Erzählen-AG: 366 Geschichten

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Fünfter Februar

Es ist Februar. Wie jeder weiß, ist der Februar ein Wintermonat. Im Winter sollte es also kalt sein. Minusgrade sollten an der Tagesordnung sein. Wenn kein Schnee vom Himmel fällt, dann muss wenigstens Schnee auf dem Boden liegen. Theoretisch zu mindestens.

Heute lag kein Schnee. Weit und breit war nichts Weißes zu sehen. Der Schnee fiel auch nicht. Die Sonne war trotzdem nicht zu sehen. Am Himmel waren Wolken. Eine dichte Wolkendecke war zu sehen und Niederschlag war zu spüren. Es regnete.

Der Regen wäre kein Problem gewesen, wenn es warm gewesen wäre. Im Sommer konnte der Regen Erfrischung bringen. Es war aber nicht Sommer. Es war auch nicht warm. Es war Februar. Der Boden war noch gefroren. Die letzten Tage war es kalt. Teilweise sonnig, teilweise bedeckt. Auf jeden Fall eisigkalt. Niederschlag auf gefrorenem Boden bedeutete nur eins: Glatteis.

Der Winterdienst war unterwegs. Schon in der Nacht rückten die Fahrzeuge aus. Der Winterdienste versuchte, die Straßen vom Glatteis frei zu halten. Wenn dies schon zu spät war, dann versuchte der Winterdienst zu mindestens die Straßen vom Glatteis zu befreien.

Es half nicht viel. Das Glatteis war stärker und schneller. Wer jetzt noch mit dem Auto fuhr, war gefährlich unterwegs. Jedes Auto war während des Glatteises eine Gefahr. Nicht nur für sich selbst. Ein Auto konnte in den Graben rutschten. Dabei sollte nicht viel passieren. Das Auto konnte aber auch eine Gefahr für Andere werden. Autos konnten miteinander kollidieren. Bei einer geringen Geschwindigkeit sollte der Unfall halbwegs glimpflich ausgehen. Traf ein Auto aber auf einen Fußgänger, so konnte es schmerzhaft werden. In jedem Fall führte ein Unfall zu Blechschaden. Es war also kein Wunder, dass im Radio gebeten wurde, dass Auto stehen zu lassen. Sicher war sicher.

Der öffentliche Personennahverkehr war keine Option zum Auto. Die Straßenbahnen und Busse fuhren nicht, besser gesagt fuhren nicht mehr. Wenn die Fahrt schon für normale Autos gefährlich war, galt dies für Busse erst Recht. Der Busfahrer trug Verantwortung für seine Fahrgäste. Eine Weiterfahrt bei Glatteis war unmöglich.

Ein Bus in der Stadt war schon am frühen Morgen in einen Unfall verwickelt. Ein Auto rauschte bei Glatteis in einen Bus. Der Straßenabschnitt war gesperrt. Die Straße konnte von keinem Auto mehr befahren werden. Auch die Straßenbahn kam nicht vorbei.

Alle Busse und Straßenbahnen mussten an der nächsten Haltestelle stehen bleiben. Die nächste Haltestelle war nicht unbedingt die nächste. Die Busse und Straßenbahnen sollten eine Haltestelle ansteuern, an der der Individualverkehr nicht behindert wurde. Der Individualverkehr stand zwar ebenfalls still, doch er sollte schneller in den Gang kommen, als der öffentliche Personennahverkehr. Das war in der Vergangenheit so. Das sollte auch heute der Fall sein.

Der Verkehr stand still. Nur die Streufahrzeuge waren unterwegs, während es heller wurde. Mit der Helligkeit wurde es wärmer. Mit dieser Wärme und Dank der Streufahrzeuge verschwand das Glatteis langsam. Nicht nur die Hauptstraßen wurden eisfrei. Das Glatteis zog sich auch in den Nebenstraßen langsam zurück. Der Verkehr konnte langsam wieder rollen.

Um zehn Uhr war es soweit. Nachdem der Individualverkehr schon längst wieder rollte, fuhren auch die ersten Busse und Bahnen wieder. Sie verließen langsam ihre Haltestellen. Der Arbeitstag konnte beginnen.

Sechster Februar

„Ach, menno! Draußen ist echt schlechtes Wetter. Da kann man draußen gar nicht spielen“ sprach mein Sohn. Ich hörte es und musste antworten. „Du kannst ja auch drinnen spielen. Spielzeug hast Du doch genug“ erwiderte ich.

Doch mein Sohn hatte keine Lust alleine mit seinem Spielzeug zu spielen. Alleine war es drinnen langweilig. Ich schlug ihm daraufhin vor, Mensch ärgere Dich nicht zu spielen. Das fand er in Ordnung.

Er holte das Spiel und stellte es auf. Das Spielbrett bestand aus drei Teilen. Jedes Teil war in der Mitte geknickt. Mein Sohn entknickte es. Vereinte die drei Teile und holte acht Spielfiguren aus dem Karton. Er nahm sich die roten, ich bekam die grünen. Dann konnte das Spiel losgehen.

Jeder von uns hatte einen Würfel. Mein Sohn einen roten, ich hatte einen schwarzen Würfel. Mein Sohn würfelte zuerst, danach ich. Da mein Sohn eine Drei würfelte und ich nur eine Zwei, durfte mein Sohn anfangen.

Mein Sohn würfelte dreimal. Beim ersten Mal war es eine Eins. Beim zweiten Mal eine Drei. Beim dritten Mal hatte er endlich Glück. Mein Sohn würfelte eine Sechs. Seine erste Spielfigur durfte hinaus. Dann noch einmal würfeln. Wieder eine Sechs. Ich weiß nicht wieso, aber mein Sohn hatte pures Glück. Er schaffte es mehrere Male hintereinander, eine Sechs zu würfeln. Alle seine Spielfiguren waren beim ersten Mal aus dem Haus. Meine nicht.

Nachdem mein Sohn seine Sechsen und eine Eins gewürfelt hatte, war ich zum ersten Mal dran. Ich würfelte eine Vier. Ich würfelte eine Fünf. Ich würfelte eine Zwei. Eine Sechs wollte mir nicht gelingen. Mein Sohn war wieder dran. Diesmal würfelte er nur drei Sechsen hintereinander und eine Drei.

Ich durfte wieder mein Glück versuchen, wenigstens eine Spielfigur aufs Spielbrett zu bekommen. Ich würfelte eine Vier. Ich würfelte eine Fünf. Sollte ich wieder eine Zwei würfeln? Ich hatte Glück. Ich schaffte es, eine Sechs zu würfeln. Doch eine zweite schaffte ich nicht. Ich würfelte nur eine Vier.

Mein Sohn würfelte danach wieder einmal mehrere Sechsen hintereinander. Diesmal waren es nur zwei, gefolgt von einer Eins. Er war mit seinen Spielfiguren schon weit. Ich nicht.

Beim nächsten Versuch schaffte ich es, eine zweite Sechs zu würfeln. Eine weitere Spielfigur aus dem Haus zu bekommen. Doch es sollte mir nicht viel bringen. Mein Sohn war danach dran. Er würfelte eine Zahl, die meiner Spielfigur das Leben kostete. Ich hatte somit nur noch eine Spielfigur auf dem Spielfeld.

Diese Spielfigur blieb auch die einzige, die nicht rausgeworfen wurde. Während mein Sohn kurz vor dem Sieg stand, musste ich immer wieder einen Verlust verkraften. Immer wieder schmiss mein Sohn eine meiner Spielfiguren raus. Ich schaffte es nur zweimal, eine seiner Spielfiguren zu schlagen.

Mein Sohn hatte mittlerweile zwei Spielfiguren ins Ziel gebracht, da hatte ich gerade erst eine Spielfigur vor dem Loch zu stehen. Eine Spielfigur meines Sohnes war dreizehn Felder von mir entfernt. Normal sollte ich es doch schaffen, wenigstens diese eine Spielfigur nach Hause zu bekommen. Ich schaffte es auch, allerdings anders als gedacht. Mein Sohn würfelte zwei Sechsen und eine Eins. Er schmiss meine Figur raus. Statt das Zielhaus zu erreichen, landete meine Spielfigur im Starthaus. Ich durfte von vorne anfangen.

Zum Neuanfang kam ich nicht. Mein Sohn würfelte noch ein paar Sechsen und alle seine Spielfiguren waren zu Hause. Mein Sohn gewann und ich verlor. Jetzt hatte mein Sohn keine Lust mehr, zu spielen. Es wäre ja zu einfach, mich zu schlagen. Da ging er lieber in sein Zimmer und spielte mit seinem Spielzeug. Allein.

Siebter Februar

Es war Februar. Es war ein herrlicher Tag im Februar. Zu mindestens dann, wenn der Mensch warm eingepackt war.

Im Februar war es kalt. Das Thermometer schaffte es nicht über null Grad. Nicht in der Nacht und auch nicht am Tag. Höchstens direkt im Sonnenlicht zeigte das Thermometer Plusgrade an.

Sonne gab es heute genug. Am Himmel zogen nur leichte Schleierwolken vorbei. Sonst war der Himmel wolkenfrei. Zudem lag überall Schnee. Heute war ein herrlicher Wintertag.

Der Tag musste ausgenutzt werden. Es war also Zeit, einen kleinen Spaziergang zu machen. Eine Frau und ihr Mann verließen am Vormittag das eigene Haus. Es ging in die Natur hinaus.

Das Einfamilienhaus von ihr und ihm lag am Ortsrand. In der Nähe gab es einen Feldweg. Dieser Weg führte Richtung Wald. Dort gab es einige Kreuzungen. Sie und er konnten so viele Wege gehen.

Die Beiden gingen nicht viele Wege. Sie hatten einen Standardweg. Diesen Weg gingen die Beiden auch heute.

Die Beiden liefen ein kleines Stück neben der Straße. Nach nicht einmal einhundert Metern erreichten sie den Feldweg. Der Feldweg war voller Schnee. Autospuren gab es nicht. Trotzdem waren die Beiden nicht die Ersten auf diesem Weg. Es gab zahlreiche Fußspuren von Menschen und Tieren.

Die Beiden liefen den Weg entlang. Trotz Schnee war er erkennbar. Rund fünfhundert Meter führte dieser Weg geradeaus. Nach der Hälfte des Weges gesellte sich ein Bach auf der linken Seite hinzu. Lange sahen die Beiden den Bach nicht. Nach zweihundertundfünfzig Metern verlief der Bach weiterhin geradeaus. Sie und er bogen aber nach rechts ab. Der Weg führte nun bergauf. Dabei ließen die Beiden auch einige Bäume links und rechts stehen.

Der Weg bergauf war nur rund zweihundert Meter lang. Oben angekommen, konnten die Beiden sich entscheiden: links oder rechts?

Wie immer bogen die Beiden nach rechts ab. Nun hatten sie einen Wald links neben sich. Jetzt gingen die Beiden praktisch zurück. Sie gingen nur etwas höher und zweihundert Meter versetzt. Die Straße erreichten die Beiden aber nicht mehr.

Nach dreihundert Metern gab es wieder eine Kreuzung von zwei Waldwegen. Ein Weg führte geradeaus zur Straße. Ein zweiter Weg führte nach links. Diesen Weg gingen die Beiden nun. Der Wald blieb so auf ihrer linken Seite. Rechts war kein Wald mehr.

Die Beiden umrundeten praktisch den Wald. Lange Zeit ging es weder bergauf noch bergab. Der Schnee egalisierte kleine Bodenlöcher.

Nach rund einer Viertelstunde ging es wieder bergab. Dort sahen die Beiden links einige Gärten. Ein Mensch war nicht zu sehen. Dies war kein Wunder. Wer war schon bei Kälte und Schnee im Garten? Wenige. Sehr wenige.

 

Die Beiden gingen den Weg hinab. An der nächsten Kreuzung bogen sie links ab. Rechts oder geradeaus wollten die Beiden nicht gehen. Der Wald sollte so auf der linken Seite bleiben.

Einige hundert Meter gingen die Beiden geradeaus. Es gab nur kleine S-Kurven nach links und rechts. Am Ende wartete wieder eine Kreuzung.

Sie und er konnten nach rechts gehen. Dann würden sie einen Umweg machen. Die Beiden gingen ihren Standardweg. Sie bogen also links ab.

Nun ging es rund einhundert Meter bergauf. Oben angekommen, waren die Beiden wieder dort, wo sie schon einmal waren. Der Wald war nun umrundet. An der nächsten Kreuzung bogen die Beiden nach rechts ab. Nun ging es zweihundert Meter bergab. Unten angekommen, gesellte sich der zugefrorene Bach wieder dazu.

Sie und er gingen fünfhundert Meter geradeaus. Dann erreichten die Beiden wieder die Straße. Sie und er gingen nach rechts. Knapp einhundert Meter später waren die Beiden wieder zu Hause. Der Spaziergang am Vormittag war zu Ende.

Achter Februar

Es war Winter. Dies war nicht nur auf dem Kalender sichtbar. Jeder der hinausging, konnte es erkennen und spüren. Draußen war es kalt. Wer nicht mit dicker Jacke hinausging, konnte leicht erfrieren.

Draußen lag aber auch Schnee. In den letzten Tagen hatte es ordentlich geschneit. Straßen, Wiesen und Dächer waren weiß. Mittlerweile waren die Straßen vom Winterdienst geräumt. Sonst war der Schnee aber immer noch zu sehen.

Auch eine Frau sah den Schnee noch. Sie meinte, es wäre ein schöner Tag zum Spazierengehen. Das war es auch. Am Himmel waren nur leichte Quellwolken zu sehen. Ansonsten war der Himmel wolkenfrei. Das sollte heute auch so bleiben. Morgen sollte sich das Wetter allerdings ändern. Der schöne Tag musste also ausgenutzt werden.

Sie ging gerne spazieren. Manchmal ging sie mit ihrer Schwester spazieren. Manchmal war ihre Mutter dabei. Allein ging die Frau nie spazieren.

Die Frau hatte drei verschiedene Lieblingsspazierwege. Der erste Spazierweg begann direkt vor der Haustüre. Sie konnte zu Fuß von Zuhause losgehen. Für die anderen zwei Lieblingsspazierwege musste die Frau zuerst das Auto nehmen.

Die Frau wählte heute einen davon aus. Doch bevor es losgehen konnte, musste ein Mitläufer gefunden werden. Die Frau rief bei ihrer Mutter an. Diese hatte Zeit. So war der Mitläufer schnell gefunden und musste nur noch abgeholt werden.

Die Mutter der Frau ging nicht gerne durch den Wald. So war der zweite Lieblingsweg schon einmal nicht mehr möglich. Zum Glück gab es ja noch den dritten Spazierweg.

Bevor der Spaziergang losgehen konnte, musste die Frau erst einmal ihre Mutter abholen. Das dauerte nur rund fünf Minuten mit dem Auto. Dann fuhren die Zwei noch knapp eine Viertelstunde. Die Frau parkte das Auto am Straßenrand. Dann konnte der Spaziergang losgehen.

Der Spazierweg führte entlang eines Flusses. Größtenteils sollten die Beiden auf einem Deich entlang gehen. Dort gab es einen asphaltierten Weg. Das lag daran, dass auf dem Deich ein Radweg war. Jetzt im Winter wurde er kaum genutzt. Dies war mit einem Fahrrad auch schwierig, denn der Winterdienst war hier nicht unterwegs. Für einen Spaziergang war der Weg aber in Ordnung.

Die Beiden liefen eine knappe Dreiviertelstunde in die eine Richtung. Links war der Fluss. Wirklich nah heran kamen die Beiden nicht. In der Regel war immer Schilf zwischen Weg und Fluss. Nur am Anfang gab es einige Stellen, die im Sommer zum Baden einluden. Jetzt war ein Baden kaum möglich.

Es war nicht so, dass der Fluss zugefroren war. Das war er nur am Ufer. Sonst floss das Wasser. Dies war aber auch kein Wunder. Es waren einige Containerschiffe unterwegs. Für sie musste der Fluss befahrbar sein. Der Fluss war eine wichtige Handelsroute für Schiffe von West nach Ost.

Die Frau und ihre Mutter sahen nur ein Containerschiff auf der linken Seite. Rechts war größtenteils Wiese. Im Sommer grasten dort Kühe. Jetzt waren keine Kühe zu sehen. Auch das Gras war nicht zu sehen. Es wurde vom Schnee überdeckt.

Die Frau und ihre Mutter gingen den Deich entlang. Oft führte dieser geradeaus. Ab und zu gab es auch Kurven. Viele waren es nicht. Es gab eine Linkskurve. Nach dieser kam eine Rechtskurve. Dann folgte eine Linkskurve. Kurz nach einer weiteren Rechtskurve drehten die Beiden um.

Nun ging es wieder zum Auto zurück. Aus der Rechtskurve wurde eine Linkskurve. Aus der Linkskurve eine Rechtskurve.

Nach einer knappen Dreiviertelstunde waren die Beiden am Auto. Nun ging es wieder nach Hause. Die Frau setzte zuerst ihre Mutter ab. Dann fuhr die Frau zu sich nach Hause. Bald sollte es Abendbrot geben.

Neunter Februar

Es war noch immer Winter. Wer auf den Kalender sah, konnte es erkennen. Nicht nur der Kalender zeigte, dass Winter war. Wer hinaussah, erblickte den Winter. Wer hinausging, spürte den Winter.

Draußen war es kalt. Das Thermometer zeigte immer Minusgrade an. Die Temperatur stieg weder nachts noch tagsüber über null Grad. Dafür schneite es in den letzten Tagen. Die Hauptstraßen waren inzwischen geräumt. In den Nebenstraßen war der Schnee stellenweise noch immer zu sehen.

Nicht nur in den Nebenstraßen lag noch Schnee. Auch auf dem Bürgersteig lag noch Schnee. Dort, wo der Schnee direkt vor einem Haus lag, war er verschwunden. Die Bürger kamen ihren Pflichten nach und räumten den Bürgersteig.

Es gab aber auch einige Wege, die nicht vor einem Haus lagen. Meist waren es stadteigene Flächen. Oft wurden diese geräumt, doch dies war nicht immer der Fall.

In der Stadt lebten Männer und Frauen. Auch Kinder waren in der Stadt zu Hause. Die Kinder freuten sich über den Schnee. Die Eltern nicht immer. Vor allem Eltern mit kleinen Kindern hatten ihre Mühe.

Eine Mutter wollte mit ihrem Kind spazieren gehen. Sie packte das Kind warm ein. Der Kinderwagen stand unten im Hausflur. Dorthinein kam das Kind, nachdem die Mutter die eigene Wohnung verließ.

Nachdem das Kind im Kinderwagen war, ging es hinaus. Vor der Haustür war der Schnee zu sehen. Der Bürgersteig war aber größtenteils frei. Vor dem Haus war für die Mutter mit Kinderwagen leichtes Vorwärtskommen. Dies sollte aber nicht ewig so bleiben.

Nachdem die Häuserreihe auf der rechten Seite endete, war der Bürgersteig nicht mehr schneefrei. Nun musste die Mutter viel Kraft aufwenden. Der Schnee lag einige Zentimeter hoch. Die Mutter wollte unbedingt mit ihrem Kind einen Spaziergang machen. Schon in den letzten Tagen war sie nicht draußen, weil es schneite. Heute musste es sein.

Heute sollten die Wege doch schneefrei sein, oder? Die letzten vierundzwanzig Stunden hatte es nicht geschneit. Sollte dies nicht genug Zeit für den Winterdienst sein, Straßen und Bürgersteige vom Schnee zu befreien? Die Mutter glaubte es, doch das war nicht die Realität.

Irgendwann sah auch die Mutter ein, dass der Winterdienst dazu nicht in der Lage war. Die Mutter wollte eigentlich eine große Runde drehen. Das tat sie nicht.

Die Mutter schob den Kinderwagen noch einige Meter. Dreihundert Meter später gab es einen Überweg zur anderen Seite. Diesen wollte die Mutter nutzen. Auf der anderen Seite standen Häuser. Dort war der Bürgersteig schneefrei. Die Hausbewohner waren ihrer Räumpflicht nachgekommen.

Die Mutter lief an den Häusern vorbei. Bis zur nächsten Kreuzung war der Bürgersteig geräumt. An der Kreuzung musste die Mutter wieder Kraft aufwenden. Die Kreuzung war nicht geräumt. Zum Glück hatte die Mutter es nicht weit.

Die Mutter bog nach links ab. Wenige Meter von der Kreuzung entfernt, standen links wieder Häuser. Der Bürgersteig war frei von Schnee.

Einige hundert Meter später kam die nächste Kreuzung. Diese war schneebefreit. Die Mutter bog wieder nach links ab. Weitere hundert Meter später kam die dritte Kreuzung. Wieder bog die Mutter links ab.

Die Mutter war fast wieder zu Hause. An der nächsten Kreuzung musste sie nur die Straße überqueren, dann links abbiegen und fünfzig Meter später war sie mit dem Kinderwagen wieder zu Hause.

Die Mutter öffnete die Haustür. Anschließend schob sie den Kinderwagen in den Hausflur. Die Mutter holte ihr Kind aus dem Kinderwagen und ging in die eigene Wohnung. Dort kam das Kind in seine Wiege. Die Mutter ruhte sich von dem teilweise anstrengenden Spaziergang aus. Ob am nächsten Tag noch immer so viel Schnee lag?

Zehnter Februar

Es war vor vielen Jahren. Es war Mitte Februar und es war Winter. Wer hinaussah, erkannte es. Wer hinausging, spürte es. Wer auf den Kalender schaute, wusste es.

Draußen lag Schnee. Überall. Wer aus dem Fenster sah, erkannte es. Auf dem Land und in der Stadt. Die Wälder waren schneebedeckt wie die Wiesen. Dächer und Bürgersteige besaßen eine dicke Schneedecke. Die Straßen waren nur teilweise geräumt. Es schneite immer wieder. Teilweise kam der Winterdienst nicht hinterher. Er konzentrierte sich auf die Hauptstraßen. Die Nebenstraßen mussten warten, bis der Schneefall nachließ.

Draußen konnte der Schnee nur fallen und liegen bleiben, wenn es kalt war. Draußen war es kalt. Wer hinausging, der spürte es. Am Tage stieg das Thermometer höchstens auf null Grad Celsius. Die Regel waren maximal minus zwei Grad. In der Nacht sank das Thermometer natürlich noch weiter. Dann konnte es damals runter bis auf minus Zwölf Grad Celsius gehen.

Damals hatte ich ein einschneidendes Erlebnis. Das Erste, was ich damals am Morgen des zehnten Februar sah, war ein Kalender. Auf dem Kalender stand ganz oben der Monat, also Februar. Darunter war eine große Zahl zu sehen. Die Zehn. Der Kalender war nicht in meinem Zimmer. Ich war nicht zu Hause. Ich war woanders.

Ich musste erst einmal überlegen, wo ich war. Langsam wurde es mir klar. Ich war bei meiner besten Freundin. Ich war in ihrem Bett. Wie kam ich nur hier her?

Ich erinnerte mich dunkel, dass wir gestern Abend in einen Club gingen. Meine Freundin kam zu mir. Von mir gingen wir zum Club. Gegen zwanzig Uhr waren wir dort. Im Club tanzten wir. Natürlich tranken wir auch Alkohol. Vielleicht lag es daran, dass ich mich an die letzte Nacht kaum erinnern konnte.

Langsam kam mein Gedächtnis zurück. Langsam erinnerte ich mich, was in der letzten Nacht geschah. Ich sah zwar nur Bruchstücke, doch diese reichten halbwegs, um mich zu erinnern. Ich sah einen Moment, wie meine Freundin und ich Arm in Arm nach Hause gingen. Dann sah ich mich nackt. Nicht nur mich. Auch meine Freundin war nackt. Hatten wir etwa? Hatten wir etwa miteinander geschlafen?

Ich hob vorsichtig die Bettdecke nach oben. Ich erschrak. Ich hatte nichts an. Mit großen Augen drehte ich meinen Kipf nach rechts. Meine Freundin lag dort. Genau jetzt öffnete sie ihre Augen. Sie wünschte mir einen guten Morgen. Erst dann sah sie meine großen Augen.

Sie wunderte sich darüber. „Du weißt wohl nicht, was letzte Nacht geschah. Warum wir beide nackt sind“ sagte sie. Ich bejahte es. Dann sagte meine beste Freundin mir das, was ich schon ahnte. Sie und ich hatten miteinander geschlafen. Sie erzählte mir jedes Detail. Sie konnte sich an alles erinnern.

Ich erschrak noch mehr. Ich hatte zum ersten Mal mit einer Frau geschlafen! Das wäre ja normal, wenn ich männlich wäre, aber ich bin doch eine Frau. Ich stand doch bisher auf Jungs und Männer. Sollte sich das jetzt geändert haben? Sollte ich jetzt lesbisch sein?

Nein, das konnte nicht sein. Der Alkohol war Schuld. Ohne Alkohol wäre ich nicht nachts im Zimmer meiner besten Freundin gelandet. Ich hätte sie nicht geküsst. Ich hätte sie nicht entkleidet. Ich hätte nicht mit ihr geschlafen. Ich wäre am elften Februar nicht nackt im Bett meiner besten Freundin aufgewacht. Der Alkohol ist Schuld. Ganz sicher, oder?