Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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IV. Herstellungsart

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Die Form der Abbildung ist für den Bildnisschutz unbeachtlich. Auch die Darstellung von Personen durch Zeichentrickfiguren, Fotomontagen, Schattenrisse,[329] Karikaturen oder sonst irgendwie durch – auch elektronische – Techniken gefertigte Darstellungen von Personen unterliegen dem Bildnisschutz.

V. Der Bildnisschutz nach den §§ 22, 23 KUG
1. Einwilligung

1.1 Rechtscharakter der Einwilligung

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Gem. § 22 S. 1 KUG dürfen Bildnisse einer Person grds. nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet[330] oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Rechtsnatur der Einwilligung ist strittig. Die h.M. sieht darin eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung oder aber mindestens eine rechtsgeschäftliche Handlung.[331]

1.2 Erteilung der Einwilligung

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Auf die Einwilligung sind die Regeln der §§ 116 ff. BGB anwendbar. Sie kann ausdrücklich, aber auch stillschweigend oder konkludent erklärt werden. Von stillschweigender Einwilligung ist auszugehen, wenn der Abgebildete die Anfertigung der Aufnahme in Kenntnis ihres Zweckes billigt[332] oder wenn aus dem Zweck oder den Umständen der Aufnahme selbst darauf zu schließen ist.[333] So kann z.B. aus Posieren oder Zuwinken oder einem fröhlichen Blick in die Kamera durchaus auf eine Einwilligung geschlossen werden.[334] Die Beweislast einer rechtswirksam vorliegenden Einwilligung trägt der Verbreiter der Abbildung.[335] Gem. § 22 Abs. 2 KUG gilt eine Einwilligung im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, dass er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt (widerlegbare Vermutung[336]).

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Da die Einwilligung nach h.M. eine rechtsgeschäftliche Erklärung darstellt, ist Geschäftsfähigkeit erforderlich. Für die Einwilligung Minderjähriger gelten die §§ 107–113 BGB. Sie benötigen nach h.M. der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters.[337] Die uneingeschränkte Anwendung der §§ 107 ff. BGB hätte jedoch zur Folge, dass die Eltern die Einwilligung für den Minderjährigen auch gegen dessen Willen erteilen könnten (§ 1629 i.V.m. § 164 BGB). Die h.M. fordert deshalb eine doppelte Einwilligung, nämlich sowohl des – einsichtsfähigen – Minderjährigen als auch der gesetzlichen Vertreter.[338]

1.3 Grenzen der Einwilligung

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Der Erklärungsumfang der Einwilligung kann in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht beschränkt sein. Ihre Reichweite ist durch Auslegung nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln.[339] So kann die Einwilligung auf eine aktuelle Veröffentlichung beschränkt sein[340] oder auf eine bestimmte Gattung von Medien.[341]

1.4 Anfechtung und Widerruf

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Die Einwilligung ist anfechtbar gem. den §§ 119 ff. BGB. Denkbar ist insbesondere ein Erklärungsirrtum, z.B. wenn der Abgebildete glaubt, für eine Reportage über ein Sachthema interviewt zu werden, tatsächlich aber von einer Satiresendung „durch den Kakao gezogen“ wird. Keine Anfechtung kommt in Betracht, wenn der Einwilligende Anlass, Zweck oder Art der geplanten Veröffentlichung falsch einschätzt, da hierin ein bloßer unbeachtlicher Motivirrtum liegt.

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Eine Widerrufsmöglichkeit wird im Einzelfall, insbesondere bei wichtigen Gründen grds. bejaht.[342] In Frage kommt dies z.B. dann, wenn sich seit der erteilten Einwilligung die innere Einstellung des Betroffenen grundlegend geändert hat.[343] Beweisbelastet dafür ist jedoch der Betroffene.[344]

2. Schranken des Bildnisschutzes gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG – Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte

2.1 Begriffe der Zeitgeschichte

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Der Begriff der Zeitgeschichte wird nicht geschichtswissenschaftlich, sondern funktional vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her bestimmt.[345] Er darf nicht zu eng verstanden werden; er umfasst nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse und wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt.[346] Auch durch unterhaltende Beiträge kann Meinungsbildung stattfinden; solche Beiträge können die Meinungsbildung unter Umständen sogar nachhaltiger anregen und beeinflussen als sachbezogene Informationen.[347] Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte sind solche Bildnisse, deren Abbildungsgegenstand eine „Person der Zeitgeschichte“ ist. In einer langen Rechtsprechungspraxis unterschieden die Gerichte zwischen sog. absoluten und sog. relativen Personen der Zeitgeschichte.[348] Allerdings darf diese – auch nach dem Caroline-Urteil des EGMR – noch teilweise gebrauchte Kategorisierung nicht schematisch angewendet werden, sondern es muss nach wie vor eine einzelfallsbezogene Abwägung stattfinden.[349] Eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechte ist dabei schon bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte erforderlich, wobei der Beurteilung ein normativer Maßstab zugrunde zu legen ist, der der Pressefreiheit und zugleich dem Persönlichkeitsschutz ausreichend Rechnung trägt (sog. abgestuftes Schutzkonzept).[350]

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Absolute Personen der Zeitgeschichte sind Personen, die unabhängig von einem bestimmten zeitgeschichtlichen Ereignis aufgrund ihres Status oder ihrer Bedeutung allgemein öffentliche Aufmerksamkeit finden und deren Bildnis die Öffentlichkeit deshalb um der dargestellten Person willen der Beachtung Wert findet.[351] Der Betroffene ist gleichsam selbst das Ereignis, er selbst von öffentlichem Interesse.

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Relative Personen der Zeitgeschichte sind solche, die in Abhängigkeit von einem bestimmten zeitgeschichtlichen Ereignis in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten.[352] Das Ereignis der Zeitgeschichte selbst ist es, welches das Informationsinteresse begründet. Dementsprechend ist das Veröffentlichungsrecht des Bildnisses zeitlich, räumlich und thematisch durch den Zusammenhang mit dem Ereignis begrenzt.[353]

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Strittig ist, ob und inwieweit der Ereignisbezug auch erlaubt, Bildnisse zu veröffentlichen, die den Abgebildeten nicht selbst bei dem Ereignis zeigen, also bei anderem Anlass entstanden sind. Das klassische kontext-neutrale Foto ist ein Portraitfoto.[354] Richtigerweise ist dies im Rahmen der Abwägung der Rechtsgüter zu entscheiden, wobei ein kontext-neutrales Foto in der Regel weniger persönlichkeitsbeeinträchtigend sein kann,[355] aber nicht sein muss. So hat z.B. das BVerfG angemerkt, dass die die Veröffentlichungsbefugnis dabei nicht einmal auf Portraitfotos beschränkt ist, sofern die Intensität einer Persönlichkeitsbeeinträchtigung nicht durch Erweiterung des Bildinhaltes zunimmt.[356]

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Vor einer „Akzentverschiebung“ in der BGH-Rechtsprechung nach dem Caroline-Urteil des EGMR konnte relative Person der Zeitgeschichte auch sein, wer eine absolute Person der Zeitgeschichte begleitet oder gemeinsam mit ihr auftritt bzw. ihr Angehöriger oder Lebenspartner ist.[357] Insoweit bestehe ein abgeleitetes Interesse der Öffentlichkeit, das nicht um der abgebildeten Person willen, sondern wegen des Interesses an der absoluten Person der Zeitgeschichte besteht, das aber auf die Person ausstrahlt von derjenigen der Öffentlichkeit begleitet wird. Dabei musste der Begleiter sowohl hinnehmen, zusammen mit der absoluten Person der Zeitgeschichte abgebildet zu werden als auch alleine, kontext-bezogen oder auch kontext-neutral je nach Abwägung im Einzelfall. Nach der neueren Linie des BGH ist das Informationsinteresse der Allgemeinheit, das sich auch gerade im Zusammenhang mit der zugehörigen Wortberichterstattung ergeben kann, von entscheidender Bedeutung. Zeigt das Bild den Betroffenen in einer erkennbaren privaten Situation, die in keinem Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis steht, überwiegt die Privatsphäre der Betroffenen.[358] Andererseits gehört auch zur Pressefreiheit der unterhaltenden Presse, dass über den sozialen Kontext einer Person berichtet wird; der Persönlichkeitsschutz greift erst dann ein, wenn die beanstandeten Äußerungen für sich genommen oder im Zusammenhang mit der Bildberichterstattung einen eigenständigen Verletzungseffekt aufweisen, etwa wenn sie in den besonders geschützten Kernbereich der Privatsphäre eingreifen oder Themen betreffen, die von vornherein überhaupt nicht in die Öffentlichkeit gehören.[359]

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Relative Personen der Zeitgeschichte können auch Straftäter sein. Denn Straftaten gehören zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Presse ist.[360] Bei der Abwägung kommt es neben der Art und Weise der Darstellung auch auf Natur und Schwere der Tat und die Person des Täters an[361] sowie darauf, wie lange die Tat bereits zurückliegt und ob ein aktueller Anlass für die Berichterstattung besteht. Auch Zeugen, Richter oder Rechtsanwälte können grds. relative Personen der Zeitgeschichte sein, z.B. aufgrund ihrer besonderen Rolle in einem Prozess von zeitgeschichtlichem Interesse.[362] Gegenüber Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal kann das Persönlichkeitsrecht des Angeklagten ausnahmsweise überwiegen, wenn damit eine Prangerwirkung oder Stigmatisierung einhergeht; die Herstellung von Fernsehbildern im Gerichtssaal kann dann durch sitzungspolizeiliche Anordnung verboten werden.[363] Ein Verstoß gegen das sitzungspolizeiliche Verbot oder ein sitzungspolizeiliches Verpixelungsgebot führt aber nicht automatisch zu einem Veröffentlichungsverbot, sondern ist im Rahmen der Güterabwägung zu berücksichtigen.[364] Auch kann die sitzungspolitische Anordnung, z.B. in Form einer Anonymisierungsanordnung selbst verfassungswidrig sein, wenn in der Abwägung Presse- oder Rundfunkfreiheit überwiegen[365] oder wenn in der Anordnung, die für die Entscheidung maßgeblichen Gründe nicht offengelegt sind und dadurch den Betroffenen nicht zu erkennen gegeben wird, dass in die Abwägung alle dafür erheblichen Umstände eingestellt worden sind.[366] Das Persönlichkeitsrecht kann auch nicht im Rahmen einer sitzungspolitischen Verfügung in weiterem Umfang geschützt werden, als dies nach den §§ 22, 23 KUG der Fall ist.[367] Nicht rechtmäßig ist eine sitzungspolizeiliche Anordnung, die verfügt, dass Bildaufnahmen abzubrechen sind, wenn eine Person mit Ausnahme von Richtern oder Verteidigern die Aufnahme erkennbar abwehrt, da sie die Entscheidung über die Bildberichterstattung in die Hand der Betroffenen legt.[368]

 

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Kinder von absoluten Personen der Zeitgeschichte sind allein wegen ihrer Eltern keine relativen Personen der Zeitgeschichte.[369] Sie können aber solche relativen Personen der Zeitgeschichte dann sein, wenn sie gemeinsam mit ihren Eltern sich der Öffentlichkeit als Angehörige präsentieren oder im Pflichtenkreis der Eltern in öffentlichen Funktionen repräsentieren.[370] Ein Anspruch auf generelles Veröffentlichungsverbot des Bildnisses eines Minderjährigen besteht nicht.[371]

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In ihrem (Kontext)-Bezug wird die Zeitgeschichte begrenzt durch den Aspekt der Aktualität. Hat sich bspw. eine Begleitperson von der absoluten Person der Zeitgeschichte getrennt, so wird ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit nicht mehr oder nicht mehr lange bestehen.[372]

2.2 Informationsinteresse der Allgemeinheit

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Die Ausnahmebestimmung des § 23 Abs. 1 KUG setzt ein schutzwürdiges Informationsinteresse der Allgemeinheit voraus. Der Begriff ist wegen der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Informationsfreiheitsrechte weit zu verstehen.[373] Dazu gehören alle Erscheinungen im Leben der Gegenwart, die von der Öffentlichkeit beachtet werden, bei ihr Aufmerksamkeit finden und Gegenstand der Teilnahme oder Wissbegier weiter Kreise sind und die nicht nur auf Schaulust und Neugier beruhen.[374] Dabei kann das Informationsinteresse auch durchaus nur regionaler oder lokaler Natur sein.[375] Die Presse muss auch einen Spielraum besitzen, innerhalb dessen sie nach publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht.[376] Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG verbietet auch eine inhaltliche Bewertung des Beitrags auf seinen Wert und seine Seriösität.[377] Das Informationsinteresse der Allgemeinheit kann nicht deshalb verneint werden, weil ausschließlich ein Unterhaltungsinteresse verfolgt wird.[378] Gerade prominente Personen können der Allgemeinheit Möglichkeiten der Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- und Kontrastfunktionen erfüllen.[379] Dabei kann auch die Abbildung eines Prominenten in der Presse zulässig sein, wenn er sich in einem öffentlichen Bereich befindet, in dem er aufgrund der Gesamtumstände damit rechnen muss, dass er dort wahrgenommen wird.[380] Erst bei der Güterabwägung kann es darauf ankommen, ob Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen, ernsthaft und sachbezogen erörtert werden oder ob lediglich private Angelegenheiten zur Befriedigung der Neugier ausgebreitet werden.[381] Das Selbstbestimmungsrecht der Presse erfasst dabei nicht die Entscheidung, wie das Informationsinteresse im Zuge der Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern herzustellen ist.[382] Für die Abwägung ist vielmehr von maßgebender Bedeutung, ob die Presse im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachgezogen erörtert und damit den Informationsbedarf des Publikums erfüllt und zur Bildung der öffentlichen Meinung beiträgt.[383] Dabei ist das Informationsinteresse nicht auf das aktuelle Zeitgeschehen beschränkt, sondern schließt auch die Möglichkeit ein, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse anhand der unveränderten Originalberichte in Online-Archiven der Medien zu recherchieren.[384] Der Informationswert einer Bildberichterstattung ist, soweit das Bild nicht schon als solches ein für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, im Kontext der dazugehörigen Wortberichterstattung zu ermitteln.[385] Andererseits kann die Bildberichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis auch zulässig sein, wenn einzelne Aussagen der Wortberichterstattung für unzulässig erklärt worden sind.[386]

2.3 Verbreitung zu Werbezwecken

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Wer ausschließlich durch die Verwertung des Bildnisses eines anderen zu Werbezwecken sein kommerzielles Geschäftsinteresse befriedigen will, etwa durch die Verwendung des Bildnisses eines Prominenten, handelt nicht im Informationsinteresse der Allgemeinheit gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG.[387] Ob ausschließlich Werbezwecke vorliegen, ist im Gesamtkontext der Veröffentlichung zu prüfen. Es gelten die gleichen Auslegungsmaßstäbe wie bei der Wortberichterstattung.[388] Wird zusammen mit einem kommerziellen Interesse ein Publikationsinteresse verfolgt, so ist jedoch der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 KUG eröffnet.[389] Die Verwendung eines Prominentenfotos auf der Titelseite einer Zeitschrift bedeutet nicht automatisch, dass das Bildnis nur zur Werbung eingesetzt wird. Werbung für ein Presseerzeugnis selbst steht zudem unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG.[390] Wenn bspw. im Inneren des Blattes ein redaktioneller Textbeitrag vorliegt, auf den das Titelblatt verweist, so entfällt das Informationsinteresse nicht. Denn der unbefangene Durchschnittsbetrachter bringt das Bild zunächst mit dem Textbeitrag im Inneren des Blattes in Verbindung.[391] Allerdings darf sich der redaktionelle Text nicht darauf beschränken, einen beliebigen Anlass für die Abbildung des Prominenten zu schaffen.[392] Auch die Werbung für eine geplante Zeitung mit der Titelseite einer Nullnummer dieser Zeitung, auf der eine prominente Person abgebildet ist, verletzt nicht allein deshalb das Recht am eigenen Bild der Betroffenen, weil der zur Abbildung gehörende Artikel in der Werbung nicht lesbar ist und in der Zeitung nicht erscheinen sollte; eine solche Werbung ist grundsätzlich zulässig, wenn sie die Öffentlichkeit über Gestaltung und Inhalt der geplanten Zeitung informiert.[393] Auch in satirischer – meinungsbildender – Auseinandersetzung mit einem aktuellen politischen oder öffentlichen Ereignis kann ein anerkennenswertes Informationsinteresse liegen.[394] Schließlich verletzt die Abbildung eines Prominenten auf der Titelseite eines Werbetestexemplars einer geplanten Zeitung das Recht am eigenen Bild, solange noch keine erschienene Ausgabe der Zeitung vorliegt, auf die Bezug genommen werden kann.[395]

2.4 Postmortaler Bildnisschutz und seine Schranken

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Gem. § 22 Abs. 3 KUG endet der Bildnisschutz des KUG 10 Jahre nach dem Tode des Abgebildeten. Dies gilt jedenfalls für die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts.[396] Ein längerer Schutz kann sich ergeben, soweit es um vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts geht (z.B. die kommerzielle Nutzungsmöglichkeit eines Bildnisses); dann sind die entsprechenden Interessen des Abgebildeten jedenfalls mindestens solange geschützt wie die 10-Jahres-Frist des § 22 S. 2 KUG.[397] Ein längerer Schutz der ideellen Interessen kann sich auch ergeben, wenn der Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG berührt ist. Denn dessen grundrechtlicher Schutz ist nicht abwägungsfähig.[398] Auch nach seinem Tode darf der Einzelne in seinem allgemeinen Achtungsanspruch nicht herabgewürdigt oder erniedrigt werden.[399]

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Zur Wahrnehmung des Schutzes von Bildnissen Verstorbener sind hinsichtlich der vermögenswerten Bestandteile und der daraus resultierenden Ansprüche die Erben und bezüglich der ideellen Interessen nach § 22 S. 3 KUG die Angehörigen befugt. § 22 S. 4 KUG definiert, wer als Angehöriger anzusehen ist.

3. Schranken des Bildnisschutzes gem. § 23 Abs. 1 Nr. 2–4 KUG

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Weitere Schranken des Bildnisschutzes ergeben sich aus § 23 Abs. 1–4 KUG, deren praktische Bedeutung – mit Ausnahme des Beiwerk des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG – beschränkt ist.

4. Schranken-Schranken gem. § 23 Abs. 2 KUG – Berechtigte Interessen des Abgebildeten in der Abwägung

4.1 Verletzung der Intimsphäre

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Die Verletzung der Intimsphäre, z.B. die Veröffentlichung von Nacktaufnahmen,[400] ist grds. unzulässig. Ausnahmen sind in seltenen Fällen – z.B. besonderes Informationsinteresse oder Verhalten des Betroffenen – denkbar.[401]

4.2 Verletzung der Privatsphäre

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Der Schutzbereich des Rechtes auf Privatsphäre bemisst sich in dreifacher Hinsicht, nämlich thematisch, räumlich und zeitlich. Thematisch werden Vorgänge erfasst, die aufgrund ihres Informationsgehaltes als privat eingestuft werden, weil die Angelegenheit naturgemäß dem persönlichen Bereich zugeordnet wird oder ihr öffentliches Zeigen als unschicklich oder peinlich gilt. Der Fortschritt von Aufnahmetechnik, z.B. Handykameras, führt zu gesteigerten Risiken für die Persönlichkeitsrechte von Prominenten.[402] Das Alltagsleben gehört grundsätzlich zur Privatsphäre, so dass dann eine Abwägung mit dem Informationsinteresse der Allgemeinheit stattfinden muss (Restaurant-Besuch,[403] Verlassen der Wohnung, Schlendern durch die Straßen, Ski-Urlaub, Tennisspiel o.Ä.).

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Räumlich erstreckt sich der Schutz der Privatsphäre auf einen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann; in dem er die Möglichkeit hat, frei von öffentlicher Beobachtung und damit der von ihr erzwungenen Selbstkontrolle zu sein, auch ohne dass er sich dort notwendig anders verhielte als in der Öffentlichkeit.[404] Der häusliche Bereich ist eine solche geschützte Sphäre.[405] Wo die Grenzen der geschützten Privatsphäre außerhalb des Hauses verlaufen, lässt sich jedoch nicht generell und abstrakt festlegen.[406] Jedoch ist bei der Abwägung zugunsten des Persönlichkeitsrechts auch zu berücksichtigen, ob die Aufnahme etwa unter Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrlicher Nachstellung entstand.[407]