Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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4.3 Kinder- und Jugendschutz

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Der Bereich, in dem Kinder sich frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, soll umfassender geschützt sein als derjenige von Erwachsenen.[408] Dazu zählt auch das Anonymitätsinteresse.[409] Dies folgt nicht nur aus dem die spezifische Eltern-Kind-Beziehung schützenden Art. 6 Abs. 1 GG, sondern auch aus dem eigenen Recht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.[410] Ein Schutzbedürfnis fehlt damit nur dann, wenn sich die Kinder allein oder gemeinsam mit den Eltern bewusst der Öffentlichkeit zuwenden, etwa an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen oder gar im Mittelpunkt solcher Veranstaltungen stehen[411] und die Berichterstattung einen ausreichenden Bezug zu der Veranstaltung als zeitgeschichtliches Ereignis aufweist.[412] Ein Anspruch darauf, die Veröffentlichung jeglicher Fotos eines bestimmten Minderjährigen bis zu dessen Volljährigkeit zu unterlassen, besteht nicht.[413]

4.4 Verletzung von Ehre und Ruf

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Das Foto kann selbst oder mittels des Kontext, in den es gestellt wird, Ehre und Ruf beeinträchtigen.[414]

4.5 Verletzung des Wahrheitsschutzes

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Der Bildnisschutz umfasst auch den Schutz vor entstellender oder verfälschender Darstellungen, sofern dies persönlichkeitsrechtsverletzten Charakter haben kann. Dies gilt verstärkt in Zeiten der digitalen Bildbearbeitung, insbesondere in Fällen der Fotomontage.[415] Allerdings verletzt eine erkennbare Fotomontage, sofern sie keine falschen Tatsachenbehauptungen erhält und auch nicht fototechnisch geändert wurde, nicht schon allein das Persönlichkeitsrecht einer so abgebildeten Person.[416] Auch das Ereignis, auf das sich das Bildnis bezieht, muss tatsächlich geschehen sein; Spekulationen rechtfertigen keinen Eingriff in das Recht am eigenen Bild.[417]

Die Entstellung kann aber auch durch irreführende Vertauschung der Bildfolge, durch Auslassung oder sonstige Entstellungen oder durch das Bildnis entstehende falsche Eindrücke bewirkt werden.[418]

4.6 Satire

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Auch die Bildnisveröffentlichung ist ihrer satirischen Einkleidung zu befreien, um sodann den dahinter liegenden Aussagegehalt der bildlichen Darstellung zu ermitteln.[419] Dabei ist der ermittelte Aussagekern der Prüfung, ob ein Persönlichkeitsrecht verletzt ist, und der Güterabwägung ebenso zu unterziehen wie auch die Einkleidung der Aussage. Auch diese – also beim Bildnisschutz die bildliche Darstellung selbst – ist gesondert daraufhin zu überprüfen, ob sie eine Kundgabe der Missachtung einer Person enthält oder auf andere Weise das Persönlichkeitsrecht verletzt.[420] So hatten die Gerichte zu prüfen, ob die Verwendung eines technisch manipulierten Fotos des Gesichts eines prominenten Klägers eine eigenständige Persönlichkeitsbeeinträchtigung bewirkt. Die Bildaussage werde jedenfalls dann unzutreffend, wenn das Foto über rein reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen hinaus verändert werde.[421] Diese Unwahrheit hat dann Auswirkungen auf die Güterabwägung, gerade auch bei der Verwendung von fotografischen Abbildungen in satirischen Kontexten, wenn nämlich die Manipulation dem Betrachter nicht erkennbar ist, so dass er die Veränderungen nicht als Teil der für satirische Darstellungen typischen Verfremdungen und Verzerrungen deuten und damit für seine Meinungsbildung bewertend einordnen kann.[422]

4.7 Anonymitätsverletzung

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Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch das berechtigte Interesse auf Anonymität. So besteht ein berechtigtes Interesse eines Straftäters, durch eine (identifizierende) Bildnisveröffentlichung nicht in seiner Resozialisierung gefährdet zu sein. Allerdings vermittelt das allgemeine Persönlichkeitsrecht Straftätern keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht oder nicht mehr mit der Tat konfrontiert zu werden.[423] Bei Tatverdächtigen gelten auch bei der Bildberichterstattung die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung.

4.8 Leben, Körper, Gesundheit

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Ein entgegenstehendes berechtigtes Interesse kann vorliegen, wenn die Bildnisveröffentlichung zu einer nicht ganz fern liegenden Gefährdung von Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum führen kann (z.B. Gefährdungssituation bei Privatpersonen, wenn sie Rache oder der Gefahr einer Entführung[424] ausgesetzt sind oder die Identifikation eines Geheimagenten durch ein Bildnis).[425] Bei Sicherheitsgefährdung setzt dies aber voraus, dass sich die betroffene Person sonst bemüht hat, ihre öffentliche Identifizierung zu vermeiden und nicht selbsttätig in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten ist.[426]

5. Das Caroline-Urteil des EGMR – Inhalt und „Einpassung“ in das deutsche Rechtssystem – Das Hannover II-Urteil des EGMR

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Streitgegenstand des Caroline-Urteil des EGMR waren einige Fotoserien, die Caroline von Monaco allein oder in Begleitung von Dritten in Privatsituationen zeigen, beispielsweise im Ski-Urlaub oder mit ihrem zeitweisen Lebensgefährten auf der Terrasse eines Restaurants.

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Der Gerichtshof sah – anders als das BVerfG – durch die Fotos die Rechte von Caroline von Monaco aus Art. 8 EGMRK verletzt. Dabei sind in der Beurteilung des Umfangs der Privatsphäre keine wesentlichen Unterschiede zur bundesdeutschen Rspr. zu erkennen. Allerdings bestehen wesentliche Unterschiede hinsichtlich des – nach der EGMRK durch Art. 10 geschützten – Ausgleichs mit der freien Meinungsäußerung und Pressefreiheit. Der EGMR schränkte damals noch den „Schutzbereich“ der Pressefreiheit ein:

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„Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass ein grds. Unterschied gemacht werden muss zwischen einer Berichterstattung über Fakten, die – selbst wenn sie kontrovers behandelt werden – geeignet sind, zu einer Debatte in einer demokratischen Gesellschaft beizutragen, wenn sie sich auf Politiker bspw. in Ausübung ihrer Ämter bezieht, und einer Berichterstattung über Einzelheiten zum Privatleben einer Person, die überdies solche Funktionen wie im vorliegenden Fall nicht ausübt. Wenn die Presse im ersten Fall auch ihre wesentliche Rolle als „Wachhund“ in einer demokratischen Gesellschaft spielt und dazu beiträgt, „Ideen und Informationen zu Fragen von öffentlichem Interesse weiterzugeben“, so trifft dies auf den zweiten Fall nicht zu. …“[427]

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Ferner kritisiert der EGMR die Figur der in der „absoluten“ Person der Zeitgeschichte als nicht eindeutig unterscheidbar zur „relativen“ Person der Zeitgeschichte, da bei dieser Unterscheidung der Einzelne nicht genau wisse, wann er sich in welchem Schutzbereich befinde. Das Kriterium der örtlichen Abgeschiedenheit sei zudem in der Praxis zu vage.[428]

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Soweit der EGMR das Informationsrecht der Öffentlichkeit vor allem bei Aspekten des Privatlebens von Personen des öffentlichen Lebens, insbesondere bei Politikern als gegeben ansieht, hat er dieses Recht seitdem weiter gestärkt. Nicht nur bekräftigte er, dass die Grenzen zulässiger Kritik bei Politikern oder der Regierung weiter gezogen seien als bei Privatpersonen; zur journalistischen Freiheit gehöre auch die Möglichkeit einer gewissen Übertreibung und sogar Provokation.[429]

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Das damalige Urteil hat Zuspruch und Kritik erfahren. Unabhängig vom inzwischen revidierten völligen Ausschluss der unterhaltenden Presse aus dem Schutzbereich der Pressefreiheit blieb der Gerichtshof damals jede Begründung dafür schuldig, warum es jenseits von Parlamentsdebatte, Pressekonferenzen von Regierungen und vergleichbaren Ereignissen nicht auch profanere Themen gibt, die Menschen interessieren können.[430]

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Das BVerfG stellte bereits mit einem Beschl. des 2. Senats vom 14.10.2004 in einer Familienrechtssache das dogmatische Verhältnis zwischen Urteilen des EGMR und der Rspr. der Mitgliedstaaten aus seiner Sicht klar.[431] Es gab den Instanzgerichten die folgende „Handreichung“ mit:

„Solange im Rahmen geltender methodischer Standards Auslegungs- und Abwägungsspielräume eröffnet sind, trifft deutsche Gerichte die Pflicht, der konventionsgemäßen Auslegung den Vorrang zu geben. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Beachtung der Entscheidung des Gerichtshofes etwa wegen einer geänderten Tatsachenbasis gegen eindeutig entgegenstehendes Gesetzesrecht oder deutsche Verfassungsbestimmungen, namentlich auch gegen Grundrechte Dritter verstößt. „Berücksichtigen“ bedeutet, die Konventionsbestimmung in der Auslegung des Gerichtshofs zur Kenntnis zu nehmen und auf den Fall anzuwenden, soweit die Anwendung nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen Verfassungsrecht verstößt. Die Konventionsbestimmung muss in der Auslegung des Gerichtshofs jedenfalls in die Entscheidungsfindung einbezogen werden, das Gericht muss sich zumindest gebührend mit ihr auseinandersetzen.“

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13 Jahre danach ist zu konstatieren, dass die bundesdeutsche Gerichtsbarkeit der Instanzgerichte, des BGH und des BVerfG[432] den „Spagat“ zwischen EGMR und BVerfG insoweit bewältigt hat, dass – unter Aufrechterhaltung des dogmatischen Grundgerüsts – die Privatsphäre in der einzelfallbezogenen Güterabwägung ein größeres Gewicht erlangt hat. So wird weiter betont – anders als beim Ansatz des EGMR – dass auch die Unterhaltungspresse am verfassungsrechtlichen Schutzbereich teilhabe,[433] wenn auch bei der Abwägung zu berücksichtigen sei, ob mit der Veröffentlichung lediglich private Interessen zur Befriedigung der Neugier verfolgt würden.[434] Es bestehe auch – bei Beachtung der stets noch notwendigen Einzelfallprüfung – kein Anlass, den Begriff der „absoluten Person der Zeitgeschichte“ fallen zu lassen.[435] Allerdings wird auch bei solchen Personen von den Gerichten nun in höherem Maße ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ein Kontextbezug zu einem ein solches Interesse auslösenden Ereignis verlangt. Bereits bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ sei eine Abwägung der widerstreitigen Grundrechte erforderlich.[436] Das Merkmal des Informationsinteresses der Öffentlichkeit rückt damit in zunehmendem Maße in den Mittelpunkt der Abwägung.[437] Dabei muss auch der Kontext mit einer zugehörigen Wortberichterstattung berücksichtigt werden.[438] Die Frage, ob die Instanzgerichte an die Rechtsprechung des BVerfG zur örtlichen Abgeschiedenheit als dessen tragende Gründe gebunden seien, ist zu Gunsten einer gelockerten Bindung zu beantworten.[439]

 

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Inzwischen hat auch der EGMR seine Rechtsprechung relativiert und ist der Rechtsprechung des BVerfG entgegengekommen. Im Urteil Hannover II, das sich mit verschiedenen Bildberichterstattungen über Caroline und Ernst August von Hannover befasste, hat der EGMR den Mitgliedstaaten bei der Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Recht auf Privatleben „einen gewissen Ermessensspielraum“ zugestanden.[440] Nähmen diese die Abwägung nach den vom EGMR vorgegebenen Kriterien vor, bedürfte es überzeugender Gründe, damit das EGMR die Entscheidung korrigiere.[441] Dabei wurden in der Entscheidung nun Caroline und Ernst August von Hannover als Personen des öffentlichen Lebens anerkannt und es wurde zugleich festgestellt, dass sich unter speziellen Umständen das öffentliche Informationsinteresse auch auf das Privatleben von Personen des öffentlichen Lebens erstrecken kann.[442] Abwägungskriterien könnten im Übrigen sowohl das vorangegangene Verhalten des Betroffenen als auch Inhalt, Aufmachung und Folgen der Veröffentlichung sein sowie die Umstände, unter denen das Foto aufgenommen wurde.[443] Auch bestätigte des EGMR die Rechtsprechung des BVerfG, wonach der Informationswert des Fotos im Licht des begleitenden Textberichts beurteilt werden kann.[444] Dabei hat der EGMR im Hannover II-Urteil auch seine Anforderungen an das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und die Rolle der Presse präzisiert. Die Presse habe die Pflicht und Verantwortung, Informationen und Ideen zu allen Fragen des allgemeinen Interesses zu übermitteln und Fotos zu veröffentlichen; auch soweit sie sich z.B. mit dem Trend berühmter Persönlichkeiten befasse, Feriendomizile zu vermieten, beteilige sie sich an einer Debatte von allgemeinem Interesse.[445] Mit dem Hannover II-Urteil und dem Hannover III-Urteil sind vorläufige „Schlusssteine“ unter die Diskussion über etwaige Divergenzen zwischen EGMR einerseits und BVerfG andererseits gesetzt. Beide Gerichte haben ihre Rechtsprechung anhand der Rechtsprechung des jeweils anderen Gerichtes überprüft und sich durch die Verlagerung von Gewichtungen und Akzentuierungen und durch Veränderung wichtiger Nuancen einander wesentlich angenähert, was der Rechtsicherheit äußerst dienlich ist. Der EGMR hat eine entsprechende Haltung auch für die Wortberichterstattung bestätigt.[446]

6. Strafrechtliche Folgen der Verletzung des Bildnisschutzes –
§§ 201a StGB, 33 KUG

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Mit § 201a StGB besteht seit dem 6.8.2004 ein eigener Straftatbestand bei Verletzung des höchst persönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen. Die Vorschrift ist im Einzelnen hoch umstritten.[447] § 201a Abs. 1 StGB schützt gegen das unbefugte Herstellen und Übertragen von Bildaufnahmen von Personen, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befinden, falls dadurch der höchst persönliche Lebensbereich dieser Personen verletzt wird. Der Begriff des höchst persönlichen Lebensbereichs ist dabei dem StGB neu. Der Gesetzgeber wollte damit den Straftatbestand auf denjenigen Bereich privater Lebensgestaltung beschränken, in dem eine Abwägung zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und dem Schutzinteresse des Einzelnen, wie sie bei einem Eingriff in die sonstigen persönlichen Lebensbereiche erforderlich ist, nicht stattfindet.[448] Dabei orientierte er sich an dem in der zivilrechtlichen Rspr. näher ausgeformten Begriff der Intimsphäre, mit dem er aber nicht identisch sein soll.[449] Die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Privatsphäre fällt jedenfalls nicht unter dem Begriff des höchst persönlichen Lebensbereiches.[450] Die Bildaufnahmen müssen von Personen sein, die sich in einer Wohnung oder einen gegen Einblick besonders geschützten Raum befinden. Die Vorschrift will nur den „letzten Rückzugsbereich“ des Einzelnen schützen. Damit unterfallen dem Begriff keine Räumlichkeiten, die einer beschränkten Öffentlichkeit zugänglich sind, wie etwa Geschäfts- oder Diensträume, Hotelhallen oder Flure.[451] Dagegen sind Toiletten, Umkleidekabinen oder ärztliche Behandlungszimmer geschützt. Als gegen Einblick besonders geschützter Raum soll nach der Gesetzesbegründung auch ein Garten fallen, sofern dieser durch eine hohe undurchdringliche Hecke, Zaun oder Mauer gegen Einblicke geschützt ist. Das Fotografieren eines Rechtsanwalts vom Nachbargrundstück, der in seiner Kanzlei hinter einem vorhanglosen Fenster stand, stellte keinen Verstoß dar. Die Kanzlei war weder Wohnung noch ein gegen Einblick besonders geschützter Raum.[452]

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Verletzungshandlung ist das unbefugte Herstellen oder Übertragen von Bildaufnahmen. Mit Herstellung ist grds. jegliche Abbildungsvervielfältigung erfasst durch beliebige Bildträger, Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel. Das Tatbestandsmerkmal des „Übertragens“ ist unklar und wird weder durch Gesetz noch Gesetzbegründung definiert.

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Nach § 201a Abs. 2 StGB wird ebenso bestraft, wer eine durch eine Tat nach Abs. 1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder Dritten zugänglich macht. Damit sind der Gebrauch und die Weitergabe von Aufnahmen erfasst, die durch eine Tat nach Abs. 1 hergestellt wurde. § 201a Abs. 3 StGB bestraft das wissentlich unbefugte Weitergeben einer befugten Abbildung im Rückzugsbereich des Einzelnen, wenn dadurch dessen höchst persönlicher Lebensbereich verletzt wird. § 201a Abs. 4 i.V.m. § 74a StGB regelt die Möglichkeit, die verwendeten technischen Mittel einzuziehen.

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§ 201a StGB wurde als Antragsdelikt ausgestaltet und in § 205 StGB einbezogen. Der Einzelne, um dessen höchst persönlichen Lebensbereich es geht, soll selbst entscheiden können, ob er ein strafrechtliches Verfahren in Gang setzt oder nicht. Für den Strafantrag gelten die §§ 77, 77b StGB, §§ 206a, 260 Abs. 3 StPO. § 201a StGB ist jedoch kein Privatklagedelikt nach § 374 Abs. 1 StPO.

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Die rechtspolitische Notwendigkeit des § 201a StGB war beim Gesetzgebungsverfahren heftig umstr., stand doch mit § 33 KUG ein teils weiterer, teils engerer Straftatbestand zur Verfügung. Der Schutz des § 33 KUG ist zum einen weiter, weil nicht nur Bildnisse, die den höchst persönlichen Lebensbereich betreffen, erfasst werden, zum anderen enger, weil bloße Herstellung des Bildnisses nicht erfasst war.

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Weder die Vorschrift des § 33 KUG noch die Vorschrift des § 201a StGB haben seit ihrer Einführung eine praktische Rolle gespielt.

VI. Fotos von Sachen

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Abbildungen von Sachen sind Bilder und unterfallen damit nicht dem Bildnisschutz nach § 22 KUG. Als verletzte Rechte Dritter kommen insbesondere Persönlichkeits-, Eigentums-,[453] Urheber-, Wettbewerbs-, Marken- und Hausrechte in Betracht. Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung kann vorliegen, wenn die Verbreitung der Aufnahme eine Verletzung der Privat- oder sogar der Intimsphäre bedeutet.[454] Auch das Unternehmensrecht kann berührt sein, da sich ihre Sphäre auch auf die dem Hausrecht unterliegenden Bereiche erstreckt, z.B. wenn gegen den Willen des Berechtigten im räumlichen Bereich Film- und Fotoaufnahmen gefertigt werden.[455]

D. Die zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen

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Die in der Praxis dominierenden Anspruchsgrundlagen sind der Unterlassungsanspruch, der Geldentschädigungsanspruch und der Gegendarstellungsanspruch. Weitere wichtige Anspruchsgrundlagen sind Berichtigungs-, Schadenersatz- und Bereicherungsansprüche.

I. Der Unterlassungsanspruch

1. Voraussetzungen

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Der aus § 1004 BGB entwickelte quasi-negatorische Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch ist ein höchst persönlicher Anspruch und nicht übertragbar. Neben dem Anspruch auf Unterlassung weiterer Störungen kann er auch in entsprechender Anwendung von § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB auf die Beseitigung eines durch eine unwahre Tatsachenbehauptung geschaffenen Zustandes fortdauernder Rufbeeinträchtigung gerichtet sein.[456] Neben der Beseitigung in Form des Berichtigungsanspruches kann der Betroffene bei im Internet abrufbaren Tatsachenbehauptungen den Störer auch zu Löschung bzw. zum Hinwirken auf Löschung in Anspruch nehmen.[457] Der Anspruch unterliegt identischen sachlich rechtlichen und beweismäßigen Voraussetzungen wie die ansonsten anerkannten Rechtsbehelfe; er kann nur verlangt werden, wenn und soweit die Behauptungen nachweislich falsch sind und die Abhilfemaßnahmen der Löschung unter Abwägung der beidseitigen Rechtspositionen geeignet, erforderlich und dem Störer zumutbar ist.[458]

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Der Unterlassungsanspruch setzt Wiederholungs- oder Begehungsgefahr voraus. Es ist strittig, ob die im Bereich des Wettbewerbsrechts entwickelte Rechtsprechung, dass die Wiederholungsgefahr nach erfolgtem rechtswidrigen Eingriff grds. zu vermuten ist, auf das Presserecht in voller Schärfe übertragen werden kann.[459]

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Wiederholungsgefahr besteht nicht, wenn die ursprüngliche Äußerung rechtmäßig erfolgte (z.B. bei Verdachtsberichterstattung oder wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen). Stellt sich nachträglich heraus, dass die Äußerung – das hypothetische Wissen um ihre Unzulässigkeit unterstellt – unzulässig gewesen wäre, so kann höchstens noch Begehungsgefahr bestehen. Diese muss jedoch konkret festgestellt werden.[460]

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Erscheinen in einem Verlag mehrere Publikationen, besteht regelmäßig nur die Gefahr, dass die konkrete Publikation die Behauptung wiederholen wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die einzelnen Redaktionen der verschiedenen Publikationen voneinander getrennt sind. Der Tenor der Unterlassungsverpflichtungserklärung kann auf Unterlassen „in der X-Zeitung“ beschränkt werden. Andernfalls muss die Wiederholungsgefahr für die andere Publikation besonders belegt werden.[461]

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Liegt die Wiederholungsgefahr einmal vor, besteht sie in der Regel solange fort, bis der Äußernde oder der Verbreiter eine ernsthafte, nicht abweichende strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat.[462] Ausnahmen können je nach Einzelfall bestehen. Die Wiederholungsgefahr bei Bildunterschriften kann z.B. durch Abgabe der Unterlassungserklärung für die Fotos entfallen.[463] I.d.R. wird z.B. die Wiederholungsgefahr entfallen, wenn der Äußernde eine Richtigstellung veröffentlicht hat.[464] Von der Absicht der Richtigstellung ist der Betroffene vorab nicht zu unterrichten.[465]

157

Auch wenn Meldungen von Behörden oder Nachrichtenagenturen veröffentlicht werden, die von diesen anschließend öffentlich korrigiert werden, ist nicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände davon auszugehen, dass nach der Korrektur die Äußerungen wiederholt werden bzw. Begehungsgefahr besteht.[466]

 

158

Eine Unterlassungs-Erklärung hat grds. uneingeschränkt, bedingungslos und unwiderruflich zu erfolgen.[467] Zulässig ist jedoch die Bedingung, wonach das Versprechen nur für die Dauer eines allgemein verbindlichen Verbots gilt, das auf Gesetz oder höchst richterlicher Rechtsprechung oder einer bestimmten Verbotsrechtssprechung eines OLG beruhen kann.[468] Bei Sachverhalten, in denen eine Tatsachenbehauptung nicht erweislich war oder unwahr ist, aber z.B. die Sorgfaltspflicht verletzt wurde, ist es zulässig sich vorzubehalten, die fragliche Äußerung zu wiederholen, falls sich herausstellt, dass der angenommene Sachverhalt sich im Zuge eines konkreten, bereits anhängigen Gerichtsverfahren als wahr erweist.

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Mit der korrekten Unterlassungs-Erklärung erlischt der materiellrechtliche Anspruch. Die Erklärung selbst ist ein abstraktes Schuldanerkenntnis, das die erloschene gesetzliche Unterlassungsschuld durch eine vertragliche Unterlassungsverpflichtung ersetzt.[469] Durch die Annahme der Unterlassungserklärung kommt ein Vertrag i.S.v. § 311 BGB zustande. In der Praxis wird häufig auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Erklärung vom Geforderten nicht oder nicht wesentlich abweicht.[470] In der inhaltlichen Ausgestaltung eines Unterlassungsvertrages sind die Parteien grds. frei.[471]

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Die Konventionalstrafe muss angemessen sein. In äußerungsrechtlichen Angelegenheiten ist regelmäßig ein Wert über 5 000 EUR absolut üblich. Häufig wird der sog. „Hamburger Brauch“ gepflegt, nach der dem Verletzten eingeräumt wird, die Höhe der Vertragsstrafe bestimmen zu lassen, was nach § 315 BGB im Zweifel nach beliebigem Ermessen zu geschehen hat, um die Bestimmung dann einer gerichtlichen Überprüfung zuführen lassen zu können.[472]

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Die Auslegung eines Unterlassungsvertrages richtet sich nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung geltenden Regeln; in der Revision wird überprüft, ob im Berufungsverfahren gesetzliche Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt wurden.[473] Wird gegen eine abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen, so entsteht erneute Wiederholungsgefahr. Außer der Konventionalstrafe kann die Übernahme der Verpflichtung zur Zahlung einer (erheblich) höheren Vertragsstrafe gefordert werden. Ob statt dessen das Rechtschutzbedürfnis für eine neue Unterlassungsklage bestünde – soweit die Erklärung nicht unter einer auflösenden Bedingung abgeschossen, aufgehoben oder angefochten wurde –, ist strittig.[474]

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Der Vertrag über die Unterlassungs-Erklärung kann grds. nur durch Kündigung aus wichtigem Grund aus der Welt geschafft werden.[475] Die Kündigung wirkt lediglich ex nunc. Bis zur Wirksamkeit der Kündigung besteht die Vertragsstrafenverpflichtung fort.[476] Auf die Kündigung findet § 626 Abs. 2 S. 1 BGB keine Anwendung.[477] Die Frist ist großzügig zu bemessen.[478] Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage ist nur bei Änderung der Gesetzeslage oder der höchstrichterlichen Rspr. denkbar.[479]

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Droht eine Rechtsverletzung, so kann ein Unterlassungsanspruch wegen Begehungsgefahr entstehen. In diesem Fall besteht Gelegenheit zur vorbeugenden Unterlassungsklage. Eine bloße Recherche begründet für sich betrachtet noch keine Begehungsgefahr.[480] Auch die Nachfrage nach der Identität eines Beschuldigten bei Gericht begründet noch nicht den Verdacht, dass die Identität auch tatsächlich in der Veröffentlichung aufgedeckt wird.[481] Liegt dem Verletzten ein fertig formulierter Artikel vor, wird die Begehungsgefahr zu bejahen sein; bei Vorfassungen ist das zweifelhaft. Kann ein Manuskript nicht vorgelegt werden, muss der tatsächliche Inhalt der vermuteten Äußerung glaubhaft gemacht werden. Dies ist in aller Regel nicht möglich, weil sich die Unterlassung in aller Regel gerade im Äußerungsrecht auf eine konkrete Äußerung im Gesamtkontext zu beziehen hat. Filmaufnahmen von Fernsehjournalisten begründen in der Regel noch keine Begehungsgefahr. Der konkrete Beitrag kann vor journalistischer Ausarbeitung und Schnitt der Sendung noch nicht bewertet werden.[482]