Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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1.1 Vorgaben der AVMD-Richtlinie

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Im Gegensatz zu der Abgrenzung von Telemedien und Telekommunikation ist die Abgrenzung von Telemedien zum Rundfunk nicht nur inhaltlich schwierig. Sie steht auch vor dem Problem, dass europarechtliche Vorgaben und der einfachgesetzliche Rundfunkbegriff nicht immer übereinstimmen. Die zentrale europäische Richtlinie ist die AVMD-RL,[20] die einen gemeinsamen Rechtsrahmen für alle audiovisuellen Mediendienste vorsieht. Nicht vom Anwendungsbereich der AVMD-RL erfasst ist der Hörfunk. Audiovisuelle Mediendienste sind Dienstleistungen, für die eine redaktionelle Verantwortung besteht und deren Hauptzweck in der Bereitstellung von Informationen, Unterhaltung oder Bildung für die allgemeine Öffentlichkeit besteht. Die Richtlinie unterscheidet zwischen Fernsehprogrammen gem. Art. 1 lit. e) AVMD-RL und audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf nach Art. 1 lit. g) AVMD-RL. Der AVMD-RL sieht eine abgestufte Regulierungsdichte vor. Ein strengeres Regulierungsregime ist für Fernsehprogramme vorgesehen. Eine geringere Regulierungsdichte besteht für Abrufdienste.

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Ausgangspunkt für die Unterscheidung ist die Differenzierung zwischen linearen und nicht-linearen Diensten. Fernsehprogramme sind lineare Dienste. Darunter versteht die AVMD-RL Programme, die der Mediendiensteanbieter zum zeitgleichen Empfang auf Grundlage eines Programmplans zur Verfügung stellt. Audiovisuelle Mediendienste auf Abruf zeichnen sich dadurch aus, dass sie für den Empfang zu einem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt und auf dessen individuellen Abruf hin aus einem festgelegten Programmkatalog bereitgestellt werden. Laut Erwägungsgrund 27 der AVMD-RL sollen zu den Fernsehprogrammen insbesondere analoges und digitales Fernsehen, Live-Streaming, Webcasting und der zeitversetzte Videoabruf („Near-video-on-demand“) zählen. Als Beispiel für einen audiovisuellen Mediendienst auf Abruf nennt Erwägungsgrund 27 hingegen das „Video-on-demand“.

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Ein Aspekt der AVMD-RL hat für erhebliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung ins deutsche Recht gesorgt: Die Abrufdienste nach Art. 1 lit. g) der Richtlinie unterliegen ebenfalls der ECRL, soweit es sich bei ihnen um Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne der Transparenzrichtlinie handelt, vgl. Erwägungsgrund 25 AVMD-RL. Der Anwendungsbereich der ECRL ist technisch abgegrenzt und nicht technologieneutral. Das BVerfG verlangt aber, dass bei der Einstufung von Diensten unter den Rundfunkbegriff nicht an eine bereits eingeführte Technik angeknüpft werden kann.[21] Die Abgrenzung zwischen Rundfunk und Telemedien wurde daher früher anhand des qualitativen Kriteriums der Meinungsbildungsrelevanz vorgenommen. Dementsprechend wurden z.B. Teleshoppingsender nach alter Rechtslage nicht als Rundfunk angesehen. Die europarechtlichen Vorgaben zwangen hier zu einer schwierigen Neuorientierung des deutschen Gesetzgebers. Europarechtlich wird eben keine Unterscheidung zwischen Rundfunk und Telemedien getroffen. Die Abgrenzung zwischen audiovisuellen Mediendiensten mit geringerer Meinungsbildungsrelevanz und solchen, die wegen ihrer höheren Meinungsbildungsrelevanz einer strikteren, rundfunkrechtlichen Regulierung bedürfen wird hier aber entlang der Kriterien linear und nicht-linear bestimmt.[22] Inhaltedienste, die nicht audiovisuelle Mediendienste sind, werden nicht von der AVMD-RL, sondern von der ECRL erfasst.

1.2 Linearität, Sendeplan und Allgemeinheit

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Die primäre Abgrenzung zwischen Rundfunk und Telemediendiensten erfolgt immer noch über das Merkmal der Linearität, das der Rundfunkstaatsvertrag aus der AVMD-RL übernommen hat. Linearität wird in § 2 Abs. 1 RStV definiert als Bestimmung „zum zeitgleichen Empfang und Ausstrahlung entlang eines Sendeplans“. Über das Merkmal wird Rundfunk von Abrufdiensten abgegrenzt. Technisch kann als Wesensmerkmal von Rundfunk angesehen werden, dass die Kommunikation grundsätzlich als Punkt-zu-Mehrpunkt-Verbindung ausgestaltet ist. Der Gegensatz hierzu ist die individuelle Punkt-zu-Punkt-Kommunikation. [23] Eine rein technische Unterscheidung zwischen Punkt-zu-Punkt- oder Punkt-zu-Mehrpunkt-Verbindung ist aber nicht ausreichend. Bei der „Bestimmung“ kommt es nur auf den allgemeinen Zweck an, eine gemeinsame Öffentlichkeit herzustellen, die tatsächliche Nutzung ist nicht entscheidend.[24] Ansonsten wäre das Merkmal für die Abgrenzung zu Abrufdiensten untauglich, da einerseits auch Sendungen in Abrufdiensten „gleichzeitig“ wiedergegeben werden können, andererseits bei der Wiedergabe von Livestreams oder dem Abspielen von Sendungen aufgrund einer Playlist in einer Mediathek oder Videoplattform technisch auch immer ein „individueller Abruf“ erfolgt. Wenn die Inhalte für den einzelnen, individuellen Zugriff des Nutzers bereitgestellt werden, dieser aktiv darauf zugreifen muss und ein etwaiger zeitgleicher Empfang mit anderen Nutzern lediglich technisch möglich aber ansonsten dem zufälligen Nutzungsverhalten überlassen ist, liegt kein Rundfunk vor.

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Beispiel für einen Abrufdienst i.d.S. ist nach der AVMD-RL das „Video-on-Demand“, bei dem der Anbieter audiovisuelle Inhalte zum individuellen Zugriff durch die Nutzer bereithält. „Video-on-Demand“-Dienste in diesem Sinne sind z.B. Online-Videotheken wie Maxdome, Netflix oder Amazon Prime. Abrufdienste sind ebenfalls die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie der privaten Sender, die Inhalte auch nach Ausstrahlung als Catch-Up-Dienst bereithalten. Wie der Dienst konkret ausgestaltet ist oder ob die Inhalte nur zeitweise zum Streaming freigeschaltet oder zum Download erworben werden, hat rundfunkrechtlich keine Bedeutung, wird aber z.B. für Anbieter urheberrechtlich bei der Frage des Rechteerwerbs relevant sein.

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Die Ausstrahlung muss zudem entlang eines Sendeplans erfolgen. Was ein Sendeplan ist, wird weder im RStV noch in der AVMD-RL legal definiert. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 RStV ist eine Sendung „ein inhaltlich zusammenhängender, geschlossener, zeitlich begrenzter Teil eines Rundfunkprogramms“. In engem Zusammenhang mit dem Sendeplan steht die in Art. 1 Abs. 1 lit. c) AVMD-RL konkretisierte „redaktionelle Verantwortung“ als eine wirksame Kontrollausübung hinsichtlich der Zusammenstellung und Bereitstellung von Sendungen „entweder anhand eines chronologischen Sendeplans“ oder mittels eines Katalogs bei Abrufdiensten.

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Das Angebot sollte einem traditionellen Fernsehprogramm ähneln.[25] Um sinnvoll von einem Sendeplan sprechen zu können, müssen mehrere einzelne (abgeschlossene) Sendungen in festgelegter zeitlicher Reihenfolge gesendet werden. Die Ausstrahlung und Wiederholung einer Einzelsendung ist nicht ausreichend.[26] Gleiches gilt, wenn die Ausstrahlung unregelmäßig erfolgt. An die Länge der Einzelsendung selber sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Auch kurze Sequenzen „aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung“ können den Sendebegriff erfüllen.[27] Die Landesmedienanstalten gehen in ihrer Checkliste „Web-TV“ entsprechend davon aus, dass Rundfunk jedenfalls bei einmaliger oder sporadischer Verbreitung einer Sendung nicht vorliegt.[28] Folgen die Sendungen nicht unmittelbar aufeinander, so dass eine dem klassischen Rundfunk vergleichbare Situation des Ausgeliefertseins an das Programmschema nicht entsteht, ist nicht mehr von Rundfunk auszugehen, auch wenn eine chronologische Anordnung grundsätzlich erkennbar ist.[29] Liegt etwa ein monatlicher Abstand zwischen Einzelsendungen, ist eine rundfunkrechtliche Regulierung grundsätzlich nicht erforderlich. Hier kommt es aber auf eine Einzelfallprüfung an. Die Landesmedienanstalten gehen etwa auch bei einer wöchentlichen Ausstrahlung von Pressekonferenzen von Rundfunk aus.

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Viel diskutiert wurde die Einordnung von „Near-Video-on-Demand“-Diensten, wobei diese praktisch wohl eher keine Bedeutung mehr haben. Diese Angebote sind technisch zwar Abrufdienste. Der Empfänger steigt aber in ein laufendes, in Schleifen wiederholtes Programm ein, das zum zeitgleichen Empfang bestimmt ist. Die AVMD-RL ordnet diese Dienste den Fernsehprogrammen zu (Erwägungsgrund 27 AVMD-RL).[30] Im Ergebnis wird in Deutschland die europäische Abgrenzung übernommen, nach der „Near-Video-on-Demand“-Dienste dem Rundfunk zuzuordnen sein sollen.[31]

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Schließlich muss der Dienst für die Allgemeinheit bestimmt sein. Auch bei linearen audiovisuellen Diensten ist dies nicht stets der Fall, wie sich aus § 2 Abs. 3 Nr. 1 RStV ergibt, der Dienste mit weniger als 500 potentiellen Nutzern vom Rundfunkbegriff ausnimmt.[32] Fraglich ist, ob darüber hinaus Dienste, bei denen die Kommunikation an einen bestimmten und überschaubaren Empfängerkreis gerichtet ist, vom Rundfunkbegriff trotz Linearität ausgenommen sind. Diese Frage ist für Pay-TV geklärt, da § 2 Abs. 1 S. 2 RStV diese dem Rundfunk zuordnet. Bei geschlossenen Benutzergruppen bleibt sie aber virulent, sofern diese nicht ohnehin unter die Bagatellgrenze in § 2 Abs. 3 Nr. 1 RStV fallen. Soweit sich audiovisuelle Mediendienste nur an Gruppen richten, die durch gemeinsame Merkmale (z.B. Beruf) verbunden sind, die Mitglieder dieser Gruppe in einer besonderen Beziehung zum Anbieter stehen und der Dienst lediglich zur Befriedigung der besonderen Interessen dieser Gruppe dient, sind diese richtigerweise nicht mehr an die „Allgemeinheit“ gerichtet.[33] Letztlich fehlt diesen Diensten für geschlossene Benutzergruppen die notwendige Breitenwirkung und damit Meinungsbildungsrelevanz. Firmen- bzw. Business-TV, das sich ausschließlich an Mitarbeiter eines bestimmten Unternehmens richtet, fällt so aus der rundfunkrechtlichen Regulierung heraus.[34] Kunden-TV hingegen richtet sich an die Allgemeinheit und ist daher Rundfunk.[35]

 

1.3 Inhalteneutralität des einfachgesetzlichen Rundfunkbegriffs?

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Die im deutschen Recht vorherrschende Technologieneutralität der Regulierung sorgt für erhebliche Schwierigkeiten bei der richtigen Zuordnung der jeweiligen Dienste. Die Abgrenzung fällt vor allem deshalb so schwer, weil Rundfunk auch immer ein elektronischer Informationsdienst ist und damit auch Telemedium[36] und sowohl Rundfunk als auch Telemedien in ihren Ausprägungen dem verfassungsgerichtlichen Rundfunkbegriff subsumiert werden können.[37] Aufgrund der Schwierigkeiten bei der Abgrenzung setzten anfangs viele Versuche, Rundfunk von anderen elektronischen Informations- und Kommunikationsdiensten zu unterscheiden, bei dem Kriterium der Allgemeinheit aus der Definition des § 2 Abs. 1 S. 1 RStV an. Diese Unterscheidung berücksichtigt allerdings nicht die Technologieneutralität des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs. Denn danach ist ein Dienst an die Allgemeinheit gerichtet, wenn eine beliebige Öffentlichkeit auf ihn zurückgreifen kann, was auch bei Abrufdiensten der Fall ist, es sei denn, der Zugang zu ihnen steht, wie bei E-Mails, nur einem begrenzten Personenkreis offen.[38] Daher musste die Abgrenzung zwischen Rundfunk und Telemediendiensten an inhaltlichen Kriterien vorgenommen werden, die vor allem auf die Meinungsrelevanz des jeweiligen Dienstes abstellt. Nur wenn ein Dienst gesteigerte Relevanz für die öffentliche Meinungsbildung aufwies, war er dem Rundfunk zuzuordnen.[39] Diese Abgrenzung wurde im Rahmen der Prüfung des Darbietungsmerkmals vorgenommen. Mit dem Verzicht auf das Darbietungselement erscheint auf den ersten Blick der neue Rundfunkbegriff nun inhalteneutral zu sein.[40] Damit wären alle an die Allgemeinheit verbreiteten Inhalte, die zum zeitgleichen Empfang bestimmt sind, dem Rundfunk zuzuordnen. Anderseits wären dementsprechend alle anderen Inhaltedienste konsequenterweise den Telemedien zuzurechnen.

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Der Gesetzgeber ging allerdings davon aus, dass auch nach der Neufassung das Kriterium der Meinungsrelevanz seine Bedeutung behalten sollte. Mit der Neuformulierung des § 2 Abs. 1 S. 1 RStV war lediglich eine europarechtskonforme Konkretisierung des Rundfunkbegriffs beabsichtigt. Ausdrücklich wird in der Begründung zum 12. RÄndStV ausgeführt, dass die Definition „unverändert die Veranstaltung von Angeboten für die Allgemeinheit und die damit bereits bisher herangezogenen Kriterien der Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft umfasst“. Die Abgrenzung zu Sachverhalten ohne Rundfunkcharakter soll nun durch die Ausnahmetatbestände des § 2 Abs. 3 RStV erfolgen. Dort werden Angebote für einen begrenzten Empfängerkreis oder ohne journalistisch-redaktionelle Gestaltung von der rundfunkrechtlichen Regulierung ausgenommen. Die Begründung des 12. RÄndStV betont, dass diese Angebote im Hinblick auf die Kriterien, die zur Begründung der Meinungsbildungsrelevanz herangezogen wurden, nicht dem Rundfunkbegriff unterfielen und deshalb aus dem Anwendungsbereich des Rundfunkrechts auszugrenzen seien. Die Begründung widerspricht so dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 S. 1 RStV, der wegen des Verzichts auf das Darbietungselement eigentlich von einer Inhalteneutralität des Rundfunks auszugehen scheint.[41]

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Die Unstimmigkeiten zwischen europarechtlichem Rahmen, Begründung und Fassung des RStV zeigen sich bei der konkreten Prüfung einzelner Dienste. Teleshopping wurde nach § 2 Abs. 1 S. 4 RStV a.F. explizit den Telemedien zugeordnet. Diese Angebote sind aber linear i.S.v. Art. 1 lit. e) AVMD-RL. Unter Hinweis auf die AVMD-RL wurde die Vorschrift durch den 12. RÄndStV gestrichen. Art. 7 Abs. 2 des 12. RÄndStV ordnet darüber hinaus ausdrücklich an, dass alle Teleshoppingkanäle für den Zeitraum von zehn Jahren als zugelassen gelten. Zwingend ist eine solche Einordnung allerdings nur, wenn der Verzicht auf das Darbietungselement eine wirkliche Bedeutung hätte. Wird nun aber die Meinungsrelevanz im § 2 Abs. 3 RStV geprüft, erscheint die Zuordnung von Teleshopping zum Rundfunk plötzlich gar nicht mehr so klar. Es ist zumindest zweifelhaft, inwiefern Teleshoppingangebote die nach § 2 Abs. 3 Nr. 4 RStV erforderliche journalistisch-redaktionelle Gestaltung aufweisen.

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Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass eine strikte Inhalteneutralität des einfachgesetzlichen Rundfunkbegriffs nicht mit den unionsrechtlichen Vorgaben, aber auch nicht mit den gesetzgeberischen Zielen und verfassungsrechtlichem Rahmen zu vereinbaren ist. Ob eine Abgrenzung nur über die Ausnahmetatbestände des § 2 Abs. 3 RStV dieser Vorgabe gerecht wird, ist zumindest zweifelhaft. Richtigerweise dürfte unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben und in richtlinienkonformer Auslegung von § 2 Abs. 1 S. 1 RStV die Meinungsbildungsrelevanz dort bereits mit hineinzulesen sein. Offen ist lediglich, bei welchem Tatbestandsmerkmal. Nach der Begründung zum 12. RÄndStV sollen die Elemente Aktualität, Breitenwirkung und Suggestivkraft im Rahmen des Tatbestandsmerkmals „Allgemeinheit“ geprüft werden, über das dann neben einer quantitativen Prüfung des Allgemeinbezugs auch eine qualitative Bewertung erfolgen muss.[42] Da lediglich das Kriterium der Breitenwirkung aber mit dem Merkmal „Allgemeinheit“ sinnvoll korreliert, die Elemente Suggestivkraft und Aktualität aber nur schwer in dieses eher quantitative Element einzufügen sind, erscheint es auch im Interesse einer klareren Abgrenzung der Tatbestandsmerkmale und der besseren Prüfbarkeit sinnvoll, die Meinungsbildungsrelevanz als (weiteres) ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu prüfen.[43]

1.4 Ausnahmekatalog des § 2 Abs. 3 RStV

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§ 2 Abs. 3 RStV nimmt bestimmte Dienste von der rundfunkrechtlichen Regulierung aus, selbst wenn diese Dienste grds. Rundfunk i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 RStV sind. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 RStV sind Angebote kein Rundfunk, wenn sie jedenfalls weniger als 500 Nutzern zum zeitgleichen Empfang angeboten werden. Nach Vorstellung des Gesetzgebers ist in diesem Bereich nicht mehr davon auszugehen, dass das Angebot für die Allgemeinheit bestimmt ist.[44] Ferner sei insbesondere der Einfluss auf die Meinungsbildung zu gering.[45] Wächst ein ursprünglich zulassungsfreier Mediendienst über diese Grenze hinaus, obliegt der ZAK gem. §§ 20 Abs. 2, 36 Abs. 2 Nr. 8 RStV die Einordnung des Dienstes als Rundfunk („jedenfalls“). Im Fall des IPTVs kann dies durch Begrenzung auf nicht mehr als 500 parallele Streams eingehalten werden.[46] Fraglich ist, ob die Begrenzung auf 500 gleichzeitige Nutzer sinnvoll ist und nicht mindestens großzügig von der Öffnungsklausel Gebrauch gemacht werden sollte. Die Formulierung „jedenfalls“ lässt einen Freiraum für die Beurteilung durch die Medienanstalten. Diese haben zum Teil Dienste mit bis zu 10 000 parallelen Streams einem vereinfachten Genehmigungsverfahren unterstellt.[47]

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Darüber hinaus ist grundsätzlich zu fragen, ob eine Reichweite von 500 Nutzern überhaupt tatsächlich die Breitenwirkung darstellt, die notwendig ist, um einen Dienst als Rundfunk zu qualifizieren. Insbesondere der Hinweis auf die Reichweite eines lokalen Hörfunksenders, auf den die 500 Nutzer-Grenze zurückzuführen ist, mag hier nicht überzeugen. Zwar mag es sein, dass ein lokaler Hörfunksender trotz Lizenzpflicht nur eine solch geringe Reichweite erzielen kann; daraus den Schluss zu ziehen, deswegen müssten andere Dienste, die nicht originär dem Rundfunk entstammen, nun hoch reguliert werden, ist indessen verfehlt. Viel eher sollte die Lizenzpflicht für lokale Hörfunksender fallen gelassen werden. Aus Pluralitätsgründen ist sie ohnehin nicht mehr zwingend notwendig, denn mit dem Internet und den darüber entstandenen Empfangsmöglichkeiten von Informationen ist eine Außenpluralität entstanden, die die bekannten Begründungen für die Notwendigkeit einer starken Rundfunkregulierung zumindest überdenkenswert macht.

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Ausgenommen sind ferner gem. § 2 Abs. 3 Nr. 3 RStV Dienste, die ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen. Die Vorschrift dürfte eher der Vollständigkeit dienen. Ein persönlicher oder familiärer linearer audiovisueller Mediendienst ist nur schwer vorstellbar. Kein Rundfunk sind Angebote, die nicht bestimmten journalistischen Handlungsregelungen entsprechen und die keine gewisse organisationale Verfestigung aufweisen, also redaktionell sind, § 2 Abs. 3 Nr. 4 RStV.[48] Auf eine professionelle Ausgestaltung kommt es dabei nicht an. Keine journalistische Gestaltung weisen reine Datendienste mit der Wiedergabe von Wetter- oder Börsendaten auf.[49] Gleiches gilt für reine Webcams, die nur unmittelbar über Streaming Geschehnisse wiedergeben.[50]

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Zudem werden Dienste, die „Video-on-Demand“-Angeboten vergleichbar sind, aus der rundfunkrechtlichen Regulierung herausgenommen. Kein Rundfunk sind Dienste, die zur unmittelbaren Wiedergabe aus Speichern von Empfangsgeräten bestimmt sind, § 2 Abs. 3 Nr. 2 RStV. Hiermit sind sog. Push-Dienste gemeint, die grds. linear gesendet werden, auf die der Nutzer aber aufgrund eines speziellen Berechtigungsschlüssels „Video-on-Demand“-vergleichbar zugreift. Die rechtliche Einordnung von „Pay-per-View“ ist heute sowohl auf unionsrechtlicher Ebene als auch einfachgesetzlich geklärt. Nach der AVMD-RL gehören „Pay-per-View“-Angebote als Abrufdienste den nicht-linearen Mediendiensten an. Auf einfachgesetzlicher Ebene nimmt § 2 Abs. 3 Nr. 5 RStV solche Sendungen aus dem Rundfunkbegriff aus, die jeweils gegen Einzelentgelt frei geschaltet werden. Dies wird damit begründet, dass diese Angebote aufgrund der Art der Rezeption mit den nicht-linearen Angeboten vergleichbar wären.[51] Nach deutschem Verständnis sind diese Angebote damit lediglich Telemedien. Auch hier fehlt es an einer mit den klassischen Rundfunkangeboten vergleichbaren Meinungsbildungsrelevanz, da die einzeln freigeschaltete Sendung nicht gleichzeitig von einer Allgemeinheit empfangen wird.