Ordnungsbehördengesetz Nordrhein-Westfalen – Kommentar

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III. Hierarchische Gliederung der Aufsichtsverwaltung

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Die Aufsichtspyramide entspricht in ihrer hierarchischen Abfolge dem demokratischen Prinzip:

Oberste Sonderaufsicht ist das jeweils zuständige Ministerium, die Aufsichtszuständigkeit bei der Sonderaufsicht folgt verfassungsoriginär aus dem Ressortprinzip des Art. 55 Abs. 2 LV, die Ressortzuständigkeit richtet sich nach der jeweils aktuellen Bekanntmachung der Geschäftsbereiche der obersten Landesbehörden[443]. Welche Rechtsmaterien in der Sonderaufsicht welchen Ministeriums liegen, ergibt sich aus dieser Bekanntmachung. Die Geschäftstätigkeiten sind, was die aufsichtlichen Zuständigkeiten angeht, darunter zu subsumieren. Bei einem Neuzuschnitt von Ressorts (etwa nach einer Landtagswahl) ist es Pflicht der Staatskanzlei, möglichst rasch für eine Publikation zu sorgen, damit die sonderaufsichtliche Aufsicht, die verfassungsrechtliche Bedeutung im Hinblick auf das Demokratieprinzip besitzt[444], stets klar ist.

Die Kommunalaufsicht (Rechtsaufsicht) liegt dagegen allein beim Innenministerium (§§ 120 Abs. 4 GO und 57 Abs. 1 KrO).

Die Bezirksregierungen sind Aufsichtsbehörden über die kreisfreien Städte und Kreise in ihrem Bezirk und obere Aufsichtsbehörde über die kreisangehörigen Gemeinden als örtliche Ordnungsbehörden.

Der Landrat ist – im Wege der Organleihe – untere staatliche Aufsichtsbehörde bezüglich der örtlichen Ordnungsbehörden[445]. In dieser Eigenschaft als staatliche Aufsichtsbehörde steht er voll im umfassenden fachaufsichtlichen (nicht: sonderaufsichtlichen) Weisungsstrang, die sonderaufsichtlichen Restriktionen gelten insoweit nicht (§§ 58 bis 60 KrO).

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Die instanziellen Aufsichtszuständigkeiten sind ebenso gesetzlich vorgegeben und damit nicht disponibel wie etwa die erstinstanzliche örtliche und sachliche Zuständigkeit der Ausgangsbehörden. Grundsätzlich ist, auch aus beamtenrechtlichen Gründen der sachgerechten Verantwortungszuweisung, die gesetzlich instanziell zuständige Ausgangsbehörde zuständig. Außerordentliche Zuständigkeiten sind bei Gefahr im Vollzug gegeben (§ 6). Der Selbsteintritt der übergeordneten Behörde ist unter den Voraussetzungen des § 10 statthaft.

IV. Zusammenarbeitsregelungen

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Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit sind für Gemeinden und Kreise in mehreren Vorschriften und recht unübersichtlich geregelt: § 2 KrO, §§ 3 ff. GO und §§ 23 ff. GKG. Die Vorschriften lassen deutlich den Willen des Organisationsgesetzgebers erkennen, abschließend über örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeiten in NRW zu bestimmen, auch in Ausführung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes, dass Kompetenzen grundsätzlich nicht disponibel sind. Ermöglichungen von Zusammenarbeit mögen auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen. Sie tragen aber die Gefahr der Verwischung der Verantwortlichkeiten in sich und können ggf. auch nur schwer mit dem Grundsatz zu vereinbaren sein, dass die Leistungsfähigkeit einer Gebietskörperschaft kongruent mit ihrem Zuständigkeitsbereich sein soll. Das OVG hat in dem berechtigten Bemühen, Zuständigkeitswirrwarr in NRW zu vermeiden, Zusammenarbeitsnormen recht restriktiv ausgelegt[446].

Schönenbroicher

§ 8 Unterrichtungsrecht

Die Aufsichtsbehörden können sich jederzeit über die Angelegenheiten der Ordnungsbehörden unterrichten.

I. Allgemeines

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Die §§ 8 bis 10 sehen in ihrer Abfolge gewissermaßen die Eskalationsstufen der Sonderaufsicht vor: Unterrichtung, Weisung, Selbsteintritt.

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Dass sich übergeordnete Behörden über die Angelegenheiten nachgeordneter Behörden unterrichten dürfen, folgt verfassungsrechtlich aus dem hierarchischen Prinzip der Verwaltung, das wiederum selbst auf dem demokratischen Prinzip beruht[447]. Der letztlich verantwortliche (Art. 55 Abs. 2 LV) Ressortminister kann seiner Verantwortung – im Landtag, in der Öffentlichkeit, im Hinblick auf den für die repräsentative Demokratie grundlegenden und konstituierenden Wahlakt – nur gerecht werden, wenn er umfassende Informations- und Steuerungsbefugnisse hat. Steuern wiederum kann nur, wer überhaupt weiß, was vor sich geht. Insoweit gilt nach allgemeinen verwaltungsorganisatorischen und verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen zunächst das Berichtswesen, flankiert von der Unterrichtungsbefugnis der vorgesetzten Stelle und der Unterrichtungspflicht der nachgeordneten Einheit. Wenn Rietdorf meint, § 8 habe mit Rücksicht auf den entsprechend formulierten § 121 GO i. V. m. § 119 Abs. 2 GO aufgenommen werden müssen[448], wäre kritisch anzumerken, dass schon fraglich ist, ob diese einfachrechtlichen Vorschriften konstitutiv sind, weil auch die Kommunalaufsicht sinnvoll nur auf der Grundlage von Berichtspflicht und Unterrichtungsbefugnis bzw. Unterrichtungspflicht praktiziert werden kann.

II. Rangfolge von Aufsichtsmitteln, Ermessen

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Weder im LOG noch in der GO (oder KrO), noch im OBG finden sich Regelungen über die Rangfolge der Aufsichtsmittel. Hier gilt zunächst das Berichtswesen, d. h. die nachgeordnete hat die übergeordnete Behörde über wesentliche Entwicklungen und Vorgänge von sich aus zu informieren und unterrichtet zu halten. Dies ist eine Rechtspflicht und ein selbstverständlicher Grundsatz der Verwaltung und musste daher nicht noch einmal im OBG zum Ausdruck gebracht werden. Was die Ausübung von Aufsichtsmitteln angeht, wird die übergeordnete Behörde ihr Ermessen sachgerecht so ausüben, dass zunächst immer nur das leichtere Aufsichtsmittel angewandt wird, „zunächst also Information und eine abschließende Beratung und erst nachfolgend die Weisung und notfalls der Selbsteintritt“[449].

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Es gilt das Prinzip eines einfachen, raschen und wirkungsvollen Aufgabenvollzugs: überflüssige, übermäßig zeitraubende, unkoordinierte und undurchdachte Informationen – in beide Richtungen – sind zu unterlassen[450], besonders langatmige Berichte ohne konkreten Vorschlag und Derartiges. Im klugen Verwaltungsvollzug wird zunächst eine mündliche Unterrichtung bzw. Nachfrage erfolgen.

III. Unterrichtungsrecht und Unterrichtungspflicht

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Ein breites Spektrum an Informationsmitteln bzw. -möglichkeiten der höheren Behörde ist zulässig:

–Aktenvorlage oder Akteneinsicht an Ort und Stelle,

–Unterrichtung vor Ort,

–Inspektion,

–Teilnahme an Sitzungen und mündlichen Verhandlungen[451].

Herrin des Verfahrens ist die Behörde, die sich unterrichten lässt. Ist dies das Ministerium selbst, sollte es ein Interesse daran haben, auf den Dienstweg zu achten, d. h. die obere Aufsichtsbehörde ist (zumindest) einzubeziehen und informiert zu halten.

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Das Unterrichtungsrecht erstreckt sich auf alle ordnungsbehördlichen Vorgänge der berichtspflichtigen Gemeinde etc. Der Unterrichtungsbefugnis der übergeordneten Behörde entspricht die Unterrichtungspflicht der nachgeordneten Stelle. Ob es sich bei Unterrichtungsverlangen um Verwaltungsakte handelt, ist (im Rahmen des § 121 GO) umstritten[452]. Es dürfte eher von einem verwaltungsinternen Akt auszugehen sein, was aber nicht automatisch bedeutet, dass die betroffene Körperschaft einen entsprechenden Akt nicht zur gerichtlichen Überprüfung stellen könnte[453]. Kommunalaufsichtsrechtliche Verfügungen nach § 121 GO können als Verwaltungsakte bzw. im Wege der Leistungs- bzw. Feststellungsklage zur verwaltungsgerichtlichen Überprüfung gestellt werden[454].

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Das Unterrichtungsverlangen selbst ist nicht durch die Restriktion der Weisungsbefugnisse nach § 9 Abs. 2 begrenzt[455]. Vielmehr soll eine umfassende Unterrichtung die Aufsichtsbehörde in die Lage versetzen zu entscheiden, ob im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit und/oder die Zweckmäßigkeit des Handelns der Ausgangsbehörde – unter den Vorgaben des § 9 – einzuschreiten ist. Ein weit formuliertes Unterrichtungsverlangen kann daher auch nicht vom Verwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt werden. Entsprechende Klagen wird man also allenfalls für begründet halten können, wenn das Unterrichtungsverlangen offensichtlich als evident willkürlich, ja schikanös eingeschätzt werden müsste oder wenn Sonderfaktoren vorliegen wie die Befangenheit der Aufsichtsbehörde wegen anderweitiger eigener Interessen in der Angelegenheit[456].

Schönenbroicher

§ 9 Weisungsrecht gegenüber örtlichen und Kreisordnungsbehörden

(1) Die Aufsichtsbehörden können Weisungen erteilen, um die gesetzmäßige Erfüllung der ordnungsbehördlichen Aufgaben zu sichern.

(2) Zur zweckmäßigen Erfüllung der ordnungsbehördlichen Aufgaben dürfen die Aufsichtsbehörden

a)allgemeine Weisungen erteilen, um die gleichmäßige Durchführung der Aufgaben zu sichern,

b)besondere Weisungen erteilen, wenn das Verhalten der zuständigen Ordnungsbehörde zur Erledigung ordnungsbehördlicher Aufgaben nicht geeignet erscheint oder überörtliche Interessen gefährden kann.

(3) Zur zweckmäßigen Erfüllung von ausländer- und paßrechtlichen Angelegenheiten dürfen die Aufsichtsbehörden besondere Weisungen auch erteilen, wenn die Bundesregierung, das Bundesministerium des Innern oder die von ihnen bestimmte Stelle in Angelegenheiten des Ausländerwesens und des Paßwesens Weisungen erteilen können oder die Entscheidung im Einzelfall im Benehmen mit einer der genannten Stellen ergehen muß.

 

(4) Weisungen zur Erledigung einer bestimmten ordnungsbehördlichen Aufgabe im Einzelfalle führt der Hauptverwaltungsbeamte als staatliche Verwaltungsbehörde durch, sofern die Aufsichtsbehörde dies in der Weisung festlegt. Dies gilt auch für solche Weisungen, deren Geheimhaltung im Interesse der Staatssicherheit erforderlich ist.

(5) Das Weisungsrecht der Aufsichtsbehörden erstreckt sich nicht auf den Erlaß ordnungsbehördlicher Verordnungen.

I. Allgemeines

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§ 9 ist Ausprägung des spezifisch nordrhein-westfälischen Rechtsinstituts der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung, deren Rechtsnatur bis heute umstritten ist, die jedenfalls nicht als klassische Selbstverwaltungsaufgaben im bundesrechtlichen (Art. 28 Abs. 2 GG) Sinne zu bezeichnen sind, sondern als Aufgabenkategorie „sui generis“[457]. Sie zeichnen sich insbesondere durch das in Abs. 2 festgelegte eingeschränkte Weisungsrecht bei Fragen der Zweckmäßigkeit aus.

II. Absatz 1: Rechtmäßigkeit

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Abs. 1 bezieht sich auf die „gesetzmäßige Erfüllung“ der ordnungsbehördlichen Aufgaben. Damit ist die Rechtmäßigkeit des Handelns gemeint, nicht die Zweckmäßigkeit, die in Abs. 2 behandelt ist.

1. Legalitäts- oder Opportunitätsprinzip?

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Nach dem Wortlaut der Vorschrift „können“ die Aufsichtsbehörden Weisungen erteilen. Nach dem allgemeinen verwaltungsrechtlichen Sprachgebrauch bedeutet die Verwendung des Wortes „kann“ durch den Gesetzgeber, dass der zuständigen Stelle Ermessen eingeräumt ist, ob und wie sie von ihrer vom Gesetzgeber zugewiesenen Zuständigkeit Gebrauch macht (Opportunitätsprinzip). Allerdings ist umstritten, ob diese Wortbedeutung auch für die Beurteilung der Bedeutung des Begriffs „kann“ im Rahmen der allgemeinen Kommunal- und Sonderaufsicht heranzuziehen ist. Während die h. M. dies annimmt[458] und darauf verweisen kann, dass die Auslegung von Ermessensvorschriften gegen den Wortlaut und die herkömmliche Bedeutung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen wird[459], sprechen rechtshistorische (zur Genese des Begriffs) und rechtsdogmatische Argumente einer Mindermeinung für die Annahme, dass bezüglich der Rechtmäßigkeitsgewähr der Kommunal- und Sonderaufsicht grundsätzlich von der Geltung des Legalitätsprinzips auszugehen sein könnte, zumindest ein entsprechendes intendiertes Ermessen anzuerkennen ist[460]. Denn es geht insoweit um den Schutz des Rechtsstaats in der Verwaltungspraxis der Ausgangsbehörden. Mit der Frage der Geltung des Opportunitätsprinzips bei der Weisungserteilung nicht zu verwechseln ist die Geltung des Opportunitätsprinzips bei der Frage des Einschreitens durch die Ausgangsbehörde (§ 14). Wenn es nach § 14 bzw. einer speziellen Ermessenseingriffsgrundlage zulässig ist, nicht einzuschreiten, kommen Aufsichtsmaßnahmen nicht in Betracht, da Ausgangspunkt insoweit ein rechtmäßiges Verhalten der Ausgangsbehörde ist. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es bei der Aufsicht nicht in erster Linie darum geht, permanent die Rechtmäßigkeit abgeschlossener Vorgänge in der Vergangenheit zu erörtern[461]. Dagegen besteht ein hohes demokratisches Interesse daran, für die Durchsetzung des Prinzips der Rechtmäßigkeit im Verwaltungsvollzug zu sorgen.

2. Pflicht zur Beanstandung

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Bejaht man mit der h. M. gleichwohl die Geltung des Opportunitätsprinzips, wird man wohl von einer grundsätzlich bestehenden Pflicht der Aufsichtsbehörden auszugehen haben, rechtswidriges Handeln nicht unbeanstandet zu lassen. Die Regel ist also das Einschreiten, nur ausnahmsweise kann davon abgesehen werden (intendiertes Ermessen). Die grundgesetzlich vorgegebene strikte Bindung der Behörden an Gesetz und Recht macht es den Aufsichtsbehörden zur Aufgabe, über die Einhaltung in der Verwaltungspraxis vor Ort zu wachen. Der Aspekt der möglichen Pflichtenkollision, Geltungsgrund des Opportunitätsprinzips im Polizeirecht mit seinem „Freiraum für taktische Überlegungen (taktisches Ermessen)“[462], wird in der Praxis der Aufsichtsbehörden regelmäßig kaum eine Rolle spielen[463].

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„Gesetzmäßige Erfüllung“ bedeutet: die gesamte Rechtsordnung ist einzuhalten: Gesetze (auch EU-Recht), Verordnungen, Verwaltungsvorschriften (Erlasse, auch allgemeine Weisungen nach Abs. 2[464]; geltendes Innenrecht), Satzungen (etwa § 10 BauGB), Richterrecht, Gewohnheitsrecht[465].

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Zur Rechtsaufsicht gehören das Verfahren der Entscheidungsfindung und die Nachprüfung, ob Ermessensfehler vorliegen. Zweckmäßigkeitserwägungen dürfen ebenso wenig verfolgt werden wie abweichende politische Einschätzungen oder Erwägungen[466].

III. Absatz 2: Zweckmäßigkeit

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In Abs. 2 ist in recht komplizierter Form das eingeschränkte sonderaufsichtliche Fachweisungsrecht geregelt, wobei der Gesetzgeber zwischen allgemeinen Weisungen und besonderen Weisungen im Einzelfall unterscheidet.

1. Vorrangige Regelungen, ausgeschlossene Gesetzgebungsfelder

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Abs. 2 betrifft nur die Aufsicht nach dem OBG und echte sonderaufsichtliche Rechtsmaterien auf dem Feld der gefahrenabwehrrechtlichen Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung. Nicht von Abs. 2 erfasst sind[467]:

–Erste Gruppe: Rechtsmaterien, zu denen der NRW-Gesetzgeber keine einschränkenden Vorschriften (abschließend) erlassen darf.

–Zweite Gruppe: Rechtsmaterien, bei denen landesrechtlich-rechtssystematisch die Grundsätze der Fachaufsicht gelten.

Zu der ersten Gruppe gehören grundsätzlich die Fälle der Ausführung von Bundesrecht, entweder im Falle bestimmter Erscheinungsformen des Landeseigenvollzugs oder im Wege der Bundesauftragsverwaltung. Beim Landeseigenvollzug von Bundesgesetzen kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen (Art. 84 Abs. 2 GG[468]). Daran sind auch kommunale Stellen von Bundesverfassungs wegen gebunden[469] (in § 16 Abs. 1 Satz 2 LOG wird deklaratorisch an diese Zusammenhänge erinnert). Ferner kann der Bundesregierung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zur Ausführung von Bundesgesetzen die Befugnis verliehen werden, für besondere Fälle Einzelweisungen zu erteilen (Art. 84 Abs. 5 Satz 1 GG)[470], welche im Regelfall an die obersten Landesbehörden zu richten sind (Satz 2).

Auftragsangelegenheiten nach Bundesrecht (Art. 85, 104 a Abs. 3 GG) sind durch ein umfassendes Weisungsrecht der zuständigen obersten Bundesbehörden geprägt (Art. 85 Abs. 2 und 3 GG). Es ist angemerkt worden, die Landesbehörden erschienen geradezu als nachgeordnete Behörden[471]. Dies wird in § 16 Abs. 1 Satz 1 LOG – auch hinsichtlich der Kommunen – deklaratorisch festgehalten. Aufgrund der Föderalismusreform I mit dem rechtspolitisch zu begrüßenden Verbot der Behördenfestlegung und der direkten einfachrechtlichen Übertragung weiterer staatlicher Auftragsangelegenheiten durch den Bund an die Kommunen konnten zahlreiche Aufgaben zu Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung „herabgezont“ werden, etwa jene auf dem Gebiet des Personenstandwesens[472].

Zu der zweiten Fallgruppe gehören die landesrechtlichen Auftragsangelegenheiten, für welche die Grundsätze der Fachaufsicht gemäß § 13 LOG gelten, weil die entsprechenden kommunalen Stellen in den staatlichen Verwaltungsaufbau des Landes inkorporiert sind (vgl. etwa §§ 9 Abs. 2 LOG, 58 ff. KrO, 88 ff. SchulG)[473]. Hierzu dürfte auch der Bereich der Weisungserteilung in Staatsschutzsachen zu zählen sein[474].

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Das eingeschränkte Weisungsrecht des Abs. 2 bezieht sich daher nur auf gefahrenabwehrrechtliche Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung, die (materiell-inhaltlich) bundes- oder landesrechtlichen Ursprungs sein können. Die Regelung gilt direkt, soweit es um die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr im Wege der Pflichtaufgaben geht, Beispiel: BauO. Soweit der einfache Gesetzgeber in NRW im Übrigen (außerhalb der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr) Pflichtaufgaben einrichtet, wird das eingeschränkte Weisungsrecht in der Regel einfachrechtlich nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 (nochmals) ausdrücklich angeordnet[475].

2. Begrenztheit des Fachweisungsrechts

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Die Begrenzung des Fachweisungsrechts rechtfertigt sich nicht nur mit Blick auf das Eigeninteresse der unteren kommunalen Ordnungsbehörden, ihre Aufgabenerfüllung außerhalb der Sphäre der strikten Rechtsgebundenheit (Abs. 1) in einem Bereich (begrenzt) freier Gestaltung und eigener Einschätzungen („möglichst elastischer Aufgabenvollzug“[476]) erfüllen zu dürfen. Zu enge Vorgaben führen erfahrungsgemäß häufig zu negativen Arbeitsergebnissen. Es liegt also, und dies gilt generell bei Fach- wie Sonderaufsicht, im wohlverstandenen eigenen Interesse der übergeordneten Ordnungsbehörden und des Staates, nicht „zu eng zu führen“, zumal dies in Zeiten des Personalabbaus auch gar nicht mehr geleistet werden könnte[477]. Im Bereich der Zweckmäßigkeit gilt das Opportunitätsprinzip, nicht das Legalitätsprinzip[478].

3. Absatz 2 Buchstabe a)

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Nach dieser Vorschrift dürfen allgemeine Weisungen erteilt werden, um die gleichmäßige Durchführung der Aufgaben zu sichern. Es handelt sich um die eine unbestimmte Anzahl von Fällen betreffende einheitliche Regelung eines allgemeinen Tatbestandes[479]. Im Hintergrund steht das Interesse des Staates an einem einheitlichen Aufgabenvollzug, aber auch das berechtigte Interesse des Bürgers an der Einhaltung des Gleichheitssatzes (Art. 3 GG) im Vollzug[480], was insbesondere durch ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften oder durch Verwaltungsvorschriften, in denen unbestimmte Rechtsbegriffe verbindlich ausgelegt werden, sichergestellt werden kann[481]. Anknüpfungspunkt ist die einheitliche Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen im Hinblick auf aufgetretene oder in Zukunft mögliche rechtliche Zweifelsfragen. Dies umfasst auch die Zweckmäßigkeit behördlichen Handelns. Konkrete Einzelfälle können Veranlassung zu allgemeinen Weisungen geben[482]. Es liegt im weiten Ermessen der erlassgebenden Stellen, ob sie allgemeine Weisungen erlassen, es kommt hier nicht auf ein (konkret darzulegendes) „Bedürfnis“ an[483]. Soweit die erlassgebende Stelle Ermessen ausübt, hat sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens zu beachten[484].

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Beispiele für allgemeine Weisungen (auch als Verwaltungsvorschriften, Runderlasse, Erlasse etc. bezeichnet)[485]:

–VV zur BauO, zwar am 31. Dezember 2005 ausgelaufen[486], aber die mit Überwachung und Durchführung der BauO betrauten Stellen und Behörden dürfen davon ausgehen können, dass sich die Auffassung der obersten Landesbehörde zu den in der VV gemachten Aussagen auch nach deren Auslaufen nicht geändert hat[487];

–Möglichkeit der Festlegung der örtlichen Zuständigkeit für inhaftierte Ausländer[488];

–Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Meldegesetzes NRW, die als allgemeine Weisungen nach § 9 Abs. 2 a) ergangen sind.

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