die einzig möglichen Erkenntnisinstrumente. Wenn ich Kollektive beschreiben will, nehme ich ja nicht das einzelne Mitglied ins Visier, sondern alle zusammen. Insofern muss ich verallgemeinern und pauschalieren. […] Wenn eine Statistik feststellt, dass Kaffeetrinker zum Herzinfarkt neigen, so verkündet sie ihr Ergebnis als Pauschal­urteil.« (Hansen, 2010, S. 73)

Somit stellen auch die meisten der folgenden Ergebnisse Pauschalurteile dar, die die Teilnehmer in einer Untersuchungsgruppe bzw. die Generation an sich charakterisieren, womöglich aber für einen bestimmten Schüler oder Studierenden nur bedingt zutreffen. Aber genau hier liegt in der konkreten Anwendung dieser Erkenntnisse auf die jeweilige Unterrichtssituation der Mehrwert eines jeden Lehrenden, indem der Lehrende die pauschalen Erkenntnisse nicht eins zu eins überträgt, sondern an der jeweiligen Gruppe von Lernenden reflektiert. Dies ist umso wichtiger, da es den einen Lernenden – sei es Schüler oder Studierender –, auf den sich die didaktische Planung meist implizit bezieht, nicht gibt und auch nie gegeben hat: Konnte man vor einiger Zeit noch von einer homogenen Lerngruppe ausgehen, die zur gleichen Zeit mit derselben Methodik erfolgreich lernt, ist dies heute bei den zunehmend heterogenen Lerngruppen oft nicht mehr möglich. Es werden hier also zunächst kollektive Lernphänomene unserer Zeit betrachtet und anschließend methodisch individuell ausgestaltet.

Kollektive, Generationen und Kultur(en)

In seinem Buch Kultur und Kulturwissenschaft (2011) schreibt Klaus P. Hansen: Kultur umfasse die Gewohnheiten eines Kollektivs. Oder noch kürzer: Kultur bezeichne Standardisierungen. Diese Standardisierungen bergen allerdings – wie er an Beispielen ausführt – die Gefahr der Stereotypisierung von Pauschalurteilen und der Homogenisierung von Heterogenitäten, um einen für die Statistik wichtigen repräsentativen Querschnitt bzw. um eine Gleichheit im Kollektiv zu generieren.

»Der Mythos der Gleichheit geht davon aus, dass alle Menschen gleichermaßen in der Lage sind, gute Entscheidungen zu treffen, ihre Impulse zu beherrschen und die Konsequenzen ihrer Handlungen zu verstehen. Das ist ehrenwert, aber bei genauerem Hin­sehen löst sich die Gleichheit in Luft auf.« (Eagleman, 2011, S. 218)

Für die weitere Betrachtung ist daher folgende Erkenntnis zentral:

»Individuelle Identität, so erkennen wir, setzt sich additiv aus vielen Eigenschaften, Überzeugungen und Hobbys zusammen, die kollektiv gestützt werden. So gesehen ist meine Identität eine Addition oder besser ein Amalgam aus einerseits vorgegebenen und andererseits frei gewählten Kollektiven. Diesen kollektiven Reichtum kennen die monokollektiv fixierten Tiere nicht. Ihnen gegenüber zeichnet sich das menschliche Individuum durch, wie wir es nennen wollen, Multikollektivität aus.« (Hansen, 2011, S. 156)

In diesem Sinne wird der Begriff Generation zunächst als ein Natur- bzw. Abstraktionskollektiv verstanden. Zu einer Generation zählen also Menschen gleichen »Produktionsdatums« |Tab. 2|:

|Tab. 2| Generationenzugehörigkeit


Dieses 15er-Raster der Gen X bis Gen Z findet sich bei vielen Autoren, wobei auch häufig zeitliche und namentliche Abweichungen auftreten. Es existiert hier also keine allgemeinverbindliche Definition oder Norm, sondern es handelt sich um fließende Übergänge. Interessanter ist jedoch eine technische Erfindung, die das Naturkollektiv in der Kindheit und Jugend als partielle Gemeinsamkeit zu prägen schien |Abb. 11|:


|Abb. 11| Generationen und die sie prägenden technischen Geräte

Zunächst gibt es die Generation von Kindern, die mit einem Fernseher, Taschenrechner, Walkman und mit MTV aufgewachsen sind (ab Gen X). Danach kommt die Generation von Kindern, die mit einem PC und Laptop, mit dem Internet und den ersten Mobiltelefonen aufgewachsen ist (ab Gen Y). Schließlich gefolgt von der Generation von Kindern mit einer Vielfalt mobiler, internetfähiger Endgeräte und mit Google, Facebook, Twitter und Co (ab Gen Z). Diese digitalen Technologien scheinen heute sowohl die Generationen der Eltern und Lehrenden (bis Gen X) als auch die der heute in der Schule oder Hochschule Lernenden (Gen Y/Z) in ihrem Lebens-, Lern- und Arbeitsverhalten unterschiedlich geprägt zu haben.

2.1.1Generation X (Gen X) – »Live to work«

Als im August 1981 MTV auf Sendung ging, wurde als erstes Musikvideo Video Killed the Radio Star der britischen New-Wave-Band »The Buggles« ausgestrahlt. Nun, den »Radio Star« gibt es heute noch manchmal, »The Buggles« waren eine Eintagsfliege und MTV spielt heute nur noch sehr selten Musikvideos, wenn überhaupt. Dennoch hat MTV eine Generation von Schlüsselkindern geprägt, die Stunden vor dem Fernseher verbrachten und Musikvideos schauten.

Bezug nehmend auf das Buch des Schriftstellers Douglas Coupland Generation X – Tales For An Accelerated Culture (1991) etablierte sich der Begriff Generation X (Gen X) als ein eher negativ konnotierter Ausdruck: Die Gen X sei skeptisch, materialistisch, eigenbrötlerisch und hätte null Bock. Traditionelle Kernelemente wie Ehe und Eltern, Familie und Arbeit würden nicht mehr als unerlässlich gesehen, sondern als einer von vielen Lebenswegen.

 

Um eine präzisere Untersuchung u.a. des Studienerfolges dieser Genration zu ermöglichen, fördert die amerikanische National Science Foundation (NSF) an der Universität Michigan seit 1986 die Längsschnittstudie Longitudinal Study of American Youth (LSAY). In vierteljährlichen Forschungsberichten, The Generation X Report, werden Daten über die Gen X veröffentlicht, die einige Mythen über die Gen X, die heutige Elterngeneration, korrigieren |Tab. 3|:

|Tab. 3| Mythos und Wahrheit zur Generation X (vgl. Miller, 2013)


»We hope that this series of reports will serve to correct some of the mis­under­standings and misstatements about Generation X that have appeared in the media«, so Jon Miller (2013), Direktor der oben dargestellten Studie. Er betont, dass die Gen X die erste Generation sei, die in der Internet-Ära aufgewachsen sei, und dass Gen X’er im Internet vornehmlich lesen und nach Informationen suchen: Das Internet sei eine riesige, elektronische Bibliothek.

Erzieherische Merkmale der Gen X als heutige Elterngeneration hat das amerikanische Marktforschungsinstitut Reach Advisors in der Studie Generation X Parents: From Grunge to Grown Up zusammengetragen, zu der 3.020 Eltern im Jahr 2003 befragt wurden (vgl. Ecarius, 2002):

•Gen X-Mütter verbringen viel Zeit mit ihren Kindern (12 Stunden pro Tag).

•Etwa 50% der Gen X-Väter widmeten sich ca. 6 Stunden pro Tag der Familie (bei den Baby Boomern waren es noch 39% der Väter).

•Gen X-Eltern wünschen sich ein partnerschaftliches Verhältnis zu ihren Kindern: vom Befehlen zum Verhandeln.

Die elterliche Sorge um die Bildung ihrer Kinder kippte jedoch oft in die Überformung, sodass der Begriff Helikopter-Eltern (Helicopter Parents, Black, 2010, S. 94) charakteristisch für einen großen Teil dieser Elterngeneration wurde:

»Helikopter-Eltern, die die totale Lufthoheit über das Kind an sich reißen und zwanghaft alles um es herum steuern, wollen ihre Kleinen zu einem Gesamtkunstwerk formen. Überidentifikation, Überbehütung und Übergratifikation werden zu einem zunehmenden Problem.« (Kraus, 2013, Klappentext)

Einem Helikopter gleich, stürmen sie als schnelle, elterliche Eingreif­truppe sofort bei jedem noch so kleinen Wehwehchen ihres Nachwuchses herbei, um alles wieder für ihre Kinder aufs Angenehmste zu arrangieren. Josef Kraus unterscheidet in seinem Buch Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung drei Varianten: »Es gibt den Typ ›Rettungshubschrauber‹, den Typ ›Transporthubschrauber‹ und den Typ ›Kampfhubschrauber‹, Marke ›Black Hawk‹.« (Kraus, 2013, S. 11) Kraus schätzt, dass die Helikopter-Eltern (10 bis 15% der Elterngeneration) ca. 70 bis 80% der Zeit und Energie des Lehrpersonals binden. Der elterliche Einfluss auf das unterrichtliche Geschehen wurde teilweise so groß, dass beispielsweise die George Lucas Educational Foundation die Lehrerhandreichung A Teacher’s Guide to Generation X Parents – How to work with well-meaning, but demanding moms and dads (Thomas, Web.) veröffentlichte. Auch im deutschsprachigen Raum wurde ein Messinstrument zur Erfassung von Helicopter Parenting entwickelt und validiert, das die Skalen Überinvolviertheit, Autonomieeinschränkung, Überbehütung und externale Schuldzuweisung beinhaltet. (vgl. Wilhelm et al., 2014)

Zusammenfassend lässt sich über die Generation X als heutige Elterngeneration festhalten, dass sie viele der digitalen Technologien für die eigene Arbeit und das familiäre Leben nutzt und dadurch ihrem Nachwuchs, der Gen Y oder Gen Z, eine Kindheit und Jugend mit digitalen Technologien bereitstellt. Der gleichzeitige erzieherische Duktus, vom Befehlen zum Verhandeln, von der Peitsche zur Pampers, ermöglicht es der Kinder- und Jugendgeneration, im Idealfall diesen zu verhandelnden Freiraum zu gestalten.

2.1.2Generation Y (Gen Y) – »Work to live«

»Wem viele Arbeiten von Studierenden durch die Hände gehen, Referate in Seminaren, kleinere oder größere Übungsarbeiten, Hausaufgaben für die Schulamtsprüfung, Doktordissertationen, der muß die stets wiederholte Erfahrung machen, wie außerordentlich schlecht es im Durchschnitt mit der Ausdrucksfähigkeit, ja mit der elementaren Beherrschung der Muttersprache bestellt ist.« (Bernheim, 1912)

Ja, das ist typisch für unsere heutige Generation Internet, möchte man meinen. Doch weit gefehlt: Das Zitat stammt aus dem Vortrag von Prof. Ernst Bernheim Die ungenügende Ausdrucksfähigkeit der Studierenden aus dem Jahr 1912. Doch gibt es neben diesen regelmäßig immer wiederkehrenden Merkmalen weitere, die für die Geburtsjahrgänge ab 1980 typisch sind?

»My smmr hols wr CWOT. B4, we used 2go2 NY 2C my bro, his GF & thr 3: kids FTF. ILNY, it’s a gr8 plc.*« (Daily Telegraph »British Girl Baffles Teacher with SMS Eassay«, 02.03.2003)

Neben einer eigenen »Sprache der 140 Zeichen« plakatieren Labels wie Digital Natives, Generation Internet (Net-Generation), Google-Genera­tion, Millennials oder Generation Y (Gen Y) die Bedeutung neuer digitaler Technologien für das Leben der nach 1980 Geborenen. Was steckt dahinter und wie relevant ist das für formale Lernprozesse?

Die Digital-Native-Debatte

Im Jahr 2001 veröffentlichte Marc Prensky seinen zweiteiligen Artikel Digital Natives, Digital Immigrants (2001a, 2001b) und löste damit eine recht kontrovers geführte Debatte darüber aus, ob Studierende, die in den 1980er-Jahren oder später in die digitalen Technologien hineingeboren wurden, ein deutlich anderes Lern- und Arbeitsverhalten haben als die Digital Immigrants, ihre Eltern und Lehrer, und ob die Bildungsinstitutionen diesem umgehend Rechnung tragen sollten. Nach Prensky (2001a, S. 3–4) zeichnen sich Studierende als Digital Natives dadurch aus, dass sie:

•Informationen mit hoher Geschwindigkeit aufnehmen,

•Grafiken Texten bevorzugen,

•gerne vernetzt arbeiten,

•zeitnahe Rückmeldungen und Belobigungen einfordern und

•zufällige Aktivitäten im Internet und spontanes Videospielen statischer und linearer Arbeit vorziehen.

Prensky setzt sich vehement dafür ein, dass diejenigen, die diese Leidenschaft nicht teilen und nicht diese digitale Sprache sprechen, die Digital Immigrants, insbesondere dann, wenn sie Lehrer der Digital Natives sind, ihr »Grousing« stoppen und schnell neue Methoden adaptieren sollten, die die Cyber Natives bevorzugen (vgl. 2001a, S. 6). Im zweiten Teil seines Artikels beschreibt Prensky, wie unterschiedlich Digital Natives denken und handeln, da sich ihre Gehirne als Folge der digitalen Informationstechnologien physisch von denen der Digital Immigrants unterscheiden. Da Prensky u.a. mit (wissenschaftlichen) Belegen für diese »biologische Einzigartigkeit« recht sparsam umging, provozierte er dadurch eine heftig geführte Debatte.

Zuvor waren bereits Labels mit ähnlichen Merkmalen für diese Altersgruppe aufgetaucht: So wurden die Begriffe Net-Generation in Tapscott (1998) Growing Up digital: The Rise of the Net Generation und Millennials in Howe/Strauss (2000) Millennials rising: The next great generation einige Jahre zuvor geprägt. Frand (2000, S. 16–22) beschrieb diesen neuen Information-age-Mindset dieser Generation von Studierenden wie folgt:

•Der Computer ist keine Technologie, sondern elementarer Bestandteil des Lebens,

•Internet ist besser als Fernsehen,

•Realität ist nicht länger real,

•Handeln ist besser als Wissen,

•Gaming vor Logik,

•Multitasking als Lebensgefühl,

•Tippen (auf der Tastatur) vor Schreiben (mit der Hand),

•digital vernetzt sein, ist entscheidend,

•keine Toleranz für Verspätungen oder Verzögerungen.

Neben dieser digital geprägten Denkweise ist Gen Y von Idealismus, globaler Gerechtigkeit und Teamgeist geprägt. Einige Autoren weisen darauf hin, dass infolge der Erziehung durch die Helikopter- oder Airbag-Eltern, welche alle Ecken und Kanten mit Polstern abkleben, damit der Nachwuchs sich nicht stoße, eine »Generation Weichei« (Kraus, 2013) heranwachse, die sich zum einen durch eine dramatisch reduzierte Anstrengungs- und Leistungsbereitschaft auszeichne, zum anderen aber von der Umwelt (Familie, Schule, Hochschule, Arbeitgeber) in aller Selbstverständlichkeit erwarte, dies nicht nur zu kompensieren, sondern mit Bestnoten zu honorieren.

Zu diesen Beobachtungen wird sich noch anhand wissenschaftlicher Studien zeigen, dass digital Lernende (Gen Y/Z) in der Tat eine geringere Aufmerksamkeitsspanne (Kap. 2.2) und eine höhere Erwartung an die Lern- und Arbeitsumgebung (Kap. 2.3) haben, das Spiel (Gaming) bevorzugen (Kap. 3.4) und ein anderes Verständnis von Leistung (Kap. 2.4) besitzen.

2.1.3Generation Z (Gen Z) – »Work while living«

»Generation Z ist anders als ihre Vorgänger: Sie ist hochgradig auf ihre eigenen Ziele konzentriert und definitiv kein Teamspieler. Als ›Digital Native‹ verarbeitet sie selektiv und zum eigenen Nutzen Informationsfluten aus unterschiedlichsten Medien. Sie kommunizieren freundlich lächelnd mit anderen Individualisten über sich selber, über ihre Facebook-Lebenslinie und natürlich über ihren Arbeitgeber. Zu diesem hat sie noch weniger Loyalität als zu ihrer Turnschuhmarke.« (Scholz: Generation Z: Willkommen in der Arbeitswelt, Web.)

Sind für viele die Begriffe zur Gen Y noch neu und haben die Arbeitgeber gerade die neuen Gepflogenheiten der Millennials zur Kenntnis genommen, steht schon die nächste Generation, die Generation Z (Gen Z), in den Startlöchern, um ab jetzt die Hochschulen und Unternehmen mit einer weiteren Veränderung digitaler Lern- und Arbeitsweisen zu konfrontieren. Die zwischen 1995 und 2010 Geborenen sind nicht nur in eine digitale Welt mit Internet hineingeboren worden, sondern auch in eine immer mobiler werdende, globale Internetwelt, in der man sich über mobile Endgeräte nahezu zu jeder Zeit an jedem Ort mit jedem und allem vernetzen kann. So ist es nicht verwunderlich, dass man mit (angedrohtem) Internetentzug in Familie und Schule meist Panik­attacken auslösen kann.

Wie rasant diese Umwälzung vonstatten geht, zeigt u.a. die im November 2013 erschienene JIM-Studie 2013 (Feierabend et al., Web.) auf. Der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (mpfs) untersucht seit nunmehr 15 Jahren jährlich den Medienumgang der 12- bis 19-Jährigen in Deutschland:

»Gegenüber der JIM-Studie 2012 zeigt sich vor allem ein hoher Anstieg beim Besitz eines Tablet-PCs, der sich binnen eines Jahres fast verdoppelt hat. Eine deutliche Steigerungsrate zeigt sich auch beim Smartphone mit einem Anstieg von 63 auf nunmehr 81 Prozent der Haushalte.« (Feierabend et al., Web.)


|Abb. 12| Geräteausstattung in Haushalten mit Kindern und Jugendlichen aus der Gen Z


|Abb. 13| Gerätebesitz von Kindern und Jugendlichen aus der Gen Z


|Abb. 14| Entwicklung täglicher Onlinenutzung der Gen Z


|Abb. 15| Inhaltliche Verteilung der Internetnutzung der Gen Z

 

Aber nicht nur die Geräteausstattung dieser jungen Generation ist signifikant größer als bei allen anderen Generationen vor ihr |Abb. 12 und 13|, sondern auch die nahezu völlige Präsenz in Schule, Familie und Freizeit. Nutzen die Gen X-Eltern und die meisten Arbeitgeber das Internet eher als elektronische Bibliothek, so hat diese Funktion bei der Gen Z bei stark steigender, mobiler Internetnutzung |Abb. 14| eine eher untergeordnete Bedeutung |Abb. 15|.

Die Gen Z nutzt das Internet vornehmlich zur Kommunikation (45%), zur Unterhaltung (24%) und für Spiele (17%). Erst an vierter Stelle kommt mit 13% die Informationssuche (|Abb. 15|; vgl. Feierabend et al.: JIM-Studie 2013, Web.).

»Als weiteren Indikator für die Bedeutung der jeweiligen Medien kann man die finanziellen Ausgaben, die Jugendliche für diese monatlich aufbringen, mit einbeziehen. Betrachtet man nun die Ausgaben für die einzelnen Medien, so wird insgesamt am meisten für das Kino ausgegeben (9,05€ pro Monat). An zweiter Stelle folgt das Handy (8,48€), Computer-, Konsolen- oder Onlinespiele schlagen mit durchschnittlich 6,39 Euro zu Buche. Gut fünf Euro werden monatlich für Bücher und Zeitschriften (5,37€) oder Konzerte (5,18€) ausgegeben.« (Feierabend et al.: JIM-Studie 2013, Web.)

Kino auf Platz eins? Ja, die obige Studie widerlegt auch andere Vorurteile über die Gen Z. Auch die bisher größte repräsentative Studie in der Altersklasse der 7- bis 9-Jährigen, die Elefanten Gesundheitsstudie 2011, die vom PROKIDS als Teil des PROSOZ-Institutes für Sozialforschung in Kooperation mit dem Deutschen Kinderschutzbund (DKSB) durchgeführt wurde, belegt, dass die 7- bis 9-Jährigen schon ein ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein besitzen. Außerdem haben sie Spaß an Bewegung – anstelle am Computer zu zocken – und entspannen lieber im Freien als vor dem Fernseher. (vgl. Beisenkamp et al.: Elefanten-Kindergesundheitsstudie 2011, Web.) Die Studie hat aber ebenfalls gezeigt, dass bereits Zweit- und Drittklässler über Stress klagen: Jedes dritte Kind nennt die Schule als Stressfaktor Nummer eins – noch vor Ärger und Streit und familiären Auslösern. Manche mögen jetzt aber meinen, dass das für ihre Kinder, ihre Schüler, ihre Studierenden eher nicht gilt.

Die Sinus-Studie (SINUS-Institut, Web.) Wie ticken Jugendliche beschreibt die Lebenswelten der Gen Z in sieben Milieus |Abb. 16|. Bürgerlich-konservative Kinder sind zumeist eher zurückhaltend, vernünftig und für ihr Alter oft geistig reif und fleißig. Beispielsweise in dieser Gruppe dürfte auch die Übersteigerung des Leistungsmotivs hin zum Lern- und Leistungsstress zu verorten sein. Neben den materialistischen Hedonisten, für die Lifestyle, Marken, Konsum, Mode und Spaß einen hohen Stellenwert besitzen, und den experimentierfreudigen Hedonisten, welche vornehmlich etwas Besonderes sein und ihre Kreativität als Teil einer urbanen Subkultur ausleben wollen, möchten vor allem die erfolgs- und Lifestyle-orientierten Networker – die auch gerne als »Hipster« bezeichnet werden – neue unkonventionelle Erfahrungen und Grenzen ausloten. Sie möchten Trends setzen und vor allen Dingen eines sein: individuell. Weitere Gruppenmerkmale, die eine Relevanz für formelle Lernprozesse haben, sind eine geringe Kontroll- und Autoritätsorientierung – Autorität durch Kompetenz: ja; Autorität durch Position oder Status: nein –, eine nahezu absolute Intoleranz für abwechslungsarme Routineprozesse, technische Verzögerungen oder Verspätungen und für fehlende Transparenz.


|Abb. 16| Die Lebenswelten der 14- bis 17-Jährigen in Deutschland

Dementsprechend werden schnelle Kommunikationsmedien und deren Parallelisierung bevorzugt. Dieses weitere Merkmal der Mediennutzung wird als Second Screen bezeichnet, als ein zweites Medium (bzw. einen zweiten Schirm), das parallel zum ersten genutzt wird |Abb. 17|.


|Abb. 17| Gründe der Gen Z für die gleichzeitige Internetnutzung beim Fernsehen

»Ein Achtel lässt häufig während der Erledigung von Hausauf­gaben den Fernseher laufen. Jeder Zehnte hört häufig Musik. […] Parallel zur Fernsehnutzung beschäftigt sich gut die Hälfte häufig generell mit dem Handy oder Smartphone, ein Drittel nutzt häufig Computer, Laptop oder Tablet-PC vor dem Fernseher. Jeder zweite Fernsehzuschauer geht häufig gleichzeitig ins Internet.« (Feierabend et al.: JIM-Studie 2013, Web.)

Auch während der Nutzung des Computers, des Laptops oder des Tablet-PCs für eine bestimmte Aufgabe werden parallel Nebentätigkeiten durchgeführt, die der Kommunikation, dem Computerspielen oder der Unterhaltung dienen. Am Beispiel, Fernsehen und gleichzeitig Internet nutzen, lässt sich zeigen, dass die programmunabhängige Internetnutzung während des Fernsehens stärker ausfällt als die programmabhängige (|Abb. 17| vgl. Feierabend et al.: JIM-Studie 2013, Web.)

Aus dieser Perspektive mag nachvollziehbar erscheinen, dass Vertreter der Gen Z gleichzeitig zum unterrichtlichen Geschehen Nebentätigkeiten aktivieren, die ihren bisherigen alltäglichen Gewohnheiten entsprechen. Die Erfahrung zeigt, dass das Aussprechen von Sanktionen im elterlichen oder unterrichtlichen Kontext nur punktuelle und vorübergehende Wirkung entfalten. Im universitären Kontext, wo Ermahnungen und Sanktionen noch sinnfreier erscheinen, kann es dienlich sein, den Studierenden die drei folgenden Publikationen auszuteilen und kurz und knapp den damit verbundenen Zweck zu betonen:

•Laptop und Internet im Hörsaal? (vgl. Spitzer, 2013)

•Heute schon mit der Hand geschrieben? (vgl. Paschek, 2013)

•Wozu ist Lesen gut? (vgl. Belwe, 2012)

Es ist wissenschaftlich belegt, dass sich der Mensch beim Neulernen nicht auf zwei Sachen gleichzeitig konzentrieren kann. Versucht er es doch – wie Computerspielen in der Mathematikvorlesung –, sinken Gedächtnis- und Prüfungsleistungen. Oft setzt sich diese schlichte Erkenntnis erst nach den ersten nicht bestandenen Prüfungen durch. Dasselbe gilt für die Fertigkeiten des Mitschreibens und des Lesens. Es liegt dann an den Lernenden, diese wissenschaftlichen Erkenntnisse auf das eigene Lernverhalten und den eigenen Lernerfolg zu übertragen. Aufgabe der Lehrenden sollte es sein, diese Erkenntnisse im Original den Lernenden zum Eigenstudium zur Verfügung zu stellen und die Essenz kurz und knapp und vor allem ohne einen arroganten Unterton vorwurfsfrei zu erläutern.

»Die Generation Z steht nicht nur vor der Türe, sie ist angekommen. Vielleicht sollten wir uns nicht nur darauf vorbereiten, sondern von ihr lernen, also die Welt weniger verbissen und weniger ernst nehmen, gleichzeitig aber auch uns selber freundlich lächelnd in den Mittelpunkt stellen.« (Scholz: Generation Z: Willkommen in der Arbeitswelt, Web.)