Völkerrecht

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Из серии: Grundbegriffe des Rechts
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A Inhaltsverzeichnis

Afrikanische Menschenrechtscharta (Banjul-Charta)

Aggression (Straftatbestand)

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR)

Allgemeine Rechtsgrundsätze

Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK)

Anerkennung

Auslandswirkung von Hoheitsakten

Auswärtige Gewalt (Bundesrepublik Deutschland)

A › Afrikanische Menschenrechtscharta (Banjul-Charta) (Tobias H. Irmscher)

Afrikanische Menschenrechtscharta (Banjul-Charta) (Tobias H. Irmscher)

I. Entstehung und Mitgliedschaft

II. Schutzumfang

1.Anwendungsbereich

2.Die einzelnen Menschenrechte

3.Schranken und Außerkraftsetzung

4.Sonstige Übereinkommen

III. Durchsetzungsmechanismen

1.Die Zuständigkeit der Kommission

2.Verfahren vor dem Gerichtshof

3.Die Reform des Gerichtssystems

IV. Bewertung

Lit.:

M. Bortfeld, Der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte: eine Untersuchung des Zusatzprotokolls zur Afrikanischen Charta für die Menschenrechte und die Rechte der Völker, 2005; M. Graf, Die Afrikanische Menschenrechtscharta und ihre Bedeutung für einschlägiges innerstaatliches Recht am Beispiel Tanzanias, 1997; A. Zimmermann/J. Bäumler, Der Afrikanische Gerichtshof für Menschen- und Völkerrechte, KAS Auslandsinformationen 7/2010, http://www.kas.de/wf/doc/kas_20018-544-1-30.pdf (31.1.2013).

Die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker vom 27.6.1981, auch Banjul-Charta genannt, ist Grundlage und Kern des regionalen Menschenrechtsschutzsystems in Afrika im Rahmen der Afrikanischen Union (AU). Sie enthält neben dem Katalog individueller und kollektiver Menschenrechte und -pflichten Bestimmungen über die Errichtung der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker (AKMR); seit Inkrafttreten eines Zusatzprotokolls 2004 besteht auch ein Afrikanischer Gerichtshof für Menschenrechte und Rechte der Völker (AGMR).

I. Entstehung und Mitgliedschaft

Erste Ideen zur Schaffung eines eigenen afrikanischen Menschenrechtssystems wurden in den 1960er Jahren geäußert – beeinflusst von den internationalen Menschenrechtspakten und -verfahren wie auch von den regionalen Schutzsystemen in Europa und Amerika. Es waren aber erst die systematischen und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen unter den diktatorischen Regimen in Zentralafrika, Äquatorialguinea und Uganda (Idi Amin), die neben den Entwicklungen in anderen Regionen und der UNO letztlich den Anstoß zu konkreten Vorarbeiten ab 1979 gaben. Zwei Jahre später verabschiedete die Versammlung der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) den Text der Charta, die nach Ratifikation von mehr als der Hälfte der OAU-Mitglieder am 21.10.1986 in Kraft trat. Mit Ausnahme des Südsudans haben alle Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union, die 2001 an die Stelle der OAU trat, die Banjul-Charta ratifiziert, d. h. insgesamt 53 Staaten. Marokko ist als einziger afrikanischer Staat nicht Mitglied der AU und auch nicht Vertragspartei der Banjul-Charta.

II. Schutzumfang

1. Anwendungsbereich

Der Text der Charta enthält keine Einschränkung hinsichtlich der Anwendbarkeit in personeller oder territorialer Hinsicht. Die → Staaten erkennen allgemein die Rechte, Pflichten und Freiheiten der Charta an und verpflichten sich, sie zu verwirklichen. Dabei enthält die Charta sowohl Rechte des Einzelnen als auch kollektive Menschenrechte (→ Menschenrechte der dritten Generation).

2. Die einzelnen Menschenrechte

Kapitel I des I. Teils der Charta enthält zunächst die individuellen Rechte; und zwar einerseits bürgerliche und politische und andererseits wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Zur ersten Gruppe zählen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 4), auf Achtung der Menschenwürde und Anerkennung der Rechtspersönlichkeit einschließlich des Verbots von Folter und grausamer und unmenschlicher Behandlung (Art. 5), das Recht auf Freiheit und persönliche Sicherheit (Art. 6) und der Anspruch auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren sowie die Grundsätze ne bis in idem und nulla poena sine lege (Art. 7); außerdem ist die Unabhängigkeit der Gerichte zu gewährleisten (Art. 26). Hinzu kommen Gewissens-, Berufs- und Religionsausübungsfreiheit (Art. 8), das Recht auf Information und freie Meinungsäußerung (Art. 9), die Koalitions- und die Versammlungsfreiheit (Art. 10 und 11) sowie Freizügigkeit einschließlich des Rechts, das eigene Land zu verlassen und in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen, soweit mit deren Recht vereinbar; Massenausweisungen von Ausländern sind verboten (Art. 12). Politische Rechte, namentlich hinsichtlich der Beteiligung an der Staatsführung, auf Zulassung zu öffentlichen Ämtern, Einrichtungen und Dienstleistungen werden ebenso garantiert (Art. 13) wie das Recht auf Eigentum (Art. 14). Abgerundet werden die Rechte der ersten Generation durch den Gleichheitssatz, der sowohl allgemein postuliert wird (Art. 3, 19) als auch in allgemeinen und besonderen Diskriminierungsverboten unterstrichen wird (s. Art. 2 und Art. 18 Abs. 3 einerseits und Art. 12 Abs. 5, Art. 13 Abs. 3 andererseits). Zu den Rechten der zweiten Generation zählen insbesondere das Recht auf Arbeit (Art. 15), auf Gesundheit (Art. 16), auf Bildung und Teilhabe am kulturellen Leben (Art. 17) und der Schutz der Familie, der Frauen, Kinder, Alten und Behinderten (Art. 18).

Weiterhin garantiert die Charta – und dies ist eine Besonderheit des afrikanischen Systems – kollektive Menschenrechte: das → Selbstbestimmungsrecht (Art. 20), das Recht, über Naturreichtümer und Bodenschätze zu verfügen (Art. 21), das Recht auf eigene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung (Art. 22), auf nationalen und internationalen Frieden (Art. 23) und auf eine zufriedenstellende Umwelt (Art. 24). Die AKMR hat insoweit die Auffassung vertreten, dass sowohl die Rechte der zweiten als auch die der dritten Generation verbindlich seien und angewendet werden könnten (AKMR, Social and Economic Rights Action Center and Center for Economic and Social Rights ./. Nigeria, Oktober 2001, Beschwerde Nr. 155/96).

Im zweiten Kapitel des I. Teils sind sodann Pflichten des Einzelnen gegenüber der Familie, der Gesellschaft, dem Staat und sonstiger Gemeinschaften festgehalten (Art. 27), ebenso zur Achtung seiner Mitmenschen (Art. 28); weitere Pflichten v.a. gegenüber dem Staat finden sich in Art. 29.

3. Schranken und Außerkraftsetzung

Die Schranken der Rechte sind in den einzelnen Vorschriften selbst geregelt. In allgemeiner Weise bestimmt lediglich Art. 27 Abs. 2, dass die Ausübung der Rechte unter Berücksichtigung der Rechte anderer, der kollektiven Sicherheit, der Sittlichkeit und der gemeinsamen Interessen erfolgen müsse. Eine allgemeine Möglichkeit zur Außerkraftsetzung der Rechte im Kriegs- oder sonstigen Notfall sieht die Banjul-Charta, anders als die → Amerikanische Menschenrechtskonvention und die → EMRK, nicht vor.

4. Sonstige Übereinkommen

Die Mitgliedstaaten haben im Einklang mit Art. 66 der Charta weitere Protokolle und Vereinbarungen zur Ergänzung der Rechte abgeschlossen. Hierzu zählen die Afrikanische Charta über die Rechte und das Wohlergehen des Kindes vom 11.7.1990, in Kraft seit dem 29.11.1999, das am 25.11.2005 in Kraft getretene und mittlerweile von 35 Staaten ratifizierte Protokoll über die Rechte der Frauen in Afrika vom 11.7.2003, eine umfassende Kodifizierung der Frauenrechte entsprechend den Garantien in der Banjul-Charta; weiterhin die Afrikanische Charta über Demokratie, Wahlen und Regierungsführung vom 30.1.2007, in Kraft seit dem 15.2.2012, sowie das Übereinkommen der AU betreffend den Schutz und die Unterstützung von Binnenvertriebenen in Afrika vom 23.10.2009, das am 6.12.2012 in Kraft trat. Hinzu tritt das zeitlich noch vor der Banjul-Charta verabschiedete Übereinkommen der OAU zu besonderen Aspekten des Flüchtlingsproblems in Afrika vom 10.9.1969, in Kraft seit dem 20.6.1976.

 

III. Durchsetzungsmechanismen

Ursprünglich sah die Banjul-Charta nur die Errichtung der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker (AKMR) vor. Die Kommission ist ein Expertengremium aus elf von der AU-Versammlung für sechs Jahre gewählten unabhängigen Persönlichkeiten (Art. 30 ff. Banjul-Charta). Sie tritt für zwei bis drei Sitzungen jährlich zusammen und hat ihr Sekretariat in Banjul, Gambia. Neben der AKMR besteht der Afrikanische Expertenausschuss für die Rechte und das Wohlergehen des Kindes, der vergleichbare Aufgaben für die erwähnte Afrikanische Kinderrechtecharta von 1990 hat. Seit 2004 besteht zudem der Gerichtshof für Menschenrechte und Rechte der Völker.

1. Die Zuständigkeit der Kommission

Die Banjul-Charta überträgt der Afrikanischen Kommission einerseits Aufgaben zur Förderung und Verbreitung der Menschenrechte in Afrika mit beratendem, politischem bzw. diplomatischem Charakter. Diese umfassen insbesondere Vor-Ort-Besuche, Trainingsveranstaltungen und sonstige Verbreitungsmaßnahmen sowie die Arbeit von themenspezifischen Sonderberichterstattern und Arbeitsgruppen. Außerdem besteht ein Staatenberichtsverfahren (vgl. Art. 62 Banjul-Charta). Andererseits bestehen rechtsförmige Verfahren, namentlich für Staatenbeschwerden (Art. 47, Art. 49) und sonstige Beschwerden, die sowohl von → Individuen, → Nichtregierungsorganisationen (NGOs) oder sonstigen Dritten eingereicht werden können (Art. 55 ff.). Eine besondere Unterwerfungserklärung des betroffenen Staates ist hier nicht erforderlich. Von praktischer Relevanz war bislang lediglich das jedermann offene Individualbeschwerdeverfahren.

Nach Eingang einer „Mitteilung“ entscheidet die Kommission zunächst, ob sie sich mit der Beschwerde befasst (Art. 55 Abs. 2). Ist diese Entscheidung getroffen worden, beginnt die Prüfung der Zulässigkeit anhand der in Art. 56 aufgelisteten Kriterien, zu denen das Verbot anonymer Beschwerden und die Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs zählen. Zudem muss die Beschwerde innerhalb eines vertretbaren Zeitraums nach Erschöpfung des Rechtswegs eingelegt worden sein und darf nicht ausschließlich auf Informationen aus Massenmedien beruhen. Eine besondere Beschwerdebefugnis ist nicht erforderlich, Beschwerden können auch von Dritten eingereicht werden, die nicht Opfer der behaupteten Verletzung waren. In der Praxis werden Beschwerden regelmäßig durch NGOs eingereicht. Nach der Zulässigkeitsentscheidung strebt die Kommission grundsätzlich eine einvernehmliche Beilegung an. Ist dies nicht erfolgreich, tritt sie in die Begründetheitsprüfung ein. Wie bereits in der Zulässigkeitsphase kann auch hier eine Anhörung der Parteien erfolgen. Nach Art. 46 darf sich die Kommission zudem aller angemessener Untersuchungsmethoden bedienen. Art. 98 ihrer Verfahrensordnung ermächtigt die AKMR, in Fällen besonderer Dringlichkeit einstweilige Anordnungen zu treffen.

Der abschließende Bericht enthält Feststellungen über die Verletzung der Rechte, und kann Empfehlungen für Maßnahmen zur Folgenbeseitigung und Wiedergutmachung umfassen. Er ist als solcher nicht bindend, wird aber verbindlich, wenn er von der Versammlung der Staats- und Regierungschefs der AU bestätigt wird; diese entscheidet auch über die Veröffentlichung der grundsätzlich vertraulichen Verfahrensunterlagen (Art. 59 Abs. 2). Kommt der betroffene Staat den in dem Bericht enthaltenen Empfehlungen oder einer einstweiligen Anordnung nicht nach, so kann die Kommission die Angelegenheit dem Gerichtshof vorlegen (Regel 118 Verfahrensordnung der Kommission).

Maßstab für die Entscheidungen der Kommission ist in erster Linie die Banjul-Charta, aber auch die afrikanischen und internationalen Menschenrechtsverträge und sonstige Dokumente (Art. 60). Dabei bezieht sie sich in ihren Entscheidungen regelmäßig auf die Praxis der internationalen Menschenrechtsorgane, insbesondere des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte (→ AMRK) und des → Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (→ EMRK).

2. Verfahren vor dem Gerichtshof

1998 verabschiedete die OAU ein Protokoll zur Errichtung des Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und Rechte der Völker. Das Protokoll trat 2004 in Kraft und hat mittlerweile 26 Vertragsparteien; der Gerichtshof hat 2007 seine Arbeit in Arusha, Tansania, aufgenommen und 2009 sein erstes Urteil erlassen. Ihm gehören elf Richter an, die die verschiedenen in Afrika vorherrschenden Rechtssysteme und die Regionen angemessen repräsentieren müssen.

Der Gerichtshof ist für streitige Verfahren zuständig, die von der Kommission, von einem Vertragsstaat des Statuts, der an einem Beschwerdeverfahren vor der Kommission beteiligt war oder Heimatstaat eines Opfers ist oder einer afrikanischen zwischenstaatlichen Organisation eingeleitet werden können (Art. 5 Abs. 1 des Statuts). In diesen Fällen ist keine gesonderte Unterwerfungserklärung erforderlich. Darüber hinaus können auch Einzelpersonen und NGOs eine Klage einreichen (Art. 5 Abs. 3 des Statuts). Eine solche ist jedoch nur zulässig, wenn der betreffende Staat eine entsprechende Erklärung abgegeben hat (Art. 36 Abs. 4 des Statuts) – derzeit haben dies lediglich 5 Staaten getan. Unter Verweis auf diese Vorschriften und deren separate Rechtspersönlichkeit wies der Gerichtshof auch eine gegen die AU selbst gerichtete Klage als unzulässig zurück (AGMR, Femi Falana ./. African Union, Urteil vom 26.6.2012, Beschwerde 001/2011).

Auch der Gerichtshof beschränkt sich bei der Prüfung der Begründetheit einer Beschwerde nicht auf die Banjul-Charta, sondern zieht daneben sonstige regionale (s. III. 1.) und internationale Menschenrechtsverträge heran, soweit diese für den betroffenen Staat verbindlich sind (Art. 7 des Statuts). Zu Beginn des Verfahrens, das grundsätzlich eine mündliche Verhandlung vorsieht, wirkt der Gerichtshof auf eine einvernehmliche Beilegung hin. Urteile sind verbindlich und können die Zahlung von Schadensersatz oder Folgenbeseitigung anordnen. Die Überwachung der Urteilsumsetzung obliegt dem Exekutivrat der AU. Im Rahmen eines streitigen Verfahrens hat der AGMR zudem die Möglichkeit, vorläufige Maßnahmen anzuordnen (Art. 27 Abs. 2 des Protokolls).

Außer für streitige Verfahren ist der Gerichtshof auch zuständig für die Erstellung von Gutachten über die Auslegung der Banjul-Charta oder eines anderen einschlägigen Menschenrechtsinstruments. Nur die AU, eines ihrer Organe, ein Mitgliedstaat oder eine von der AU anerkannte afrikanische zwischenstaatliche Organisation können ein Gutachtenverfahren einleiten (Art. 4 des Statuts).

Bemerkenswert ist, trotz der Zweistufigkeit des Beschwerdesystems, der in Regel 114 der Verfahrensordnung der Kommission und in Art. 2, 6 und 8 des Statuts des Gerichtshofs verankerte Grundsatz der Komplementarität, der eine echte Kooperation ermöglicht, aber auch voraussetzt. Tatsächlich findet in der Praxis eine enge Abstimmung zwischen beiden Organen statt – und zwar sowohl in formeller als auch in informeller Hinsicht.

3. Die Reform des Gerichtssystems

Die 2000 verabschiedete Gründungsakte der AU sah die Errichtung eines Afrikanischen Gerichtshofs der AU nach Maßgabe eines besonderen Protokolls vor, das am 11.7.2003 unterzeichnet und am 11.2.2009 in Kraft getreten, aber nie faktisch umgesetzt wurde. Zur Vermeidung der Koexistenz zweier Gerichtshöfe unter dem Dach der AU wurde daher am 1.7.2008 ein Protokoll über die Fusion der beiden Gerichtshöfe zum Afrikanischen Gerichts- und Menschenrechtsgerichtshof (African Court of Justice and Human Rights) als Hauptrechtsprechungsorgan der AU beschlossen. Der einheitliche Gerichtshof umfasst zwei Sektionen mit jeweils acht Richtern – eine allgemeine und eine für → Menschenrechte. Dieses Protokoll ist noch nicht in Kraft getreten; von den hierfür erforderlichen 15 Staaten haben bislang lediglich 5 das Protokoll ratifiziert.

Das Stocken des Ratifizierungsprozesses ist möglicherweise mit Überlegungen innerhalb der AU zu erklären, die Zuständigkeit des geplanten einheitlichen Gerichts zu erweitern und eine weitere Sektion für → Völkerstrafrecht zu errichten. Der Entwurf eines entsprechenden Protokolls wurde 2012 vorgelegt, die Staats- und Regierungschefs der AU haben eine Entscheidung jedoch vertagt und die Kommission beauftragt, die finanziellen und organisatorischen Implikationen einer solchen Erweiterung zu prüfen.

IV. Bewertung

Die Banjul-Charta und das auf ihr gründende afrikanische Menschenrechtssystem waren erkennbar von den Vorbildern in Europa und Amerika inspiriert. In mancher Hinsicht bedeutete sie eine Weiterentwicklung, v.a. hinsichtlich der gleichberechtigten Kodifizierung von Menschenrechten der zweiten und vor allem der dritten Generation, des uneingeschränkten Klagerechts von NGOs, der Inbezugnahme sonstiger menschenrechtlicher Verträge und der besonderen Hervorhebung von Gesamtsituationen schwerer oder systematischer Menschenrechtsverletzungen (Art. 58 Banjul-Charta). In Fällen solcher Gesamtsituationen kann die Kommission diese entweder der Versammlung der Staats- und Regierungschefs und dem Friedens- und Sicherheitsrat der AU vorlegen oder die Situation direkt an den Gerichtshof überweisen (Regel 84 der Verfahrensordnung der Kommission). In anderer Hinsicht blieb das afrikanische System jedoch weit hinter seinen Inspirationsquellen zurück, insbesondere in Bezug auf das Durchsetzungssystem: Der Gerichtshof wurde erst mit deutlicher Verspätung überhaupt eingesetzt, ersetzt jedoch nicht die Kommission, sondern ergänzt sie, so dass der Zugang Einzelner zum Gericht in Ermangelung entsprechender Unterwerfungserklärungen nur in wenigen Fällen gewährleistet ist.

Überhaupt zeigt der Blick auf die Praxis der mit der Durchsetzung der Charta beauftragten Organe, dass die Rechtsprechung noch keine den interamerikanischen oder europäischen Organen vergleichbare Entwicklung nehmen konnte. Die Kommission hat bislang (2012) etwa 200 abschließende Entscheidungen veröffentlicht, der Gerichtshof hingegen erst 13 Fälle abgeschlossen. Von diesen ist die ganz überwiegende Zahl für unzulässig erklärt worden, zehn weitere sind noch anhängig. Und die überwiegende Zahl der von der Kommission behandelten Fälle wurde nicht von Einzelpersonen, sondern von afrikanischen oder internationalen NGOs eingereicht. Ganz offensichtlich steigt aber die Zahl der Entscheidungen, so dass eine weitere Zunahme der Rechtsprechung und damit ein steigender Einfluss erwartet werden kann. Von mindestens ebenso großer Bedeutung wie die Rechtsprechung ist die sonstige Arbeit der Kommission zur Förderung und Verbreitung der Menschenrechte in Afrika. Der gegenwärtige Entwicklungsstand des Menschenrechtsschutzsystems in Afrika ist in jedem Fall Ausdruck der besonderen wirtschaftlichen und politischen Situation des Kontinents. Es gilt, den erreichten Standard zu wahren und zu verteidigen, um die wichtige Ausstrahlungswirkung der Banjul-Charta und ihrer Schutzmechanismen auf die politische Entwicklung zu garantieren.

A › Aggression (Straftatbestand) (Peter Dreist)

Aggression (Straftatbestand) (Peter Dreist)

I. Einleitung

 

II. Die Entwicklung zum Aggressionstatbestand

1.Vorgaben zur friedlichen Streitbeilegung

2.Verbrechen gegen den Frieden im IMG- und IMGFO-Statut

3.Vorgaben der UN-Charta

4.GA-Res 3314 (XXIX) vom 14.12.1974

5.Römisches Statut vom 17.7.1998

6.Kampala-Überprüfungskonferenz

III. Äußere Tatseite

1.Der staatliche Aggressionsakt

2.Das Aggressionsverbrechen

a)Völkergewohnheitsrecht

b)IStGH-Statut

3.Die de minimis-Schwelle (Offenkundigkeit)

4.Beschränkung auf Führungspersonal

5.Versuch und Vorbereitungshandlungen

6.Beteiligung

IV. Innere Tatseite

V. Ausübung der Gerichtsbarkeit

VI. Der doppelte In-Kraft-Setzungs-Mechanismus

VII. Ausblick

Lit.:

K. Ambos, Das Verbrechen der Aggression nach Kampala, ZIS 2010, 649; St. Barriga, Der Kompromiss von Kampala zum Verbrechen der Aggression – Ein Blick aus der Verhandlungsperspektive, ZIS 2010, 644; D. Blumenwitz, Das universelle Gewaltanwendungsverbot und die Bekämpfung des grenzüberschreitenden Terrorismus, BayVBl. 1986, 737; Y. Dinstein, Aggression, EPIL, 2009; K. Schmalenbach, Das Verbrechen der Aggression vor dem Internationalen Strafgerichtshof: Ein politischer Erfolg mit rechtlichen Untiefen, JZ 2010, 745; St. Haumer/L. Marschner, Der Internationale Strafgerichtshof und das Verbrechen der Aggression nach Kampala – Zu den neuesten Ergänzungen im IStGH-Statut und ihren Auswirkungen auf das deutsche Strafrecht, HuV-I 2010, 188; H.-P. Kaul, International Criminal Court (ICC), EPIL, 2008; ders., Von Nürnberg nach Kampala – Reflexionen zum Verbrechen der Aggression, ZIS 2010, 638; Ch. Schaller, Der Internationale Strafgerichtshof und das Verbrechen der Aggression – Durchbruch auf der Überprüfungskonferenz im Kampala?, SWP-Aktuell 45 (2010), 1; A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, Theorie und Praxis, 1984, 289; Resolutionen 5 und 6 der Überprüfungskonferenz von Kampala abrufbar auf der Homepage des IStGH/ICC unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/asp_docs/Resolutions/RC-Res.6-ENG.pdf.