Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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4. Regulierung der Empfangstechnik

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Die nächste Regulierungsstufe betrifft die Empfangstechnik. Unter dem Stichwort Conditional Access werden Zugangsberechtigungssysteme für Pay-TV-Angebote erfasst, die sowohl hinsichtlich der Infrastruktur in § 50 TKG als auch bzgl. der Inhalteseite gem. § 52c RStV geregelt sind. Sog. API (Application Programming Interface)-Schnittstellen haben eine Vermittlungsfunktion zwischen Inhalt und Betriebssoftware der Empfangsgeräte und damit eine Schlüsselrolle für den Zugang zu Medieninhalten. Aus diesem Grund finden sich hier neben den Regelungen von technischen Zugangsfragen in § 48 TKG auch rundfunkrechtliche Bestimmungen in § 52c RStV. Eine wichtige Rolle für den Zugang zum Rezipienten spielen zudem sog. Electronic Program Guides (EPG), also elektronische Programmführer. In Zeiten zunehmender Kapazitäten im Bereich der Frequenzen bei gleichbleibender Aufnahmekapazität des Rezipienten ist es wichtig, einen Platz bei der Programmbelegung einzunehmen, der einen schnellen Programmzugriff erlaubt. Diese Belegung entscheidet über die Wahrnehmung des Programms in der Öffentlichkeit und damit über dessen Akzeptanz in der Werbewirtschaft. Daher ist ein Streit über die Art und Weise einer diskriminierungsfreien Programmzuweisung entbrannt, der auf Grundlage von § 52c Abs. 1 S. 2 Nr. 3 RStV von dem Beauftragten für Plattformregulierung und Digitalen Zugang unter inhaltlicher und verfahrensmäßiger Konkretisierung durch § 15 der Satzung über die Zugangsfreiheit zu digitalen Diensten gem. § 53 RStV überwacht wird.[44]

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Die durch die Konvergenz der verschiedenen Kommunikationsdienste und Netztechnologien bestehende Möglichkeit, Dienste auf unterschiedlichsten Wegen zu erbringen, führt zu der Forderung nach einer Gleichbehandlung dieser Dienste, ohne Ansehung der Übertragungstechnologie (Technologieneutralität der Regulierung).[45] Am greifbarsten wird dies wiederum am Beispiel des OTT-Dienstes Zattoo. Hier wird auf nicht-klassischem Wege (ein über die Homepage oder die App abrufbarer Stream) das laufende Programm des klassischen Rundfunks zeitgleich gespiegelt, so dass der Weg der Verbreitung zwar ein grundlegend anderer, das Resultat aber im Wesentlichen, abgesehen von einer Verzögerung von wenigen Sekunden, dasselbe ist.

5. Regulierung von Nutzungsentgelten

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Auf der letzten Regulierungsstufe geht es um die Regulierung der Nutzungsentgelte, seien es Rundfunkgebühren, die seit dem 1.1.2013 aufgrund des 15. RÄStV durch einen geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag ersetzt worden sind,[46] Abonnemententgelte für Pay-TV-Angebote oder Anschlussentgelte. Diese werden aufgrund ihrer technischen und inhaltlichen Seite auf Grundlage von TKG und RStV durch die Bundesnetzagentur und die Landesmedienanstalten kontrolliert. Hinzu kommt auf dieser Ebene die Erhebung der Nutzungsentgelte durch Verwertungsgesellschaften.[47] Seit Frühjahr 2017 ist nach einer knapp einjährigen Testphase DVB-T2 als Nachfolger des DVB-T im Regelbetrieb. Hier können nach Anschaffung eines entsprechenden Receivers die öffentlich-rechtlichen Sender kostenlos und in HD empfangen werden, für den Empfang der privaten Sender fällt allerdings eine monatliche Gebühr von 5,75 EUR[48] an.

III. Neuordnung der Rundfunkregulierung in Zeiten von Digitalisierung und Konvergenz

1. Bedürfnis zur Anpassung bisheriger Regelungsstrukturen

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Während der Rundfunk durch Staatsverträge (RStV), Landesmediengesetze (z.B. LMG NRW[49]) und diverse Spezialgesetze (z.B. TKG oder UrhG) teils mehrfach reguliert ist, ist die Verbreitung von Inhalten über das Internet kaum reguliert. Insoweit stellt sich die Frage, ob dies den heutigen medialen Gegebenheiten noch angemessen Rechnung trägt. Dagegen spricht, dass die Darbietung von öffentlichkeitsrelevanten Inhalten längst nicht mehr auf lineare Angebote im Sinne des klassischen Fernsehens oder Hörfunks beschränkt ist. Häufig werden dieselben Inhalte zugleich auf verschiedenen non-linearen Wegen zum Abruf bereitgehalten (z.B. die Tagesschau-App[50] oder die Mediatheken diverser Rundfunkveranstalter).[51] Andererseits werden ursprünglich über das Internet verbreitete Inhalte von den traditionellen Medien aufgegriffen und dadurch zum Gegenstand öffentlicher Meinungsbildung gemacht. Auch werden interaktive Kommunikationsformen des Internets in das massenkommunikative Rundfunkangebot integriert und teils sogar in das laufende Programm eingebunden (sog. Social Television).[52] Die wechselseitige Einflussnahme von Rundfunk und Internet sowie die damit einhergehende Präsentation eines multimedialen Gesamtangebots findet seine Entsprechung in den veränderten Bedürfnissen der Nutzer. Angesichts der weitreichenden Verbreitung des Internets, das zunehmend über mobile Endgeräte genutzt wird, wird die Abrufbarkeit der Inhalte jederzeit, jederorts sowie von jedem beliebigen Gerät vorausgesetzt. Maßgeblich für den Nutzer ist dabei ausschließlich der problemlose Zugriff auf das gewünschte Angebot.[53] Ob und in welchem Umfang die Art der Verbreitung staatlicher Regulierung unterliegt, ist für ihn dagegen unerheblich.[54]

2. Einheitliche Regulierung von Rundfunk und Telemedien

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Werden aber vergleichbare Inhalte dargeboten, erschließt sich nicht ohne weiteres, warum diese – je nach linearer (Rundfunk) oder non-linearer (Internet) Verbreitung – unterschiedlich reguliert sein sollten.[55] Zwar kommt dem klassisch linearen Fernsehen nach wie vor eine hohe Aktualität, Suggestivkraft und Breitenwirkung zu.[56] Allerdings weisen zahlreiche Internetangebote mittlerweile eine vergleichbare – im Einzelfall unter Umständen sogar größere – Meinungsbildungsrelevanz auf.[57] Eine besondere Dynamik kann insoweit durch die Nutzer entstehen, welche bestimmte Inhalte innerhalb sozialer Netzwerke verbreiten und dadurch eine Kettenreaktion auslösen (sog. Virale Vernetzung).[58]

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Deutlich wird dies bei den immer beliebter werdenden Streaming-Anbietern wie Netflix oder Amazon Instant Video. Die teils vom Anbieter selbst produzierten und exklusiv vermarkteten Serien tragen nicht weniger zur Meinungsbildung bei und entfalten eine durchaus vergleichbare Breitenwirkung wie klassische Rundfunkprogramme.[59] War früher der sonntägliche ARD-Tatort in der nächsten Woche das Gesprächsthema, sind es jetzt zumindest in der jüngeren Zielgruppe auch Erstveröffentlichungen der Netflix-Serien.[60] Die Internetangebote treten also in erheblichem Maß neben den klassischen Rundfunk.[61] Ähnliches gilt für die YouTube-Kanäle, auf denen in regelmäßig wiederkehrenden Videobeiträgen etwa Kosmetiktipps oder Hinweise und Anleitungen zu Computerspielen (Letsplayer) abrufbar sind. So ist allein das deutschsprachige Gamingportal Rocket Beans in seiner Reichweite (über 300 000 Abonnenten) mit Rundfunkangeboten vergleichbar.[62]

Der Bedeutungsgewinn der Internetangebote wurde im Zusammenhang mit der Übertragung der Handball-WM im Jahr 2017 per Internet ebenfalls deutlich. Nachdem sich der Rechteinhaber beIN Sports mit keinem Rundfunksender auf eine Übertragung einigen konnte, wurden die Spiele im Internet als Livestream gezeigt. Dies ist im Hinblick auf die veränderten Verbreitungs- und Konsumierungswege bemerkenswert. Gestreamt wurde die WM über YouTube von einer Bank als einer der Sponsoren des Turniers, so dass sich die Frage nach einer Rundfunklizenz stellte. Nach einer im Vorfeld der WM geäußerten Einschätzung der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) war die Berichterstattung „aller Voraussicht nach als zulassungspflichtiger Rundfunk einzustufen“. Insgesamt hat die ZAK im Ergebnis aufgrund der „besonderen und außergewöhnlichen Einzelfallsituation“ die Ausstrahlung der Handball-WM auf dem Internet-Portal der Bank geduldet.[63] Im Nachgang beanstandete die ZAK die Übertragung, da die Ausstrahlung einer rundfunkrechtlichen Zulassung bedurft hätte. Zum einen bestand laut ZAK kein Zweifel an der journalistisch-redaktionellen Gestaltung der Übertragung kommentierter Handballspiele. Zum anderen sei das Kriterium der Linearität durch die Vielzahl der planmäßig übertragenen Handballspiele ebenfalls unzweifelhaft gegeben.[64]

Ein weiteres Beispiel für eine Überschneidung von Mediengattungen liefert der YouTube-Kanal „PietSmiet“. Hierbei handelt es sich um einen Streaming-Kanal, der an sieben Tagen pro Woche ganztägig vor allem „Let‘s Plays“, die das Spielen von Games zeigen, verbreitet. Dieser YouTube-Kanal wurde von der ZAK ebenfalls als zulassungspflichtiges Rundfunkangebot eingestuft. Denn die Inhalte werden nach deren – von Seiten der Anbieter aber bestrittenen Auffassung – linear entlang eines Sendeplans verbreitet und können vom Nutzer weder zeitlich noch inhaltlich beeinflusst werden.[65] In einem ausstehenden Rechtsstreit, der eine Vielzahl vergleichbarer Angebote im Netz betrifft, dürfte insbesondere die Frage interessant sein, welche Anforderungen an den Sendeplan zu stellen sind.

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Regulierungsbedarf besteht also insgesamt bei solchen über das Internet verbreiteten Angeboten, die eine dem Rundfunk vergleichbare Wirkmacht aufweisen.[66] Einfluss auf die Meinungsbildung der Nutzer kann bereits im Rahmen des Zugangs zu einzelnen Internetangeboten genommen werden. So können die Provider mithilfe spezieller Überwachungs- und Filtertechnik auf von den Nutzern übertragene Dateninhalte (z.B. E-Mails, abgerufene Webseiten) einwirken und diese umleiten, vollständig zurückhalten oder sogar inhaltlich verändern (sog. Deep Packet Inspection).[67] Gerade auch die Suchmaschinen und insbesondere der „Quasi-Monopolist“ Google üben Macht darüber aus, welche Inhalte von den Nutzern zur Kenntnis genommen werden.[68] Mithilfe von Suchalgorithmen wird die unüberschaubare Menge an Netzinhalten nach Relevanz für die jeweilige Suchanfrage geordnet. Weil die Funktionsweise dieser Algorithmen von den Unternehmen weitgehend geheim gehalten wird, können diese auf die Reihenfolge der angezeigten Suchergebnisse Einfluss nehmen. Auch kann eine inhaltliche Vorselektierung der Trefferliste anhand persönlicher Vorlieben des Suchenden erfolgen. Ermöglicht wird dies durch die umfangreiche Sammlung von Nutzerdaten und die Dokumentation von deren Surfverhalten. Des Weiteren können die Nutzer durch gezielte Vorschläge, die den jeweiligen Suchbegriff automatisch ergänzen (sog. Autocomplete-Funktion), zur Auswahl bestimmter Inhalte bewegt werden.[69] Hier muss der Gesetzgeber regulierend tätig werden, um die Meinungs- und Informationsvielfalt im Wege neutraler und transparenter Auswahlprozesse zu gewährleisten.[70] Besonderes Augenmerk muss dabei auf Machtstrukturen gelegt werden, die dem Pluralismus der Meinungen und Informationen abträglich sind.[71]

 

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Ähnliches gilt für die über Facebook auf den Timelines der Nutzer wiedergegebenen Inhalte. Diese sind teils private Meinungsbekundungen, teils verlegerische Angebote, deren Verbreitungsgrad und somit auch Klickhäufigkeit zum einen durch einen von Facebook kontrollierten Algorithmus und zum anderen durch die Verbreitung durch die Nutzer („Gefällt mir“-Button) bestimmt wird. Durch die Verbreitung über Freunde besteht zum einen die Gefahr einer „Meinungsbubble“, zum anderen mag manchem Nutzer ein von einem Freund empfohlener Artikel durch den persönlichen Bezug besonders glaubhaft erscheinen. Solche nachrichtenähnlichen Inhalte sind Multiplikatoren der Meinungsbildung und erfüllen damit das Kriterium eines Mediums, ohne aber wie die klassischen Medien reguliert zu sein.[72] Es handelt sich demnach um neue Formen der Meinungsbildung und -macht, deren Relevanz und Brisanz evident werden, wenn es um die Verbreitung von „Fakenews“, also ausgedachter und unwahrer Nachrichten und Meldungen, geht. Hierin liegt eine neue und sehr konkrete Gefahr einer Meinungsmacht und Beeinflussung, die geeignet sein kann, die Meinungsfreiheit zu pervertieren. Denn wird die Meinungsfreiheit als Vorwand für Beleidigungen und Ehrverletzungen („Hatespeech“) missbraucht, so verliert sie ihre in Art. 5 Abs. 1 GG vorgesehene Legitimierung.[73] Dies kann einen ähnlich gravierenden und zersetzenden Effekt auf die Meinungsfreiheit und letztlich die Demokratie haben wie Meinungsmonopole und -kartelle.[74] Begegnet werden könnte diesen Gefahren mit einer dreistufigen Regulierung. In einem ersten Schritt ist es dem jeweiligen Unternehmen selbst überlassen, ggf. mit externer Hilfe geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Rechtsverstöße zu ahnden. In einem zweiten Schritt stünde ein runder Tisch der wesentlichen betroffenen Netzanbieter, der verbindliche Regeln festsetzt. Ein dritter Schritt wäre dann ein System der freiwilligen Selbstkontrolle, wie etwa nach dem Vorbild des Jugendmedienschutzes. Bei dieser Form der regulierten Selbstregulierung würden die Anbieter als maßgebliche Teiler der Internetwirtschaft selbst den Rahmen vorgeben dessen Einhaltung in Form einer staatlichen Letztkontrolle überwacht würde.[75]

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Auch der Gesetzgeber sah hier Handlungsbedarf. Er hat das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG)[76] auf den Weg gebracht, das am 1.10.2017 in Kraft getreten ist.[77] Das Gesetz stellt einen wichtigen Baustein zur Internetregulierung dar.[78] Als verfassungskonforme Ausgestaltung der Meinungsfreiheit enthält es Verfahrensregeln für die Nutzung Sozialer Netzwerke und nimmt so die Anbieter Sozialer Medien verstärkt in die Verantwortung.[79] Das NetzDG konkretisiert dazu unter anderem die Regelungen des TMG durch Verfahrensvorschriften und überträgt Sozialen Netzwerken Pflichten, die der EuGH für Suchmaschinenbetreiber zum Teil bereits etabliert hat.[80] Die durch das NetzDG unvermeidlichen Eingriffe in die Meinungsfreiheit nach Art. 5 I GG wurden in einen angemessenen Ausgleich mit deren Schranken aus Art. 5 II GG zum Schutz der Persönlichkeitsrechte Dritter gebracht.[81] Insbesondere verfolgt das NetzDG den Ansatz einer regulierten Selbstregulierung: Anbieter Sozialer Netzwerke können sich einer privaten Kontrolleinrichtung anschließen und sich deren Verfahrensstandards unterwerfen. Es soll ein Beschwerdemanagementsystem entwickelt und zertifiziert werden, das mit einer staatlichen Aufsichtsbehörde abgestimmt wird. Wer sich diesen Standards unterwirft und sie einhält, kann in der Folge von der Aufsicht wegen seines Beschwerdemanagements und im Falle vermuteter Verstöße gegen die gesetzlichen Standards nicht belangt werden und ist insoweit privilegiert. Indem der Durchgriff der Aufsicht auf zertifizierte Anbieter gesperrt ist, entfällt für diese der Druck, aus Angst vor einem Bußgeld Inhalte vorschnell zu löschen (sog. „Overblocking“).[82] Die materiell-rechtliche Entscheidung hinsichtlich der Rechtswidrigkeit von Inhalten bei der Bearbeitung von Beschwerden ist vom NetzDG nicht betroffen. Hier endet die Kompetenz des Bundes aus dem Recht der Wirtschaft. Nach welchen Regeln Inhalte verboten werden müssen, entscheiden die jeweilige Medienaufsicht der Länder und ihre Landesmedienanstalten.[83]

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Neben der Vielfaltsicherung und unabhängig von der Meinungsbildungsrelevanz eines Angebots muss auch der Zugriff auf Inhalte mit Gefährdungspotential einheitlich geregelt werden.[84] Als gefährdete Rechtsgüter kommen beispielsweise das Urheberrecht,[85] Persönlichkeitsrechte Dritter oder der Jugendschutz[86] in Betracht. So müssen etwa jugendgefährdende Inhalte im Internet in gleicher Weise vor der Nutzung durch Minderjährige geschützt werden, wie dies bei gleichartigen Fernsehprogrammen der Fall ist.[87] Auch können die dargebotenen Inhalte selbst – etwa durch Missachtung des Urheberrechts – gefährdet sein. Werden Rechtsgüter Dritter gefährdet, kann durch Zugangsbeschränkungen sichergestellt werden, dass die jeweiligen Inhalte nur autorisierten Personen (z.B. Personen über 18 Jahre oder zahlende Kunden einer Online-Videothek) zur Verfügung stehen. Daneben besteht die Möglichkeit, rechtsverletzende Inhalte zu filtern/zu sperren oder zu löschen. Allerdings stoßen derartige Vorhaben häufig auf erhebliche Widerstände der sog. Netzgemeinde, die sich in ihren Kommunikationsfreiheiten unangemessen beschränkt sieht.[88] Tatsächlich müssen derartige Bedenken dahingehend berücksichtigt werden, dass der Abruf von Inhalten nicht unverhältnismäßig und vor allem nur auf solche Angebote beschränkt wird, die eindeutig rechtsverletzend sind.[89] In seiner „Goldesel“-Entscheidung hat der BGH[90] entschieden, dass Access-Providern, die rechtswidrige Inhalte wie etwa urheberrechtlich geschützte Musik verbreiten, die Pflicht auferlegt werden kann, den Zugang zu den rechtswidrigen Inhalten im Netz zu sperren. Ein ausdrücklicher Sperranspruch der Rechteinhaber findet sich nun mehr in § 7 Abs. 4 S. 1 TMG.[91] Dies soll jedoch erst dann erforderlich sein, wenn die Rechteinhaber vorher versucht haben, die Identität der Websiteinhaber zu ermitteln und unmittelbar gegen diese vorzugehen.[92] Netzsperren müssen nach § 7 Abs. 4 S. 2 zumutbar und verhältnismäßig sein und sind demnach nur als Ultima Ratio ein zulässiges Mittel.

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Losgelöst von Übertragungswegen und linearer bzw. non-linearer Angebotsstruktur bedarf es einer Regulierung folglich immer dann, wenn der jeweilige Inhalt für die persönliche und allgemeine Meinungsbildung von Relevanz ist oder ein gefährdendes Potential für bestimmte Rechtsgüter aufweist oder diese sogar verletzt. Hiervon ausgehend kann und muss ein abgestuftes System weg von der Sonderstellung des Rundfunks hin zu einer flexiblen angebots- und inhaltsbezogenen Regulierung geschaffen werden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass eine ausgewogene, die Rechtspositionen sämtlicher Beteiligter in Betracht ziehende Regulierung nicht freiheitsbeschränkend wirkt, sondern für die Meinungs- und Informationsvielfalt sowie die Verhinderung bzw. Kontrolle einseitiger Machtstrukturen vielmehr konstituierend ist.[93]

3. Aktuelle Regulierungsansätze

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Angesichts der zunehmenden Überschneidung sämtlicher Mediengattungen und der damit verbundenen Zuordnungsschwierigkeiten wird bisweilen die Schaffung eines einheitlichen Grundrechts der Medienfreiheit gefordert.[94] Wird aber die Differenzierung nach Mediengattungen auf Verfassungsebene aufgegeben, müsste auch die einfachgesetzliche Medienordnung auf eine gattungsspezifische Regulierung verzichten. Angezeigt wäre insoweit eine gattungsübergreifende Regulierung nach den Kriterien der Meinungsbildungsrelevanz und des Gefährdungspotenzials eines Angebots.[95]

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Neben der Einführung eines einheitlichen Mediengrundrechts wurde alternativ die Schaffung einer zusätzlichen grundrechtlichen Gewährleistung, der sog. Internetdienstefreiheit, vorgeschlagen.[96] Parallel dazu wurde auf einfachgesetzlicher Ebene die Schaffung eines Internet-Gesetzbuches (NetGB) als einheitliches Gesetz gefordert, in dem alle Normen mit Netzbezug vereint werden sollen. Angedacht war z.B., den Anspruch auf Zugang zum Netz, den Schutz der Daten und der digitalen Persönlichkeit, den Kinder- und Jugendschutz, den Verbraucherschutz bei Geschäften im Internet und das Urheberrecht in der digitalen Welt zu behandeln.[97] Derartige Bestrebungen bieten indessen gegenüber der aktuellen Rechtslage keinen Vorteil und sind in der Debatte zu Recht in den Hintergrund getreten. Durch die ausdrückliche Benennung der „Internetdienste“ neben den grundrechtlich geschützten Gattungen des Rundfunks, der Presse und dem Film würde lediglich eine zusätzliche Begriffskategorie geschaffen. Der medialen Realität, in der sich Angebote häufig nur noch schwer in derartige Kategorien einteilen lassen, wäre dadurch kein Dienst erwiesen. Auch wird die bloße Kompilation von Normen in einem Internet-Gesetzbuch den Besonderheiten des Internets nicht gerecht. Der Regelungsgegenstand ist nicht fassbar und unspezifisch. Wegen der Spezifika des Internets hinsichtlich seiner Wirkmechanismen und Wirkmacht, deren Auswirkungen erst verstanden werden müssen, bedarf es Stück für Stück einer Anpassung der rechtlichen Grundlagen. Zugleich ist es wichtig, an Eckpfeilern der Medienordnung festzuhalten. Daran zu rütteln besteht kein Anlass, da das Internet und das Verhalten seiner Nutzer auf Maßstäbe der rechtlichen Wertung keinen Einfluss nehmen dürfen.[98]

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Bisweilen wird in der Politik eher vereinzelt die Schaffung eines Bundesdigitalministeriums angeregt. Die digitale Politik, die aktuell in die Zuständigkeit einer Vielzahl von Ministerien, vor allen Dingen in die des Bundesverkehrsministeriums fällt, könne unter dem Dach des neuen Ministeriums einheitlich und effizienter betrieben werden. Die Zuständigkeit kann danach die Themengebiete Gigabit-Infrastruktur, Vernetzung des Internets der Dinge, Industrie 4.0, automatisiertes Fahren, digitale Bildung, Förderung von Start-Ups und Datenschutz umfassen.[99]

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Bereits 2014 wurde mit dem Bundestagsausschuss „Digitale Agenda“ (ADA)[100] ein festes Gremium für Netzpolitik geschaffen.[101] In ihm werden Aspekte der Digitalisierung und Vernetzung fachübergreifend diskutiert und es sollen Impulse für die rechtliche Umsetzung des digitalen Wandels gesetzt werden.[102] Selbstständige Entscheidungskompetenzen kommen dem Ausschuss nicht zu. Vielmehr hat er lediglich beratende Funktion. Einerseits wird dies angesichts geringer Einflussmöglichkeiten des Gremiums auf Gesetzesinitiativen als Nachteil verstanden. Andererseits wird die Tatsache, dass der Ausschuss nicht federführend tätig sein wird, als Chance für eine breite Diskussionsbasis gesehen, die nicht auf einzelne Gesetzgebungsvorhaben beschränkt ist.[103]