Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

3. Hochschulübergreifende Kooperationen, rechtsfähige Hochschulverbände

240

Die Hochschulen sind zur Kooperation nicht nur untereinander, sondern auch mit anderen staatlichen oder staatlich geförderten Einrichtungen des Bildungs- und Forschungsbereichs verpflichtet und regeln die Details in Kooperationsvereinbarungen (§ 6 I LHG). Dabei kann eine Hochschule Aufgaben für alle anderen beteiligten Hochschulen übernehmen und diesen Mitnutzungsrechte bei sich einräumen. Im Falle gemeinsamer Studiengänge kann die federführende Hochschule auch die erforderlichen Satzungen mit Wirkung für die anderen erlassen (§ 6 III LHG). Möglich ist auch die Errichtung gemeinsamer Fakultäten oder Sektionen sowie gemeinsamer wissenschaftlicher oder künstlerischer Einrichtungen und Betriebseinheiten (§ 6 IV LHG). Zuständig für den Abschluss entsprechender Vereinbarungen sind die Rektorate bzw. die Rektoren als Vertretungsberechtigte, nicht ausreichend ist die in § 6 IV 1 LHG vorgesehene bloße Anhörung der Senate. Beim Hochschulrat reicht die Anhörung aus, weil er im Bereich der internen Organisation der Hochschule keine Entscheidungskompetenz hat. Beim Senat ist das aber anders, weil dieser gerade dafür nach § 19 I 2 Nr. 7 LHG eine generelle Entscheidungskompetenz hat, die solche gemeinsamen Einrichtungen mit umfasst. Intern müssen die Rektorate also Senatsbeschlüsse veranlassen. In Abhängigkeit von der vorgesehenen Zuordnung und den inhaltlichen Auswirkungen kann das bei gemeinsamen wissenschaftlichen oder künstlerischen Einrichtungen oder Betriebseinheiten auch eine Zustimmung der betroffenen Fakultätsräte notwendig machen.

241

Mit dem 3. HRÄG 2014 neu in das LHG aufgenommen wurde § 6 V LHG, der zur gemeinsamen Erfüllung von im LHG vorgesehenen Aufgaben der Hochschulen die Errichtung rechtsfähiger Verbände nach dem Muster von kommunalen Zweckverbänden vorsieht. Nach der gesetzlichen Regelung soll der Verband sogar Aufgaben in Forschung und Lehre übernehmen können (§ 6 V 6 LHG), hat dabei aber die Vorgaben zur Wissenschaftsfreiheit nach § 3 LHG und die Regelungen zur Stimmverteilung nach Gruppen in § 10 I 2 und III LHG zu beachten. Die staatlichen Mitwirkungsrechte und die staatliche Aufsicht nach den §§ 66–68 LHG bleiben unberührt (§ 6 V 12 LHG). Rechtlich wirft das eine Reihe von Fragen auf, die durch die gesetzliche Regelung nicht hinreichend beantwortet werden. Dass der Bund oder die Länder als Gebietskörperschaften durch Gesetz Einrichtungen der funktionalen Selbstverwaltung errichten und ihnen staatliche Aufgaben übertragen können, lässt sich aus dem GG ableiten und rechtfertigen (vgl. Rn. 188 ff.). Eine Rechtfertigung dafür, dass solche vom Staat errichteten Einrichtungen der funktionalen Selbstverwaltung dann ihrerseits andere rechtsfähige Einrichtungen errichten und auf diese einen Teil der ihnen vom Staat übertragenen Aufgaben weiterübertragen, ist nicht erkennbar – weder im GG noch in der LV. Auf das Muster des kommunalen Zweckverbandes kann nicht zurückgegriffen werden. Zum einen unterscheidet sich die verfassungsrechtliche Legitimation einer Gebietskörperschaft wie einer Gemeinde signifikant von der einer Einrichtung der funktionalen Selbstverwaltung, zum anderen stützen sich kommunale Zweckverbände in Baden-Württemberg auf eine detaillierte gesetzliche Regelung, das Gesetz über kommunale Zusammenarbeit (GKZ) – mit 34 Paragraphen (!!). Die rudimentären Regelungen in § 6 V LHG bilden keine ausreichende gesetzliche Grundlage, um eine sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation für eine solche neue rechtsfähige Einrichtung zu begründen, deren organisatorische Struktur überhaupt nicht erkennbar ist. Vor allem aber ist vollkommen offen, auf welcher rechtlichen Grundlage Hochschulen als Einrichtungen der funktionalen Selbstverwaltung ermächtigt sind, die auf sie durch Gesetz übertragenen Aufgaben allein mit Zustimmung des Wissenschaftsministeriums auf eine andere, von ihnen neu geschaffene Einrichtung zu übertragen. Soweit es um die Übertragung von Aufgaben in Forschung und Lehre geht, sind mehrere Grundrechte betroffen. Unter dem Aspekt der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG würde ein solches Modell eine differenzierte gesetzliche Regelung erfordern, in der die wahrzunehmenden Aufgaben, die Organisation und die Verteilung der Zuständigkeit auf die Organe transparent geregelt sind. Die in § 6 V LHG enthaltenen allgemeinen Verweisungen auf einzelne Bestimmungen des LHG zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit oder zur Stimmrechtsverteilung reichen dafür nicht aus. Die Regelung in § 6 V LHG erscheint daher verfassungsrechtlich nicht hinreichend tragfähig für die Errichtung eines rechtsfähigen Verbandes der Hochschulen mit den vorgesehenen Aufgaben; die vorgesehene Zustimmung des Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst kann keine ausreichende demokratische Legitimation nach Art. 20 II GG vermitteln.

2. Kapitel Rechtsstellung und Organisation der Hochschulen › B. Hochschulorganisation › IV. Rechtliche Vorgaben zur Besetzung und Zusammensetzung der Hochschulorgane

IV. Rechtliche Vorgaben zur Besetzung und Zusammensetzung der Hochschulorgane

1. Aufgabenspezifische Unterschiede zwischen den Organen

242

Je komplexer die Aufgabenstellung einer Organisation ist, desto größere Sorgfalt ist notwendig, die Organstruktur so anzulegen, dass alle Aufgaben der Einrichtung bestmöglich erfüllt werden. Nicht jedes Organ ist für jede Aufgabe gleich gut geeignet. Bei der gesetzlichen Regelung der Organstruktur der Hochschulen kommt hinzu, dass der besondere Charakter der Hochschule als wissenschaftliche Einrichtung berücksichtigt werden muss. Die Körperschaft ist das Modell, das der besonderen Struktur einer Hochschule am besten gerecht wird.[318]

243

Größe und Zusammensetzung eines Organs müssen sich in erster Linie an den Aufgaben orientieren, die von dem Organ wahrzunehmen sind. Von den Aufgaben des Organs hängt es ab, welche Qualifikationen von den jeweiligen Mitgliedern des Organs zu verlangen sind. Neben den gruppenparitätisch besetzten Selbstverwaltungsgremien muss es kleine handlungs- und entscheidungsfähige Leitungsorgane geben; diese Leitungsorgane erfordern erfahrene durchsetzungsfähige Persönlichkeiten, die mit dem Wissenschaftssystem national und international sehr gut vertraut und entsprechend vernetzt sind. Das Leitungsorgan ist dabei immer auf die Zusammenarbeit mit dem zuständigen Selbstverwaltungsorgan angewiesen und braucht dessen Mitwirkung, weil die Umsetzung aller Ziele im Bereich der Wissenschaft nur erreicht werden kann, wenn die für Forschung und Lehre verantwortlichen Hochschullehrer sich auch selbst zur Erreichung des Zieles einbringen. Ziele im Bereich der Wissenschaft können nicht verordnet werden, sie müssen von den Beteiligten gewollt und gemeinsam verfolgt werden.

244

Das Modell der Gruppenhochschule verlangt nicht, dass alle wichtigen Entscheidungen von Gremien getroffen werden, die mit Repräsentanten der Mitglieder besetzt sind. Auch in der Hochschule macht Gewaltenteilung Sinn. Wo Menschen in Gruppen verbunden sind, kommen menschliche Verhaltensweisen zur Wirkung und erfordern eine Struktur für das Zusammenleben und –arbeiten. Das Prinzip der Gewaltenteilung bietet eine solche Struktur, die sich seit langer Zeit bewährt hat und auch Grundlage der staatlichen Ordnung ist, wie sie das GG in Art. 20 II 2 und Art. 1 III vorgibt. Nach dem GG werden wichtige exekutive Entscheidungen nicht von der gewählten Volksvertretung getroffen, sondern von der Regierung. Eine entsprechende Aufgabenverteilung bietet sich auch für Körperschaften als Einrichtungen der funktionalen Selbstverwaltung an – bei Hochschulen kommt nur die Besonderheit hinzu, dass der Schutz der Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre vom Gesetzgeber bei der Regelung der Hochschulorganisation berücksichtigt werden muss.

245

Es gibt kein sich aus einer Bestimmung des GG oder der LV ergebendes Verbot, das Externe bei der Bildung von Organen in Körperschaften ausschließt. Die immer wieder in der hochschulrechtlichen Literatur vertretene These, nur Mitglieder der Hochschule könnten Organmitglieder sein, ist also nicht nachvollziehbar. Aus der körperschaftlichen Struktur jedenfalls folgt das nicht zwangsläufig. Der Gesetzgeber kann im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung – unterstellt, er handelt nicht willkürlich, sondern hat dafür Gründe – bestimmen, dass Externe bei der Besetzung von Organen zu berücksichtigen sind oder berücksichtigt werden können.[319]

Die Aufwertung der Exekutive im Hochschulsystem hat zur Konsequenz, dass die Tätigkeit in den Exekutivorganen der Hochschule nicht mehr nur im Nebenamt erfolgt. Insgesamt verfolgt der Gesetzgeber mit der gesetzlichen Regelung im LHG das Ziel, den Hochschulen einen möglichst großen Handlungs- und Gestaltungsspielraum einzuräumen, verbindet das aber mit einer Organisationsstruktur, von der er sich eine entsprechend erfolgreiche Umsetzung und Verwirklichung der Aufgaben der Hochschule verspricht. Dazu gehören auch die Öffnung der Hochschule zu Wirtschaft und Gesellschaft und der Einbezug von Vertretern aus diesem Bereich in das Kontrollorgan, den Hochschulrat. Dass gerade Externe in einem solchen Kontrollorgan besonders wichtig sind, liegt auf der Hand; die langjährige Diskussion über die Legitimation dieses Organs ist daher nur schwer nachvollziehbar.

 

246

Dem Grundprinzip der Gewaltenteilung folgend sieht das LHG drei Arten von Organen vor:


die Leitungsorgane Rektorat und Dekanat als Exekutivorgane,
die Selbstverwaltungsorgane Senat und Fakultätsrat als Norm setzende Organe, die insbesondere auch über alle Forschung und Lehre unmittelbar berührenden Angelegenheiten entscheiden,
den Hochschulrat als hochschulinternes Kontrollorgan.

Die Selbstverwaltungsorgane bilden die repräsentative Vertretung der Mitglieder der Hochschule, allerdings nicht nach dem demokratischen Prinzip mit Mitgliedern, die alle gleiche Rechte haben, sondern nach Maßgabe der „Qualifikation, Funktion, Verantwortung und Betroffenheit“ (so § 10 I 1 LHG), wie das bei Einrichtungen der funktionalen Selbstverwaltung nicht untypisch ist. Das Modell der Gruppenhochschule nimmt insoweit eine Gewichtung zwischen den verschiedenen Mitgliedergruppen vor und bildet diese in der Zusammensetzung der Selbstverwaltungsorgane ab, deren Mitglieder von den verschiedenen Gruppen gewählt werden. Maßgeblich sind die für gruppenparitätisch besetzte Gremien geltenden Regelungen des § 10 I bis III LHG. Nicht gruppenparitätisch besetzt sind die Exekutivorgane Rektorat und Dekanat. Bei deren Besetzung geht es nicht um eine Repräsentanz der verschiedenen Gruppen, sondern um die Wahl der für die Aufgabe am besten geeigneten Persönlichkeiten. Das können deshalb auch Externe sein, soweit das Gesetz das vorsieht. Entsprechendes gilt auch für den Hochschulrat als Kontrollorgan; er kann sich schon von seiner Aufgabenstellung her nicht aus Repräsentanten einzelner Hochschulgruppen zusammensetzen. Die Kontrollfunktion legt eine Besetzung mit Externen nahe, schließt aber die Berücksichtigung von Mitgliedern nicht aus, deren Auswahl dann aber nicht nach Gruppenzugehörigkeit, sondern nach individueller Qualifikation zu erfolgen hat. Für die „Duale Hochschule“, die aus der Zusammenführung der Berufsakademien entstanden ist, sieht das Gesetz eine besondere Organstruktur vor, die sinnvollerweise nur separat dargestellt[320] werden kann und deshalb von den nachfolgenden Ausführungen nicht erfasst wird.

2. Mitwirkung der Mitglieder in Gremien und Verfahrensgrundsätze dort

247

Mitglieder der Hochschule sind nicht nur die an der Hochschule hauptberuflich Tätigen und die eingeschriebenen Studierenden, sondern auch die entpflichteten und im Ruhestand befindlichen Professoren, die nach § 22 IV 2 LHG kooptierten Hochschullehrer, die Honorarprofessoren, die Gastprofessoren, die Privatdozenten, die außerplanmäßigen Professoren sowie die Ehrenbürger und Ehrensenatoren (§ 9 I 2 LHG). Nicht Mitglied ist, wer eine Tätigkeit an der Hochschule wahrnimmt, die nach der Arbeitszeit oder dem Umfang der Dienstaufgaben weniger als die Hälfte ausmacht, was das entsprechende vollbeschäftigte Personal zu erbringen hat, also nicht hauptberuflich tätig ist (§ 9 I 3 LHG); gleiches gilt, wer zwar hauptberuflich, aber weniger als sechs Monate innerhalb eines Jahres, also nur vorübergehend an der Hochschule tätig ist (§ 9 I 4 LHG). Diesen Personenkreis bezeichnet das LHG als die Angehörigen der Hochschule, der durch die Grundordnung noch erweitert werden kann und deren Rechte und Pflichten dort zu regeln sind (§ 9 IV 1 bis 3 LHG). Unabhängig von der Zeitdauer der Tätigkeit sind Hochschullehrer, die auf Grund einer gemeinsamen Berufung mit einer Einrichtung der außeruniversitären Forschung oder einer Kooperationsvereinbarung an der Hochschule dienstliche Aufgaben wahrnehmen, stets Mitglieder (§ 9 I 5 LHG).

248

Die nach dem LHG vorgesehene Mitwirkung der verschiedenen Mitgliedergruppen an Entscheidungsprozessen innerhalb der Hochschule, insbesondere die Zusammensetzung der Selbstverwaltungsorgane orientiert sich an der fachlichen Gliederung der Hochschule, den Aufgaben der Gremien und der Qualifikation, Funktion, Verantwortung und Betroffenheit der Mitglieder der Hochschule (§ 10 I 1 LHG). Während aber früher das HRG und auf dieser Grundlage die Hochschulgesetze auch die konkrete Zusammensetzung der Gremien und die Verteilung der Sitze auf die verschiedenen Mitgliedergruppen regelten, beschränkt sich das LHG heute auf wenige Vorgaben. Eine entscheidende, den Charakter der Hochschule prägende Vorgabe ist die im Jahr 2018 mit dem HRWeitEG in das LHG eingefügte Regelung, dass in den Selbstverwaltungsorganen Senat und Fakultätsrat (bzw. Sektionsrat; bei der DHBW dem Örtlichen Senat) die gewählten Mitglieder der Gruppe der Hochschullehrer im Sinne von § 10 I 2 Nr. 1 LHG über eine Stimme mehr verfügen müssen als alle anderen stimmberechtigten Mitglieder (§ 10 III LHG). Damit trägt der Gesetzgeber der Entscheidung des VerfGH BW Rechnung[321] (ausf. o., Rn. 143 ff.). Die Regelung geht über die vom BVerfG in seinem Hochschulurteil[322] gestellten Anforderungen deutlich hinaus. Es kommt nicht mehr wie früher darauf an, ob die zu treffende Entscheidung die Lehre, die Forschung oder eine allgemeine administrative Frage betrifft. Damit hat sich das Problem, in Abhängigkeit vom jeweiligen Entscheidungsgegenstand auf unterschiedliche Mehrheiten achten zu müssen,[323] erledigt. Entsprechend den Vorgaben des VerfGH BW wurde auch die Zahl der Amtsmitglieder in den Gremien drastisch reduziert. Dass der Gesetzgeber eine solche Regelung treffen kann, steht außer Frage, dennoch verbleibt eine gewisse Widersprüchlichkeit zu früheren im Gesetz noch erhalten gebliebenen Vorgaben, die darin besteht, dass in § 10 I 1 LHG eine Reihe von Kriterien benannt werden, an denen sich die Mitwirkung der verschiedenen Gruppen orientieren soll, auf der anderen Seite wird ganz pauschal und unabhängig vom Gegenstand der Entscheidung und damit der Betroffenheit der anderen Gruppen eine Mehrheit der Hochschullehrer festgelegt, was die Mitglieder der anderen Gruppen weitgehend zu Statisten macht; darüber hinaus aber wird auch noch die Zusammensetzung der anderen Gruppen ins Belieben der einzelnen Hochschule gestellt. Eine hochschulpolitische Leitidee für die Gruppenhochschule ist hier nicht mehr erkennbar.

249

Das LHG sieht eine Vertretung der Mitglieder in den Gremien durch fünf Mitgliedergruppen vor:


1. die Hochschullehrer und die außerplanmäßigen Professoren, soweit sie hauptberuflich tätig sind und überwiegend Professorenaufgaben wahrnehmen,
2. die Akademischen Mitarbeiter, mit Ausnahme der Lehrkräfte nach § 52 VI LHG,
3. die eingeschriebenen Studierenden nach § 60 I 1 a LHG,
4. die als Studierende eingeschriebenen Doktoranden nach § 60 I 1 b LHG,
5. die sonstigen Mitarbeiter.

Vergleicht man die verschiedenen Gruppen von Mitgliedern, die es nach § 9 I LHG gibt, mit der Gruppeneinteilung in § 10 I 2 LHG, dann zeigt sich eine Unstimmigkeit bei der Gruppe der Hochschullehrer, weil § 10 I 2 LHG diese Gruppe auf die hauptberuflich Tätigen, soweit sie überwiegend Aufgaben einer Professur wahrnehmen, begrenzt, während § 9 I 2 LHG für die dort genannten Personengruppen, die alle nicht das erforderliche Merkmal einer hauptberuflichen professoralen Tätigkeit an der Hochschule erfüllen, die Möglichkeit vorsieht, dass die Grundordnung ihnen ein aktives oder passives Wahlrecht einräumen kann. Man fragt sich, zu welcher Gruppe diese Mitglieder eigentlich gehören, falls die Grundordnung eine entsprechende Regelung zum Wahlrecht trifft. Eine andere Art von Unstimmigkeit ergibt sich aus der mit dem 3. HRÄG eingefügten Regelung, dass Personen, die nicht nur vorübergehend – also mehr als sechs Monate – beschäftigt sind und mindestens zu einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit oder dem durchschnittlichen Umfang der Dienstaufgaben, die auf das entsprechende hauptamtliche Personal entfallen, an der Hochschule tätig sind, das aktive Wahlrecht haben (§ 9 IV 4 LHG); in einer Körperschaft haben nur Mitglieder ein Wahlrecht, diese Personen aber sind nach der gesetzlichen Regelung gerade nicht Mitglieder. Entsprechendes gilt für die ebenfalls im LHG aufgeführten Lehrbeauftragten an den Musikhochschulen. Schlüssiger wäre es gewesen, dieser Personengruppe einen Mitgliedsstatus zu geben, aber das passive Wahlrecht auszuschließen.

Als neue Gruppe hinzugekommen sind die Doktoranden, die nach der vom LHG vorgeschriebenen förmlichen Annahme als Doktorand durch den Promotionsausschuss der zuständigen Fakultät von der Universitätsverwaltung als Studierende immatrikuliert werden. Das gilt nicht für die Doktoranden, die in einem Beschäftigungsverhältnis hauptberuflich an der Hochschule tätig sind und vorher schriftlich gegenüber dem Rektorat erklärt haben, dass sie nicht immatrikuliert werden wollen (§ 38 V 1 und 2 LHG); sie gehören dann zur Gruppe der Akademischen Mitarbeiter. Immatrikulierte Doktoranden, die hauptberuflich an der Hochschule tätig sind, müssen sich entscheiden, ob sie ihre Mitwirkungsrechte in der Gruppe der eingeschriebenen Doktoranden nach § 60 I 1 b LHG oder in der Gruppe der Akademischen Mitarbeiter wahrnehmen wollen (§ 10 I 4 LHG).

Für andere Fälle einer Zugehörigkeit zu mehreren Gruppen kann die Grundordnung oder die Wahlordnung selbst eine Regelung treffen (§ 10 I 5 LHG). Bei nur geringer Mitgliederzahl kann die Grundordnung für bestimmte Gruppen auch eine Zusammenlegung und Bildung einer gemeinsamen Gruppe vorsehen: Das gilt für die Gruppen der Akademischen und der sonstigen Mitarbeiter sowie für die Gruppen der eingeschriebenen Studierenden und der eingeschriebenen Doktoranden (§ 10 I 6 LHG). Dekane sind in aller Regel Professoren und gehören damit zur Gruppe der Hochschullehrer; das gilt aber nicht, wenn ausnahmsweise nach § 24 III LHG ein Externer bestellt wurde, der die Hochschullehrer-Qualifikation nicht hat. In diesem Fall gibt § 10 I 3 LHG die Möglichkeit, dass die Hochschullehrer im Fakultätsrat beschließen, dass der Dekan in der Gruppe der Hochschullehrer wahlberechtigt und wählbar ist.

250

Die Festlegung von Größe, Zusammensetzung und internem Verfahren der Gremien sowie die Bestimmungen zur Durchführung des Wahlverfahrens überlässt das geltende LHG weitgehend den Regelung der Grundordnung, der Wahlordnung oder sonstiger Satzungen (§§ 10 I, VIII LHG, 9 VIII 5, 6 LHG). Dabei sind jedoch verschiedene in § 9 VIII LHG zu den Wahlen festgelegte Vorgaben zu beachten, vor allem der Grundsatz, dass die Wahlmitglieder eines Gremiums, die einer bestimmten Gruppe zugeordnet sind, von den Mitgliedern dieser Gruppe zu wählen sind. Bei der Besetzung der Gremien sollen Männer und Frauen gleichberechtigt berücksichtigt werden (§ 10 II 2 LHG). Die Mitwirkung an der Selbstverwaltung der Hochschule ist nicht nur ein Recht, sondern nach § 9 II 1 LHG auch eine Pflicht. Grundsätzlich müssen alle fünf Mitgliedergruppen in den nach Mitgliedergruppen zusammengesetzten Gremien vertreten sein und „wirken nach Maßgabe von Satz 1 grundsätzlich stimmberechtigt an Entscheidungen mit“ (§ 10 I 2, 2. HS LHG). Mit der Bezugnahme auf Satz 1, der gerade eine Differenzierung der Mitwirkungsrechte in Abhängigkeit von der Zugehörigkeit zu einzelnen Gruppen zulässt, kommt aber zum Ausdruck, dass die Formulierung „grundsätzlich“ nicht „immer“ bedeutet, sondern nur „nach Maßgabe der weiteren Kriterien“, die sich aus Satz 1 ergeben. Einschränkungen der Stimmberechtigung für einzelne Gruppen sind also in Abhängigkeit vom Entscheidungsgegenstand zulässig. Das betrifft vor allem die Gruppe der sonstigen Mitarbeiter, wenn es um Entscheidungen zu Fragen von Forschung und Lehre geht.

 

251

Die gewählten Mitglieder sind an keinerlei Weisungen oder Aufträge ihrer Gruppe, von der sie gewählt worden sind, gebunden (§ 10 II 1, 2. HS LHG). Für alle Mitglieder muss eine Regelung zur Stellvertretung bestehen. Bei Amtsmitgliedern ergibt sich die Stellvertretung aus den normativen Regelungen des LHG oder der Grundordnung, bei Wahlmitgliedern hat die Wahlordnung zu regeln, wie die Stellvertretung erfolgt; es kann auch eine schriftliche Übertragung des Stimmrechts innerhalb der jeweiligen Gruppe (§ 10 VI 1 und 2 LHG) vorgesehen werden. Wahlmitglieder haben im Unterschied zu den Amtsmitgliedern, bei denen sich die Mitgliedschaft und deren Dauer aus der jeweiligen Amtsstellung ergeben, eine befristete Amtszeit, deren Dauer vom LHG, der Grundordnung oder einer anderen Hochschulsatzung festgelegt wird (§ 10 II 1 LHG). Die Amtszeit beginnt in der Regel am 1. Oktober (§ 10 VII LHG). Damit nach Ablauf der Amtszeit eines Mitglieds ein Organ auch dann handlungsfähig bleibt, wenn über die Nachfolge noch nicht endgültig entschieden ist, sieht § 9 II 2 bis 4 LHG vor, dass bis zum Amtsantritt eines Nachfolgers das Amt weiter wahrzunehmen ist; das Gesetz sieht aber einige Ausnahmen vor. Die Pflicht zur Fortführung des Amtes gilt nicht für die externen Mitgliedern des Hochschulrats (§ 9 II 4 LHG).

252

Die Gremien der Hochschule tagen in nichtöffentlicher Sitzung; für bestimmte Beratungsgegenstände sieht das LHG jedoch Ausnahmen vor. So tagt der Senat öffentlich, wenn es um die Wahl der hauptamtlichen oder nebenamtlichen Rektoratsmitglieder, die Beschlussfassung über die Grundordnung oder deren Änderung, die Erörterung des Jahresberichts des Rektors oder des Jahresberichts der Gleichstellungsbeauftragten geht; entsprechendes gilt für die in den Verfahren zur Abwahl eines Rektoratsmitglieds oder des Dekans vorgesehenen Aussprachen im Senat bzw. Fakultätsrat (§ 10 IV 1 LHG). Darüber hinaus kann der Senat auch in anderen Angelegenheiten die Hochschulöffentlichkeit zulassen. Kommt es zu Störungen, kann der Senat den Ausschluss der Öffentlichkeit beschließen (§ 10 IV 2 LHG). Personalangelegenheiten müssen in geheimer Abstimmung entschieden werden (§ 10 IV 3 LHG), für bestimmte Fallgruppen kann die Grundordnung Ausnahmen zulassen; im Einzelfall setzt das aber voraus, dass das Gremium einstimmig die offene Abstimmung beschließt (§ 10 IV 3 LHG). Ganz generell gilt für den Inhalt der Beratungen in einer nichtöffentlichen Sitzung Verschwiegenheitspflicht (§ 9 V LHG). Verstoßen Mitglieder eines Gremiums erheblich oder mehrfach gegen die zur Durchführung eines geordneten Verfahrens geltenden Regelungen oder Verhaltensnormen, können sie nach § 9 VI LHG von der jeweiligen Sitzung, bei wiederholten Ordnungsverstößen auch für mehrere Sitzungen ausgeschlossen werden. Darüber hinaus sieht das Gesetz eine an der Regelung des § 48 BeamtStG orientierte Haftung aller Mitglieder und Angehörigen der Hochschule für Schäden vor, die durch schuldhafte Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten entstehen, sich so zu verhalten, dass die Hochschule und ihre Organe ihre Aufgaben erfüllen können, die Ordnung der Hochschule gewahrt und niemand gehindert wird, seine Rechte, Aufgaben und Pflichten an der Hochschule wahrzunehmen (§ 9 VI 2 LHG). Von der inhaltlichen Bedeutung her gehört diese allgemeine Definition der Pflichten aller an der Hochschule Tätigen eigentlich in einen sehr viel allgemeineren Kontext und sollte nicht nur Tatbestandsmerkmal einer Haftungsregelung sein.

253

Eine fehlerhafte Zusammensetzung eines Gremiums lässt die Rechtswirksamkeit der von dem Gremium getroffenen Entscheidungen unberührt (§ 10 V LHG). Das Gesetz macht dabei keinen Unterschied, ob die Fehlerhaftigkeit – bei Wahlmitgliedern – darauf zurückzuführen ist, dass die Wahl rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist, oder ob sie darauf beruht, dass – bei Amtsmitgliedern – die Bestellung und damit die Amtsmitgliedschaft unwirksam war. Vorrang hat für das Gesetz die Rechtssicherheit. Insbesondere wird damit vermieden, dass eine fehlerhafte Besetzung eines Gremiums Auswirkungen auf unbeteiligte Dritte hat. Nach § 10 V 1 LHG führt das fehlerhaft besetzte Gremium in der bisherigen Zusammensetzung die Geschäfte bis zum Zusammentreten des aufgrund einer Wiederholungs- oder Neuwahl gebildeten Gremiums oder dem Nachrücken des richtigen Amtsmitglieds weiter. Das gilt auch für Gremien, die nicht gruppenparitätisch zusammengesetzt sind, etwa den Hochschulrat.[324]

2. Kapitel Rechtsstellung und Organisation der Hochschulen › B. Hochschulorganisation › V. Die zentralen Organe der Hochschulen (ohne Duale Hochschule)