Internationale Beziehungen

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Die Welt zwischen 1919 und 1945

Der kriegsentscheidende Eintritt der USA in den Ersten WeltkriegErster Weltkrieg bedeutete deren weltpolitischen Aufstieg und läutete nach dem Ende des Ersten WeltkriegErster Weltkriegs für die internationalen Beziehungen eine entscheidende Gewichtsverlagerung ein. Bis zum Ersten WeltkriegErster Weltkrieg lag dieser Schwerpunkt in Europa, jetzt verlagerte er sich hin zur überseeischen Welt. Allerdings nahm Großbritannien nach dem Ersten WeltkriegErster Weltkrieg zunächst weiterhin eine Führungsrolle ein. Dies war dadurch möglich, dass die USA nach dem Ersten WeltkriegErster Weltkrieg zu der Rolle zurückkehrten, die sie bis dahin auch eingenommen hatten: Der Regionalmacht auf dem amerikanischen Kontinent, die lediglich durch die pazifischen Territorien (Hawaii, Philippinen) auch in Asien präsent war.

Eine institutionelle Form erhielt die britisch-amerikanische Vorherrschaft durch den Völkerbund und den Briand-Kellogg-Pakt (1928). Es bildete sich ein teils englisch, teils amerikanisch bestimmtes System der Sicherung des Friedens und der Aufrechterhaltung des Status quo heraus. Damit verbanden sich einerseits die Pariser Vorortverträge, die die territoriale Neuordnung Europas und des Nahen Ostens festlegten und den Wiederaufstieg Deutschlands verhindern sollten, und andererseits die Washingtoner Abrüstungskonferenzen ab 1921, die ein System der effektiven Kriegsverhütung durch Abrüstung etablieren sollten. Die britische Dominanz des Völkerbundsystems war mit US-Interessen durchaus vereinbar. Die USA hatten ein nach Kontinenten und Hemisphären gegliedertes Weltsystem im Sinn, in dem sie lediglich die Vorherrschaft in Lateinamerika und in der Karibik haben sollten. Sie verstanden sich unmittelbar nach dem Ersten WeltkriegErster Weltkrieg als amerikanische, nicht als europäische Macht.

Das 14-Punkte Programm Woodrow Wilsons14-Punkte Programm Woodrow Wilsons

Präsident Woodrow Wilson war mit seinem Versuch einer Neuordnung des internationalen Systems nach dem Ersten WeltkriegErster Weltkrieg gescheitert. Die Prinzipien für eine Weltordnung, die Wilsons 14-Punkte-Programm enthielt, setzten sich nicht oder nicht unmittelbar unter den europäischen Mächten durch. Dazu gehörten die Öffentlichkeit internationaler Abkommen, die Freiheit der Schifffahrt, der Abbau von Handelsbarrieren und die unparteiische Anpassung kolonialer Ansprüche unter Berücksichtigung der betroffenen Völker. Der für die künftige Wahrung des Weltfriedens vielleicht wichtigste Punkt war der Vorschlag eines Allgemeinen Zusammenschlusses der Nationen zur gegenseitigen Garantie der Anerkennung der territorialen Integrität und politischen Unabhängigkeit. Aber auch der US-Kongress verweigerte die nötige Zustimmung zum Beitritt der USA zum Völkerbund. Die Außenpolitik der USA beschränkte sich in der Folge darauf, die britische Flottenrüstung mit möglichst geringen Kosten zu begrenzen, stellte aber Großbritanniens Seeherrschaft nicht grundsätzlich in Frage.

Die Ordnung der Versailler VerträgeVersailler Verträge (1919)

Wiederum war es eine internationale Friedenskonferenz, auf der die Neuordnung Europas verhandelt wurde. Jedoch verbinden sich mit dem Namen Versailler Vertrag bzw. Pariser Vorortverträge (für die anderen Kriegsverlierer) bis heute nicht Erfolg, sondern das Scheitern einer Nachkriegsordnung und der Zweite WeltkriegZweiter Weltkrieg. In Deutschland ging der Versailler Vertrag als „Schandvertrag“ in die Geschichte ein. Aber die Verträge führten auch außerhalb Deutschlands zu Unzufriedenheit unter den betroffenen Staaten.

Mit dem Frieden von Versailles verbindet sich eine Reihe von Friedensverträgen zwischen den Entente-Mächten als Kriegsgewinnern und Deutschland, Österreich und dem Osmanischen Reich als Kriegsverlierern (vgl. Tabelle 1.5).

Merke

Das Versailler VertragssystemVersailler Verträge war

… im engeren Sinne eine Institution zur territorialen NeuordnungTerritoriale Neuordnung Europas und des Nahen und Mittleren Ostens in der Nachkriegszeit des Ersten WeltkriegErster Weltkriegs. Damit verbunden waren bedeutende Gebietsverschiebungen, die Etablierung neuer Flächenstaaten, das Aberkennen kolonialer Besitzungen und das Auslöschen Österreich-Ungarns als Nationalstaat.

… eine Institution zur EindämmungEindämmung der Kriegsschuldigen Deutschlands, Österreichs und des Osmanischen Reichs als Friedensstörer.

… im weiteren Sinne durch die Gründung des Völkerbunds eine Institution zur Sicherung einer neuen Weltfriedensordnung. Mit der Etablierung des VölkerbundVölkerbunds wurden neue Verhaltensnormen entwickelt, wie die normative Ächtung des Angriffskriegs, die friedliche Streitbeilegung und die Abrüstung als wichtigstes Mittel der Kriegsverhütung. Er sah ein Sanktionssystem aus Wirtschaftsboykott und militärischer Sanktion (über einen Beistandspakt) vor.

Der Völkerbund wurde durch den Briand-Kellogg-Pakt unter Führung der USA ergänzt.

Wien und Versailles im Vergleich

Das Versailler VertragVersailler Verträgessystem und das Wiener-KongressWiener Kongresssystem ähneln sich in den territorialen Regelungen zur Eindämmung von Staaten. Sie unterscheiden sich aber auch in wichtigen Punkten, insbesondere in den Normen zur Friedenssicherung: Der Völkerbund ächtete den Angriffskrieg, der zu Zeiten des Wiener Kongresses noch nicht als ächtungswürdig betrachtet wurde. Und er etablierte ein Friedenssicherungssystem, das auch kollektive Sanktionen vorsah.


RegionStaatterritoriale Veränderungweitere Regelungen/Implikationen
EuropaDeutschland(Versailles)Gebietsverluste an Litauen, Polen, Tschechoslowakei, Frankreich, Belgien, Dänemarkverliert alle koloniale Besitzungen in Afrika und Asienunter Völkerbundverwaltung: Danzig, Saargebiet (für 15 Jahre)alliierte Besetzung des RuhrgebietsDemilitarisierung: Begrenzung von Heer, Marine, Verbot einer LuftwaffeReparationen
Österreich(St. Germain)Gebietsabtretungen an Tschechische Republik, Jugoslawien, Rumänien, Polen, Abtretung Südtirols an ItalienDemilitarisierung: Abtretung der gesamten Kriegs- und HandelsflotteReparationen
Ungarn(Trianon)Abtretung Slowakei an Tschechoslowakei, weitere Abtretungen an Rumänien, Jugoslawien und ÖsterreichDemilitarisierungReparationen
Bulgarien(Neuilly)Abtretung von Gebieten an Griechenland, Jugoslawien, RumänienDemilitarisierungReparationen
Naher OstenOsmanisches Reich(Sèvres, revidiert durch Vertrag von Lausanne 1923)Gebietsabtretung von Syrien und Libanon (an Frankreich), Palästina und Irak (Völkerbundmandat, verwaltet durch Großbritannien), Thrakien und Smyrna (an Griechenland)Demilitarisierung der Meerengen (Bosporus, Dardanellen)Russland erhält lange angestrebten MittelmeerzugangTürkei wird aus Europa gedrängtFriedensvertrag führt zu einem Bürgerkrieg, der erst 1923 beendet wird

Territoriale Neuordnung nach den Versailler Verträgen

Ähnlich wie der Wiener Kongress hatten die Versailler Verträge mehrere konkrete Funktionen: Territoriale Neuordnung, Eindämmung und neue Weltfriedensordnung.

Allerdings war diese Aufgabe ungleich schwerer als zur Zeit des Wiener Kongresses. Denn obschon das Schicksal Deutschlands ein zentrales Thema der Friedenskonferenz war, spielten weitere Fragen eine ebenso große Rolle: Was sollte aus Russland werden? Und wie sollte man auf dem Balkan und in Osteuropa verfahren? Schließlich mussten auch noch die Verhältnisse im Nahen Osten befriedet werden und eine Regelung für das Osmanische Reich gefunden werden. Der Versailler VertragVersailler Vertrag (Deutschland), der Vertrag von St. Germain (Österreich-Habsburg), der Vertrag von Trianon (Ungarn) und derjenige von Sèvres (Osmanisches Reich) sahen dabei recht ähnliche Regelungen vor. In allen vier Fällen verloren die Kriegsverlierer Territorium, mussten Kriegsreparationen bezahlen, wurden außenpolitisch überwacht und entmilitarisiert. Dies folgte im Wesentlichen der Praxis, wie sie bereits nach dem Wiener Kongress erfolgreich eingeübt worden war.

Territoriale Neuordnung Europas und des Nahen und Mittleren Ostens: Die Versailler Verträge und der Vertrag von St. Germain (für Österreich-Ungarn) sahen bedeutende Gebietsabtretungen vor. Deutschland musste im Westen das Elsass und Lothringen, im Osten Posen und Westpreußen abtreten. Das Saarland wurde der Verwaltung des Völkerbunds unterstellt, das Ruhrgebiet einer gemeinsamen Verwaltung durch eine Reparationskommission. Das Deutsche Reich verlor alle seine kolonialen Besitzungen. Genauso bedeutend waren die Regelungen zur Rüstungsbeschränkung: Das Deutsche Reich musste 90 Prozent seiner Handelsflotte abtreten oder ausliefern und versenkte diese vorsorglich (vgl. Tabelle 1.5).


Territoriale Regelungen der Versailler Verträge zu Deutschland

Der gesamte Balkan wurde im Zuge der Versailler VerträgeVersailler Verträge ebenfalls neu territorial geordnet.

Österreich-Ungarn wurde aufgelöstAuflösung Österreich-Ungarns, ebenso wie ein Teil Russlands. In der Folge entstanden Ungarn, Jugoslawien und die Tschechoslowakei als unabhängige Staaten. Mit der Schaffung dieser drei territorialen Flächenstaaten sollte einerseits ein Puffer gegenüber Russland geschaffen werden, der Deutschland gegenüber dem Bolschewismus abschirmte. Territoriale Neuordnung OsteuropasAndererseits sollte diese Staatengruppe ein östliches Gegengewicht gegen eine künftige „deutsche Gefahr“ bilden (Berghahn 2009: 110).

 

Neben Deutschland waren vor allem Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich die Kriegsverlierer (Murray 2009). Österreich-Ungarn und damit das Habsburger Königreich hörten auf zu existieren – auch völkerrechtlich. Der Friede von St. Germain löste das Reich auf, auch Österreich wurde als Kriegsschuldiger bezeichnet. Aus ihm gingen mehrere Staaten hervor. Vom einstmals großen Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn blieb Österreich mit etwas mehr als 6 Millionen Einwohnern übrig. Ähnlich erging es dem Osmanischen Reich, dessen Territorium stark verkleinert wurde. Das türkische Territorium wurde reduziert auf Anatolien und Istanbul, der Rest wurde unter den Alliierten aufgeteilt oder dem Völkerbund unterstellt. Die Regelung von Sèvres führte zum Bürgerkrieg im Osmanischen Reich, der erst 1923 beendet war und in das nachhaltigere Abkommen von Lausanne mündete.

Überwachung des Deutschen Reichs und Österreichs: Die Versailler VerträgeVersailler Verträge sahen die nahezu vollständige Demobilisierung und Demilitarisierung Deutschlands vor. Die Wehrpflicht wurde verboten. Der Vertrag verbot den Besitz einer Luftwaffe und begrenzte die Größe des deutschen Heeres und seiner Offiziere. Ruhrgebiet und Saarland wurden demilitarisiert. Österreichs Heer wurde ebenfalls begrenzt.

Völkerbund als Friedenssicherungssystem: Mit den Versailler VerträgeVersailler Verträgen wurde ein System der Friedenssicherung in Form des Völkerbunds als einem kollektiven Sicherheitkollektive Sicherheitssystem etabliert. Kern war die Beschränkung der traditionellen einzelstaatlichen Gewaltpolitik und Geheimdiplomatie, an deren Stelle die kollektive Gewaltanwendung aller Staaten treten sollte und die freie Diskussion der Staatsmänner vor der Weltöffentlichkeit.

Die Streitschlichtung war ein zweiter zentraler Pfeiler des Völkerbunds. Die Mitglieder verpflichteten sich, ihre „einer schiedsrichterlichen Lösung zugänglichen“ Differenzen entweder vor den Völkerbundrat oder den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu bringen. Die Regelungen zur Streitschlichtung blieben jedoch letztlich unverbindlichKeine rechtlich verbindliche Wirkung der Streitschlichtung.

Die Schwächen des Schiedsgerichtsverfahrens sollten durch Sanktionsbestimmungen der Völkerbundsatzung ausgeglichen werden. Diese traten automatisch in Kraft, sobald ein Mitglied unter Nichtbeachtung der Schlichtungsbestimmungen einen Krieg begann. Als Sanktion gegen den Angreifer war der Wirtschaftsboykott vorgesehen. Die Anwendung militärischer Sanktionen war zwar vorgesehen, ihre Durchführung war aber den Mitgliedern überlassen. Die Wirksamkeit oder Effektivität des Völkerbunds war damit letzten Endes von der Bereitschaft seiner Mitglieder abhängig, seine Verfügungen, wenn nötig, mit Waffengewalt zu unterstützen.

Die Lösung für dieses Problem sollte ein internationaler Beistandspakt sein, über den die Völkerbundversammlung im Herbst 1923 beriet. Dieser sollte garantieren, dass Mitglieder im Falle eines Angriffskriegs einander helfen. „Die im Völkerbund zusammengeschlossenen Staaten sollten gegebenenfalls einen notorischen Friedensstörer oder Aggressor aus ihren Reihen ausgrenzen und gegen ihn eine ‚überwältigende Koalition‘ bilden, um ihn notfalls mit dem gemeinsamen Einsatz von Machtmitteln auf den Pfad des Friedens zurückzwingen zu können.“ (Knapp 2004: 88) Allerdings konnten sich die Staaten nicht auf eine Definition eines „Aggressors“ einigen und vielen ging die darin enthaltene Beistandsverpflichtung zu weit. Der Versuch, den Völkerbund durch ein internationales Militärbündnis zu ergänzen und zu stärken, war damit fehlgeschlagen.

Der Völkerbund war von seiner Anlage als ein globales Friedenssicherungssystem ausgelegt, die Reichweite seiner Autorität blieb jedoch in zweifacher Hinsicht beschränktGlobales Friedenssicherungssystem mit beschränkter Reichweite. Durch die Nicht-Mitgliedschaft der USA fehlte ihm der Staat, dessen materielle Macht kriegsentscheidend für den Ersten WeltkriegErster Weltkrieg gewesen war. Der Völkerbund blieb aber auch beschränkt in seiner räumlichen Autorität: Die kolonialen Besitzungen waren von den Beratungen im Völkerbund explizit ausgeschlossen. Damit verbunden war, dass Kolonialismus als eine Praxis der Unterdrückung ganzer Völker auch nicht normativ geächtet war. Eine der wichtigsten Ideen Woodrow Wilsons in seinem 14-Punkte-Programm in Bezug auf die Gebiete unter kolonialer Herrschaft hatte sich nicht durchgesetzt.

Merke

Mangelnde Durchsetzungskraft des Völkerbunds

Der Völkerbund blieb in seiner wichtigsten Funktion, die internationale Sicherheit in einem System kollektiver Sicherheit zu garantieren, wirkungslosIneffektivität des Völkerbunds. Die Durchsetzung des allgemeinen Kriegsverbots war nicht nur davon abhängig, dass sich im Falle eines Konfliktes alle Staaten darauf einigten, wer der Urheber einer Aggression sei, sondern auch davon, dass alle bereit sind, mit allen Mitteln gegen einen identifizierten Aggressor vorzugehen. Die fehlende Durchsetzungsfähigkeit wurde erstmals 1931 beim japanischen Überfall auf die Mandschurei und vier Jahre später beim italienischen Angriff auf Abessinien deutlich. Im italienischen Fall befürchtete Großbritannien, in einen Krieg verwickelt zu werden und schloss sich einem Boykott gegen Italien nicht an. Wie stark der Völkerbund danach an Bedeutung verlor, spiegelt sich in seiner Mitgliedschaft wider. Zwischen 1931 und 1941 traten ein Drittel der Mitglieder bereits wieder aus, obwohl auch einige Staaten dem Völkerbund beitraten (vgl. Abb. 1.6). Die letzten beiden Mitglieder, die austraten, waren Frankreich (1941) und Haiti (1942).


VölkerbundBriand-Kellogg-Pakt
Aufgaben
allgemeine Abrüstung
StreitschlichtungStreitschlichtung
allgemeines KriegsverbotKriegsächtung: Freiwilliger Verzicht auf Krieg als Mittel der Außenpolitik
Sanktionsbestimmungen
WirtschaftsboykottSelbstverteidigung
Internationaler BeistandspaktTeilnahme an Sanktionen des Völkerbunds
Mitgliedschaft
1933: 58 Mitglieder1941: 40 Mitglieder62 Mitglieder
Bedeutungsverlust ab 1933

Das kollektive Sicherheitssystem der Friedenssicherung durch Völkerbund und Briand-Kellogg-Pakt


Entwicklung der Mitgliedschaft des Völkerbunds und der Schiedsverfahren des ständigen internationalen Gerichtshofes (1920–1944)

Durch den Völkerbund und nachgelagerte Verhandlungen gelang es, einige zentrale Probleme, die die Versailler VerträgeVersailler Verträge aufwarfen, zu regeln. Dazu gehörte die Regelung der Kriegsreparationen, die durchgängiger Konfliktgegenstand und Thema internationaler Verhandlungen war. Zentral für Deutschland war die Senkung der Reparationen sowie Grenzfragen. Britische und französische Kriegsschulden gegenüber den USA sowie deutsche Reparationen waren voneinander abhängig. Zur Bedienung seiner eigenen Schulden drängte vor allem Frankreich auf hohe Reparationen. Dies führte dennoch schrittweise zur Schuldenreduktion und schließlich mit den Dawes- und Young-Plänen zu nachhaltigeren Reparationsregelungen. Deutschland erkannte die neuen Grenzregelungen in separaten Verträgen an. Auch das Streitschlichtungsverfahren funktionierte effektiv bis Anfang der 1930er Jahre. Dann nahm die Zahl der Streitschlichtungen ebenso rapide ab, wie die Zahl der Austritte zunahm. Daneben gab es jedoch einige zentrale Bereiche, die der Völkerbund nicht oder nur in geringem Maße bearbeiten konnte.

Beschränkung der Reichweite und Effektivität des Völkerbunds

Der Völkerbund regelte zentrale Probleme nicht, die als kausale Mitverursacher des Erster WeltkriegErsten Weltkriegs betrachtet werden müssen, oder verschärfte sie sogar.

 Der Wettbewerb um kolonialen Besitz, den Großbritannien mit großem Abstand anführte, war auch nach Beendigung des Ersten WeltkriegErster Weltkriegs nicht beendet. Kolonialismus war nicht geächtet.

 Mit den globalen Aufsteigern Japan, USA und dem Deutschen Reich blieb der britische Hegemonialanspruch umkämpftUmkämpfter Hegemonialanspruch Großbritanniens. Japan und die USA stellten die britische Dominanz vor allem in Ostasien in Frage. Aber auch der deutsche Weltmachtanspruch war ungebrochen und wurde lediglich auf sein kontinentales Umfeld umgelenkt. Dies führte nach 1933 zur deutschen Expansion nach Osteuropa.

 Mit der Herausforderung der britischen Dominanz war verbunden, dass der Flottenrüstungswettlauf unvermindert fortgesetzt wurde. Er ging vor allem von Ostasien aus, beeinflusste aber über die Präsenz Großbritanniens und Frankreichs in Asien und Europa auch den europäischen Flottenrüstungswettlauf.

Verträge als Revisionsorgan internationalen Friedens?

Verträge besiegelten nicht nur die Nachkriegsordnung. Sie zeugen vor allem von der Idee eines zwischenstaatlichen Gleichgewichts- und Sicherheitsprinzips sowie von den bestehenden Bestrebungen der Staatengemeinschaft, ein institutionalisiertes Revisionsorgan internationalen Friedens zu etablieren. Wie schon der Wiener Kongress sollten die Versailler VerträgeVersailler Verträge als Instrument für die internationale Politik dienen. Dennoch konnten die Versailler VerträgeVersailler Verträge die ihnen zugrunde liegenden Ziele der Streitbeilegung und der Abrüstung nur unzureichend durchsetzen. Die Flottenbegrenzungsverhandlungen scheiterten, Kolonialansprüche der Großmächte und der Wettbewerb um kolonialen Besitz konnten nicht vermindert werden und die Ansprüche der neuen Mächte Deutschland und Japan auf einen Großmachtstatus konnten nicht befriedigt werden.

Die wichtigsten globalen Trendsglobale Trends und Entwicklungen (1919–1939)


zwischenstaatliche EbeneZeitRaum
weltwirtschaftliche Verflechtung und Weltwirtschaftskrisepolitische und ökonomische Folgen der Krise zeigen sich unter anderem in hoher Arbeitslosigkeit, dem Rückgang des Bruttosozialprodukts / industrieller Produktion und nationalstaatlicher Entwicklungsprozesseasymmetrische Wirtschaftsbeziehungen stellen die internationale Staatenwelt in Abhängigkeit zur USA1929USA, Japan, Lateinamerika, Europa (Großbritannien und Deutschland)
die Welt zwischen kommunistischer Revolution und AutoritarismusStrukturwandel durch Umwälzungen in den Staatenverfassungen: Machtübernahme durch extrem nationalistische oder kommunistische Bewegungen und autoritäre Regierungendurch internationale Transformationsprozesse entstehen Faschismus und Kommunismus als Gegenspieler zur parlamentarischen Demokratie und generieren eine transnationale Anhängerschaftab 1929, insbesondere zwischen 1917 und 1937Europa, Lateinamerika, Japan
Rüstungswettlaufin Konkurrenz stehende Nationalstaaten trachten nach regionalem Einfluss und regionaler Vorherrschaft in ihrem jeweiligen territorialen Interessengebiet / Flottenrüstungswettlauf aufgrund ihrer Antizipation einer direkten Sicherheitsbedrohung durch anderezwischenstaatliche Abrüstungsverhandlungen haben nicht den erwünschten Erfolgab 1920Europa, Asien

Die wichtigsten globalen Trendsglobale Trends und Entwicklungen 1919–1939