Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus

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IL HYPERION, Elnath-System, Orbit um Elnath III, 26. November 2265

Unruhig trommelte Jayden mit seinen Fingern auf der Konsole. Das Team um Tess Kensington sollte mittlerweile längst zurück sein. Natürlich dauerte es einige Zeit, mit einer Rumpfcrew einen Leichten Kreuzer zu fliegen. Hinzu kam, dass die Shuttles nur auf dem ersten Band im Phasenraum fliegen konnten, was einer 1600-fachen Lichtgeschwindigkeit gleichkam. Für die zwanzig Lichtjahre zur PROTECTOR benötigte das Team also etwa fünf Tage. Mit dem Rückflug und zwei Tagen Aufenthalt war ihre Rückkehr für den 25. November geplant gewesen. Ein Tag hinter dem Zeitplan zu liegen, bedeutete bei diesen Problemen und Entfernungen nichts. Trotzdem machte Jayden sich Sorgen. Es war seine Mannschaft. Und er war nicht der Einzige, der sich sorgte.

Die vergangenen Tage waren für die Besatzung der HYPERION ereignislos verlaufen. Zu ereignislos.

Die Wissenschaftler arbeiteten daran, die neuen Sondendaten auszuwerten. Nach dem Abschalten der Phasenaggregate konnten die Sonden das Artefakt nun anfliegen. Lieutenant Commander Lorencia und ihre Crew arbeiteten hart daran, das Antriebsproblem zu beseitigen, was deutlich mehr Zeit in Anspruch nahm, als bisher gedacht. Wenn sie wieder zurück in der Solaren Union waren, würde Jayden sich den ein oder anderen Techniker zur Brust nehmen, der dafür verantwortlich war.

Ansonsten herrschte Alltag, der aber von einer permanenten Spannung durchzogen wurde. Die Gefahr durch die Parliden, die Unwissenheit über die Herkunft und Macht des Artefakts und die Verspätung des Teams um Lieutenant Kensington zerrten an den Nerven der Crew.

Er beneidete den Piloten des Kurierbootes nicht im Geringsten. Auf Phase drei flog ein solches Mini-Schiff mit 3300-facher Lichtgeschwindigkeit. Der Flug zur Erde war also in etwa achtzehn Tagen zu schaffen. Da er die Informationen auf die höchste Geheimhaltungsstufe gesetzt hatte, würde der Bote nicht bis zum Rand der Solaren Union fliegen und die Informationen per Phasenfunk übermitteln, sondern die Nachricht persönlich überbringen. Vermutlich hatte er sich in Stase versetzt, wie die meisten Kuriere es taten. Eine Antwort erwartete Jayden nicht. Die Admiralität wusste, dass er mit einem Abschluss der Mission lange vor dem Eintreffen neuer Befehle rechnete.

»Phasenabdruck am Rand des Systems«, meldete Lieutenant Nurakow, der Vertreter von Tess Kensington an der Ortungskonsole. »Die Überlichtplattformen beginnen passiven Scan und warten auf Transpondercode.«

Jayden atmete erleichtert auf.

»Telemetriedaten der Plattformen gehen ein.« Nurakow öffnete überrascht den Mund und blickte auf. »Transponderkennung negativ. Ich starte eine Überprüfung der Signatur.«

Jayden zuckte innerlich zusammen. Seine schlimmsten Befürchtungen schienen wahr zu werden.

»Sir, die Auswertung ergibt eine 92,45-prozentige Wahrscheinlichkeit für ein Parlidenschiff.« Auf der Ortungskonsole blinkte ein rotes Icon weithin sichtbar auf. »Zwei weitere Abdrücke, Sir. Ebenfalls Parliden.«

Jayden ließ sich nichts anmerken, während sein Magen gen Boden sackte. Drei Parlidenschiffe! Die Bewaffnung der HYPERION war gut, aber nicht so gut.

Vor seinem inneren Auge sah Jayden das brennende Wrack der DEFENDER II. Er hatte das Schiff als Interims-Captain in einen Kampf geführt, den nahezu niemand überlebt hatte. Eine Kolonie gerettet, ein Schiff verloren. Er würde den Moment nie vergessen, als er – schwer verletzt – aus dem Bullauge der Rettungskapsel die Explosion sah. Das Ende der DEFENDER II. Und nun sollte er etwas Ähnliches erneut tun? Ein Artefakt retten, um den möglichen Preis des Todes einer gesamten Crew. Es waren verdammt noch mal drei Parlidenschiffe!

Sein Blick wanderte zum taktischen Display. Kämpfen oder fliehen? Ein Rückzug wäre vermutlich die sicherere Alternative. Sie konnten immer noch versuchen, das Artefakt zu sprengen. Und die PROTECTOR? Überlichtschneller Funk war nicht möglich, da sie den genauen Einflugvektor des Schiffes in das System nicht kannten. Und bis das Schiff die Parliden orten konnte, würde kostbare Zeit vergehen, da diese vermutlich als Erstes die Sensorplattformen abschießen würden.

Nein! Er konnte es nicht. Kameraden im Stich lassen, die Mission aufgeben und die Sicherheit der Solaren Union gefährden? Auf keinen Fall.

Seine Eltern hatten gelacht, als er – ein reicher Dynastiesprössling – zur Space Navy gegangen war. Seine Herkunft hatte ihm in den Anfangsjahren eine Menge Probleme bereitet. Seine Kameraden hatten ihm Vetternwirtschaft vorgeworfen und ihm das Leben zur Hölle gemacht. Dabei hatte Jayden von Anfang an jedwede Unterstützung durch den Einfluss seiner Familie abgelehnt. Ein Ausgestoßener zwischen zwei Welten. Aber er hatte es geschafft. Er war seinen Weg gegangen. Er hatte Tikara II gerettet, Menschenleben geschützt.

Das hier waren sein Schiff, seine Mannschaft. »Lieutenant McCall, versuchen Sie Kontakt zu den Parliden aufzunehmen.«

Nach einigen Minuten meldete sie: »Keine Antwort, Sir. Ich versuche es weiter.«

Er blickte zu seiner I.O. »Gehen Sie auf Gefechtsalarm. Es sieht so aus, als müssten wir die Bewaffnung der HYPERION einem praktischen Test unterziehen.«

Sie nickte und wirkte dabei auf seltsame Art und Weise beruhigt.

Augenblicke später war die Kommandobrücke in rotes Licht getaucht. Ein breiter Streifen des Wandpanels, der rot aufleuchtete, zeigte den Alarmstatus im ganzen Schiff an.

»Lieutenant Nurakow, wie lange wird es dauern, bis die gegnerischen Schiffe in Gefechtsreichweite sind?«

»Bei gleichbleibendem Vektor und prognostizierter Geschwindigkeit«, er rief die aktuellen Angaben auf sein Display, »werden die Banditen I bis III innerhalb der nächsten neun Stunden in Gefechtsreichweite sein.«

Commander Ishida wandte sich an den Waffenoffizier. »Commander Akoskin, können Sie uns bereits eine Einschätzung von deren Offensivmöglichkeiten geben?«

Der Lieutenant Commander nickte. »Das kann ich, Commander – zumindest teilweise. Die beiden zuletzt eingetroffenen Schiffe – Bandit II und III – entsprechen von ihrer Tonnage unseren Leichten Kreuzern. Ähnlichen Schiffen sind wir auch schon im damaligen Krieg begegnet. Wenn ich in etwa die gleiche Entwicklung zugrunde lege, die auch unsere Schiffe durchlaufen haben, rechne ich mit mittelschwerer Bewaffnung bei leichter Panzerung. Ihre Offensiv- und Defensivbewaffnung ist der unseren unterlegen, dafür sind sie deutlich wendiger, da ihre Sublicht-Triebwerke und Trägheitskompensatoren leistungsfähiger sind. Das sind allerdings nur sehr vage Schätzungen. Wirklich sicher können wir uns nicht sein. Zu Bandit I kann ich nicht viel sagen. Seiner Masse nach handelt es sich um das Pendant zu einem Schweren Kreuzer. Entsprechend der entstandenen Phasenwelle gehe ich davon aus, dass er aus der dritten Phase gefallen ist.«

»Damit ist der Kampf, wie vermutet, ein unkalkulierbares Risiko.« Jayden rieb sich das Kinn. »Ich wünschte wirklich, wir hätten in den vergangenen Jahren mehr Informationen über deren Schiffstypen herausgefunden.«

Ishidas Finger glitten über die Oberfläche ihrer Kommandokonsole. Im Holotank schrumpften die Sensorergebnisse zu einem kleinen Ball und schwebten zu Boden. Stattdessen erschien die schematische Darstellung eines Leichten Kreuzers der Parliden, die mit lange veralteten Details versehen war. »Wir könnten es also mit zwei Leichten Kreuzern aufnehmen?«

»Vermutlich«, sagte Akoskin. »Aber diese Prognose mache ich unter Vorbehalt. Ich lasse den Computer gerade verschiedene Szenarien durchrechnen.«

»Machen Sie weiter.« Jayden nickte Akoskin auffordernd zu. »Lieutenant McCall, gibt es mittlerweile irgendwelche Reaktionen auf unsere Kommunikationsversuche?«

Das Kopfschütteln seiner Kommunikationsoffizierin zerstörte die letzte Hoffnung auf eine friedliche Lösung. Doch er würde den Teufel tun, den ersten Schuss abzufeuern.

Jayden beobachtete die Annäherung an den Parlidenkreuzer still, während seine Offiziere wie ein eingespieltes Team ihren Aufgaben nachgingen.

Sein erstes Kommando entwickelte sich immer mehr zum Desaster. Vermutlich bereute die Admiralität es längst, ihm den Tapferkeitsorden verliehen zu haben. Spätestens wenn die erste Armada aus Parlidenschiffen ihren Angriff auf die Solare Union begann, würde dem so sein. Andererseits traute er den Sternköpfen auch zu, die HYPERION einfach zu vernichten und sich dann stillschweigend das Artefakt unter den Nagel zu reißen. Alles war möglich. Sie wussten einfach zu wenig darüber, was in der Gesellschaft der Parliden vor sich ging.

Auf seiner Konsole beobachtete er, wie das Parlidenschiff langsam davon glitt, als der Traktorstrahl in sich zusammenfiel.

»Gute Arbeit.« Er schenkte jedem seiner Offiziere ein anerkennendes Nicken. »Commander Akoskin, Sie sind am Zug.« Damit aktivierte er die Gefechtssteuerung.

Gemäß der Gefechtsdoktrin des Interlink-Kreuzers erhielt Lieutenant Commander Akoskin die Befehlsgewalt über Navigation und Waffen. Gleichzeitig wurden die Ortungsdaten ungefiltert auf die sekundäre Taktikkonsole geleitet, wo die Daten mit entsprechenden Filtern versehen und nach relevanten Informationen durchsucht wurden.

Während eines Kampfes fühlte er sich als Captain meist völlig nutzlos. Natürlich gab er Befehle und beeinflusste den Kurs oder befahl den Rückzug. Doch die neu formulierte Taktik-Doktrin für Interlink-Kreuzer sah eben vor, dass der Waffen- und Taktik-Offizier selbstständig handelte und Befehle an die Navigation weitergab.

Wie das Protokoll es vorschrieb, überprüfte er, ob die Beta-Kommandobrücke besetzt war. Die Führungsoffiziere der Gamma-Schicht befanden sich dort, auf einer zweiten Brücke im unteren Heck-Segment des Schiffes. Sollte die Hauptbrücke beschädigt werden oder durch feindlichen Beschuss nicht mehr in der Lage sein, das Schiff zu kontrollieren, würde die Kommandogewalt dorthin übergehen.

 

Neben Jayden aktivierte Ishida ihre Sicherheitsgurte und das Prallfeld. »Dann heißt es jetzt wohl abwarten.«

Die HYPERION beschleunigte und nahm ebenfalls Kurs auf die anfliegenden Schiffe.

»Sir, ich orte eine Explosion in einer Entfernung von 400.000 Kilometern.« Lieutenant Nurakow blickte kurz von seiner Konsole auf. »Das Parlidenschiff im Orbit um Elnath IV hat sich soeben selbst zerstört.«

Eine Aktion, die nicht überraschte. Die Parliden waren dafür bekannt, ihre Technik nicht in feindliche Hände fallen zu lassen. Nachdem die anfliegenden Schiffe die Situation erkannt hatten, war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie den Kreuzer im Orbit per Fernsteuerung zündeten. Ähnliches war im Krieg oft geschehen und hatte nicht wenige Enterkommandos das Leben gekostet.

»Sir!« Die Stimme von Lieutenant Nurakow klang schrill. »Kurz vor der Explosion lösten sich zwei kinetische Geschosse aus dem Bug des Parlidenschiffes. Sie fliegen in Richtung des Planeten.« Seine Finger huschten über die Ortungskonsole. »Ihr Vektor weist direkt auf das Artefakt!«

»Was?!« Jayden sprang auf.

»Das heißt, sie wissen von dem Fraktal, andernfalls wären sie nicht so zielstrebig vorgegangen«, sagte Ishida. »Sind die wahnsinnig?«

Jayden schluckte. »Wir müssen …«

»Die Sensorplattformen melden einen Phasenabdruck«, unterbrach Nurakow. »Es ist die PROTECTOR.«

»Das ist nicht gut«, sagte Lieutenant McCall leise.

»Bandit II und III – die Leichten Kreuzer – ändern den Kurs!« Lieutenant Nurakow schlug mit der flachen Hand auf seine Ortungskonsole. »Sie gehen auf einen Abfangvektor zur PROTECTOR! Bandit I hält weiterhin auf uns zu.«

»Sir«, sagte Lukas Akoskin, »ich benötige ein neues Primärziel.«

Verzweifelt blickte Jayden auf den Holotank, dessen Anzeige sich auf drei Bereiche gesplittet hatte. Im rechten Bereich raste die völlig unterbesetzte PROTECTOR auf die zwei Leichten Kreuzer zu. In der Mitte war die Sensorauswertung von Bandit I zu erkennen, der sich der HYPERION näherte, während rechts die kinetischen Geschosse auf das Fraktal zuflogen.

»Sir?« Ishida blickte ihn fragend an.

*

Parlidenkreuzer PAL ANTAROK, Elnath-System, 24. November 2265

Tr'esh starrte auf die visualisierten Sensorergebnisse, die von der Schiffs-K.I. direkt auf seine Sehlinsen projiziert wurden.

Wie konnte das nur geschehen?

Ausgerechnet die Menschen hatten das erste Fraktal entdeckt. Eine Katastrophe.

Nervös wartete er auf die Bestätigung durch die Sensoren. Da sie keinerlei Verstärker im System positioniert hatten, musste er sich gedulden, bis die Sensorstrahlen die weite Strecke zurückgelegt hatten.

»Die PAL ANGESH wurde erfolgreich zerstört«, meldete M'jel, der das Waffen- sowie das Sensorenmodul befehligte. Seine Hände lagen auf den Interface-Pods, die seine Gedanken als Steuerbefehl an den Computerkern der PAL ANTAROK weiterleiteten. »Die Geschosse wurden abgesetzt. Eine Zerstörung des TRION-Fragments ist wahrscheinlich.«

Tr'esh wollte ihn schon aufgrund der ungenauen Meldung rügen, widerstand dem Drang jedoch. Niemand konnte wirklich sagen, wozu die Fragmente in der Lage waren. Sie wussten nur, was geschehen würde, wenn jemand alle Teile zusammensetzte. Niemals durfte es so weit kommen.

Auf seiner linken Sehlinse sah er die PAL ALOS und die PAL ZEF, die beide auf das schwächere der beiden Menschenschiffe zusteuerten. Er selbst würde mit der PAL ANTAROK dieses neuartige Schiff zerstören.

Auf dem ölig glänzenden Rücken von M'jel erschien abrupt das rot schraffierte Muster von Erschrecken. Ein Gefühl, das auf einem Kampfschiff wie der PAL ANTAROK nichts zu suchen hatte. Bevor Tr’esh etwas sagen konnte, geschah das Gleiche auch auf dem Rücken von Si'kat, dem Navigations- und Kommunikationsoffizier. Irgendetwas hatte beiden Furcht eingejagt. »Machen Sie Meldung, M'jel!«

Ein Muster der Unterwürfigkeit erschien auf dem Hinterkopf des Angesprochenen. »Erster Kommandant, die Sensoren zeigen eine Parlidensignatur an Bord des Menschenschiffes an!«

Tr'esh konnte den Schreck, der ihn bei dieser Meldung durchfuhr, gerade rechtzeitig unterdrücken. Seine Haut behielt ihre Schwärze bei.

Während des gesamten Krieges gegen die Menschen war es seinem Volk gelungen, das Shel'tok geheim zu halten. Wenn die Menschen die Wahrheit entdeckten, waren die Folgen unabsehbar.

M'jel benötigte nur Sekunden für die Antwort. »Es ist ein Niederer.«

Das machte es noch schlimmer. Sie mussten das Schiff zerstören. Was es auch kostete. Und das TRION-Fragment ebenfalls.

Tr'esh nahm sich die Zeit, sein aufgewühltes Inneres wieder unter Kontrolle zu bringen. Er beobachtete seine Untergebenen genau. M'jel, Si'kat und Ta'sol standen jeweils mit dem Rücken zu ihm. Sie bildeten die Spitzen eines Dreiecks, in dessen Mitte sich Tr'eshs Kommandomodul befand. Wie auch seine Untergebenen kommandierte Tr‘esh das Schiff über Interface-Pods, die eine direkte Kommunikation mit der K.I. ermöglichten. »Wir zerstören zuerst das Schiff der Menschen.« Er besah sich noch einmal die Grußbotschaft, die das Menschenschiff gesandt hatte. Darin wurde auch die Bezeichnung erwähnt. »Die HYPERION darf dieses System nicht verlassen. Danach wird der Planet vernichtet.«

Nur so konnten sie den momentanen Waffenstillstand mit der Menschheit weiterhin garantieren. Diese durften die Wahrheit niemals erfahren.

Unaufhaltsam näherte sich seine PAL ANTAROK dem Menschenschiff. Tr'esh sehnte den Kampf herbei. Er wollte den verdammten Fleischlingen ihre Grenzen aufzeigen.

*

IL HYPERION, Elnath-System, Auf Angriffsvektor zur PAL ANTAROK, 24. November 2265

Zielstrebig flog die HYPERION auf das Parlidenschiff zu, das laut Transpondercode den Namen PAL ANTAROK trug. Jayden beobachtete die Entfernungsangabe, die kontinuierlich herunterzählte. Sein letztes Gefecht hatte ihm einen Tapferkeitsorden und seiner Crew den Tod gebracht. War dies nun die Quittung für sein Überleben?

Lieutenant Commander Akoskin hatte die Beschleunigung und den Abbremsvorgang entsprechend angepasst, damit die HYPERION beim Gefecht ebenso wie der Parlidenraumer auf minimale Geschwindigkeit abgebremst haben würde.

»Die PROTECTOR steuert auf einen neuen Vektor. Sie versuchen, hinter dem Mond von Elnath IV zu verschwinden. Der dortige Ortungsschatten wird sie vor unseren Sensoren und denen der Parliden verbergen«, sagte Lieutenant Nurakow.

Viel Glück Miss Kensington. Jayden nickte dem Ortungsoffizier zu. Weitere Worte waren nicht notwendig.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die PROTECTOR einen solchen Kampf überlebte, war verschwindend gering. Außer ein paar Technikern und Lieutenant Kensington befand sich niemand an Bord. Zu wenig, um das Schiff in einem Kampf effektiv einsetzen zu können.

Ein Surren holte ihn in die Realität zurück. Sein Konturensessel baute ein leichtes Prallfeld um ihn herum auf, da er es selbst noch nicht aktiviert hatte, damit im Fall der Fälle kleinere Schrapnelle abgehalten wurden. Zudem fuhren Gurte aus, die seinen Körper umschlossen.

»Wir erreichen Gefechtsdistanz in zehn Sekunden«, meldete Lieutenant Commander Akoskin.

Die Anzeige auf dem Chronometer fiel auf null. Sie hatten die Gefechtsdistanz erreicht. Jayden sah es auf der Taktikanzeige, die noch immer im Holotank sichtbar war.

»Sir, die Parliden eröffnen das Feuer«, meldete Lieutenant Nurakow.

Lieutenant Commander Akoskin handelte ohne Befehl. Der erste Schuss war gefallen, nun galt es zurückzuschießen. Hunderte von Lichtern lösten sich aus dem Bug der HYPERION und rasten in Richtung der PAL ANTAROK. Die HYPERION besaß auf beiden Seiten fünf Bug- und fünf Heck-Torpedowerfer. Pro Minute konnten damit sechzig Torpedos in eine Richtung gefeuert werden. Schossen alle zehn Werfer einer Richtung parallel, waren dies 600 Torpedos pro Minute. Eine immense Feuerkraft. Doch sie hatten es auch nicht mit einem einfachen Leichten Kreuzer zu tun. Diesen hätten sie problemlos besiegt.

Um den Kampf möglichst schnell zu beenden, bestand die erste Salve aus Sprengköpfen, die Laser-, Gamma- und Röntgenstrahlung verschossen. Gleichzeitig wurden die Laser vorbereitet, die den Schutzschild des Raumers schwächen sollten.

»Die Anzahl der gegnerischen Torpedos liegt zehn Prozent über der unsrigen«, sagte Lieutenant Nurakow.

Im Holotank erreichten die Torpedos der HYPERION das Parlidenschiff. Ihre Geschwindigkeit lag also marginal über jenen der feindlichen Torpedos. Ein Teil von ihnen wurde von der Nahbereichsabwehr erfasst, raste gegen Täuschkörper oder Signatur-Projektionen. Ein weiterer Teil fiel EMP-Wellen zum Opfer, gerichtete Mikrowellenstrahlung, die jede Funktion der Torpedos deaktivierte.

Etwa siebenundfünfzig überwanden jedes Hindernis und schlugen in die Hüllenpanzerung der PAL ANTAROK ein. Wie ein waidwundes Tier schüttelte sich das Schiff und spie Fontänen aus Atmosphäre, metallischen Partikeln und Parliden aus.

»Sie haben die erste Welle überstanden.« Die Stimme von Nurakow klang enttäuscht. »Und sie aktivieren ihre Laser. Wir erhalten multiple Treffer.«

Dann sind jetzt also wir dran. Jayden spannte unweigerlich seine Muskeln an.

Dann kam der Einschlag.

*

Die neuartige Nahbereichsabwehr gab ihr Bestes. Die Defensiv-Technologie aus gerichteter Mikrowellenstrahlung und Flechete-Partikeln breitete sich aus und brachte feindliche Geschosse zum Explodieren, bevor sie der Hülle zu nahe kamen. Röntgen-, Gamma und Lasercluster zerfetzten die anfliegenden Sprengköpfe.

Doch selbst die beste Abwehr hatte ihre Schwächen. So war es dem Computer manchmal unmöglich, echte Torpedos und Täuschkörper voneinander zu unterscheiden. Die Abweichungen in der Energiesignatur oder im Wärmebild des Antriebs waren oft nur marginal. Daher war es an Lieutenant Commander Akoskin und seinem Stellvertreter – Lieutenant Walker –, manuelle Korrekturen vorzunehmen. Rasend schnell flogen deren Finger über ihre Konsolen und Jayden bewunderte sie für ihre Reflexe. Innerhalb von Sekunden trafen sie Entscheidungen. Doch auch sie konnten nicht alle feindlichen Torpedos stoppen.

Von jenen, die die HYPERION erreichten, wurde noch einmal die Hälfte von der mehrschichtigen Hüllenpanzerung abgehalten.

Fünf Torpedos durchdrangen diese letzte Barriere und zerfetzten Schotts und Wände. Ein Lagerraum und zwei Shuttlehangars wurden vernichtet.

Zwei Crewmen, ein Sicherheitsoffizier und ein Versorgungsoffizier verloren ihr Leben, wie Jayden kurz darauf erfuhr. Vier weitere Menschen, die unter seinem Kommando sinnlos ausgelöscht wurden.

Die Reichweite der feindlichen Laser lag über denen der HYPERION, daher schlugen bereits Salven in den Schutzschirm ein, während sie selbst die Feinde noch nicht beschießen konnten. An mehreren Stellen der im Holotank schematisch dargestellten Schutzschildblase blinkte es rot auf.

Jayden fletschte wütend die Zähne. Er würde es ihnen zeigen, den verdammten Sternköpfen. Soeben unterschritt die HYPERION die maximale Gefechtsdistanz für die Laser.

Lieutenant Commander Akoskin schickte die nächste Salve Torpedos ab und stellte die Laser gleichzeitig auf Dauerfeuer. Die energetischen Lanzen sollten den Schutzschild des Feindes zerstören, um dann in dessen Hülle einzuschlagen.

Im Holotank flog eine Welle aus blauen Punkten auf ihre roten Pendants des Parlidenschiffes zu.

»Die Parliden haben ihren Laserbeschuss einstweilen beendet«, meldete Akoskin. »Vermutlich haben sie mit Überhitzung zu kämpfen.«

Ein Problem, das beim Einsatz von Lasern immer auftrat. Das Kühlsystem kam ab einer gewissen Einsatzdauer nicht mehr mit der Hitze zurecht. Daher musste der Beschuss immer wieder unterbrochen werden.

»Wie ist der Status der Schilde?«, wollte Jayden wissen. Die schematische Anzeige war noch nicht aktualisiert worden.

»Die Schildstärke der Bugsektion liegt noch bei 45 Prozent«, meldete Lieutenant Nurakow. »Bei einem weiteren Dauerbeschuss wird es eng.«

 

»Lieutenant Task, bereiten Sie sich darauf vor, das Schiff zu wenden, sobald die Stärke des Schildes unter fünf Prozent fällt.«

Ein Blick auf die Sensoren zeigte ihm, dass die PROTECTOR mittlerweile hinter dem Mond in Deckung gegangen war. Die beiden Parlidenkreuzer befanden sich noch auf ihrem Weg.

»Die Parliden starten die zweite Welle«, meldete Lieutenant Nurakow. »Der Laserbeschuss setzt wieder ein.«

Jayden biss die Zähne zusammen. Während auf der Anzeige des Holotanks ein Strom aus blauen Lichtern erlosch – und die PAL ANTAROK noch immer existierte -, flogen erneut rote Punkte heran.

»Schilde sind auf vier Prozent, ich rotiere das Schiff«, meldete Lieutenant Task.

Die HYPERION schwenkte herum. Gleichzeitig aktivierte Akoskin die Hecktorpedowerfer. Da die Abschussrohre nur einen Winkel von 90 Grad abdeckten, konnten beim angelegten Vektor jeweils nur entweder Bug oder Heck feuern.

Die nächste Welle der feindlichen Sprengköpfe traf ein. Erneut leisteten Akoskin und Walker ausgezeichnete Arbeit. Fast der ganze Strom wurde abgefangen – immerhin 660 Torpedos. Doch dreißig davon kamen durch. Das Schiff erzitterte.

Auf Jaydens Konsole flammten die neuen Meldungen der Schadenskontrolle auf. Mehrere Hüllenbrüche und ein zerstörter Torpedowerfer. Die Verlustmeldungen würden erst nach und nach aktualisiert werden.

»Wir passieren die PAL ANTAROK«, meldete Lieutenant Task.

Im Vorbeiflug gab es ein kurzes Zeitfenster, in dem sich Bug- wie Hecktorpedos auf den Feind ausrichten ließen. Auf der Taktikanzeige löste sich die doppelte Anzahl an Punkten von der HYPERION. Der feindliche Beschuss nahm merklich ab, endete jedoch noch immer nicht.

»Das Schutzschild ist am Bug zusammengebrochen«, sagte Nurakow.

»Wir haben die PAL ANTAROK passiert. Ich rotiere das Schiff erneut.«

Das Schiff drehte und flog weiter auf seiner elliptischen Bahn. Der Ansturm aus Lasern und Torpedos hatte die Seitenschilde geschwächt und vier Heck-Torpedowerfer zerstört. Während die Torpedos und die Nahbereichsabwehr der HYPERION jenen ihrer Feinde eindeutig überlegen waren, besaßen die Parliden die besseren Laser. Sobald die Schilde zusammenbrachen, würden die Sternenköpfe sie mit wenigen Schüssen zerstören.

*